17.08.2017

Bundesgerichtshof stärkt erneut Rechte der Versicherungsnehmer von D&O-Versicherungen bei Innenhaftungsfällen

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Hintergrund

17.08.2017

Bundesgerichtshof stärkt erneut Rechte der Versicherungsnehmer von D&O-Versicherungen bei Innenhaftungsfällen

Die weit überwiegende Zahl der Versicherungsfälle in der D&O-Versicherung sind heute sog. Innenhaftungsfälle. Dies sind Fälle, in denen ein Unternehmen, das gleichzeitig Versicherungsnehmer ist, ihre gegenwärtigen oder ehemaligen Organe, Prokuristen, etc., die als versicherte Personen den D&O-Versicherungsschutz genießen, wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch nimmt.

Im Zusammenhang mit diesen Innenhaftungsfällen sind noch viele Fragen ungeklärt, insbesondere was die Rechtsstellung der Beteiligten – Versicherungsnehmer, versicherte Personen, Versicherer – betrifft. Ein Trend scheint dahin zu gehen, die Rechtsposition der Unternehmen als Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer zu stärken.

So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in zwei Urteilen vom 13. April 2016 (Az.: IV ZR 304/13 und IV ZR 51/14) entschieden, dass auch das Unternehmen als Versicherungsnehmer einer D&O-Versicherung „Dritter“ i.S.d. § 108 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sein kann, so dass die Abtretung des Versicherungsanspruches (Freistellungsanspruch) von der versicherten Person an ihn nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden kann. Durch die Abtretung kann das Unternehmen ohne vorherige Durchführung eines Haftpflichtprozesses gegen die versicherte Person direkt gegen den Versicherer vorgehen. Diese wäre ansonsten aufgrund des sog. Trennungsprinzips von Haftpflichtanspruch (Unternehmen gegen versicherte Person) und Deckungsanspruch (versicherte Person gegen Versicherer) grundsätzlich nicht möglich.

Nun hat sich der BGH in einer weiteren Entscheidung erneut auf die Seite der Unternehmen bzw. Versicherungsnehmer gestellt: Nach dem Urteil vom 5. April 2017 (Az.: IV ZR 360/15) darf sich der Versicherer in einem Innenhaftungsfall auf eine Bestimmung in den D&O-Versicherungsbedingungen, wonach der Versicherungsschutz nur durch die versicherte Person (und nicht durch den Versicherungsnehmer) geltend gemacht werden kann, nicht berufen, wenn der Versicherer einen Deckungsanspruch der versicherten Person abgelehnt hat, diese ihren Anspruch gegen den Versicherer nicht weiter verfolgt und schützenswerte Interessen des Versicherers einer Geltendmachung des Anspruchs durch den Versicherungsnehmer nicht entgegenstehen.

Das Urteil im Einzelnen

Ein Unternehmen (Versicherungsnehmer) hatte eine Schadenersatzklage u.a. gegen zwei seiner ehemaligen Vorstände (versicherte Personen) erhoben und dem Versicherer dies als Versicherungsfall unter der D&O-Versicherung angezeigt. Der Versicherer hatte die Deckung für die versicherten Personen abgelehnt. Diese verfolgten ihre Ansprüche gegen den Versicherer daraufhin nicht weiter. Sodann erhob der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer Klage auf Feststellung, dass dieser den versicherten Personen Versicherungsschutz zu gewähren habe. Zur Begründung führte der Versicherungsnehmer aus, dass aufgrund der Untätigkeit der versicherten Personen der Deckungsanspruch aus der D&O-Versicherung zu verjähren drohe und damit die Gefahr bestehe, dass ihm als Geschädigten der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verlorenginge. Der Versicherer hielt dem vor allem entgegen, dass der Versicherungsnehmer nicht prozessführungsbefugt sei, da nach den D&O-Versicherungsbedingungen des Versicherers nur versicherte Personen, nicht aber der Versicherungsnehmer Ansprüche geltend machen könnten.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht folgten der Ansicht des Versicherers. Der BGH sah dies jedoch anders: Der Versicherer könne sich vorliegend nach Treu und Glauben nicht auf die Bestimmung in den D&O-Versicherungsbedingungen berufen. Denn die alleinige Befugnis der versicherten Personen, einen Deckungsanspruch gegen den Versicherer geltend zu machen, verlöre dann ihren Sinn, wenn die versicherten Personen keinen Versicherungsschutz geltend machten. Ferner seien vorliegend schützenswerte Interessen des Versicherers oder der versicherten Personen nicht betroffen, wenn der Deckungsanspruch durch den Versicherungsnehmer geltend gemacht werde. Demgegenüber habe der Versicherungsnehmer, der im vorliegenden Innenhaftungsfall gleichzeitig Geschädigter ist, ein erhebliches Interesse daran, die aufgrund der Untätigkeit der versicherten Personen drohende Verjährung des Deckungsanspruches zu verhindern, da ihm ansonsten der „Verlust“ des Versicherers als solventen Schuldners drohe. Diese Interessen des Geschädigten seien im Bereich der Haftpflichtversicherung – einschließlich Innenhaftungsfällen in der D&O-Versicherung – schützenswert, da die Haftpflichtversicherung auch den Schutz des Geschädigten diene. Dieses anerkannte Prinzip der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung setze sich im vorliegenden Fall aufgrund der Untätigkeit der versicherten Personen auch gegenüber dem Trennungsprinzip durch, das die direkte Geltendmachung von Ansprüchen des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer grundsätzlich ausschließe.

Im Ergebnis hielt der BGH daher im vorliegenden Fall eine Prozessführungsbefugnis und auch das für eine Feststellungsklage erforderliche rechtliche Interesse des Versicherungsnehmers für gegeben. Da das Berufungsgericht die Klage für unzulässig gehalten und daher keine Entscheidung zur Sache getroffen hatte, wies der BGH die Sache zurück an das Oberlandesgericht. Er betonte jedoch im Hinblick auf das weitere Verfahren, dass die Klage nicht schon deshalb als unbegründet angesehen werden dürfe, weil die Haftungsfrage der versicherten Personen noch nicht geklärt sei. Vielmehr führe der Umstand, dass die Haftungsfrage aufgrund des Trennungsprinzips im Deckungsprozess nicht zu klären sei, im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage dazu, dass insoweit auf die Behauptungen des Versicherungsnehmers abzustellen und die Haftung der versicherten Personen zu unterstellen sei.

Fazit / Ausblick

Das Urteil des BGH wird naturgemäß von den Unternehmen, die Versicherungsnehmer einer D&O-Versicherung sind, begrüßt und von den Versicherern mit Sorge betrachtet werden. Dogmatiker werden kritisieren, dass das für die Haftpflichtversicherung geltende Trennungsprinzip zugunsten der Prinzips der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung immer weiter aufgeweicht wird.

Vorausschauend stellt sich die Frage, ob der durch den BGH in den vorgenannten Entscheidungen angedeutete Trend weiter anhalten wird.

 

Dr. Alexander Mönnig, LL.M. (Manchester), E.M.L.E.
Counsel
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