31.10.2022

Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Hintergrund

Durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt, werden eine Reihe neuer Rechtspflichten für Unternehmen geschaffen. Zur Wahrung der Menschenrechte und zum Schutz der Umwelt werden die Unternehmen dazu angehalten, die normierten Sorgfaltspflichten, insbesondere die Einrichtung eines Risikomanagements, umzusetzen. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit der praxisbezogenen Frage nach den in Betracht kommenden Beteiligungsrechten des Betriebsrates zur Umsetzung des LkSG.

Einführung einer Verhaltensrichtlinie

Bei der Einführung eines Code of Conduct zum LkSG kann sich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergeben. Der Mitbestimmung unterliegen danach Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Ein Code of Conduct ist mitbestimmungsfrei, soweit ausschließlich gesetzliche Bestimmungen wiedergegeben werden. Der Inhalt des Code of Conduct bedarf daher einer genauen rechtlichen Analyse, um die mitbestimmungsfreien Inhalte von den mitbestimmungspflichtigen Inhalten zu trennen.

Die Errichtung eines Risikomanagements

Die Errichtung eines Risikomanagements dient dazu Rechtsgutsverletzungen entlang der Lieferkette zu identifizieren, verhindern, beenden oder zumindest zu minimieren. Der Betriebsrat ist gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beteiligen, wenn bereits bei der Implementierung des Risikomanagements verbindliche Verhaltensweisen für die Beschäftigten des Unternehmens aufgestellt werden. Dies ist etwa der Fall, wenn die Umsetzung von Maßnahmen, die es ermöglichen, relevante Risken zu erkennen und zu minimieren oder Sorgfaltspflichten zu verhindern, zu beenden oder abzumildern, eine Meldepflicht der Arbeitnehmer vorsieht. Mitbestimmungsfrei sind hingegen allgemeine ethisch-moralische Programmsätze, Selbstverpflichtungen oder die Darstellung der Unternehmensphilosophie.

Festlegung eines Menschenrechtsbeauftragten

Bei der Festlegung eines Menschenrechtsbeauftragten als Zuständiger für die Überwachung des Risikomanagements könnte gegebenenfalls ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG bestehen, wenn es sich dabei um eine Umgruppierung oder Versetzung eines Arbeitnehmers handelt. Eine Umgruppierung dürfte selten einschlägig sein. Die Frage des Vorliegens einer Versetzung hängt maßgeblich vom Umfang der Tätigkeit als Beauftragter ab und muss somit einzelfallbezogen entschieden werden.

Risikoanalyse

Eine weitere Sorgfaltspflicht ist die Durchführung von Risikoanalysen gem. § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 5 LkSG. Im Rahmen der Risikoanalyse können Mitbestimmungsrechte begründet werden, wenn gegenüber den Arbeitnehmern Formulare verwendet werden, deren Fragen auf die Aufdeckung eigener Erfahrungen mit relevanten Missständen am Arbeitsplatz wie Ungleichbehandlungen im Betrieb aufgrund von nationaler und ethnischer Abstammung, sozialer Herkunft, Gesundheitsstatus oder fehlenden Arbeitsschutzmaßnahmen abzielen. Bei dieser standardisierten Abfrage handelt es sich um eine Personalabfrage im Sinne des § 94 Abs 1 S. 1 BetrVG, die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 94 Abs 1 S. 1 BetrVG begründet. Nicht umfasst sind allerdings Mitarbeiterfragebögen, soweit die hierdurch erhobenen Daten keinem einzelnen Mitarbeiter zugeordnet werden können. Die Mitbestimmungspflicht entfällt auch, wenn die Befragung auf freiwilliger Basis beruht.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Wird ein Risiko im Rahmen der Risikoanalyse erkannt, verpflichtet § 6 Abs. 1 LkSG das Unternehmen dazu, unverzüglich angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus gehört auch die Abgabe einer Grundsatzerklärung des Unternehmens zu seiner Menschenrechtsstrategie zu den erforderlichen Präventionsmaßnahmen. Die Grundsatzerklärung muss die menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen festlegen, die das Unternehmen unter anderem an seine Beschäftigten stellt. Soll die Erklärung gegenüber den Arbeitnehmern verbindlich sein, etwa in Form einer Weisung nach § 106 GewO ergehen, kommen abhängig von der Ausgestaltung des Pflichtenprogramms Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht. Dem Wirtschaftsausschuss ist gem. § 6 Abs. 2 LkSG die erforderliche Grundsatzerklärung des Unternehmens über seine Menschenrechtsstrategie zur Kenntnis zur bringen. Darüber hinaus ist auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beachten, wenn Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschrift oder der Unfallverhütungsvorschriften getroffen werden. Schließlich stehen dem Betriebsrat nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Unterrichtungs- und Beratungsrechte wegen der Planung oder Umgestaltung betrieblicher Räume, technischer Anlagen, von Arbeitsverfahren und -abläufen sowie Arbeitsplätzen zu.

Der Arbeitgeber hat gem. § 89 Abs. 2 S. 2 BetrVG zudem den betrieblichen Umweltschutz betreffende Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

Beschwerdemanagement

Das Beschwerdeverfahren ermöglicht es, auf menschenrechtlich oder umweltbezogene Risiken und Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder eines unmittelbaren Zulieferers entstanden sind. Sowohl bei der Implementierung des Beschwerdeverfahrens unternehmensintern als auch bei den Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter kann dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zustehen. Bei der Implementierung des Beschwerdeverfahrens besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn es den Arbeitnehmern im verpflichteten Unternehmen nicht freigestellt werden soll, ob und auf welche Art und Weise Hinweise gemeldet werden können. Hierbei ist zu beachten, dass Arbeitnehmer Hinweise auf menschenrechts- oder umweltbezogene Risiken bzw. diesbezügliche Pflichtverletzung grundsätzlich nicht für sich behalten dürfen. Wegen der drohenden Reputationsschäden sind Arbeitnehmer regelmäßig aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflichten gem. § 241 II BGB verpflichtet, auf die entsprechenden Umstände aufmerksam zu machen.

Die Implementierung des Beschwerdeverfahrens wird in der Regel auch nicht ohne die Einführung technischer Einrichtungen auskommen. Zu prüfen ist daher, ob eine Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausgelöst wird. Nach dieser Vorschrift unterliegen die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Bestimmtheit zur Überwachung bereits bei objektiver Eignung der technischen Einrichtung zur Überwachung bejaht. Voraussetzung für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts ist, dass durch den Einsatz der technischen Überwachungseinrichtung Daten erhoben werden, die Rückschlüsse auf das Verhalten bzw. die Leistung der Arbeitnehmer zulassen. Hierunter wird regelmäßig die Implementierung eines elektronischen Beschwerdesystems fallen, das die IP-Adressen der Arbeitnehmer, die Verstöße gegen Sorgfaltspflichten melden, erfasst und speichert. Gleiches gilt für eine Telefonhotline, wenn das System die Telefonnummer aufzeichnet. Durch Qualifizierungen muss zudem sichergestellt werden, dass die eigenen Beschäftigten die Menschenrechtsstrategie sowie entsprechende Verhaltenskodizes und Richtlinien kennen, verstehen und richtig anwenden. Die Einführung von Schulungsmaßnahmen bedürfen ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrates gem. 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Nach § 8 Abs. 1 S. 6 LkSG können sich die Unternehmen auch an einem externen Beschwerdeverfahren, welches von einem Dritten betrieben wird, beteiligen. Die Mitbestimmungsrechte entfallen dadurch jedoch nicht. Die letzte Sorgfaltspflicht beinhaltet die Dokumentationspflicht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten und die Berichterstattungspflicht gem. §§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 9; 10 Abs.1 und 2 LkSG, welche kein gesondertes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates begründet.

Wirtschaftsausschuss

Gemäß dem neu gefassten § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG ist der Wirtschaftsausschuss zukünftig auch über „Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Vor dem Hintergrund, dass der Wirtschaftsausschuss die Auswirkungen auf das Unternehmen selbst im Blick haben soll, dürfte die Auskunftspflicht darauf zu beschränken sein. Ein allgemeiner Erörterungsanspruch ohne konkreten Unternehmensbezug ist dem Betriebsverfassungsrecht wesensfremd. Allerdings ergibt sich aus § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG neben dem Unterrichtungsrecht kein zusätzliches Mitbestimmungsrecht, welches das Unternehmen zur Umsetzung von Vorschlägen zwingen könnte. Der Wirtschaftsausschuss ist auch über anlassbezogene Aktualisierungen der Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie das Beschwerdeverfahren zu informieren, wenn sich dies auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auswirken kann.

Fazit

Der Großteil der normierten Sorgfaltspflichten im Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz unterliegt den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates. Es empfiehlt sich daher, die Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei der Umsetzung der jeweiligen Pflichten aus dem LkSG im Einzelfall zu prüfen und den Betriebsrat sodann frühzeitig einzubinden.

Autor/in
Achim Braner

Achim Braner
Partner
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