17.07.2018

Zuständigkeitsbestimmung durch fremdes Oberlandesgericht

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Hintergrund

17.07.2018

Zuständigkeitsbestimmung durch fremdes Oberlandesgericht

„Auch wenn kein Gerichtsstand innerhalb eines Bezirks in Betracht kommt, kann ein Oberlandesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung nach §§ 36 Abs. 1, 37 ZPO zuständig sein, wenn es als erstes um die Bestimmung angegangen wird.“

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main im Juli letzten Jahres im Rahmen eines Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens (NJW-RR 2017, 1535). Der beabsichtigten Klage lag die Rückzahlung verauslagter Beerdigungskosten zugrunde. Die beklagten Geschwister waren Streitgenossen. Während der allgemeine Gerichtsstand der Schwester im Landgerichtsbezirk Mannheim und somit im OLG-Bezirk Karlsruhe lag, befand sich der des Bruders im Landgerichtsbezirk Berlin und folglich im Bezirk des Kammergerichts Berlin. Aufgrund dieser divergierenden allgemeinen Gerichtsstände wurde ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 3, 37 ZPO angestrengt. Jedoch weder vor dem OLG Karlsruhe, noch vor dem Kammergericht – sondern vor dem OLG Frankfurt am Main. Dieses sah seine Zuständigkeit deshalb begründet, da die Antragstellerin beabsichtigte, Klage in dessen OLG-Bezirk, nämlich am LG Darmstadt zu erheben.  Dieses schied als zuständiges Gericht jedoch von vornherein aus. Das OLG Frankfurt schränkte damit den Grundsatz der §§ 12 f. ZPO unzulässig ein.

Rechtliche Grundlage
Rechtliche Grundlage für die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main waren die §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 37 ZPO. Danach wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Ein Oberlandesgericht ist danach grundsätzlich für die Landgerichte seines Bezirks und für die Amtsgerichte seines Bezirks zuständig, sofern sie in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken liegen.

Ausnahme laut BGH
Ausnahmsweise kann laut Bundesgerichtshof (BGH) auch ein OLG zuständig sein, in dessen Bezirk keiner der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BGH, MDR 2009, 46). Voraussetzung sei jedoch, dass ein anderer Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des entscheidenden OLG besteht. Anknüpfungspunkt im Sinne der BGH-Rechtsprechung kann z. B. die ausschließliche Zuständigkeit für einen Streitgenossen, die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes oder die parteierweiternde Widerklage sein. Der Gedanke hinter dieser Ausnahme ist der, dass wenn aus Gründen der Prozessökonomie ein von der Wohnsitzzuständigkeit abweichendes Gericht als zuständig bestimmt werden kann, es spiegelbildlich dazu nicht zu rechtfertigen ist, dass es für die Zuständigkeit des bestimmenden OLG nur auf die Gerichte des allgemeinen Gerichtsstands der Streitgenossen ankommen soll.

Absicht der Klageerhebung als Anknüpfungspunkt?
Für die Bestimmungszuständigkeit des OLG Frankfurt bestand jedoch kein tragfähiger Anknüpfungspunkt im Sinne der BGH-Rechtsprechung. Allein die Absicht der Antragstellerin, Klage beim LG Darmstadt zu erheben, welches im OLG-Bezirk Frankfurt liegt, reicht nicht aus. Der pauschale Hinweis, dass eine Entscheidung durch das konkret angerufene OLG der Prozessökonomie diene, scheint wenig normorientiert. Denn dann könnte der Antragsteller frei darüber disponieren, welches OLG die Zuständigkeitsbestimmung vornehmen soll. Soweit kann die Förderung der Prozessökonomie, welche Zweck des § 36 I Nr. 3 ZPO ist, nicht gehen. Das Zuständigkeitsrecht der ZPO folgt klaren und grundsätzlich eng auszulegenden Tatbeständen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Ein Abweichen von der Zuständigkeitsordnung mag im Einzelfall möglich sein. Dieser Einzelfall muss sich dann jedoch an klar bestimmbaren Kriterien orientieren und darf nicht zur Disposition einer Partei stehen.

Praxishinweis
Der Kläger kann das bestimmende OLG mithin nicht dadurch völlig frei wählen, dass er lediglich gedenkt an einem zu dessen Bezirk gehörenden AG oder LG Klage zu erheben. Es muss vorab geprüft werden, für welches Gericht ein fundierter Anknüpfungspunkt im Sinne der BGH-Rechtsprechung besteht. Wie konkret am besten vorzugehen ist, ist dann im Einzelfall zu prüfen.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
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Thomas Kraemer
Rechtsanwalt
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