13.07.2017

Mehr Transparenz der Arbeit der Europäischen Kommission – EuGH verpflichtet Brüssel zu größerer Offenheit

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13.07.2017

Mehr Transparenz der Arbeit der Europäischen Kommission – EuGH verpflichtet Brüssel zu größerer Offenheit

Die Arbeit der Europäischen Kommission im Bereich der Umweltpolitik muss zukünftig transparenter werden. Brüssel darf seine Akten nicht länger geheim halten. Auch Industrieunternehmen dürfen sich hierfür auf das Recht des freien Zugangs zu Umweltinformationen berufen. Dies hat der Europäische Gerichtshof am 13. Juli 2017 entschieden.

Zugrunde lag eine Klage der Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH, eines Tochterunternehmen des französischen Baustoffkonzerns Compagnie de Saint-Gobain. Das Industrieunternehmen ließ sich von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2017, Rs. C-60/15 P, Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH).

Rechtsanwalt Dr. Stefan Altenschmidt, Partner im Bereich der Praxisgruppe Environment, Planning Regulatory von Luther in Düsseldorf zu den Hintergründen der Luxemburger Entscheidung: „Das Urteil des EuGH betrifft einen bereits 2012 von Saint-Gobain gestellten Antrag auf Offenlegung der Akten der Europäischen Kommission zum Emissionshandelssystem, dem wichtigsten Klimaschutzinstrument der EU. Brüssel hatte sich entschieden gegen eine Öffnung gesperrt und dies mit dem besonderen Schutz der Vertraulichkeit des Verwaltungshandelns der EU-Organe begründet. In der 1. Instanz hatte das Europäische Gericht diese Haltung der Kommission noch bestätigt. Mit seinem heutigen Urteil in der Rechtsmittelinstanz hat der EuGH die Europäische Kommission aber zu mehr Transparenz und Offenlegung der Akten verpflichtet und das Urteil der 1. Instanz aufgehoben.

Der EuGH betont in seinem Urteil, der auch im Umweltinformationsrecht grundsätzlich vorgesehene Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Entscheidungsprozesse beziehe sich nur auf die eigentliche Beschlußfassung und nicht auf das davorgelagerte Verwaltungsverfahren und diesbezüglich genutzte Unterlagen. Es reicht nach Auffassung des EuGH nicht aus, das vermeintliche Vorliegen negativer Auswirkungen auf den Beratungsprozeß der Behörden damit zu begründen, die Öffentlichkeit werden in Kenntnis der Unterlagen möglicherweise versuchen, Einfluß auf die Beratungen zu nehmen. Die Kommission sei nämlich nicht dazu verpflichtet, auf derartige Einflußnahmen außerhalb vorgesehener Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung zu reagieren. Mit der heutigen Entscheidung hat der EuGH den Weg freigemacht für mehr Transparenz der Brüsseler Kommissionsarbeit. Brüssel kann sich jetzt nicht mehr darauf berufen, seine Verfahren stünden unter einem besonderen Vertraulichkeitsschutz.“

Die Bedeutung des heutigen Urteils geht weit über den konkreten Fall hinaus, betont Rechtsanwalt Dr. Stefan Altenschmidt:

„Der EuGH stützt seine Entscheidung auf die völkerrechtliche Aarhus-Konvention. Danach müssen die Unterzeichner des Abkommens, zu denen auch die EU gehört, der Öffentlichkeit einen weiten und ungehinderten Zugang zu allen möglichen Arten von Umweltinformationen gewähren. Brüssel hatte hier bisher für sich einen besonderen Vertraulichkeitsschutz in Anspruch genommen. Ab sofort haben Bürger, Umweltverbände und auch Unternehmen aber einen Rechtsanspruch auf mehr Transparenz und Offenlegung von Unterlagen und Verwaltungspapieren der EU im weiten Bereich der Umweltpolitik. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Transparenz der Arbeit der europäischen Organe, der auch den Integrationsgedanken fördert. Das Urteil ist zugleich aber auch für die Nutzung der Informationsfreiheitsgesetze auf nationaler Ebene wichtig, da man dort bislang ebenfalls häufig mit dem Argument der Notwendigkeit eines in Ruhe ablaufenden behördlichen Beratungsprozesses konfrontiert wird.“

 

Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 18737
stefan.altenschmidt@luther-lawfirm.com