20.01.2021

Die Zukunft nach dem Brexit – Eine rechtliche Analyse des Handels- und Kooperationsabkommens

In unserem "Brexit-Bereich" informieren wir Sie über die aktuellen Entwicklungen zu dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und bieten Ihnen stets aktualisierte Informationen zu den betroffenen Rechtsgebieten.

Einleitung

Ein langer Weg

Mit dem Referendum vom 23. Juni 2016 sprach sich die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland mit einer Mehrheit von 51,89 % für einen Austritt aus der Europäischen Union aus. Mehr als vier Jahre später folgte nun die endgültige Trennung. Mit Blick auf das nunmehr vorliegende Handels- und Kooperationsabkommen wird jedoch deutlich, dass viele Gesichtspunkte weiterhin unklar oder unzureichend geregelt sind.

Bis zum 31. Januar 2020 dauerte es, bis das Vereinigte Königreich die Europäische Union verließ. Die wirtschaftlich enge Bindung hielt gar noch länger: bis zum 31. Dezember 2020 blieb das Vereinigte Königreich im Rahmen einer Übergangsphase an die Regeln der Europäischen Union gebunden, um den grenzüberschreitenden Handel während der Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen gewährleisten zu können.

„We finally have a Brexit-Deal“

Der Erfolgsmeldung hinsichtlich einer Einigung auf das nun vorliegende Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich in letzter Minute an Heiligabend 2020 gingen Jahre der diplomatischen Verhandlungen voraus. Die elfmonatige Übergangsphase wurde bis fast zum letzten Tag genutzt und nicht selten sah es so aus, als würde es zu einem sog. „No-Deal-Brexit“ ohne geregelten Übergang kommen. Insbesondere die Regelung fairer Wettbewerbsbedingungen, die Fischerei in britischen Gewässern und die Schaffung eines Konfliktlösungsmechanismus waren politisch hoch umstritten. Mit Blick auf das Verhandlungsergebnis wird deutlich, dass das Vereinigte Königreich in seinem Streben nach Souveränität Einschnitte für die eigene Wirtschaft hingenommen hat.

Trotz seiner – in der deutschen Version – 1.449 Seiten enthält das Handels- und Kooperationsabkommen für wesentliche Aspekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit keine Regelungen. So ist der Bereich der Dienstleistungen nur rudimentär geregelt. Dies zeigt sich besonders deutlich an den für die britische Wirtschaft besonders relevanten Finanzdienstleistungen. Die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet soll erst in Zukunft in einem weiteren Abkommen ausführlich geregelt werden. Gleiches gilt für Aspekte der grenzüberschreitenden Datenübertragung mit weiteren Übergangsregeln.

Der Kern des Handels- und Kooperationsabkommens ist die Vermeidung von Zöllen und Einfuhrsteuern sowie Mengenbegrenzungen für den grenzüberschreitenden Handel. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dennoch zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand bei der Abwicklung grenzüberschreitenden Handelsverkehrs kommen wird, da es neue Anmeldevorschriften sowie Bedingungen für die Deklarierung gibt.

Allein diese Beispiele zeigen, dass es sich lohnt, sich mit den neuen und künftigen Bedingungen für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich genau zu befassen.

Unser Beratungsangebot

Unsere Luther-Expertenteams haben sich umfassend mit dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich beschäftigt und ihre Erkenntnisse in unserer Brexit-Broschüre zusammengestellt. Detaillierte Einschätzungen zu den einzelnen Rechtsgebieten finden Sie in der Menüleiste unten. Darüber hinaus beraten Sie unsere Expertenteams gerne individuell zu den Konsequenzen des Brexits für Ihr Unternehmen.

 

Ihr zentraler Ansprechpartner: York-Alexander von Massenbach

Informationen und Downloads
Arbeitsrecht

Ein zentrales Thema, welches auch Auslöser für den Brexit war, ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese hat zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nun ihr Ende gefunden. Grundsätzlich können weder EU-Bürger im Vereinigten Königreich, noch Bürger des Vereinigten Königreichs in der EU ohne Visum leben und arbeiten. Es wurden aber Bestandsschutzregeln für Personen geschaffen, die bisher schon als EU-Bürger im Vereinigten Königreich oder als Bürger des Vereinigten Königreichs in der EU lebten. Für alle anderen gilt: sie müssen ein Visum bei der jeweils zuständigen Auslandsvertretung beantragen.

Mit dem Brexit ist auch die Dienstleistungsfreiheit erloschen. Die Erbringung von Dienstleistungen durch EU-Bürger im Vereinigten Königreich und Bürger des Vereinigten Königreichs in der EU ist grundsätzlich nur noch mit Genehmigung möglich. Davon sieht das Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom 24. Dezember 2020 einige Ausnahmen vor. Eine Ausnahme ist der Aufenthalt sogenannter „contractual service supplier“ für zusammen maximal zwölf Monate. „Contractual service supplier“ sind natürliche Personen, die für eine juristische Person aus dem Vereinigten Königreich oder der EU tätig werden, welche in dem jeweils anderen Gebiet keine Präsenz hat und die einen Dienstvertrag für eine Dauer von maximal zwölf Monaten geschlossen hat, dessen Erfüllung die Anwesenheit von Angestellten in dem Gebiet erfordert. Das Abkommen stellt dabei strenge Anforderungen an Beschäftigungsdauer und Qualifikation der Angestellten. Eine weitere Ausnahme von der Genehmigungspflicht für Dienstleistungen sind „kurze Geschäftsreisen“, während derer nur bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten (z.B. Teilnahme an Meetings, Vertragsverhandlungen über Dienstleistungen/Waren, verkaufsnahe Dienstleistungen) gestattet sind. Eine dritte Ausnahme stellen „Investitionszwecke verfolgende Geschäftsreisen“ durch Führungskräfte einer juristischen Person zum Aufbau von Geschäftseinrichtungen dar. „Kurze Geschäftsreisen“ und „Investitionszwecke verfolgende Geschäftsreisen“ sind für bis zu 90 Tage in einem Sechsmonatszeitraum möglich. Eine letzte Ausnahme besteht für innerhalb eines Konzerns versetzte Führungskräfte, Spezialisten oder Trainees. Sofern sie bestimmte persönliche Voraussetzungen erfüllen, ist Führungskräften und Spezialisten ein Aufenthalt von bis zu drei Jahren, Trainees von bis zu einem Jahr gestattet.

Mit dem Brexit ist im Verhältnis von EU und Vereinigtem Königreich auch das europäische Recht zur Koordinierung der Sozialversicherung außer Kraft getreten. In einem Protokoll zum Abkommen haben sich die Parteien aber auf eine fast deckungsgleiche Übernahme der Regelungen geeinigt. Vor allem richtet sich die Sozialversicherungspflicht grundsätzlich weiterhin nach dem gewöhnlichen Beschäftigungsort. Das gilt auch noch, wenn ein Arbeitnehmer gewöhnlich im Vereinigten Königreich oder der EU tätig ist, sein Arbeitgeber ihn für nicht mehr als 24 Monate in das jeweils andere Gebiet entsendet, um dort in dessen Namen die Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitnehmer keinen anderen Mitarbeiter ablöst. Wird dauerhaft in mehr als einem Land gearbeitet, gilt solange das Sozialversicherungsrecht des Landes, in dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat, wie er dort den wesentlichen Teil der Beschäftigung ausübt. Sonst gilt das Recht des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.

Aus dem Vereinigten Königreich stammende Mitglieder eines Europäischen Betriebsrats oder eines SE-Betriebsrats haben mit dem Brexit ihr Recht auf Mitarbeit in diesen Gremien verloren. Die übrigen Mitglieder haben keinen Anspruch mehr auf Informationen und Konsultationen gegenüber der Konzernleitung eines Mutterunternehmens aus dem Vereinigten Königreich.

Im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmen können keine Arbeitnehmerüberlassung mehr nach Deutschland betreiben. Eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis können nur Verleiher mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat erhalten. Bestehende Überlassungsverhältnisse enden mit Ablauf der vereinbarten Überlassungsdauer.

Das Vereinigte Königreich ist nicht mehr durch EU-Recht verpflichtet, die Regelungen zum Betriebsübergang im nationalen Recht aufrecht zu erhalten. Wir gehen jedoch davon aus, dass es weiterhin Vorschriften geben wird, nach denen bei einem Betriebsübergang sämtliche Arbeitnehmer, die zu dem Betrieb gehören, mit auf den Erwerber übergehen.

Es erfolgt keine automatische Anerkennung von Berufsqualifikationen nach der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie mehr. Das Abkommen sieht aber vor, dass Berufsorganisationen der Parteien erleichterte Anerkennungsregelungen für spezifische Berufe vorschlagen können, wenn dies im beiderseitigen wirtschaftlichen Interesse ist. Bestehende Anerkennungen bleiben gültig.

Bei allen arbeitsrechtlichen Themen ist zu beachten, dass für das Verhältnis zwischen Nordirland und der EU auf Grundlage des Nordirland-Protokolls Besonderheiten gelten können.


Ansprechpartner: Robert von Steinau-Steinrück

Außenwirtschaftsrecht und Exportkontrolle

Auch wenn die Europäische Union und das Vereinigte Königreich das Handels- und Kooperationsabkommen ausweislich der Präambel ausdrücklich „in Bekräftigung ihres Bekenntnisses (…) zur Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen“ geschlossen haben und dieses – wie alle weiteren Bekenntnisse – wesentliche Bestandteile des Abkommens darstellen sollen, enthält das Abkommen doch bezeichnenderweise keine substantiellen Regelungen zur Handhabung der grenzüberschreitenden und internationalen Exportkontrolle.

Lediglich bei den Vorschriften betreffend den Warenverkehr unter Teil Zwei des Abkommens und dort bei der Regelung zum Ausfuhrlizenzverfahren (Art. GOODS.14 Abs. 4) findet sich der knappe Hinweis, dass jene Regelung die Vertragsparteien EU und das Vereinigte Königreich nicht daran hindern, „ihren Verpflichtungen im Rahmen der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie den multilateralen Nichtverbreitungsübereinkommen und Einfuhrkontrollvereinbarungen, einschließlich des Wassenaar-Arrangements über Ausfuhrkontrollen für konventionelle Waffen sowie Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, der Australischen Gruppe, der Gruppe der Kernmaterial-Lieferländer und des Trägertechnologie-Kontrollregimes nachzukommen oder unabhängige Sanktionsregelungen einzuführen, aufrechtzuerhalten oder durchzuführen“ (in verkürzter Form auch in Art. GOODS.13 Abs. 7 betreffend das Einfuhrlizenzverfahren). Unter Teil Sechs des Abkommens findet sich bei den Grundlagen der Zusammenarbeit unter Art. COMPROV.6 dann noch eine nähere Ausformulierung des bereits in der Präambel formulierten Bekenntnisses. Letztlich bekräftigt diese aber auch nur die gemeinsame Überzeugung der Parteien, „dass die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihren Trägermitteln an staatliche oder nichtstaatliche Akteure eine der schwerwiegendsten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Stabilität darstellt“, weshalb man übereingekommen sei, „zusammenzuarbeiten und einen Beitrag zur Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägermittel zu leisten“ – und zwar durch Umsetzung und Erfüllung der (ohnehin) bereits bestehenden Verpflichtungen aus den internationalen Verträgen und Übereinkünften, durch Maßnahmen zur Einführung und Umsetzung sonstiger internationaler Instrumente und durch Einrichtung eines wirksamen Systems nationaler Ausfuhrkontrollen betreffend die Aus- und Durchfuhr von mit Massenvernichtungswaffen zusammenhängenden Gütern sowie die Endverwendung von Technologien mit doppeltem Verwendungszweck. Hierüber wollen die Vertragsparteien einen regelmäßigen Dialog führen.

Unter exportkontrollrechtlichen Gesichtspunkten liegt damit gewissermaßen dann doch ein „No-Deal-Brexit“ vor. Das Vereinigte Königreich ist aus Sicht der EU zu einem Drittland geworden. Das weitgehend harmonisierte Exportkontroll- und Embargorecht findet keine Anwendung mehr und das Vereinigte Königreich wird neue, eigene Exportkontrollvorschriften erlassen (müssen). Für deutsche bzw. EU-Unternehmen und den Handel mit Dual-Use-Gütern bedeutet dies unter anderem:

War die Verbringung von Dual-Use-Gütern, welche sowohl für zivile, aber auch für militärische Zwecke verwendet werden können, im Sinne von Anhang I zur EG Dual-Use Verordnung Nr. 428/2009 in das Vereinigte Königreich bislang genehmigungsfrei möglich, handelt es sich bei der Lieferung derartiger Dual-Use-Güter nach Großbritannien (für Nordirland gilt eine Sonderregelung) künftig um eine Ausfuhr, die gemäß Art. 3 der Dual-Use VO einer vorherigen Ausfuhrgenehmigung bedarf. Auch die sog. „Catch-All“ Regelung gemäß Art. 4 der Dual-Use VO betreffend nicht gelistete Dual-Use-Güter findet künftig Anwendung; das heißt, bei entsprechender Kenntnis von einem sensiblen Verwendungszweck kann auch die Ausfuhr nicht gelisteter Güter genehmigungs- oder meldepflichtig sein. Entsprechendes kann für bloße Handels- und Vermittlungsgeschäfte („Brokering“) gemäß Art. 5 der Dual-Use VO gelten.

Es gibt jedoch auch gewisse Erleichterungen: So wird das Vereinigte Königreich neben Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, der Schweiz und den USA in die Allgemeine Ausfuhrgenehmigung Nr. EU001 (Anhang IIa zur Dual-Use VO) aufgenommen. Die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern im Sinne von Anhang I der Dual-Use VO (ausgenommen die in Anhang IIg aufgeführten) gilt damit als genehmigt, ohne dass es noch einer Einzelfallgenehmigung bedürfte. Ergänzend gilt die nationale Allgemeine Genehmigung Nr. 15, welche die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern in das Vereinigte Königreich unter bestimmten Voraussetzungen auch in anderen Konstellationen erlaubt. Auch weitere bereits bestehende Allgemeine Genehmigungen wurden um das Vereinigte Königreich erweitert. Zu beachten ist jedoch, dass die Inanspruchnahme solcher Allgemeinen Genehmigungen eine vorherige Anzeige und Registrierung bei der zuständigen Behörde voraussetzt (in Deutschland bei dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA). Exporteure, die bislang nur nach Großbritannien (und innerhalb der EU) geliefert haben und sich mit der Exportkontroll- und Dual-Use-Thematik nicht näher beschäftigen mussten, werden ihr Warenportfolio zudem überhaupt erst einmal darauf zu prüfen haben, ob sich gegebenenfalls genehmigungspflichtige (Dual-Use-)Güter darunter befinden.

Auch die Länder-Embargos der EU müssen gänzlich neu beleuchtet und bewertet werden, sofern das Vereinigte Königreich in die Lieferkette einbezogen ist: War es bislang theoretisch möglich, Waren, die für eine Endverwendung in einem Embargoland (Russland, Iran, etc.) bestimmt sind, in das Vereinigte Königreich zu liefern, da sich dann im Zweifel der britische Empfänger um eine notwendige Genehmigung der Ausfuhr aus der EU in das Embargoland zu kümmern hatte, muss nun geprüft werden, ob nicht bereits die Lieferung der Ware in das Vereinigte Königreich einer vorherigen Genehmigung bedarf.
 

Ansprechpartner: Ole-Jochen Melchior

Bank- und Kapitalmarktrecht

Finanzmarktregulierung

Nach den EU-Finanzmarktrichtlinien kommen bestimmte Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen sowie Zahlungsinstitute in den Genuss eines „Europäischen Passes“; d.h., diese Institute können die Zulassung in einem Mitgliedsstaat nach Notifizierung auch für Dienstleistungen in anderen Mitgliedsstaaten nutzen (entweder im Wege der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen oder durch eine Niederlassung).

Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und dem Ablauf der Übergangsfrist zum 31. Dezember 2020 wird das Vereinigte Königreich in der Finanzmarktregulierung wie ein Drittstaat behandelt. Dies hat zur Folge, dass Institute mit Sitz in dem Vereinigten Königreich seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr auf Grundlage des Europäischen Passes im Europäischen Wirtschaftsraum tätig werden dürfen. Die Regelungen des im Dezember zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ausgehandeltem Handels- und Kooperationsabkommens, welches seit dem 1. Januar 2021 vorläufig gilt, sind nur in eingeschränktem Maße von Bedeutung. Künftig gelten die EU-Regelungen zum Aufsichtsrecht oder die Vorschriften des Vereinigten Königreichs, soweit keine Äquivalenzentscheidung getroffen worden ist, wie beispielsweise im Falle der zentralen Gegenparteien („Central Counterparties“ – CCPs). Das Vereinigte Königreich könnte den Brexit dazu nutzen, auf dem eigenen Markt weniger strenge Regulierungen einzuführen und auf diese Weise mehr Geschäft in das Land zu holen. Im Verhältnis zu den verbleibenden EU-Staaten dürfte eine solche Strategie allerdings kaum Erfolg versprechen. Denn die EU hat im Hinblick auf Drittstaaten im Bereich der Finanzmarktregulierung bisher immer streng darauf geachtet, einen erleichterten Zugang zum Finanzmarkt der EU nur dann zuzulassen, wenn das Aufsichtsniveau des Drittstaats dem der EU entspricht. Selbst wenn das Aufsichtsniveau des Drittstaats ohne weiteres als hoch eingestuft werden kann, bleibt bis heute die aufsichtsrechtliche Behandlung von Finanzmarkttransaktionen oder -projekten mit solchen Drittstaaten schwierig. Finanzunternehmen aus diesen Drittstaaten (insbesondere USA, aber auch Australien) haben bislang versucht, die Problematik durch EU-weit lizensierte Tochtergesellschaften mit Sitz in London zu bewältigen.

Aktuell bleibt den Finanzunternehmen, die weiterhin im Europäischen Wirtschaftsraum tätig sein wollen, nichts anderes übrig, als das Unternehmen in einen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (z.B. Deutschland mit Sitz in der Finanzmetropole Frankfurt) zu verlagern oder im Europäischen Wirtschaftsraum eine Tochtergesellschaft zu errichten, um anschließend eine eigenständige Lizenz für das Unternehmen bzw. die Tochtergesellschaft zu beantragen. Diese könnte dann wieder EU-weit genutzt werden.

Ansprechpartner: Ingo Wegerich, Rolf Kobabe


Kapitalmarktrecht

Das Prospektrecht ist aufgrund einer Verordnung und Richtlinie bisher EU-weit weitgehend einheitlich. Seit dem 21. Juli 2019 gilt zudem die neue Prospektverordnung (Verordnung (EU) 2017/1129), welche die Prospektrichtlinie ersetzt, in der EU unmittelbar gilt und hierdurch das Prospektrecht EU-weit noch weiter vereinheitlicht. Diese führt u.a. in Umsetzung der Kapitalmarktunion mit dem sog. EU-Wachstumsprospekt ein neues vereinfachtes Prospektformat für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein und sieht insbesondere erhebliche Änderungen bei der Zusammenfassung und der Darstellung der Risikofaktoren vor. Bei einer Emission gab es die Möglichkeit, durch eine Notifizierung (EU-Pass) einen Prospekt auch im Vereinigten Königreich zu nutzen. Diese Möglichkeit fällt mit dem Austritt weg, sodass die Börseneinführung im geregelten Markt und das öffentliche Angebot von Wertpapieren durch einen Emittenten im Vereinigten Königreich zukünftig einer eigenständigen Prospektbilligung durch die britische Wertpapieraufsicht bedarf. Auch das Prospektformat und der Prospektinhalt mag hier dann zukünftig im Vereinigten Königreich andere Ausgestaltungen haben – je nachdem, was das Vereinigte Königreich zukünftig vorsehen wird. Auch die prospektrechtliche Privilegierung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen findet zukünftig nicht mehr ohne weiteres auf bezugsberechtigte Mitarbeiter im Vereinigten Königreich Anwendung, sodass sich hier jedenfalls ein zusätzlicher Prüfungsaufwand ergeben wird.

Entsprechendes gilt auch für die Fondsindustrie hinsichtlich des Vertriebs von Fondsanteilen, der Verwahrung des Fondsvermögens durch nationale Verwahrstellen sowie der Verwaltung durch Kapitalverwaltungsgesellschaften.

Ansprechpartner: Jörgen Tielmann, Ingo Wegerich

Datenschutz

Grenzkontrollen für Datenverarbeitung nach dem Brexit

In dem „EU-UK Trade and Cooperation Agreement“ legen die EU und das Vereinigte Königreich fest, dass für die grenzüberschreitende Übermittlung der Daten zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU eine Übergangszeit gilt, in der das Vereinigte Königreich datenschutzrechtlich vorerst nicht als Drittland, sondern weiterhin wie ein EU-Mitgliedsstaat behandelt wird. Dies gilt bis zu dem Zeitpunkt, in welchem die Europäische Kommission einen Angemessenheitsbeschluss für das Königreich erlassen hat oder eine Frist von vier Monaten abgelaufen ist, wobei sich diese Frist automatisch um zwei weitere Monate verlängert, falls keiner der Vertragsparteien der automatischen Fristverlängerung widerspricht.

Übergangszeitraum von maximal sechs Monaten

Für den Zeitraum dieser Übergangslösung müssen Unternehmen keine Vorkehrungen treffen, um zulässig Daten zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich transferieren zu können. Wenn die Europäische Kommission innerhalb der Übergangsfrist für das Vereinigte Königreich einen Angemessenheitsbeschluss erlässt, ändert sich daran auch nach dem Ablauf der Frist nichts. In dem Abkommen wird festgelegt, dass das datenschutzrechtliche Niveau des Vereinigten Königreichs zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung dem Niveau der DSGVO entspricht, weshalb eine Übermittlung personenbezogener Daten zunächst weiterhin zulässig ist.

Angemessenheitsbeschluss absehbar?

Im Vorfeld der Verhandlungen war lange Zeit fraglich, ob die Kommission einen Angemessenheitsbeschluss zu Gunsten des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit erlassen würde. Mit dem britischen "Investigatory Powers Bill" von 2016 und der damit einhergehenden umfassenden Möglichkeit zur Vorratsdatenspeicherung sowie der fehlenden Geltung des EU-US-Privacy-Shield für Datenübermittlungen im Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA existieren erhebliche Risiken für personenbezogene Daten, die es in dieser Form in der EU bisher nicht gab. Für einen Angemessenheitsbeschluss spricht mittlerweile, dass das Vereinigte Königreich im Vorfeld des Austritts bereits damit begonnen hat, die Regelungen der DSGVO weitestgehend in das nationale Recht aufzunehmen, um sein datenschutzrechtliches Schutzniveau dem der EU anpassen zu können. Durch das Abkommen scheint der Erlass einen Angemessenheitsbeschlusses nunmehr wahrscheinlich. Die EU stellt jedenfalls klar, dass sie die Umsetzung der Regelungen der DSGVO ins nationale britische Recht grundsätzlich als ausreichend anerkennt, um für einen hinreichenden Schutz der Daten der betroffenen Personen im Rahmen der grenzüberschreitenden Übermittlung der Daten zu sorgen. Das Abkommen besagt allerdings auch, dass dies nur solange der Fall ist, wie das Vereinigte Königreich nicht von der Umsetzung der Regelungen im nationalen Recht abweicht. In einem solchen Fall soll das Vereinigte Königreich als Drittland behandelt werden.

Falls kein Angemessenheitsbeschluss ergeht

Erlässt die Europäische Kommission bis zum Ablauf der Übergangsfrist keinen Angemessenheitsbeschluss, müssen Unternehmen auf andere Lösungsansätze ausweichen. In einem solchen Fall bliebe für Unternehmen die Möglichkeit, "geeignete Garantien" nach Artikel 46 DSGVO nachzuweisen. Zu diesen gehören beispielsweise Standarddatenschutzklauseln, verbindliche unternehmensinterne Regelungen ("Binding Corporate Rules", "BCR") oder Zertifizierungen. All diesen Maßnahmen ist jedoch eins gemeinsam: Sie erfordern proaktives Handeln der datenverarbeitenden Unternehmen. Bestehende Auftragsverarbeitungsverträge müssten geprüft und in Nachverhandlungen gegebenenfalls durch Standardvertragsklauseln ergänzt werden. Diese sind auch heute schon das Mittel der Wahl für grenzüberschreitenden Datenverkehr außerhalb der EU/des EWR. Unternehmensintern müssen BCR neu eingeführt oder (falls bereits vorhanden) bestehende BCR überarbeitet werden. Für Zertifizierungen muss zudem anhand von Kriterienkatalogen der Aufsichtsbehörden und den Prüfanforderungen der zertifizierenden Stelle nachgewiesen werden können, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Vereinigten Königreich dem Datenschutzniveau der EU entspricht. Zuletzt hätten die Unternehmen nach Artikel 49 der DSGVO u.a. auch die Möglichkeit, eine Einwilligung der Betroffenen einzuholen, um die Daten zulässig grenzüberschreitend übermitteln zu können. Dieser Artikel hat jedoch einen Ausnahmecharakter und könnte nur restriktiv sowie mit hohem unternehmerischen Aufwand angewendet werden.
 

Ansprechpartner: Dr. Michael Rath, Dr. Wulff-Axel Schmidt, Dr. Stefanie Hellmich, Silvia Bauer, Christian Kuss

Energiesektor

Die Auswirkungen des Brexit auf den Energiesektor sind nach dem vorläufigen Abschluss des Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in ihren Grundzügen klar:

Die Energiemärkte sowohl in der EU als auch im Vereinigen Königreich werden sich weiterhin an denselben Grundsätzen orientieren: Die Strom- und Gasmärkte bleiben wettbewerblich organisiert und der diskriminierungsfreie Netzzugang ist wechselseitig gewährleistet. Ausdrücklich bleiben zum Beispiel Marktintegrität und Klimaschutz weiterhin wichtige regulatorische Ziele. Der zollfreie Warenverkehr und damit der Handel mit Strom und Gas zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich wird fortgesetzt, was insbesondere für die Versorgung auf der irischen Insel wichtig ist.

Die direkten Auswirkungen des Brexit auf deutsche Energieversorger sind dementsprechend überschaubar. Der Ex- und Import von Energie bleibt gewährleistet; ebenso die Möglichkeit, direkt oder über Tochterunternehmen Energiehandel und -versorgung zu betreiben. Im Januar 2021 kam es allerdings zu einem interessanten parallelen Anstieg der Marktpreise des Stroms für Deutschland und das Vereinigte Königreich, für den jedenfalls auf der britischen Seite neben dem kalten Wetter auch das mit dem Brexit verbundene „market decoupling“ verantwortlich gemacht wird. Dieser Mehraufwand für den Stromhandel soll in den nächsten 15 Monaten durch ein „multi-region loose volume coupling model“ wieder reduziert werden, welches explizite Auktionen der Übertragungskapazitäten im Strombereich überflüssig machen würde. Beim Gashandel sind bisher ebenfalls explizite Auktionen der Übertragungskapazität zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vorgesehen.

Ein weiteres Problem kann durch die unterschiedliche Behandlung des Energiemarktes und des Kapitalmarktes im Hinblick auf den Handel mit Energiederivaten entstehen. Während der Warenverkehr und auch der Energiebinnenmarkt durch den Vertrag weitgehend adressiert werden, fehlen bis auf einige Grundsätze die Regeln zum Kapitalmarkt noch völlig. Insbesondere liegt keine Äquivalenzentscheidung für das Finanzaufsichtssystem des Vereinigten Königreichs durch die EU vor – auch wenn dies umgekehrt der Fall ist. Damit können FCA-lizensierte Energiehändler ihre Aktivitäten in der EU nicht mehr auf den EU-Pass stützen. Die Inanspruchnahme der MiFID-Ausnahmen sowie solcher auf nationaler Ebene bleibt aber möglich, womit das Gros der Händler ihre Geschäfte fortsetzen kann. Auch der CO2-Emissionshandel wird erschwert, da das Vereinigte Königreich nun ein eigenes Emissionshandelssystem betreibt und die Interaktion mit dem ETS offen bleibt. Die Versteigerung der UK-ETS wird an der ICE Europe in London stattfinden, die erste Auktion ist im zweiten Quartal des Jahres 2021 geplant. Auch der börsliche Sekundärhandel ist dort angesiedelt.

Durch den weiterhin diskriminierungsfreien Netzzugang gibt es dagegen keinen rechtlichen Grund für eine nachlassende Akteursvielfalt. Direkte Investitionshemmnisse bestehen nicht und erforderliche energierechtliche Genehmigungen müssen ebenfalls diskriminierungsfrei erteilt werden. Trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Investitionen vom Vereinigten Königreich in die EU und umgekehrt nachlassen, weil bei Investitionszeiträumen von 20 Jahren und mehr die Stabilität des Regulierungsrahmens eine entscheidende Rolle spielt und wechselseitig nun weniger Einfluss- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bestehen.

Im Bereich der Energieregulierung stimmen die energiepolitischen Vorstellungen diesseits und jenseits des Ärmelkanals zwar weitgehend überein und Liberalisierung sowie Wettbewerbsorientierung finden gerade auch im Vereinigten Königreich Zustimmung. Allerdings ist das Vereinigte Königreich bei regulatorisch relevanten Institutionen in der EU wie ACER und ENTSO-E bzw. ENTSO-G ausgeschieden und wird keinen Einfluss mehr auf die weitere Entwicklung des Regulierungsrechts nehmen können. Die Regulierungsregime könnten sich daher allmählich auseinander entwickeln, was den gegenseitigen Marktzugang erschwert. Um diesen Effekt entgegenzuwirken, ist eine Kooperation sowohl zwischen den Aufsichtsbehörden des Vereinigen Königreiches und denen der EU als auch zwischen den Übertragungsnetzbetreibern des Vereinigten Königreichs und ENTSO-E bzw. ENTSO-G geplant. Allerdings fehlt es noch an der Ausgestaltung dieser Kooperation auf Arbeitsebene. Für die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Offshore-Windparks ist ein spezielles Forum für technische Gespräche geplant, an denen auch Offshore-Unternehmen und Interessenträger im weiteren Sinne teilnehmen sollen. Die Regelungen des Abkommens zum Energiesektor gelten bis 30. Juni 2026 mit Verlängerungsmöglichkeiten zum 31. März des jeweils folgenden Jahres.
 

Ansprechpartner: Holger Stappert

Gesellschaftsrecht

Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sieht vor, dass Investitionen (insbesondere gesellschaftsrechtliche Beteiligungen) in jeweils der anderen Rechtsordnung (also der des Vereinigten Königreichs bzw. der EU) angehörende Unternehmen zulässig und diesbezüglich protektionistische Erschwernisse unzulässig sein sollen.

In dem Handels- und Kooperationsabkommen wurden allerdings zentrale Probleme im Gesellschaftsrecht, allen voran das Erlöschen der Niederlassungsfreiheit, nicht geregelt. Erst wenn ein entsprechendes bilaterales Abkommen mit dem Vereinigten Königreich abgeschlossen wird, könnte die Niederlassungsfreiheit für UK-Gesellschaften, die sie zu Zeiten einer EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs noch in Anspruch nehmen durften, erneut aufleben.

Mangels solcher Nachfolgeregelungen sind grenzüberschreitende Verschmelzungen, Formwechsel und Spaltungen unter Beteiligung von britischen Gesellschaften bis auf Weiteres nicht mehr bzw. nur noch sehr eingeschränkt möglich.

Aufgrund des Brexits und der bisherigen Regelungen verlieren Europäische Aktiengesellschaften (SE) mit Sitz im Vereinigten Königreich ihre rechtliche Grundlage. Sie haben nunmehr die Rechtsform einer sog. UK Societas, deren Regime dem einer SE weitestgehend entspricht (bspw. Mindestkapital von umgerechnet EUR 120.000,00; Zulässigkeit des monistischen und des dualistischen Systems, etc.). Das britische Recht sieht vor, dass diese Gesellschaften auch ihre Rechtsform in eine Private Limited Company ändern können.

Die bisher beliebte Gründung einer UK Ltd. mit Verwaltungssitz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ist fortan nur noch möglich, wenn – derzeit nicht bestehende – Nachfolgeregelungen vorsehen würden, die sogenannte Gründungstheorie anzuerkennen.

Bis auf Weiteres fehlen nun trotz des Handelsabkommens vom 24. Dezember 2020 die oben genannten Regelungen. Daher werden britische Rechtsformen in Deutschland aufgrund des Wegfalls der Niederlassungsfreiheit in der europäischen Wirtschaftszone nicht länger anerkannt. Dies hat zur Folge, dass die britische Private Company Limited by Shares (Ltd.) hierzulande – je nach Anzahl ihrer Gesellschafter und ihrer Eintragung im deutschen Handelsregister – nach der Sitztheorie als Einzelkaufmann, GbR oder OHG zu behandeln wäre, was eine unbeschränkte persönliche Haftung des bzw. der Gesellschafter zur Folge hat. Davon sind in Deutschland – Stand Januar 2020 – rund 6.000 Limiteds und zahlreiche Unternehmen in der Mischrechtsform Ltd. & Co. KG betroffen.

Um auch nach derzeit geltender Rechtslage eine haftungsbeschränkte Gesellschaft zu sein, müsste die Ltd. nach UK-Recht daher in eine haftungsbeschränkte Rechtsform nach deutschem Recht überführt werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, kommen verschiedene Handlungsoptionen in Betracht: Asset Deal, die sogenannte Anwachsung sowie – eingeschränkt (nämlich sofern der Verschmelzungsplan vor dem 31. Dezember 2020 beurkundet wurde, § 122m UmwG) – die grenzüberschreitende Verschmelzung (Näheres dazu in folgendem Blogbeitrag).

Nicht endgültig geklärt ist, ob eine Sitzverlegung aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland unter Änderung der Rechtsform in eine deutsche Gesellschaft (wobei die UG (haftungsbeschränkt) insoweit völlig zweifellos keine zulässige Ziel-Rechtsform ist) möglich ist. Gesetzliche Regelungen zu einem solchen grenzüberschreitenden Formwechsel bestehen nicht. Die deutsche Rechtsprechung hat eine solche Möglichkeit bislang nur für EU-interne Sachverhalte anerkannt. Die wohl herrschende Meinung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum lehnt diese Möglichkeit daher für Sachverhalte unter Beteiligung von Nicht-EU-Staaten als Zuzugs- oder Wegzugsstaat ab.

Es ist auch an eine Neugründung als Ltd. in einem anderen Land, wie Irland, Malta oder Zypern zu denken. Auch die Liquidation der Ltd. und eine darauffolgende Neugründung einer deutschen Gesellschaft wären möglich.

Die endgültige Entscheidung einer dieser Handlungsoptionen muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Maßgebliche Faktoren für die Entscheidung sind u. a.: die jeweilige Mindestkapitalausstattung, anfallende Steuerbelastungen sowie grundlegende Kosten- und Aufwandsfragen bezüglich der jeweiligen Überführungsform.

 

Ansprechpartner/in: Stefan Galla, Dr. Philipp Honisch

Gewerblicher Rechtsschutz

Durch das Ende des Brexit-Übergangszeitraums („transition period“) traten auch im Bereich des geistigen Eigentums einige Änderungen ein.

Unionsmarken sowie internationale Marken mit Schutz in der EU

Eingetragene Unionsmarken und/oder internationale Marken mit Schutz in der EU wurden am 1. Januar 2021 automatisch und ohne Kosten „dupliziert“ und eine nationale UK-Marke mit gleicher Priorität und identischem (nationalen) Schutzumfang wurde gewährt.

Für angemeldete Unionsmarken und/oder internationale Marken mit Schutz in der EU, die zum Zeitpunkt des Austritts noch nicht eingetragen waren, besteht eine neunmonatige Frist, innerhalb der eine entsprechende nationale Anmeldung im Vereinigten Königreich („UK“) ohne Verlust der Priorität eingereicht werden kann. Voraussetzung für die Beanspruchung der Priorität sind die Identität der Unionsmarke/internationalen Marke und der nationalen UK-Marke sowie die Identität der Waren und/oder Dienstleistungen, für welche die Marken Schutz beanspruchen. Für die Markenanmeldung sind beim UK-Amt Gebühren zu entrichten. Im Übrigen wird die Anmeldung vom UK-Amt und nicht vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum geprüft.

Ist am Ende der Übergangszeit ein Löschungsverfahren gegen eine Marke anhängig und kommt es zur Löschung dieses Rechts, so wird die vergleichbare UK-Marke ebenfalls gelöscht. Lediglich ausnahmsweise bleibt die vergleichbare UK-Marke bestehen; beispielsweise, wenn es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Marke handelt, die keinen Schutz in UK beansprucht.

Auch hinsichtlich der rechtserhaltenden Benutzung kam es zu Änderungen: Grundsätzlich ist eine nationale Marke, die in einem ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren nicht benutzt wurde, löschungsreif. Die Anwendung dieses Grundsatzes auf vergleichbare UK-Marken würde zu unbilligen Ergebnissen führen, da nicht jede Unionsmarke auch im UK benutzt wurde. Daher gilt jede Benutzung der Marke in der EU vor dem 1. Januar 2021 zugleich als Benutzung der vergleichbaren UK-Marke.

Gemeinschaftsgeschmacksmuster und internationale Designs mit Schutz in der EU

Parallel zur vergleichbaren UK-Marke haben Inhaber eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster und/oder internationaler Designs mit Schutz in der EU ab dem 1. Januar 2021 automatisch ein britisches Geschmacksmuster mit identischem Schutzumfang erhalten. Dieses hat das ursprüngliche Anmeldedatum und/oder Prioritätsdatum behalten.

Sofern die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters/internationalen Designs mit Schutz in der EU noch am 1. Januar 2021 anhängig war, besteht binnen neun Monaten die Möglichkeit, ein britisches Geschmacksmuster bei Beibehaltung des früheren Anmeldetags/Prioritätstags gegen Zahlung der Amtsgebühren anzumelden. Um die Priorität zu beanspruchen, muss sich die britische Anmeldung auf dasselbe Geschmacksmuster beziehen wie das anhängige Gemeinschaftsgeschmacksmuster/internationale Design.

Seit dem 1. Januar 2021 entfalten nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster in UK keinen Schutz mehr. Diese werden jedoch als fortbestehendes nicht eingetragenes Geschmacksmuster („continuing unregistered design“ – CUD) in UK weiterhin geschützt.

Seit Ende des Übergangszeitraums ist ein Äquivalent des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, genannt „supplementary unregistered design“ (SUD), in UK verfügbar. Dieses wird durch die erste Offenbarung in UK begründet, bewirkt aber keinen Schutz in der EU in Form des CUD-Rechts. Anderseits begründet die erstmalige Offenbarung in der EU kein SUD-Recht. Es sollte sorgfältig abgewogen werden, in welchem Territorium das Geschmacksmuster erstmalig offenbart wird.

Erschöpfung von IP-Rechten

Schutzrechte sind in der Regel erschöpft und können nicht mehr geltend gemacht werden, sobald der geschützte Gegenstand zum ersten Mal durch den Schutzrechtsinhaber und/oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde. Der Austritt des UK aus der EU hat folgende Auswirkungen auf die Erschöpfung:

Waren, die nach dem 1. Januar 2021 durch den Inhaber und/oder mit dessen Zustimmung auf den britischen Markt gebracht werden, werden im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nicht mehr als erschöpft angesehen. Daher benötigen Unternehmen, die solche geschützte Waren aus UK in den EWR exportieren, möglicherweise die Zustimmung des Rechteinhabers. Im entgegengesetzten Fall tritt aber weiterhin Erschöpfung ein. UK wird in den kommenden Monaten entscheiden, wie eine dauerhafte Erschöpfungsregelung aussehen soll.

Weitere Auswirkungen

Neben den vorgenannten Auswirkungen hat der Austritt des Vereinigten Königreichs beispielsweise auch Folgen für

  • Kollektiv- und Gewährleistungsmarken,
  • umgewandelte Marken,
  • ergänzende Schutzzertifikate,
  • geografische Herkunftsangaben,
  • anhängige Verfahren (bspw. einstweilige Verfügungsverfahren),
  • bestehende Vereinbarungen (bspw. Lizenzvereinbarungen),
  • unionsweite Grenzbeschlagnahmeanträge sowie
  • Urheberrechte,

zu denen wir Sie – sofern Interesse besteht – gerne umfassend beraten.
 

Ansprechpartner: Wulff-Axel Schmidt, Detlef Mäder, Geert Johann Seelig

Insolvenzrecht

Insolvenzrechtliche Konsequenzen des Handelsabkommens

Die Bekanntgabe des Handelsabkommens zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU an Heiligabend machte zunächst Hoffnung. Allerdings folgte die Ernüchterung schnell, denn das Abkommen beinhaltet keine Vereinbarungen zur Zusammenarbeit in insolvenzrechtlichen Angelegenheiten. Mangels anderweitiger Regelung findet somit seit Beginn des Jahres im Verhältnis zum Vereinigten Königreich die Europäische Insolvenzverordnung („EUInsVO“) keine Anwendung mehr. Vielmehr richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung insolvenzrechtlicher Entscheidungen zukünftig nach dem britischen bzw. deutschen internationalen Insolvenzrecht.

Deutsches internationales Insolvenzrecht

Die Regelungen des deutschen internationalen Insolvenzrechts finden sich in §§ 335 ff. der Insolvenzordnung („InsO“). Anders als die EUInsVO gewährt die InsO keine automatische Anerkennung im Ausland eröffneter Insolvenzverfahren. Stattdessen wird im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens zunächst überprüft, ob das eröffnende ausländische Gericht nach den Maßstäben deutschen Rechts zuständig ist und die Anerkennung nicht gegen wesentliche deutsche Rechtsgrundsätze verstößt. Mangels automatischer Anerkennung britischer Eröffnungsentscheidungen wird zukünftig das „Forum Shopping“, also die gewollte Herbeiführung einer britischen Gerichtszuständigkeit, an Bedeutung verlieren.

Die Anerkennung nach §§ 335 ff. InsO setzt voraus, dass es sich bei dem ausländischen Verfahren um ein Insolvenzverfahren im Sinne des deutschen Rechts handelt, d.h. in etwa die gleichen Merkmale aufweist. Ein britisches „Scheme of Arrangement“ wird im Regelfall diese Voraussetzung nicht erfüllen, da es typischerweise nicht der einheitlichen Befriedigung sämtlicher Gläubiger dient. Ungeachtet dessen mag die unmittelbare Wirksamkeit eines Scheme of Arrangement in Deutschland auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 („Rom-I-Verordnung“) gegeben sein. Trotz gerichtlicher Bestätigung handelt es sich bei dem Scheme of Arrangement letztlich um einen Vertrag, dessen Wirksamkeit ggf. nach den Regelungen der Rom-I-Verordnung zu beurteilen sein kann. Aufgrund des in Artikel 2 Rom-I-Verordnung niedergelegten Grundsatzes der universellen Anwendung gilt diese auch für Drittstaaten. Ein Scheme of Arrangement mag danach jedenfalls dann in Deutschland Wirkung entfalten, wenn die von ihm erfassten Forderungen dem britischen Recht unterliegen.

Britisches internationales Insolvenzrecht

Umgekehrt kann der Verwalter eines in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahrens dessen Anerkennung im Vereinigten Königreich über die Cross-Border Insolvency Regulation 2006 verfolgen, welche das UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency („UNCITRAL Model Law“) in britisches Recht umsetzt. Die Anerkennung als ausländisches Hauptverfahren geht einher mit einem automatischen Vollstreckungsschutz für das Schuldnervermögen. Das britische Gericht kann nach eigenem Ermessen weitere Anordnungen zur Unterstützung des ausländischen Insolvenzverfahrens erlassen. Dessen Anerkennung setzt einen Antrag und inhaltlich ein Verfahren voraus, welches auf „gesetzlichen Bestimmungen mit insolvenzrechtlichem Bezug“ beruht, sämtliche Gläubiger einbezieht, die Vermögenswerte des Schuldners der Kontrolle durch ein ausländisches Gericht unterwirft und auf Reorganisation oder Liquidation gerichtet ist. Deutsche Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren sind davon jedenfalls erfasst, nicht notwendig aber Restrukturierungsvorhaben nach dem seit dem 1. Januar 2021 geltenden Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen („StaRUG“). Von vornherein ausgeschlossen erscheint es aber nicht, werden doch z.B. in den USA britische Schemes of Arrangement nach Maßgabe von Chapter 15 US Bankruptcy Code (die US-amerikanische Umsetzung des UNCITRAL Model Law) anerkannt.

Zivilgerichtliche Zuständigkeit und Urteile

Nur kurz sei erwähnt, dass nach dem 31. Dezember 2020 die EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („EuGVVO“) im Verhältnis zum Vereinigten Königreich nicht mehr zur Anwendung kommt. Damit entfällt auch die automatische Anerkennung zivilrechtlicher Urteile. Das Vereinigte Königreich hat stattdessen den Beitritt zum Lugano-Übereinkommen für den 8. April 2020 beantragt. Jenes ist zwar nicht identisch mit der EuGVVO, würde es dem Vereinigten Königreich und der EU aber ermöglichen, viele Vorteile der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen beizubehalten. Für die Zwischenzeit steht ggf. die Möglichkeit eines Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens nach Maßgabe des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 zur Verfügung.

Schließlich hat das Vereinigte Königreich in der Vergangenheit bilaterale Verträge mit einer Reihe von Staaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Zahlungsurteilen abgeschlossen, neben Österreich, Belgien, Frankreich und Italien eben auch mit Deutschland. Im Vereinigten Königreich wurde in Umsetzung dieser Abkommen der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 erlassen. Danach muss das ausländische Urteil "endgültig und schlüssig" sein und auf Zahlung einer Geldsumme lauten, wobei Urteile in Steuersachen oder zur Durchsetzung von Geldstrafen ausgeschlossen sind.

 

Ansprechpartner/in: Frank Tschentscher, Anastasia Shelestova

Investitionsschutz

Investitionsschutz im Verhältnis EU-UK nach dem Brexit

Mit dem Brexit ist auch der Schutz von ausländischen Investoren etwa vor Enteignungen oder anderen schädigenden Maßnahmen neu zu bewerten. Das nun vorläufig in Kraft getretene Handels- und Kooperationsabkommen geht hier einen anderen Weg als vergangene EU-Abkommen. So enthalten bspw. das europäisch-kanadische Abkommen CETA und die flankierend zu den Freihandelsverträgen mit Singapur und Vietnam vereinbarten Investitionsschutzverträge eine Vielzahl an Schutzstandards. Zudem etablieren sie auf prozessualer Ebene Investitionsgerichtshöfe. Das Handels- und Kooperationsabkommen sieht einen wesentlich eingeschränkteren Investorenschutz vor.

Investitionsschutz durch das Handels- und Kooperationsabkommen

Auf materieller Ebene garantiert das Handels- und Kooperationsabkommen u.a. den Marktzugang, Inländerbehandlung und Meistbegünstigung. Entgegen der üblichen Standards für Investitionsschutz enthält es aber weder Regelungen zu unfairer bzw. unbilliger Behandlung noch zu Enteignungen. Statt der im Investitionsschutz üblichen direkten Klagerechte für Investoren ist zudem ausschließlich ein Staat-zu-Staat-Schiedsmechanismus vorgesehen. Auch sind die Gerichte der Vertragsparteien ausdrücklich nicht zur Beilegung von Streitigkeiten nach dem Abkommen berufen. Investoren sind darauf angewiesen, dass ihre Heimatstaaten oder die EU für sie aktiv werden. Für Investoren sowohl auf Seiten der EU als auch des Vereinigten Königreichs ist es daher in erhöhtem Maße von Bedeutung, wie ihre Investitionen über das Handels- und Kooperationsabkommen hinaus geschützt sind.

Investitionsschutz durch BITs

Das Vereinigte Königreich unterhielt schon vor dem Brexit bilaterale Investitionsschutzverträge (BITs) mit EU-Mitgliedstaaten – jedoch lediglich mit Staaten Osteuropas. Diese gelten weiterhin. Mit wirtschaftlich zentralen EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich oder den Benelux-Staaten hingegen bestehen keine BITs.

Die noch bestehenden Verträge sind allerdings auch nicht unumstritten. In Folge politischen Drucks der EU-Kommission und als Reaktion auf die Achmea-Entscheidung des EuGH hatten 22 EU-Mitgliedstaaten – einschließlich des Vereinigten Königreichs – noch im Januar 2019 erklärt, ihre BITs mit anderen EU-Mitgliedsstaaten zu kündigen. Dem nach dieser politischen Verpflichtung geschlossenen Termination Agreement hinsichtlich der Verträge schloss sich das Vereinigte Königreich jedoch bereits nicht mehr an. Zwar läuft wegen der ungekündigten BITs gegen das Vereinigte Königreich ein Vertragsverletzungsverfahren, über das der EuGH nach dem Withdrawal Agreements auch post-Brexit noch entscheiden könnte; eine Verpflichtung zur Kündigung der BITs ist jedoch nach völkerrechtlichen Grundsätzen nach Ende der EU-Mitgliedschaft abwegig. Selbst im Falle einer einseitigen Kündigung der BITs durch die EU-Mitgliedstaaten greifen deren Sunset Clauses, welche eine begrenzte Anwendbarkeit der Verträge auch über ihre Kündigung hinaus garantieren. Dies trifft bereits auf den UK-Polen-BIT zu, der seit seiner Kündigung durch Polen 2019 noch 15 Jahre fort gilt.

Zu erwarten ist allerdings, dass das Argument, die Verträge hätten aufgehoben werden müssen und dürften nicht als Basis für Schiedsverfahren dienen, auch während kommender Verfahren und auf der Ebene der Vollstreckung etwaiger Schiedssprüche erneut von EU-Mitgliedstaaten vorgebracht werden wird.

Investitionsschutz durch den ECT

Anders liegt die Sache bezüglich des Energiecharta-Vertrags (ECT), dem die EU selbst und alle EU-Mitgliedsstaaten bis auf Italien, das 2016 austrat, unterfallen. Durch den ECT werden sektoral diverse großvolumige Energieinvestitionen abgedeckt, in der Summe kommt er aber nur wenigen Investoren zugute.

Im Gegensatz zu BITs ist der ECT aber nicht von der Achmea-Entscheidung bzw. dem Termination Agreement betroffen. Zudem dürfte die auch hier von der EU-Kommission vertretene und von Schiedsgerichten stets zurückgewiesene Position, der ECT dürfe nicht zwischen EU-Mitgliedern gelten, nach dem Brexit hinsichtlich des Vereinigten Königreichs kaum noch von Belang sein. Schließlich handelt es sich schlicht nicht mehr um Intra-EU-Beziehungen.

Energieinvestitionen im Verhältnis EU-UK sind somit derzeit solide abgesichert. Der ECT befindet sich allerdings in einem aufwändigen Modernisierungsprozess, dessen Ende derzeit nicht absehbar ist. Möglicherweise wird das Schutzniveau für Investoren im Rahmen der Modernisierung weiter abgesenkt – zumindest entspräche dies der Verhandlungsstrategie der EU-Kommission.

Konsequenzen

Die derzeitige Situation offenbart Schutzlücken – gerade auch für Investitionen aus bzw. in Deutschland und anderen westlichen EU-Mitgliedstaaten. Aus Investorensicht muss es als Versäumnis angesehen werden, dass das Handels- und Kooperationsabkommen den Investitionsschutz nicht solide regelt. Die Absicherung von Investitionen im Verhältnis EU-UK bleibt so in jedem Einzelfall zu prüfen. In vielen Fällen dürfte es für Investoren wieder sinnvoll werden, an den Abschluss von State Contracts mit dem Gaststaat ihrer Investition inklusive direkter Schiedsabrede zu denken bzw. Investitionsstrukturen im Lichte der Anwendbarkeit von BITs zu planen.

 

Ansprechpartner: Dr. Richard Happ, Sebastian Wuschka

Kartellrecht und Beihilfenrecht

Das Kartellrecht der EU und jenes des Vereinigten Königreichs stehen durch den Brexit nunmehr unverbunden nebeneinander. Das gilt nicht nur für die materiellen Regeln (auch wenn diese sich – noch – weitgehend gleichen dürften), sondern auch für ihre Durchsetzung durch Behörden und Gerichte. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien ändert daran kaum etwas; es legt lediglich fest, dass jede der beiden Vertragsparteien ein Wettbewerbsrecht aufrechterhält, mit dem wirksam gegen wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken vorgegangen wird. Es enthält nur wenige Regelungen zum Kartellrecht und diese sind eher Absichtserklärungen und für Unternehmen ohne konkrete Umsetzungsakte nicht relevant.

Verfahren zur Untersuchung von Unternehmenszusammenschlüssen werden unabhängig voneinander laufen. Sie folgen unterschiedlichen Regeln und können mit unterschiedlichen Ergebnissen enden. Eine Genehmigung von Zusammenschlüssen durch die Europäische Kommission hat keine Wirkungen im Vereinigten Königreich mehr. Das Handels- und Kooperationsabkommen enthält dazu bewusst keine Regelungen.

Die Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen ist durch den Brexit erschwert worden, weil die UK-Gerichte für den Nachweis des Kartellverstoßes nicht mehr an die Bußgeldentscheidung der EU-Kommission (oder einer anderen Kartellbehörde oder eines Gerichts eines EU-Mitgliedstaats) gebunden sind. Umgekehrt sind die Gerichte in der EU nicht mehr an eine entsprechende UK-Entscheidung gebunden. Bezüglich der Zuständigkeit der Gerichte sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen im Verhältnis der EU zum Vereinigten Königreich wird auf den Abschnitt „Rechtsstreitigkeiten – Ordentliche Gerichte und materielles Zivilrecht“ verwiesen. Zusammengefasst wenden die Gerichte der verbleibenden Mitgliedsstaaten in diesem Zusammenhang (weiterhin) die EuGVVO (Brüssel Ia-VO) an, wohingegen die Gerichte des Vereinigten Königreichs ihr nationales Recht anwenden.

In Kartellbußgeldverfahren sind die EU und das Vereinigte Königreich in der Vergangenheit abgestimmt miteinander vorgegangen. Dies wird nun schwieriger. Insbesondere wird das Vereinigte Königreich nicht mehr verpflichtet sein, bei grenzüberschreitenden Kartellrechtsverstößen einen Kurzantrag zuzulassen, wie dies die ECN+-Richtlinie 2019/1 vorsieht.

Im Übrigen sind die Auswirkungen auf die künftige kartellrechtliche Bewertung von Vertriebsvereinbarungen, die den Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich beschränken, bisher unklar. Es wird diesbezüglich insbesondere zu klären sein, ob der Austritt des Vereinigten Königsreichs aus dem Binnenmarkt den Spielraum für solche Vereinbarungen ggf. erweitert. Unabhängig davon, ob sie ihre Vertriebspolitik insoweit ändern wollen, sollten Unternehmen prüfen, ob die bisherigen Formulierungen in den Verträgen, welche bisher häufig auf den EWR Bezug nehmen (wozu das Vereinigte Königreich nicht mehr gehört), die Vertriebsgebiete weiterhin zutreffend beschreiben.

Die britische Wettbewerbsbehörde (CMA) ist personell aufgestockt worden. Sie hat gerade in der jüngeren Zeit mit ihren Aktivitäten zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und ihrer Pressekommunikation ihren Anspruch unterstrichen, ein hohes Niveau an Wettbewerbsschutz aufrechtzuerhalten. Unternehmen können daher nicht damit rechnen, dass die nun nicht mehr gegebene (Co-)Zuständigkeit der EU-Kommission für die Kartellrechtsdurchsetzung, ihnen ungeahnte neue kartellrechtliche Verhaltensspielräume einräumen wird.

 

Ansprechpartner/in: Anne Wegner, Helmut Janssen

Life Science- und Pharma-Recht

Ab dem 1. Januar 2021 gilt das EU-Arzneimittelrecht, wie es im "Acquis communautaire" niedergelegt ist, für und im Vereinigten Königreich nur noch in Bezug auf Nordirland. Auch wenn das “EU–UK Trade and Cooperation Agreement” vorläufig in Kraft getreten ist, bilden die EU und das Vereinigte Königreich seit Jahresbeginn nicht nur getrennte Märkte, sondern auch unterschiedliche regulatorische Räume.

Pharmazeutische Industrie, EU-Mitgliedstaaten und die EU-Zulassungsagentur EMA haben sich vorausschauend auf den Brexit vorbereitet. Die EMA hat mit Unterstützung der nationalen Zulassungsbehörden das Arzneimittelportfolio des Vereinigten Königreichs an Berichterstatter und Mitberichterstatter in anderen EU-Mitgliedstaaten, Island und Norwegen umverteilt. Dies betraf über 370 zentral zugelassene Arzneimittel. Parallel dazu wurden alle Zulassungsinhaber für zentral zugelassene Arzneimittel, die zuvor im Vereinigten Königreich ansässig waren, bis November 2020 in einem EU-Mitgliedstaat ansässig.

Darüber hinaus mussten vor dem 1. Januar 2021 folgenden Personen und Aktivitäten innerhalb der EU oder des EWR angesiedelt werden, damit die Arzneimittel weiterhin in der EU vermarktet werden dürfen: Zulassungsinhaber und Antragsteller, Chargenkontrolle und -freigabe (Ausnahme: Chargenkontrolle und Chargenfreigabe dürfen in Nordirland stattfinden), Qualifizierte Person (QP), Qualifizierte Person für Pharmakovigilanz (QPPV), Stufenplanbeauftragter (in einem EU-Mitgliedstaat), Pharmakovigilanz System Master File (PSMF). Auch dieser Kraftakt konnte überwiegend fristgerecht abgeschlossen werden. Gesonderte Regelungen gelten für die dezentralen und gegenseitigen Anerkennungsverfahren. In laufenden DCP-Zulassungsverfahren können die entsprechenden Änderungen auch nach dem 1. Januar 2021 eingereicht werden. In laufenden MRP-Verfahren ist allerdings nur ein Wechsel des Antragstellers bzw. des künftigen MAH möglich; alle anderen Änderungen müssen per Variation vor dem Start des MRP beantragt und abgeschlossen sein.

Trotz der umfassenden Vorbereitungen werden Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, aber auch Medizintechnikunternehmen, mit neuen Anforderungen und erheblichem bürokratischen Aufwand im Grenzverkehr konfrontiert. Bei den Drittlandbestimmungen, bei denen das Handelsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich berücksichtigt werden muss, ergeben sich noch zahlreiche offene Fragen. Diese sollen durch eine Arbeitsgruppe „Arzneimittel“ unter Aufsicht des Fachausschusses für Handelsfragen aufgegriffen werden. Das Abkommen sieht Regelungen zur Vermeidung technischer Handelshemmnisse in Bezug auf Standardisierungs- und Konformitätsbewertungsverfahren für Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Allerdings sehen die Regelungen des Abkommens zur Guten Regulierungspraxis und Zusammenarbeit in der Regulierung gerade für den Bereich Gesundheit einen umfassenden Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien zur Bestimmung und Regelung des eigenen Schutzniveaus vor (Art. GRP 1 Abs. 3), woraus erheblich divergierende regulatorische Rahmenbedingungen für pharmazeutische und medizintechnische Produkte folgen könnten.

Explizit geregelt sind im Anhang „TBT-2: Arzneimittel“ die Möglichkeiten zur Anerkennung von GMP-Zertifikaten bei Arzneimitteln und Wirkstoffen. Erfasst werden in Verkehr gebrachte Human- oder Tierarzneimittel, einschließlich biologischer und immunologischer Human- und Tierarzneimittel; Arzneimittel für neuartige Therapien, pharmazeutische Wirkstoffe für die Human- oder Veterinärmedizin und  Prüfpräparate. Doch auch aus diesen Regelungen ergeben sich erneut zahlreiche offene Fragen, die durch die eigens eingerichtete Gruppe „Arzneimittel“ geklärt werden sollen.

Grundsätzlich zu beachten ist, dass das Abkommen nur eingeschränkte Regelungen zu Dienstleistungen enthält, was bei der Durchführung klinischer Studien zu erheblichem Aufwand führen kann. So muss die Qualified Person zur Freigabe von klinischem Material (Investigational Medical Products/IMPs) in jedem Fall in der EU angesiedelt sein. Die besonderen Anforderungen sind beim Anschluss von Kooperationsvereinbarungen zu berücksichtigen.

Positiv zu bewerten ist mit Blick auf die Forschungszusammenarbeit, dass das Vereinigte Königreich an einem Teil der EU-Forschungsprogramme weiterhin als Associate Member teilnehmen will. So ist beispielweise weiterhin eine Beteiligung an Horizon Europe vorgesehen sofern das Vereinigte Königreich die finanziellen Beiträge für die Förderperiode 2021 – 2026 erbringt.

 

Ansprechpartner/in: Denis Ullrich, Cornelia Yzer

M&A, Private Equity und Venture Capital Transaktionen

Die mit dem Brexit verbundene Unsicherheit hatte nach der britischen Austrittsentscheidung zunächst und für längere Zeit für Verunsicherung im Transaktionsmarkt geführt. Die Anzahl der Transaktionen mit Bezug zum Vereinigten Königreich war infolgedessen zunächst auch zurückgegangen. Aufgrund der Länge der Verhandlungsperiode hatte sich der Markt aber seit längerem wieder auf die wirtschaftlichen Themen fokussiert, sich nach und nach erholt und zuletzt wieder ein sehr stabiles Niveau erreicht. Es ist davon auszugehen, dass das jetzt erreichte Handels- und Kooperationsabkommen insoweit keine unmittelbaren negativen Änderungen bringen wird. Ob und welche Auswirkungen das Handels- und Kooperationsabkommen mittel- und langfristig haben wird und inwieweit der britischen Markt dauerhaft für Investoren interessant bleibt, ist derzeit nicht abschließend absehbar. Der EU-Markt wird aber in jedem Fall weiter eine wichtiger Zielmarkt für Investitionen aus dem Vereinigten Königreich bleiben.

Das Handels- und Kooperationsabkommen selbst enthält – wie zu erwarten – keine Regelungen, die sich unmittelbar mit den für Transaktionen relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen befassen. Das ist nicht weiter überraschend, unterliegen die Transaktionsdokumentationen doch nahezu ausnahmslos einem eigenständigen und abschließenden Reglungs- und Haftungssystem. Unmittelbar nach der britischen Austrittsentscheidung wurde insoweit diskutiert, ob Force Majeure und MAC-Klauseln bei noch nicht abgeschlossenen Transaktionen rechtlich Schutz vor den möglichen negativen wirtschaftlichen Folgen eines Austritts bieten und solche Regelungen in die Verträge aufgenommen werden sollten. Obwohl diese Unsicherheit grundsätzlich weiter besteht, ist zu erwarten, dass diese Fragen künftig in den Verträgen keine Rolle mehr spielen.

Im Bereich der öffentlichen Übernahmen gab es bislang mit der EU-Übernahmerichtlinie vereinheitlichte Regelungen. Die EU-Übernahmerichtlinie war dabei vom britischen Übernahmekodex (City Code on takeovers and mergers) maßgeblich beeinflusst. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs endet die unmittelbare Geltung der EU-Übernahmerichtlinie; auch hieran ändert das Handels- und Kooperationsabkommen nichts. Insoweit ist von Bedeutung, dass für Unternehmen im Vereinigten Königreich damit die Möglichkeit eines geteilten Gerichtsstands nicht mehr zur Verfügung steht. Unabhängig davon gelten die EU-Übernahmerichtlinie und der britischen Übernahmekodex mit dem bisherigen inhaltlichen Gleichlauf aber weiter nebeneinander.

 

Ansprechpartner/in: Dr. Thomas Kuhnle

Rechtsstreitigkeiten und Schiedsverfahren

Ordentliche Gerichte und materielles Zivilrecht

I. Problematik 

Trotz des nunmehr zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich abgeschlossenen Handels- und Kooperationsabkommens stellen sich Fragen im Hinblick auf die justizielle Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich im Bereich des Zivilrechts. Denn während im Handels- und Kooperationsabkommen unter „Titel 3.“ umfangreiche Regelungen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit im Strafrecht enthalten sind, fehlen entsprechende Regelungen im Bereich des Zivilrechts.

Demgegenüber enthält das Austrittsabkommen vom 17. Oktober 2019 zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich in seinen Artikeln 66 ff. für das Zivil(-prozess-)recht detaillierte Regelungen, insbesondere im Hinblick auf (i) die Zuständigkeit von Gerichten der Mitgliedstaaten der EU, (ii) die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen sowie (iii) auf die Regelungen zur Auswahl des anwendbaren materiellen Zivilrechts bei Streitigkeiten mit Bezug zum Vereinigten Königreich. Dabei erklärte das Austrittsabkommen für Fragen des Prozess- bzw. Vollstreckungsrechts die sog. Brüssel Ia-VO (EuGVVO) für weiterhin anwendbar. Für das anzuwendende materielle Zivilrecht wurden grundsätzlich die Regelungen der sog. ROM I und II VO Verordnungen für weiterhin anwendbar erklärt.

Allerdings wurde die Fortgeltung der Brüssel Ia-VO und der ROM I und II VO im Austrittsabkommen nur für den Übergangszeitraum bestimmt, der nach Art. 126 des Austrittsabkommen am 31. Dezember 2020 endete.

Es stellt sich daher die Frage, was im Hinblick auf das Vereinigte Königreich zukünftig (i) im Bereich der Zuständigkeit von Gerichten der Mitgliedstaaten der EU, (ii) für die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen sowie (iii) fürdie Auswahl des anwendbaren materiellen Zivilrechts gilt.

1. Brüssel Ia-VO (EuGVVO)

Die Brüssel Ia-VO regelt im Wesentlichen drei Bereiche des Zivilprozess- bzw. Vollstreckungsrechts:

  • Die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedsstaaten der EU.
  • Eine in einem Mitgliedsstaat ergangene gerichtliche Entscheidung wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines gesonderten Anerkennungsverfahrens bedarf (Art. 36 Brüssel Ia-VO).
  • Eine in einem Mitgliedsstaat ergangene gerichtliche Entscheidung, die in diesem Mitgliedsstaat vollstreckbar ist, ist in den anderen Mitgliedsstaaten ebenfalls vollstreckbar, und zwar ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf (Art. 39 Brüssel Ia-VO).

 

Nach dem Austritt (31. Januar 2020) ist das Vereinigte Königreich kein Mitgliedsstaat der EU mehr, sodass die Brüssel Ia-VO dort auch keine Anwendung mehr findet. Allerdings erklärte Art. 67 Abs. 1 lit. a) die Brüssel Ia-VO für den Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 für weiterhin im Bezug zum Vereinigten Königreich für anwendbar.

Im Vereinigten Königreich sowie in den Mitgliedstaaten der EU gelten daher in gerichtlichen Verfahren sowie für damit zusammenhängende Verfahren oder Klagen, die einen Bezug zum Vereinigten Königreich aufweisen und die bis zum 31. Dezember 2020 eingeleitet wurden, weiterhin die Bestimmungen der Brüssel Ia-VO zur (internationalen) Zuständigkeit der EU-Gerichte, zur Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und zur Vollstreckung solcher Entscheidungen für die Übergangszeit fort. Für die Anwendung der Brüssel Ia-VO kommt es dabei entscheidend darauf an, dass das (gerichtliche) Verfahren bis zum Ablauf der Übergangszeit eingeleitet wurde. Unerheblich für die Anwendung der Brüssel Ia-VO ist dagegen, wann die Entscheidung über das Verfahren ergeht. Dementsprechend ist beispielsweise die Vollstreckung eines Urteils eines Gerichts des Vereinigten Königreichs in Deutschland nach den Regelungen Brüssel Ia-VO vorzunehmen, wenn das Gerichtsverfahren im Jahr 2020 eingeleitet wurde, die zu vollstreckende Entscheidung jedoch erst im Jahr 2021 (oder später) ergeht.

Im Hinblick auf Verfahren, die ab dem 1. Januar 2021 eingeleitet werden, ist zu differenzieren:

Die Gerichte der verbleibenden Mitgliedsstaaten wenden auch nach dem Brexit und dem Ende der Übergangszeit am 31. Dezember 2020 die Brüssel Ia-VO an. Dies gilt selbst dann, wenn es um Klagen mit einem Bezug zum Vereinigten Königreich geht. Damit würde allerdings zum Beispiel ein deutsches Gericht bei einem im Vereinigten Königreich wohnhaften bzw. ansässigen Beklagten gem. Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO grundsätzlich (d.h. mit Ausnahme der in Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO genannten Vorbehalte) zur Anwendung der deutschen (autonomen) Regeln zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit gelangen (§§ 12 ff. ZPO).

Ein Gericht des Vereinigten Königreichs richtet sich in diesem Zusammenhang nunmehr nicht mehr nach den Regelungen der Brüssel Ia-VO, sondern nach dem (nationalen) Recht des Vereinigten Königreichs. Ergänzend ist das Vereinigte Königreich am 29. September 2020 verschiedenen Haager Übereinkommen beigetreten, darunter auch dem Haager Gerichtsstandsübereinkommen, sodass zumindest im Anwendungsbereich der Haager Übereinkommen eine gewisse rechtliche Einheitlichkeit und damit Rechtssicherheit gegeben sein wird. Denn auch die Europäische Union ist dem Haager Gerichtsstandsübereinkommen beigetreten.

2. Rom I-VO

Ähnliche Fragen wie bei der Brüssel Ia-VO stellen sich auch im Zusammenhang mit der Rom I-VO. Denn nach dem Ausscheiden ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitglied der EU.

Die Rom I-VO regelt grundsätzlich die Bestimmung des anzuwendenden materiellen Rechts im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 ff. Rom I-VO).

Wie bei der Brüssel Ia-VO regelt das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich, dass die Rom I-VO für den Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich weiterhin Anwendung findet (Art. 66 Abs. 1 des Austrittsabkommens). Danach ist hinsichtlich eines Vertrages, der etwa zwischen einer deutschen GmbH und einer britischen LLP im Jahr 2020 geschlossen wurde, zur Bestimmung des auf diesen Vertrag anzuwendenden materiellen Zivilrechts die Rom I-VO anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn sich die Frage nach dem materiellen Zivilrecht beispielsweise erst im Jahr 2021 stellen sollte. Maßgeblich ist mithin der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Im Hinblick auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2021 ist wiederum zu differenzieren:

Wie bei der Brüssel Ia-VO bleibt für die Gerichte der verbleibenden Mitgliedsstaaten der Europäischen weiterhin die Rom I-VO anwendbar, da diese die universelle Anwendbarkeit festlegt, Art. 2 Rom I-VO (für deutsche Gerichte vgl. auch Art. 3 Nr. 1 lit. b) EGBGB). Dies gilt auch dann, wenn der Fall einen Bezug zum Vereinigten Königreich aufweist.

Die Gerichte des Vereinigten Königreichs haben dagegen ab dem 1. Januar 2021 die Regelungen des (nationalen) Rechts des Vereinigten Königreichs anzuwenden, um bei Fällen mit Bezug zum Ausland das anzuwendende materielle Recht zu bestimmen. Eine gewisse Rechtssicherheit kann hierbei daraus entstehen, dass das Vereinigte Königreich angekündigt hat, dass es die Regelungen der Rom I-VO übernehmen und in sein nationales Recht implementieren möchte.

3. Rom II-VO

Letztlich stellen sich auch im Zusammenhang mit der Rom II-VO die Fragen im Hinblick auf die Brüssel Ia-VO und die Rom I-VO.

Die Rom II-VO regelt grundsätzlich die Bestimmung des anzuwendenden materiellen Rechts im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art. 2 Abs. 1, Art. 4 ff. Rom II-VO).

Wie bei der Brüssel Ia-VO und der Rom I-VO regelt das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich, dass die Rom II-VO für den Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020 im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich weiterhin Anwendung findet (Art. 66 Abs. 2 des Austrittsabkommens).

Danach ist für die Bestimmung des auf ein außervertragliches Schuldverhältnis anzuwendenden materiellen Zivilrechts die Rom II-VO anzuwenden (beispielsweise eines Schadensersatzes aus einem Autounfall zwischen einem britischen und einem deutschen Auto im Vereinigten Königreich im Jahr 2020).

Im Hinblick auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 2021 ist wiederum zu differenzieren:

Für die verbleibenden Mitgliedsstaaten der EU bleibt es bei der Anwendung der Rom II-VO. Dies gilt auch gegenüber dem Vereinigten Königreich. Denn die Rom II-VO beansprucht, ebenso wie die Rom I-VO, gem. Art. 3 Rom II-VO universelle Anwendung für sich (für deutsche Gerichte vgl. auch Art. 3 Nr. 1 lit. a) EGBGB).

Das Vereinigte Königreich wird im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse sein nationales Recht zur Bestimmung des anzuwendenden materiellen Zivilrechts bei Fällen mit Auslandsbezug anwenden.

II. Fazit

Zwar wurde noch in „letzter Sekunde“ das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich geschlossen, um somit den befürchteten „No-Deal“ Brexit abzuwenden.

Zu einer Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der justiziellen Zusammenarbeit im Bereich des Zivil- und Handelsrecht hat dieses Handels- und Kooperationsabkommen jedoch nicht beigetragen. Vielmehr ergibt sich eine gewisse Rechtssicherheit nur aufgrund des Austrittsübereinkommens vom 1. Februar 2020. Denn zumindest für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2020 ist durch dieses Abkommen klargestellt, dass im Zivilrechtsbereich insbesondere die Brüssel Ia-VO für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und die Rom I und II-VO für die Bestimmung des materiellen Zivilrechts fortgelten.

Für die Zeit ab dem 1. Januar 2021 fehlen solche klaren Regelungen in dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich leider vollständig. Aus Sicht der Gerichte der verbleibenden Mitgliedsstaaten kommt es zwar zu keinerlei Änderungen; diese wenden weiterhin die Brüssel Ia-VO, die Rom I und die Rom II-VO an. Im Verhältnis zum Vereinigten Königreich werden Streitigkeiten jedoch von einer höheren Rechtsunsicherheit geprägt sein, da das Vereinigte Königreich in sämtlichen dieser Bereiche auf sein nationales Recht zurückfällt.

Vertragsgestaltend kann eine gewisse Rechtssicherheit dadurch erreicht werden, dass in Verträgen, die derzeit oder künftig mit Bezug zum Vereinigten Königreich verhandelt werden, nach Möglichkeit Gerichtsstandsklauseln und Rechtswahlklauseln aufgenommen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nunmehr sowohl die Europäische Union als auch das Vereinigte Königreich Mitgliedsstaaten des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsklauseln sind.

Ansprechpartner: Florian Schulz, Stephan Bausch

 

Schiedsgerichte

Für momentan laufende sowie zukünftige Schiedsverfahren ergeben sich durch den Brexit und das Handelsabkommen keine Auswirkungen. Der Rechtsrahmen für internationale Schiedsverfahren wird im Wesentlichen durch die New Yorker Konvention für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 vorgegeben, die für das Vereinigte Königreich auch ohne EU-Zugehörigkeit gilt.

Auch ist das Vereinigte Königreich als unmittelbarer Vertragsstaat der ICSID-Konvention von 1965, welche das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten geschaffen hat (ICSID) und auch die Vollstreckung von ICSID-Schiedssprüchen regelt, an diese unabhängig von einer EU-Zugehörigkeit gebunden. Die zwischen dem Vereinigten Königreich und Mitgliedstaaten der EU bestehenden Investitionsschutzverträge bleiben von dem Abkommen unberührt. Das gilt ebenso für den Energiechartavertrag. Das Vereinigte Königreich unterliegt nicht mehr der Rechtsprechung des EuGH, sodass die wegen der Achmea-Entscheidung des EuGH innerhalb der EU problematische Vollstreckung von Intra-EU-Investitionsschiedssprüchen jetzt erleichtert werden sein sollte.

Einschränkungen ergeben sich durch das Handelsabkommen für die Vertretung in Schiedsverfahren. Die Beratung und Vertretung durch deutsche Anwälte bei Verfahren nach englischem Recht ist dem Wortlaut nach nur zulässig, wenn und soweit diese in der EU stattfindet, aber nicht mehr, wenn das Verfahren mit Sitz bspw. in London stattfindet (und englisches Recht zur Anwendung kommt). Unklar ist, ob schon die Anwendung englischen Schiedsverfahrensrechts ausreicht. Daher sollte man vorsorglich stets englische Anwälte als Co-Counsel einschalten. Unklar ist zudem, ob deutsche Schiedsrichter weiterhin bei Verfahren im Vereinigten Königreich tätig werden dürfen, da die Tätigkeit als Schiedsrichter ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit für Anwälte im Abkommen ausgenommen wurde.

Ansprechpartner: Richard Happ

Steuern und Zölle

Das Europäische Recht hat in den letzten Jahren das nationale deutsche Steuerrecht, insbesondere das Unternehmenssteuerrecht in großem Ausmaß beeinflusst und verändert. Eine Vielzahl von Regelungen gelten ausdrücklich nur für das Verhältnis zu anderen EU-Staaten, nicht aber für das Verhältnis zu Drittstaaten. Der Brexit führt daher zu steuerlich relevanten Änderungen, wenn bestimmte Sachverhalte Bezug zum Vereinigten Königreich und zur EU haben. Aufgrund des Brexit-Abkommens wurde das Vereinigte Königreich nach dessen Austritt am 31. Januar 2020 bis Ende 2020 wie ein Mitgliedsstaat behandelt und im Vereinigten Königreich Ansässige wurden als in der EU ansässig behandelt. Mit Beginn des Jahres 2021 hat sich daher die Rechtslage geändert.

So gilt etwa die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz nicht für niedrig besteuerte Gesellschaften in der EU oder in einem anderen Land des Europäischen Wirtschaftsraums.

Die Verteilung der Besteuerung stiller Reserven in Wirtschaftsgütern, die in eine ausländische Betriebsstätte verbracht werden, auf das Jahr der Einbringung und die folgenden vier Jahre ist nur möglich, wenn diese Betriebsstätte in einem Mitgliedsland der EU oder des EWR liegt. Wenn Wirtschaftsgüter nach dem 31. Dezember 2020 von Deutschland in das Vereinigte Königreich verlagert werden, sind stille Reserven sofort zu versteuern. Für bereits vor dem 1. Januar 2021 nach Großbritannien überführte Wirtschaftsgüter führt der Brexit allein jedoch nicht zu einer sofortigen Besteuerung

Grunderwerbsteuervergünstigungen bei grenzüberschreitenden konzerninternen Umstrukturierungen werden nur gewährt, wenn der Umstrukturierungsvorgang nach dem Recht eines Mitgliedsstaates der EU oder des EWR erfolgt.

Aufgrund des Austritts fallen künftig die Vergünstigungen der Mutter-Tochter-Richtlinie (Richtlinie 2011/96/EU) in Bezug auf Quellensteuer auf Ausschüttungen im Konzern weg, soweit diese an britische Gesellschaften erfolgen. Danach unterliegen Dividenden von Gesellschaften, an denen der jeweilige Anteilseigner zu mindestens 10 % beteiligt ist, nicht der Quellensteuer. Dividenden, die von britischen Unternehmen ausgeschüttet werden, unterliegen bereits nach nationalem britischen Recht nicht dem Quellensteuerabzug; insoweit hat der Wegfall der Vergünstigungen der Mutter-Tochter-Richtlinie keine nachteiligen Folgen. Für Ausschüttungen deutscher Gesellschaften an ihre britischen Anteilseigner gelten ohne die Richtlinie die entsprechenden Steuersätze nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (5 % für Beteiligungen von juristischen Personen an der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 10 %).

Nach der Zins- und Lizenzrichtlinie (Richtlinie 2003/49/EG) werden innerhalb der EU keine Quellensteuern auf Zins- und Lizenzzahlungen an verbundene Unternehmen erhoben. Deutschland erhebt nach nationalem Recht in der Regel keine Quellensteuern auf Zinsen. Nach deutschem nationalen Recht beträgt die Quellensteuer auf Lizenzzahlungen aber 15 %. Da das Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht dem Land des Empfängers zuweist, gibt es insoweit keine Nachteile.

Bestimmte grenzüberschreitende Umwandlungen, an denen britische Gesellschaften beteiligt sind, werden nicht mehr steuerneutral möglich sein. Für Umwandlungsvorgänge, die bereits in die Wege geleitet wurden, gelten Übergangsregelungen, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen die Begünstigungen noch gewährt werden. Der Brexit allein führt nicht zu einer Besteuerung einer bereits vor dem Brexit erfolgten Einbringung.

Bereits durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz vom 25. März 2019 wurde vorgesorgt, dass eine britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, die durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU als aufgelöst gelten könnte (siehe dazu in Abschnitt Gesellschaftsrecht), steuerlich behandelt wird als wäre sie nicht aufgelöst. Damit unterliegen die stillen Reserven einer solchen Gesellschaft nicht der Besteuerung (vgl. § 12 KStG). Es entsteht auch nicht allein durch den Brexit Grunderwerbsteuer (§ 4 Nr. 6 GrEStG) und es fällt auch die nach § 6a GrEStG bereits entstandene Steuerbegünstigung durch den Brexit nicht weg.

Nach den Regelungen des Austrittsabkommens, nach welchem das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 aus der EU ausgetreten ist, galt für Umsatzsteuerzwecke ein Übergangszeitraum, der am 31. Dezember 2020 endete. Das Handelsabkommen ändert daran nichts. Grundsätzlich führt dies dazu, dass das Vereinigte Königreich seit Beginn dieses Jahres umsatzsteuerlich als Drittlandsgebiet behandelt wird. Für Nordirland gelten im Warenverkehr weiterhin die Vorschiften für den innergemeinschaftlichen Handel, während Nordirland für den Dienstleistungsverkehr Drittlandsgebiet ist. Einige Übergangsregelungen finden sich in dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 25. November 2020.

Das Handels- und Kooperationsabkommen ändert nichts an der Tatsache, dass das Vereinigte Königreich nunmehr kein Mitglied der EU-Zollunion mehr ist und dem EU-Binnenmarkt nicht mehr angehört. Das führt dazu, dass Ein- und Ausfuhranmeldungen erforderlich sind und Grenzkontrollen durchgeführt werden. Zollfreiheit besteht nur für Waren, die ihren Ursprung in der EU bzw. im Vereinigten Königreich haben. Unternehmen müssen den präferenziellen Ursprung erklären. Fehler bei dieser Erklärung können sanktioniert werden. Nordirland wird wiederum zollrechtlich zukünftig so behandelt, als wäre es Teil des EU-Zollgebietes.

Ansprechpartner: Ulrich Siegemund

Umwelt- und Klimaschutzrecht

Der Austritt aus der Europäischen Union könnte für das Vereinigte Königreich erhöhte administrative Anforderungen im Umweltsektor bedeuten, da in Zukunft verschiedene Systeme von Umweltvorschriften und -planung abgestimmt werden müssen. Zu einem großen Teil werden die Gesetzgebungskompetenzen hierfür auch bei den Regionalparlamenten in Schottland, Wales und Nordirland liegen, was unter Umständen regionalspezifische Standards zur Folge haben kann. Unterschiede bei den umweltrechtlichen Regulierungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich einerseits sowie zwischen den Regionen im Königreich andererseits belasten nicht nur laufende Investments und deren Rechtssicherheit, sondern erhöhen auch die Schwelle für zukünftige Investitionen. Es drohen ungleiche Wettbewerbsbedingungen, die zu Belastungen auf beiden Seiten des Ärmelkanals führen können. Es ist ein Ziel der EU, dies möglichst zu verhindern und ein Level Playing Field zu sichern.

Im Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sind in diesem Zusammenhang Verpflichtungen beider Parteien vorgesehen, durch ein hohes Schutzniveau im Bereich des Umweltschutzes sowie dem Klimaschutzrecht und einen effektiven Vollzug die Voraussetzungen für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Flankiert wird dies durch einen verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus sowie der Option, im Falle des Zuwiderhandelns der jeweils anderen Vertragspartei Sanktionen zu ergreifen.

Abzuwarten bleibt dessen ungeachtet, ob das Vereinigte Königreich seine Abtrennung von der Europäischen Union nicht dazu nutzen wird, entgegen der teils überbordenden umweltrechtlichen EU-Vorgaben aus Brüssel ein industriefreundlicheres Regulierungsumfeld mit weniger „red tape“ zu schaffen. Die britische Regierung stellte Absenkungen der Umweltstandards bisher zwar nicht konkret in Aussicht; sie bleiben aber ungeachtet aller Protestpotentiale etwa bei NGOs eine interessante Möglichkeit zur Förderung von Investitionen gerade im industriellen Sektor. Spannend wird sein, ob der Gedanke des Level Playing Fields hier Spielräume eröffnet und ob es zu unterschiedlichen Reaktionen auf zukünftige Umweltentwicklungen kommt.

Für den Bereich des Klimaschutzes hat die britische Regierung angekündigt, weiterhin ambitionierte Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu verfolgen. Dies gilt ungeachtet des mit dem EU-Austritt erfolgten Verlassen des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS). Das EU-ETS ist bisher der weltweit wichtigste CO2-Markt und gleichzeitig auch der größte. Durch das Verlassen der EU werden britische Unternehmen den Zugang zu diesem speziellen gemeinsamen Markt verlieren und auch keine weiteren kostenlosen Emissionszertifikate mehr beanspruchen können.

Zu guter Letzt wird das Vereinigte Königreich von der enormen Subventionierung durch die EU ausgeschlossen sein, welche den Unternehmen gewährt werden, die für umweltfreundliche und energieeffiziente Produkte und Dienstleistungen stehen. Hieraus dürften Vorteile für EU-Unternehmen resultieren.
 

Ansprechpartner: Stefan Altenschmidt

Versicherungsrecht

Sowohl für Versicherungsunternehmen als auch für Versicherungsvermittler der EU und des EWR gilt grundsätzlich das sog. „Sitzlandprinzip“ bzw. „Herkunftslandprinzip“. Das heißt, dass Versicherer und Vermittler im Falle einer Tätigkeit innerhalb der EU bzw. des EWR nur eine Erlaubnis in ihrem Sitz- bzw. Herkunftsland benötigen, nicht aber auch in anderen Staaten der EU bzw. des EWR, in denen sie tätig sind bzw. werden wollen (sog. „Europäischer Pass“).

Seit dem 1. Januar 2021 sind die Regelungen zum „Europäischen Pass“ auf das Vereinigte Königreich nicht mehr anwendbar. Auch das am 24. Dezember 2020 bekanntgegebene Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich enthält insoweit keine Regelungen. Dies bedeutet, dass Versicherungsunternehmen und -vermittler aus dem Vereinigten Königreich ihre Tätigkeit in der EU bzw. dem EWR nur noch mit einer Erlaubnis als Drittstaatenanbieter ausüben dürfen. Umgekehrt bedürfen Versicherungsunternehmen und -vermittler mit Sitz in der EU bzw. dem EWR für ihre Tätigkeit im Vereinigten Königreich einer Erlaubnis nach dortigem Recht.

Demnach benötigen z.B. Versicherungsunternehmen des Vereinigten Königreichs für ihren Geschäftsbetrieb in Deutschland eine Erlaubnis nach Maßgabe der §§ 67 ff. des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Durch eine am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Allgemeinverfügung hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) jedoch teilweise abweichende Regelungen geschaffen: die „Allgemeinverfügung zur Durchführung und Abwicklung der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Versicherern und EbAV aus UK und GI“ kann über die Webseite der BaFin (www.bafin.de) abgerufen werden.

Nach dieser Allgemeinverfügung benötigen Versicherungsunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 grenzüberschreitend in Deutschland Geschäfte betrieben haben, für die Fortführung und Abwicklung des Bestandsgeschäfts nach Maßgabe der Allgemeinverfügung keine Erlaubnis. Für das Neugeschäft gilt die Allgemeinverfügung nicht, d.h. hierfür ist eine Erlaubnis notwendig.

Die Allgemeinverfügung bestimmt für die Zulässigkeit der Fortführung und Abwicklung des Bestandsgeschäfts ohne Erlaubnis insbesondere, dass die Versicherungsunternehmen ihre in Deutschland abgeschlossenen Versicherungsverträge, sofern und sobald rechtlich zulässig, unverzüglich zu kündigen und auf Grundlage der Vertragsbedingungen vollständig abzuwickeln haben. Ferner ist die Durchführung des Bestandsgeschäfts (auch ohne Kündigung) bis zum Vollzug einer Übertragung des Bestands auf ein in Deutschland zugelassenes Versicherungsunternehmen erlaubt, sofern die Bestandsübertragung bereits vor Ablauf des Jahres 2020 eingeleitet wurde. Für die gesamte Dauer der Durchführung oder Abwicklung der Versicherungsverträge sind zudem einmalig bzw. jährlich bestimmte Unterlagen bei der BaFin einzureichen.
 

Ansprechpartner: Alexander Mönnig

Vertrags- und Handelsrecht

Warenverkehr

Es stellt eine der tragenden Säulen des Handels- und Kooperationsabkommens dar, dass beide Seiten sich im Grundsatz auf einen freien Warenverkehr ohne Zölle, Einfuhrquoten oder tarifäre Handelshemmnisse für Waren und Dienstleistungen sowie unter Geltung des WTO-Übereinkommens geeinigt haben.

Regelungen zum Warenverkehr zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich finden sich unter der gleichlautenden Überschrift in Teil Zwei, Teilbereich Eins, Titel I des Abkommens. Allerdings lohnt zunächst ein Blick in die „Sonstigen Bestimmungen“ unter Teil Zwei, Teilbereich Sechs. Neben verschiedenen wesentlichen Begriffsbestimmungen finden sich dort, wo man es kaum vermutet, einige grundlegende Aussagen und Regelungen, die für das Verständnis des Abkommens von entscheidender Bedeutung sind. Danach errichten die Vertragsparteien EU und UK eine Freihandelszone im Sinne des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 („GATT 1994“). Ferner bekräftigen die Vertragsparteien ausdrücklich ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem WTO-Übereinkommen von Marrakesch vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation und anderen Übereinkünften, deren Vertragsparteien sie sind. Keine Vertragspartei ist nach dem Abkommen verpflichtet, in einer Art und Weise zu handeln, die nicht mit ihren Pflichten aus dem WTO-Übereinkommen vereinbar ist. Bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen von Teil Zwei des Abkommens ist die einschlägige WTO-Rechtsprechung zu berücksichtigen. Dies vorausgeschickt regelt das Abkommen den Warenverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union insbesondere wie folgt:

In Bezug auf interne Steuern und interne Regulierung gewähren die Parteien ihren jeweiligen Waren eine Inländerbehandlung im Sinne von Art. III GATT 1994 (Art. GOODS.4). Ferner gewähren sich die Parteien wechselseitig die freie Durchfuhr durch ihr Gebiet im Sinne von Art. V GATT 1994 (Art. Goods.4A). Insbesondere ist aber die Erhebung von Zöllen auf Waren grundsätzlich verboten, jedenfalls soweit es sich um Waren mit Ursprung in der jeweils anderen Vertragspartei handelt (Art. GOODS.5): Ausfuhrzölle oder -steuern sowie sonstige Abgaben bei oder im Zusammenhang mit der Ausfuhr nach UK oder in die EU dürfen nicht eingeführt oder aufrechterhalten werden (Art. GOODS.6 Abs. 1 Halbsatz 1, ausgenommen sind bestimmte Gebühren und Abgaben nach Art. GOODS.7, welche die Parteien unverzüglich im Internet zu veröffentlichen haben); inländische Steuern oder Abgaben auf ausgeführte Waren dürfen nur insoweit eingeführt oder aufrechterhalten werden, als sie nicht über solche Steuern und Abgaben hinausgehen, die auf gleichartige Waren erhoben würden, wenn sie für den internen Verbrauch bestimmt wären (Art. GOODS.6 Abs. 1 Halbsatz 2). Die Einschränkung, dass es sich um Waren mit Ursprung in der jeweils anderen Vertragspartei handeln muss, gilt im Übrigen nicht für Waren, die zum Zwecke der Ausbesserung ausgeführt und wieder eingeführt werden (Art. GOODS.8 „repaired goods“). Wiederaufgearbeitete Waren sind gleichwertigen Waren im Neuzustand gleichzustellen (Art. GOODS.9 „remanufactured goods“).

Was die Ursprungseigenschaft anbelangt, differenziert das Abkommen wie folgt (Art. ORIG.3): Ursprungserzeugnisse einer Vertragspartei, EU bzw. UK, sind Erzeugnisse, (a) die vollständig im Staat dieser Vertragspartei gewonnen oder hergestellt wurden (Details in Art. ORIG.5; dies sind beispielsweise Erzeugnisse, die von in der EU oder in UK aufgezogenen lebenden Tieren oder von dort geborenen und aufgezogenen geschlachteten Tieren stammen) oder (b) die ausschließlich aus Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft in dieser Vertragspartei hergestellt wurden oder (c) die in dieser Vertragspartei unter Verwendung von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft hergestellt wurden, sofern die Erzeugnisse die Voraussetzungen des ANHANGS ORIG-1 und ANHANGS ORIG-2 unter Berücksichtigung der Toleranzen nach Art. ORIG.6 erfüllen (für Kraftfahrzeuge gilt beispielsweise eine Obergrenze von 45 % Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft gemessen an dem Ab-Werk-Preis des Gesamterzeugnisses, bei Elektro- und Hybridfahrzeugen muss der Batteriesatz allerdings ein Ursprungserzeugnis sein, ANHANG ORIG-2, Kapitel 87).

Um die Zollpräferenzbehandlung in Anspruch nehmen zu können, bedarf es gemäß Art. ORIG.18 ff. künftig eines entsprechenden Antrags des Einführers an die Zollbehörden der Vertragspartei, in die die Ware eingeführt werden soll. Der Zollbehörde ist auf Verlangen eine Erklärung des Ausführers zum Ursprung des Erzeugnisses beizufügen. Im Übrigen regeln sich die Einzelheiten der Einfuhrzollanmeldung nach den nationalen Gesetzen. Es ist allerdings auch möglich, die Einfuhr von Ursprungswaren ohne vorherigen Antrag auf Zollpräferenzbehandlung vorzunehmen und diesen Antrag innerhalb von drei Jahren nachzureichen; erhobene Zölle werden in diesem Fall nachträglich erstattet.

Wichtig ist aber im Ergebnis, dass der grenzüberschreitende Warenverkehr zwischen der EU und UK trotz grundsätzlicher Zollfreiheit künftig gleichwohl einer Zollabfertigung bedarf, was einen erhöhten Verwaltungs-, Zeit- und Kostenaufwand mit sich bringen kann und bei der Logistik und innerhalb der Lieferketten berücksichtigt werden muss.

Produktsicherheit/Product Compliance

Auch nach dem Abschluss des Handels- und Kooperationsabkommens sind mit Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und Ablauf der von beiden Seiten vereinbarten Übergangsfrist zwei klar getrennte Rechtsräume mit jeweils gesonderten regulatorischen Regelwerken entstanden. Anders als bislang kann daher grenzüberschreitender Vertrieb und Inverkehrbringen von Waren oder Dienstleistungen nicht mehr zwingend auf der Grundlage eines einheitlichen und grenzüberschreitenden regulatorischen Systems erfolgen.

Die Parteien des Handels- und Kooperationsabkommens bekennen sich vor diesem Hintergrund in ihrem Abkommen zu dem gemeinsamen Ziel, unnötige technische Handelshindernisse zu verhindern, zu ermitteln und zu beseitigen. Hierzu haben sie sich auf entsprechende Regelungen zur Ausarbeitung und Anwendung von Normen, technischen Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren, die sich auf den Handel mit Waren zwischen den Vertragsparteien auswirken können, geeinigt (Art. TBT.2). Darin ist zunächst eine Präferenz für die Anwendung internationaler, d.h. nicht nationaler, Normen bzw. von internationalen Organisationen erarbeiteter Normen festgehalten (Art. TBT.4/5). Hierzu greift das Handels- und Kooperationsabkommen unter anderem auch auf das TBT-Übereinkommen (Agreement on Technical Barriers to Trade) unter der Ägide der WTO zurück.

Für die Durchführung von Konformitätsbewertungen von Waren gilt eine Priorität zugunsten der Eigenerklärung des Herstellers über die Normkonformität der von ihm in den Verkehr zu bringenden Waren (Art. TBT.6). Insoweit soll jede der Vertragsparteien für diejenigen Warengattungen, für die sie am Tag des Inkrafttretens des Handels- und Kooperationsabkommens die Abgabe einer Konformitätserklärung durch den Hersteller der Ware (Eigenerklärung) akzeptiert hat, im Ausgangspunkt weiterhin eine solche Konformitätserklärung des Herstellers anerkennen (Art. TBT.6 Nr. 5). Änderungen bezüglich der Akzeptanz von Konformitätsbewertungen und insbesondere die Einführung eines Erfordernisses, die Bewertung dritter Stellen – etwa auch der Behörden der betreffenden Vertragspartei – vor dem Inverkehrbringen der Waren einzuholen, sind künftig jedoch aus Gründen berechtigter Ziele gerechtfertigt. Auch zur Frage von Kennzeichnungspflichten von Waren haben die Vertragsparteien Regelungen zur Vereinheitlichung und Erleichterung getroffen (Art. TBT.8). Die Zusammenarbeit der Behörden im Bereich der Marktüberwachung ist im Handels- und Kooperationsabkommen ebenfalls vorgesehen (Art. TBT.9). Insbesondere sollen danach kurzfristig die Rahmenbedingungen für einen Informationsaustausch mit dem Schnellwarnsystem der EU RAPEX geschaffen werden.

Das Handels- und Kooperationsabkommen weist jeweils für bestimmte Warengattungen Sonderregelungen auf, die in Anhängen zum Abkommen festgelegt sind, so etwa für Kraftfahrzeuge und Fahrzeugteile, Arzneimittel, Chemikalien, Agrar-Erzeugnisse etc.

Vertriebsrecht

Das Handels- und Kooperationsabkommen trifft keine unmittelbaren Regelungen zum Vertriebsrecht, d.h. dem Recht der Vertriebsmittler (Handelsvertreter, Vertragshändler, etc.). Für Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedsstaaten der EU vertreiben, sind folglich über die im Abkommen getroffenen allgemeinen Regelungen hinaus (z.B. Inländer-Behandlung, Meistbegünstigung) nach aktuellem Stand keine Sonderregelungen vorgesehen. Damit gelten dieselben Regelungen wie sie für Vertriebsverträge mit Unternehmen aus Drittländern bestehen. Damit muss davon ausgegangen werden, dass die EU-rechtlichen Vorschriften zum Vertriebsrecht, wie insbesondere die Handelsvertreter-Richtlinie (86/653/EWG), für auf dem Gebiet des Vereinigten Königreichs tätige Vertriebsmittler künftig nicht mehr unabdingbar sind, sondern durch Vereinbarung zwischen den Parteien abbedungen werden können (so jedenfalls die Situation bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts). Umgekehrt gilt dies auf Grundlage der „Ingmar-Rechtsprechung“ des EuGH für innerhalb des Gebiets der EU tätige Handelsvertreter nicht, auch wenn diese für einen Prinzipal aus dem Vereinigten Königreich unter englischem Recht tätig sein sollten. Unter dem Handels- und Kooperationsabkommen kommt deshalb der Vertragsgestaltung in Vertriebsverträgen künftig eine größere Bedeutung zu als bisher.
 

Ansprechpartner: Volker Steimle