28.07.2021

BGH zum Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches

Hintergrund

Erstmalig äußert sich der BGH (Urt. v. 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19) zum Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches und stärkt die Rechte der betroffenen Personen.

Aufgrund der neuen höchstrichterlichen Entscheidung müssen Unternehmen ihren Auskunftsprozess nun anpassen.

Sachverhalt

Ein Versicherungsnehmer hatte gegen den beklagten Versicherer einen Anspruch auf Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO geltend gemacht. Zwischen den Parteien war streitig, was alles unter den Auskunftsanspruch fiel.

Das Berufungsgericht hatte den Auskunftsanspruch aufgrund der erfolgten Auskünfte bereits als erfüllt angesehen. Es nahm an, dass der Versicherer den Anspruch bereits vollständig erfüllt habe, da zurückliegende Korrespondenz zwischen den Parteien ebenso wenig dem Auskunftsanspruch unterfalle wie Datenauskünfte zu internen Bearbeitungsvermerken oder das Prämienkonto im Rahmen des Versicherungsverlaufs. Das Berufungsgericht hat die Revision hinsichtlich des Umfangs des Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO zugelassen.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH erläutert zunächst, dass der Auskunftsanspruch erfüllt ist, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Auskunftserteilenden den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehren vollständig abdecken soll. Eine inhaltliche Unrichtigkeit steht der Erfüllung nicht entgegen, der Verdacht, dass die Auskunft unvollständig ist, kann einen Anspruch auf weitergehende Auskunft nicht begründen. Die Annahme eines solchen Erklärungsinhalts setzt voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehren vollständig abdecken soll. Daran fehlt es z. B., wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sein hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet sei – dann kann die betroffene Personen Ergänzung der Auskunft verlangen.

Im Fall des BGH hatte der Kläger Auskunft über die gesamte noch nicht mitgeteilte Korrespondenz zwischen den Parteien, einschließlich der Daten des vollständigen Prämienkontos und etwaig erteilter Zweitschriften und Nachträge zum Versicherungsschein, sowie Datenauskünfte bzgl. sämtlicher Telefon-, Gesprächs- und Bewertungsvermerke der Beklagten zum Versicherungsverhältnis gefordert. Die Beklagte hatte nicht erklärt, auch hinsichtlich dieser Datenbestände bereits vollständig Auskunft erteilt zu haben.

BGH stärkt Betroffenenrechte

Der BGH meint, dass die Rechtsauffassung der Berufungsgerichts, wonach diese Gegenstände bereits ihrer Art nach nicht dem Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO unterfielen, auf einem fehlerhaften Verständnisses des Begriffs des personenbezogenen Datums im Sinne der DSGVO und des Zwecks der Auskunftsanspruchs beruhe.

Auskunftsanspruch umfasst Korrespondenz, interne Vermerke und interne Kommunikati-on

Der BGH legt den in Art. 4 Nr. 1 DSGVO definierten Begriff des pbD weit aus.

Die auch in der Literatur vertreten Forderung, dass Art. 15 DSGVO im Hinblick auf den Begriff der pbD dahingehende teleologisch zu reduzieren sei, dass der Personenbezug im Rahmen von Art. 15 DSGVO voraussetze, dass es um „signifikante biografische Informationen“ gehe, die „im Vordergrund“ des fraglichen Dokuments stehen, lehnt der BGH mangels Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EuGH ab. Zudem verweist der BGH auf den in Erwägungsgrund. 63 S. 1 beschriebenen Zweck des Auskunftsanspruchs, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.

Danach könnte die zurückliegende Korrespondenz zwischen den Parteien, das Prämienkonto des Klägers und Daten des Versicherungsscheins sowie interne Vermerke und Kommunikation der Beklagten nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art 15 Abs. 1 DSGVO ausgeschlossen werden.

Auch bekannte Korrespondenz unterfällt Auskunftsanspruch

Korrespondenz werde von Art. 15 DSGVO auch dann erfasst, wenn sie der betroffenen Person bereits bekannt sein. Dies begründet der BGH mit dem Zweck des Auskunftsanspruchs, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das etwaige Bewusstsein, dass die fragliche Korrespondenz einst gewechselt wurde, genügt dafür nicht. Zudem ergibt sich aus Erwägungsgrund 63 S. 1 und Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO, dass eine wiederholte Auskunft zulässig ist. Dies spreche gegen die Auffassung, bereits bekannte Daten werden von Art. 15 DSGVO nicht erfasst.

Interne Vermerke und interne Kommunikation

Ob es sich um „interne“ Vorgänge handele, sei für den Begriff der pbD ohne Relevanz. Der Auskunftsanspruch setze weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinn und Zweck voraus, dass die fraglichen Daten extern zugänglich sind.

Nicht vom Auskunftsanspruch erfasst: Interne Bewertungen und Daten über Provisions-zahlungen

(Rechtliche) Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers können zwar pbD enthalten, stellen jedoch selbst keine Information über den Betroffenen und mithin kein pbD dar. Auch Daten über Provisionszahlungen haben keinen Bezug zur Person des Betroffenen.

Keine Aussage zur Verfolgung anderer, von Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht geschützter Zwe-cke und zur Unverhältnismäßigkeit des zur Anspruchserfüllung benötigten Aufwand so-wie zu Geheimhaltungsinteressen

Da es an entsprechenden tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil fehle, konnte der BGH nicht beurteilen, ob unter dem Gesichtspunkt der Verfolgung datenschutzfremder Zwecke, eines unverhältnismäßigen Aufwands oder Geheimhaltungsinteressen der Beklagten die datenschutzrechtlichen Ansprüche des Klägers aus Art. 15 DSGVO – etwa nach den Vorschriften in Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO, Art. 15 Abs. 4 DSGVO oder Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO i.Vm. § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG – beschränkt werden oder sogar entfallen können.

Unser Kommentar

Kritisch zu hinterfragen ist die Auffassung des BGH, auch eine der betroffenen Person bereits bekannte Korrespondenz müsse beauskunftet werden. Hier wäre es denkbar gewesen, der betroffenen Person lediglich bestimmte Parameter zu der ihr bereits bekannten Korrespondenz mitzuteilen (etwa zum Gegenstand und/oder Zeitraum der Korrespondenz).

Davon abgesehen erscheint die Auffassung des BGH rechtlich kaum angreifbar. Sie führt jedoch zu einer Mehrarbeit bei Unternehmen, die nun auch noch interne Vermerke und Kommunikation zu ihren Kunden beauskunften müssen.

Ist der Umfang des Auskunftsanspruchs nun höchstrichterlich geklärt, ist zu vermuten, dass die vom BGH lediglich en passant angesprochenen Ausschlussgründe (Art. 12 Abs. 5 S.2, Art. 15 Abs. 4 DSGVO) in den Fokus der Diskussion zum datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch geraten werden. Inwiefern die Verfolgung datenschutzfremder Ziele oder ein unverhältnismäßiger Aufwand zur Beschränkung oder gar zum Ausschluss des Anspruchs führen können, ist weiter offen.

Autor/in
Dr. Christian Rabe

Dr. Christian Rabe
Senior Associate
Hamburg
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