12.09.2018

Tod der Inhaberaktie durch Änderung der Aktionärsrichtlinie?

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Hintergrund

12.09.2018

Tod der Inhaberaktie durch Änderung der Aktionärsrichtlinie?
 

Quelle: www.keywordsfind.com/atoss-software-aktie/Die Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Aktionärsrichtlinie (2007/36/EG) soll bis zum Sommer 2019 in nationales Recht umgesetzt werden. Ziel der Änderungsrichtlinie ist die Stärkung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre von börsennotierten Gesellschaften. Um die umfassende Wahrnehmung der Rechte zu ermöglichen, muss die Kommunikation zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären sichergestellt werden. Im Hinblick auf Inhaberaktien besteht aktuell keine Möglichkeit zur unmittelbaren Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionär.


Der anonyme Aktionär als Ausgangspunkt

Inhaberaktien berechtigen ihre Besitzer zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, ohne sie namentlich zu benennen. Deshalb kann die Gesellschaft z. B. Einladungen zur Hauptversammlung nicht direkt an die Aktionäre versenden (wie es bei Namensaktien der Fall ist), sondern muss diese durch Depotbanken an die Aktionäre weiterleiten lassen. Diesem Problem soll künftig durch die Identifikation der Aktionäre mit Hilfe der Banken entgegengetreten werden (Recht auf Identifikation).

Die Identifizierung der Inhaber von Namensaktien kann durch Einsicht in das Aktienregister erfolgen. Jedoch können in das Register auch Eintragungen im eigenen Namen für Aktien, die einem anderen gehören (Art. 67 Abs. 1 S. 3 AktG), vorgenommen werden. Es besteht somit die Möglichkeit, dass nicht alle Inhaber der Namensaktien anhand des Registers identifiziert werden können. Aus diesem Grund kann das Recht auf Identifikation auch für Namensaktien Bedeutung haben.

Entscheidend wird die Identifikation von Aktionären jedoch hinsichtlich der Inhaberaktien sein. Eine Beteiligung von mehr als 3% ist bereits jetzt nach § 33 WpHG gegenüber der Gesellschaft anzuzeigen. Folglich können bisher alle Aktionäre mit einer Beteiligung unter der 3%-Schwelle anonym bleiben. Durch die Umsetzung der Änderungsrichtlinie wird dieser Bereich der Anonymität weiter eingeschränkt werden.
 

Inhalt der Änderungsrichtlinie

Gemäß Art. 3a der Änderungsrichtlinie ist sicherzustellen, dass die Gesellschaften das Recht haben, die Identifikation ihrer Aktionäre (einschließlich jener mit einer Beteiligung unter 3 %) zu verlangen. Informationen über die Identität von Aktionären umfassen Name, Kontaktdaten, Anzahl der gehaltenen Aktien und Zeitpunkt des Aktienerwerbs und sind unverzüglich von den Intermediären (den Banken) an die Gesellschaft zu übermitteln. Das Bankgeheimnis gilt nicht.

Die Mitgliedstaaten sind jedoch berechtigt, die Identifikation auf Aktionäre mit Aktien oder Stimmrechten von mehr als 0,5 % zu beschränken .

Sofern Deutschland eine 0,5 %-Schwelle einführt, bleibt der Identifikationsaufwand für die Banken überschaubar – es müssten maximal 200 Aktionäre ermittelt werden. Allerdings können die Banken nur zur Auskunft hinsichtlich der von ihnen verwahrten Aktien verpflichtet werden. Wie viele Aktien der gleichen Gesellschaft ihr Kunde bei einer anderen Bank verwahren lässt, ist der Bank nicht bekannt. Verteilt beispielsweise ein 1,2 %-Aktionär seine Aktien zu gleichen Teilen auf drei Banken, müsste jede der drei Banken eine Anfrage der Gesellschaft negativ bescheiden. Durch die Verteilung der Aktien könnte somit die Identifikation umgangen werden.

Es bleibt abzuwarten, ob sich Deutschland für die Festlegung einer Schwelle entscheiden und wie der Möglichkeit der Umgehung der Identifikation durch Aufteilung der Aktien auf verschiedene Banken begegnet werden wird. Ob die Gesellschaften überhaupt von ihrem Recht auf Identifikation Gebrauch machen werden, ist fraglich – insbesondere wenn Aufwendungsersatz für die Dienstleistung der Bank zu leisten ist.
 

Fazit

In Deutschland war die Inhaberaktie seit jeher die vorherrschende Aktienform. In den letzten Jahren hat jedoch die Namensaktie an Bedeutung gewonnen. Dies liegt auch daran, dass durch das Aktienregister der direkte Kontakt mit den Aktionären ermöglicht wird und dadurch Prozesse effektiver gestaltet werden können. Da die Umsetzung der Änderungsrichtlinie den Hauptunterschied zwischen Namens- und Inhaberaktien – die Anonymität des Berechtigten – auf einen kleinen Anwendungsbereich begrenzen oder sogar eliminieren wird, wird die Bedeutung der Inhaberaktie weiter abnehmen.

 

 

Anne Biebler
Rechtsanwältin
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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