18.06.2025
Das Singapore International Arbitration Centre („SIAC“) wurde 1991 als unabhängige, gemeinnützige Organisation gegründet und bietet als eine der führenden internationalen Schiedsinstitutionen Dienstleistungen im Bereich der Streitbeilegung für die globale Geschäftswelt an. Das SIAC führt eine internationale Expertenliste mit über 600 erfahrenen Schiedsrichtern aus mehr als 40 Rechtsordnungen. Das SIAC verfügt über ein eigenes Regelwerk, die SIAC-Schiedsregeln, welche die Schiedsverfahren regeln. Am 9. Dezember 2024 veröffentlichte das SIAC die lang erwartete Aktualisierung seiner Schiedsregeln (die „SIAC-Schiedsregeln 2025“); diese sind am 1. Januar 2025 in Kraft getreten. Neben strukturellen Aktualisierungen enthalten die SIAC-Schiedsregeln 2025 eine Reihe von Änderungen, die darauf abzielen, den Schiedsprozess zu modernisieren und zu vereinfachen, die Wirtschaftlichkeit und Verfahrenseffizienz zu steigern und die Integrität im Rahmen von Schiedsverfahren zu wahren. Das SIAC kündigte auch Änderungen seiner Gebührenordnung an, die ebenfalls am 1. Januar 2025 in Kraft getreten sind. Die SIAC-Schiedsregeln 2025 wurden nach einer umfassenden öffentlichen Konsultation und damit in Zusammenarbeit mit SIAC-Nutzern und Interessengruppen entwickelt.
Mit Rule 13, Schedule 2 wurde ein vereinfachtes Verfahren (Streamlined Procedure) für Streitigkeiten mit geringem Streitwert (bis zu SGD 1 Mio.) und geringer Komplexität sowie für Fälle eingeführt, in denen sich die Parteien zu einem beliebigen Zeitpunkt vor Einsetzung des Schiedsgerichts auf die Anwendung des vereinfachten Verfahrens einigen. Im vereinfachten Verfahren muss der Schiedsspruch innerhalb von 3 Monaten ab dem Tag der Einsetzung des Schiedsgerichts ergehen. Die Kosten des Schiedsgerichts und die Verwaltungsgebühren des SIAC bei im Wege des vereinfachten Verfahrens durchgeführten Schiedsverfahren wurden auf 50 % der jeweiligen Höchstgrenze gemäß Gebührenordnung begrenzt.
In Ergänzung zur Einführung des vereinfachten Verfahrens wurde der Streitwert, bis zu dem Parteien ein beschleunigtes Verfahren (Expedited Procedure) (Rule 14, Schedule 3) beantragen können, auf SGD 10 Mio. angehoben.
Während die Vorgängerfassung der SIAC-Schiedsregeln (die “SIAC-Schiedsregeln 2016”) eine vorgezogene Entscheidung (Preliminary Determination) nicht ausdrücklich vorsah, ermächtigt Rule 46 das Schiedsgericht ausdrücklich, jede im Schiedsverfahren zu behandelnde Frage bereits in einem frühen Stadium endgültig und verbindlich zu entscheiden, sofern (i) sich beide Parteien damit einverstanden erklären, (ii) der Antragsteller den Nachweis erbringen kann, dass eine solche Entscheidung Zeit und Kosten spart oder die Beilegung der Streitigkeit beschleunigt, oder (iii) das Schiedsgericht feststellt, dass die Umstände des Falles dies rechtfertigen.
Sofern das Schiedsgericht den Antrag auf eine vorgezogene Entscheidung zulässt, muss es seine Entscheidung, sein Urteil, seine Anordnung oder seinen Schiedsspruch innerhalb von 90 Tagen nach Antragstellung erlassen; dies erleichtert eine schnelle Lösung bestimmter Fragen.
Die SIAC-Schiedsregeln 2025 enthalten Verbesserungen, durch die es den Parteien leichter möglich sein soll, dringende einstweilige sowie Schutzmaßnahmen zu erlangen. Während die SIAC-Schiedsregeln 2016 die Ernennung eines Eilschiedsrichters für dringenden einstweiligen Rechtsschutz erst nach Einreichung der Anzeige über die Einleitung eines Schiedsverfahrens vorsahen, können Antragsteller nun die Ernennung eines Eilschiedsrichters vor Einreichung der Einleitungsanzeige beantragen, wobei die Anzeige dann innerhalb von 7 Tagen eingereicht werden muss. Die Parteien können nun auch einstweilige Verfügungen beantragen, die es einer Partei untersagen, den Zweck einer beantragten dringenden einstweiligen oder Schutzmaßnahme zu untergraben, bevor sie die Gegenparteien von dem Antrag auf Ernennung eines Eilschiedsrichters in Kenntnis setzen. Der Eilschiedsrichter muss innerhalb von 24 Stunden nach seiner Ernennung über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entscheiden. Der Antragsteller muss die einstweilige Verfügung gegebenenfalls unverzüglich, innerhalb von 12 Stunden nach Erlass der Verfügung, an die Gegenparteien weiterleiten, anderenfalls tritt die einstweilige Verfügung 3 Tage nach dem Tag, an dem sie erlassen wurde, außer Kraft.
Die neue Rule 17 führt explizit einen Mechanismus zur koordinierten Entscheidung mehrerer die gleichen Rechts- oder Tatsachenfragen betreffender Schiedsverfahren ein, soweit dasselbe Schiedsgericht eingesetzt wurde. Ziel ist es, die Entscheidung mehrerer paralleler komplexer Schiedsverfahren zu rationalisieren, die Gefahr widersprüchlicher Ergebnisse zu verringern und zu verhindern, dass über mehrere Verfahren hinweg dieselben Kosten mehrfach anfallen.
Gemäß Rule 17 kann eine Partei beantragen, dass im Falle mehrerer Schiedsverfahren die Verfahren entweder gleichzeitig oder nacheinander geführt werden, dass im Rahmen der Verfahren eine gemeinsame Anhörung mit aufeinander abgestimmten Verfahrensschritten stattfindet oder dass ein Schiedsverfahren ausgesetzt wird, bis ein anderes Schiedsverfahren entschieden ist.
Nach der neuen Rule 11 kann der Registrator vor Einsetzung eines Schiedsgerichts Gespräche über administrative Angelegenheiten mit den Parteien führen, um mit diesen die nach den Schiedsregeln vom Registrator zu treffenden verfahrens- oder verwaltungstechnischen Anordnungen zu besprechen.
Die Gerichte sind nicht nur dazu angehalten, im Rahmen des ersten Gesprächs über die Handhabung des Falls auf die Möglichkeit der Wahl eines Verfahrens der gütlichen Streitbeilegung hinzuweisen (Rule 32.4), sondern sind nun auch befugt, Anordnungen zu treffen, einschließlich einer Aussetzung des Verfahrens, damit die Parteien sich in jeder Phase des Schiedsprozesses für solche Verfahren der gütlichen Streitbeilegung entscheiden können (Rule 50.2). Darüber hinaus werden die Parteien ermutigt, sich zu Beginn des Schiedsverfahrens mit Verfahren der gütlichen Streitbeilegung auseinanderzusetzen (Rule 6.4 und Rule 7.3).
Während die SIAC-Schiedsregeln 2016 von den Parteien nicht die Offenlegung von Vereinbarungen über eine Finanzierung durch Dritte verlangten, müssen die Parteien nach der neuen Rule 38 das Vorliegen solcher Vereinbarungen sowie die Identität und Kontaktdaten der Drittfinanzierer in ihren Anzeigen oder Antworten oder schnellstmöglich nach Abschluss einer Vereinbarung über eine Drittfinanzierung offenlegen. Rule 38 ermächtigt die Schiedsgerichte darüber hinaus, solche Offenlegungen anzuordnen und Vereinbarungen über eine Drittfinanzierung im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Des Weiteren schreibt Rule 38 vor, dass es nach Einsetzung des Schiedsgerichts keiner Partei gestattet ist, eine Drittfinanzierungsvereinbarung abzuschließen, die bei einem Mitglied des Schiedsgerichts zu einem Interessenkonflikt führen könnte.
Sofern ein Vertrag ausdrücklich auf die SIAC-Schiedsregeln 2016 verweist, bleiben diese Regeln für Streitigkeiten aus diesem Vertrag verbindlich. Wird in einem Vertrag jedoch allgemein und ohne Angabe einer bestimmten Version auf die „SIAC-Schiedsregeln“ verwiesen, so gilt das neueste Regelwerk, das zum Zeitpunkt des Schiedsverfahrens in Kraft ist (also die Schiedsregeln 2025). Die SIAC-Praxis und das Schiedsverfahrensrecht geben in der Regel der Anwendung der neuesten Schiedsregeln den Vorrang, um die Verfahrenseffizienz zu steigern und modernen Praktiken zu entsprechen.
Dr. Maximilian Kressner, M.Jur. (Oxford)
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