12.12.2017

Neugestaltung im Strafrecht erzeugt Zivilprozess-light

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Hintergrund

12.12.2017

 

Neugestaltung im Strafrecht erzeugt Zivilprozess-light

Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat den staatlichen Zugriff auf den durch die Straftat erlangten Gewinn nicht nur reformiert, vielmehr hat sich der ganze Charakter des Rechtsinstituts verändert. Die unter Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/42/EU vollzogenen Neuerungen reichen weit über das Strafrecht hinaus und haben unmittelbare Auswirkungen auf das Zivil- und Insolvenzrecht. Im Ergebnis erfährt die Opferposition im Strafverfahren durch das Gesetz eine erhebliche Aufwertung.

Begriffliche Angleichung an das internationale Recht

Der bislang in den §§ 73 ff. StGB geregelte Verfall wurde durch das Institut der „Einziehung von Taterträgen“ ersetzt. Die vormalige Differenzierung zwischen Einziehung und Verfall ist damit weggefallen. Mit der nunmehr für Tatmittel und -erträge einheitlichen Einziehung soll das deutsche Recht rein begrifflich an das internationale Recht angeglichen werden, das auch nur ein Instrument der „confiscation“ kennt.

Kein Ausschluss bei Ansprüchen des Tatopfers

Eine wesentliche Änderung stellt der Wegfall der bisherigen Regelung in § 73 Abs. 1 S. 2 StGB dar, wonach bereits das Bestehen von zivilrechtlichen Ansprüchen des Geschädigten zum Ausschluss des Verfalls führte. Das Tatopfer musste im Falle einer Schädigung eines höchstpersönlichen Rechtsgutes ursprünglich selbst für die zivilrechtliche Durchsetzung seines Anspruchs sorgen. Zudem musste in einem gesonderten strafprozessualen Verfahren die Zulassung der Zwangsvollstreckung erreicht werden. Nach der neuen Gesetzeslage sind Einziehung und vorläufige Sicherung nunmehr auch im Falle des Bestehens von aus Vermögensdelikten erwachsenen Ansprüchen zulässig, was eine Stärkung der Opferposition zur Folge hat.

Gläubigergleichbehandlung

Zudem wird der Erlös nach neuem Recht nicht mehr nach dem Prioritätsprinzip, sondern nach dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung einheitlich an alle Verletzten verteilt. Reichen die eingezogenen Vermögenswerte zur Befriedigung jeglicher Ansprüche der Verletzten nicht aus, so hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 111i Abs. 2 StPO einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Täters zu stellen. In der Insolvenz des Täters sind die Verletzten einer Straftat gegenüber anderen Gläubigern privilegiert.

Pflicht der StA zur vorläufigen Sicherung

Auch die strafprozessualen Regelungen zur vorläufigen Sicherung von Vermögenswerten (§§ 111b ff. StPO) wurden geändert. Insbesondere besteht gemäß § 111b Abs. 1 S. 2 StPO nunmehr eine Pflicht der Staatsanwaltschaft zur vorläufigen Sicherung im Ermittlungsverfahren, wenn dringende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass es zu einer Einziehung kommen wird („Soll“-Vorschrift).

Begründete Annahme deliktischer Herkunft reicht für erweiterte Einziehung

Die erweiterte Einziehung, wonach auch solche Gegenstände eingezogen werden können, die aus anderen Straftaten erlangt worden sind, ist – im Gegensatz zum vormaligen erweiterten Verfall –über den Bereich der organisierten Kriminalität hinaus anwendbar (§ 73a Abs. 1 StGB). Für eine Einziehung ist die richterliche Überzeugungsbildung von der deliktischen Herkunft erforderlich, während für eine Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung lediglich die „begründete Annahme“ einer deliktischen Herkunft genügt.

Umfang der einzuziehenden Taterträge

Neu ist die Vorschrift des § 73d Abs. 1 StGB, die den Wert des Erlangten und damit den Umfang der einzuziehenden Taterträge regelt. Danach sollen Aufwendungen des Täters abgezogen werden, es sei denn, sie wurden für die Begehung der rechtswidrigen Tat getätigt. Diese Regelung ist begrüßenswert, da sie den Inhalt des sog. Bruttoprinzips konkretisiert, wonach nur die spezifischen (Sonder-)Vorteile der rechtswidrigen Tat erfasst sind. Nach neuem Recht wäre beispielsweise im Falle einer korruptiven Auftragserlangung nach § 299 StGB nicht die volle vertragliche Gegenleistung, sondern lediglich der Gewinn abzuschöpfen.

Zivilprozess-light

Grundlegende Veränderung hat die Opferentschädigung erfahren. Ab Rechtskraft der Einziehungsentscheidung ist für die Vermögensverteilung die Vollstreckungsbehörde, also die Staatsanwaltschaft, funktional der Rechtspfleger, zuständig. Der Verletzte oder dessen Rechtsnachfolger hat seine Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden. Als Kehrseite des Erlangten steht dem Verletzten gemäß § 459h StPO ein direkter Entschädigungsanspruch auf (Rück-)Übertragung und Herausgabe eines eingezogenen Gegenstandes bzw. auf Befriedigung aus dem eingezogenen Wertersatz zu. Sofern der Verletzte (noch) keinen zivilrechtlichen Titel vorlegen kann (§§ 459j Abs. 5, 459k Abs. 5 StPO), prüft der Rechtspfleger, ob sich die Anspruchsberechtigung des Verletzten ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen ergibt. Ist dies nicht der Fall, bedarf es einer Zulassung durch das (Straf-)Gericht. Der Verletzte hat dann seine Anspruchsberechtigung i.S.d. § 294 ZPO glaubhaft zu machen. Außerdem ist der Anspruchsgegner vor einer Entscheidung des (Straf-)Gerichts zu hören. Man spricht in diesem Zusammenhang daher von dem neuen Vorrang des Strafrechts vor dem Zivilrecht bzw. einer Art „Zivilprozess-light“ im Vollstreckungsstadium.

Effektive Anspruchssicherung für geschädigte Unternehmen

Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass das neue Recht der Vermögensabschöpfung den Verletzten einer Straftat, insbesondere geschädigten Unternehmen, eine sehr effektive Möglichkeit zur Seite stellt, zivilrechtliche Vermögensansprüche bereits im Ermittlungsverfahrens durch die Strafverfolgungsbehörden sichern zu lassen und sodann im strafrechtlichen Vollstreckungsverfahren durchzusetzen. Die Verletzten einer Straftat sind daher gut beraten, möglichst früh auf ein Ermittlungsverfahren einzuwirken, um eine Einziehung von Taterträgen zu erwirken.

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Dr. Simon Heetkamp
Associate
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