13.04.2017

Recht der Bevollmächtigung vor erstmaliger Kodifizierung im Internationalen Privatrecht

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Hintergrund

13.04.2017

Recht der Bevollmächtigung vor erstmaliger Kodifizierung im Internationalen Privatrecht

Bestehen im Rahmen einer zivilrechtlichen Streitigkeit Bezugspunkte zu mehr als einem Staat, so muss noch vor der materiellen Würdigung des Falles bestimmt werden, welche der in Betracht kommenden Privatrechtsordnungen Anwendung findet. Dies ist Aufgabe des Internationalen Privatrechts oder Kollisionsrechts.

Gerade international agierende Unternehmen machen oftmals von komplexen Vertreterstrukturen Gebrauch, was im Streitfall zwangsläufig auch die Komplexität zivilprozessualer Verfahren merklich erhöht. Schließt etwa der französische Vertreter eines deutschen Unternehmens auf US-amerikanischem Boden einen Vertrag mit dem kanadischen Vertreter eines chinesischen Unternehmens und ist nicht klar, ob die entsprechenden Vollmachten wirksam erteilt wurden, kommen gleich mehrere Rechtsordnungen in Betracht, um die Wirksamkeit oder Reichweite der Vollmachten zu beurteilen.

Weitgehend anerkannt ist, dass das auf die gewillkürte Stellvertretung anwendbare Recht nicht zwingend mit dem für das Hauptgeschäft maßgebenden Recht identisch sein muss. Anhand welcher Kriterien das auf die gewillkürte Stellvertretung anwendbare Recht zu bestimmen ist, ist hingegen seit geraumer Zeit umstritten. Hierbei wird teilweise auf das Recht des Staates abgestellt, in welchem der Vertreter von der Vollmacht Gebrauch machen soll. Andere stellen auf das Recht des tatsächlichen Gebrauchsorts oder auf das Recht des Ortes, an welchem der Vertretene seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, ab.

Der skizzierten Problematik hat sich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) angenommen und einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts vom 1. August 2016 vorgelegt. Dieser widmet sich neben diversen Modifizierungen in der Zivilprozessordnung und dem Rechtspflegergesetz auch der Implementierung eines neuen Art. 8 im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB), welcher die kollisionsrechtliche Behandlung der gewillkürten Stellvertretung einer Lösung zuführen soll. Der Vorschlag des BMJV wurde durch die Bundesregierung nahezu wortgleich übernommen und als Regierungsentwurf dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Dieser hat am 16. Dezember 2016 beschlossen, gegen den Gesetzesentwurf keine Einwendungen zu erheben. Nunmehr steht die Beschlussfassung im Bundestag an. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat am 22. März 2017 bereits die Empfehlung ausgesprochen, den Gesetzentwurf mit punktuellen, Art. 8 EGBGB-Entwurf nicht tangierenden Änderungen anzunehmen.

Den ersten fünf Absätzen des Art. 8 EGBGB-Entwurf liegt eine mehrere Ebenen umfassende Subsidiaritätsstruktur zugrunde. Nach Art. 8 Abs. 1 EGBGB-Entwurf ist zunächst maßgeblich, ob der Vollmachtgeber vor Ausübung der Vollmacht eine Rechtswahl getroffen hat, wobei diese dem Dritten und dem Bevollmächtigten bekannt sein muss. Darüber hinaus können der Vollmachtgeber, der Bevollmächtigte und der Dritte das anzuwendende Recht jederzeit frei vereinbaren. Ist keine Rechtswahl getroffen, so ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EGBGB-Entwurf der (für den Dritten erkennbare) Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Bevollmächtigten maßgeblich, soweit dieser in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit handelt. Handelt der Bevollmächtigte dagegen als Arbeitnehmer des Vollmachtgebers, ist der gewöhnliche Aufenthaltsort des Vollmachtgebers entscheidend (Art. 8 Abs. 3 EGBGB-Entwurf).

Erfüllt der Bevollmächtigte keine der genannten Voraussetzungen, sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte von seiner auf Dauer angelegten Vollmacht gewöhnlich Gebrauch macht, soweit dieser Ort für den Dritten erkennbar ist (Abs. 4).Der tatsächliche Gebrauchsort ist gemäß Abs. 5 nur maßgeblich, wenn keiner der ersten vier Absätze einschlägig ist und der Gebrauchsort für den Dritten erkennbar war. Bei fehlender Erkennbarkeit ist an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Vollmachtgebers anzuknüpfen.

Schließlich klammern die Abs. 6 und 7 Verfügungen über Grundstücke oder über Reche an solchen sowie Börsengeschäfte und Versteigerungen aus dem Anwendungsbereich des Art. 8 EGBGB-Entwurf aus. Abs. 8 befasst sich allein mit technischen Fragen der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes.

Die dargestellte Norm soll freilich nur Anwendung finden, wenn sowohl Erteilungs- als auch Gebrauchszeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 8 EGBGB liegen. Klarstellungshalber sei zudem erwähnt, dass der vorgeschlagene Art. 8 EGBGB allein die kollisionsrechtliche Behandlung der Stellvertretung aufgrund einer Vollmacht behandelt. Nicht betroffen sind dagegen die Regeln über die gesetzliche wie auch über die organschaftliche Stellvertretung.

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Simon Heetkamp
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