"Bei uns darf man Ecken und Kanten haben" — Interview mit Klaus Thönißen, Partner bei Luther

Klaus Thönißen, LL.M. ist Partner für Arbeitsrecht in Essen. Im Interview erklärt er, welche Entscheidungen für seine Karriere entscheidend waren, was Berufseinsteiger (m/w/d) bei Luther erwartet und welche Bewerbungstipps er hat.

Das Interview ist zuerst bei LTO-karriere.de erschienen und ist hier abrufbar.

Herr Thönißen, Sie sind ein Luther-Eigengewächs und direkt nach dem Referendariat dort als Associate eingestiegen, richtig?

Klaus Thönißen: Nicht ganz. Ich habe nach dem Referendariat erst noch gedacht, dass ich das mit dem Arbeiten nicht ganz so toll finde und erst noch den LL.M. in San Francisco gemacht (lacht). 

Im Nachhinein betrachtet: War es eine gute Entscheidung vor dem Berufsstart eine Weile ins Ausland zu gehen?

Auf jeden Fall. Es war die beste Entscheidung überhaupt. Ich glaube, der LL.M. war mit ausschlaggebend dafür, dass ich die internationale Großkanzlei-Perspektive hatte. 

Dann haben Sie sich für Luther entschieden. Wie sind Sie auf die Kanzlei gekommen?

Als ich aus den USA zurückgekommen bin, war am Düsseldorfer Flughafen die Juracon. Dort habe ich mir ein paar Kanzleien angeschaut, unter anderem Luther. Sie waren mir direkt sehr sympathisch. 

Letztlich ausschlaggebend war die besondere Atmosphäre im Bewerbungsgespräch. Beide Partner waren unglaublich locker. Sie kamen schon ohne Krawatte rein, da wusste ich: Ok, so falsch kannst du hier nicht sein. Als es um die Frage ging, wie die Zeit in San Francisco war, habe ich vom Studium erzählt, bis mich mein heutiger Kollege Paul Schreiner unterbrach und sagte: „Ich würde eigentlich ganz gerne wissen, welche Ihre Lieblingskneipen waren.“

Hat sich Ihr Eindruck aus dem Bewerbungsgespräch bestätigt? Wie würden Sie die Kanzleikultur bei Luther beschreiben?

Ja, für den Bereich Arbeitsrecht hat sich das auf jeden Fall bewahrheitet. Insgesamt ist die Kultur bei Luther, und das meine ich positiv, im ständigen Wandel. Wenn man sieht, was sich in den zehn Jahren alles getan hat, wenn man die Rankings verfolgt, dann ist das ist schon Wahnsinn. Diese Aufbruchsstimmung haben wir bislang auch nicht verloren. 

Wir sind von der Infrastruktur her eine Großkanzlei, haben aber nicht diese Großkanzlei-Kultur, die uns in enge Korsette zwängen würde. Natürlich geben wir uns einen bestimmten Rahmen, aber es bleibt viel Raum für Individualität. 

Außerdem sind wir eine deutsche Kanzlei, unser Management sitzt in Deutschland. Wir machen uns also unsere eigenen Vorgaben und das ist sehr angenehm.

"Elternzeit als Partner? Gar kein Problem mehr"

 

Die Aufbruchstimmung ist in Ihren 10 Jahren bei Luther gleichgeblieben. Aber was hat sich in dieser Zeit geändert?

Es war hier anfangs so, dass in vielen Köpfen noch die Haltung schwebte, dass der Anwalt von 9 bis 19 Uhr an seinem Platz zu sein hat. Das hat sich sehr stark gewandelt. Ein Beispiel: Ein Jahr nachdem ich Partner geworden bin habe ich zwei Monate Elternzeit gemacht. Das wäre zehn Jahre zuvor zwar nicht undenkbar, aber schon ein bisschen komisch gewesen. Heute ist es gar kein Problem mehr und wird gut aufgenommen

Hat Corona die Anwesenheitskultur nochmal mehr gedreht? 

Es war auch vorher bei uns am Standort Essen so, dass man mal einen, zwei oder drei Tage von zuhause arbeiten konnte. Corona war allerdings nochmal ein Katalysator.

Bei aller Homeoffice-Euphorie muss man aber auch aufpassen: Ich kann fachliche Aufgaben wie die Bearbeitung von Schriftsätzen problemlos im Homeoffice erledigen und bekomme das entsprechende Feedback. Die Erfahrungswerte, die über das Gespräch auf dem Flur oder beim Kaffee in der Küche ausgetauscht bzw. an jüngere Kollegen weitergegeben werden, die sind aber von zuhause unglaublich schwer zu vermitteln. Im Gespräch beim Kaffee oder abends beim Bierchen entstehen andere Gespräche und andere Bindungen als bei Videocalls. Das darf nicht verloren gehen und das wird eine große Aufgabe für alle Unternehmen sein. 

Sie sind jetzt ein paar Jahre Partner. Wie war Ihr persönlicher Weg in die Partnerschaft und was war der entscheidende Punkt?

Der Weg war ereignisreich, er war lehrreich und es gab natürlich auch Fehler. Letztlich ist es ein anstrengender Weg - nicht im Sinne von komplett ermüdend und erschöpfend, aber man muss nochmal ´ne Schippe drauf legen. 

Bei mir stand nicht von Anfang an im Vordergrund, dass ich unbedingt Partner werden möchte. Die Erkenntnis ist über längere Zeit gereift. Von dem Moment, in dem ich die Entscheidung für mich getroffen hatte, habe ich mit meinem damaligen personalführenden Partner darüber gesprochen. 

Nach dieser Entscheidung habe ich, und das hebt Luther von anderen Kanzleien ab, die Freiräume bekommen, um mich zu entwickeln, um Sachen auszuprobieren, um Marketingaktivitäten zu entfalten oder um auf Veranstaltungen zu gehen. Ein weiterer Baustein war unser Partner Development-Programm (PDP). In meinem Jahrgang waren wir sieben Kollegen von denen sechs auch Partner geworden sind. 

Gibt es neben dem Partner-Development-Programm weitere Angebote, um die eigenen Leute zu entwickeln?

Wir haben unsere Academy, die sehr gute Programme zum Beispiel zum Thema Führung anbietet. Und am Ende ist für den Weg in die Partnerschaft natürlich auch die Förderung durch den personalführenden Partner notwendig. 

"Ich empfehle jedem, die Chance eines Secondments wahrzunehmen"

 

Sie waren als Associate 13 Monate als Interims-Counsel bei einem großen mittelständischen Unternehmen im Einsatz. Wie kamen Sie zu der Rolle?

Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kinde. Es ging um eine Elternzeit-Vertretung bei unserem Mandaten, die im Rahmen eines Secondments abgedeckt werden sollte. Dafür war eigentlich eine Kollegin von mir vorgesehen. Als sich ihr Einsatz zerschlagen hatte, stand ein Gesellschaftsrechts-Partner bei mir im Büro und hat mich gefragt, ob ich einspringen würde. Ich habe spontan ja gesagt und die Entscheidung keine Sekunde bereut. 

13 Monate lang war ich drei Tage die Woche vor Ort im Unternehmen, war voll in die Rechtsabteilung eingegliedert. Dadurch habe ich Einblicke in Abläufe und Strukturen bekommen, die weit über ein gewöhnliches Secondment hinausgehen. Von diesen Erfahrungen zehre ich heute noch und den Mandanten betreue ich ebenfalls noch. Da ist eine Verbindung gewachsen, die über ein normales Mandatsverhältnis hinausgeht, im beruflichen Sinne ist es eine zweite Heimat geworden.

Ist so ein Einsatz gängig für Associates bei Luther oder war das eher eine Ausnahme?

Im Umfang von 13 Monaten ist das nicht üblich. Secondments kommen immer wieder vor, werden auch immer wieder angefragt, regelmäßig für einen Zeitraum zwischen drei und sechs Monaten. Ich empfehle jedem, so eine Chance zu nutzen. 

Was erwartet Bewerber:innen, die neu bei Ihnen einsteigen?

Sie können sich darauf einstellen, dass wir in der Sache immer sehr transparent und klar sind, aber auch freundlich und respektvoll. Uns ist der Team-Gedanke ganz wichtig und wir haben immer den nötigen Spaß. Ich koche morgens für das Team einen Kaffee, und zwar ohne Schicki-Micki mit einer simplen Filtermaschine und selbstgemahlenen Bohnen. Dann gibt es erst mal einen Kaffee, für alle, die Lust haben. 

Aus fachlicher Perspektive: Man bekommt bei uns interessante und abwechslungsreiche Mandate, und zwar durch die Bank weg. Im Wesentlichen beraten wir originär arbeitsrechtlich, vor allem kollektives Arbeitsrecht. Das ist - weil man immer Arbeitnehmervertretungen oder Gewerkschaften auf der anderen Seite hat - sehr abwechslungsreich und sehr spannend. Darüber hinaus haben wir auch die klassischen Individualfälle, wo alles dabei ist. 

Dabei ist man bei uns ganz schnell im Mandat. Man ist von Anfang an bei allen E-Mails miteingebunden und telefoniert mit dem Mandanten. Bei Berufseinsteigern dauert es naturgemäß ein paar Wochen, bis die Rechtsanwaltszulassung da ist. Dann hat man aber auch schon ein oder zwei Wochen später seinen ersten Gütetermin. 

Ab wann können die Neueinsteiger:innen allein Termine wahrnehmen?

Gütetermine nehmen Associates direkt allein wahr. 

Schwieriger sind die Kollektivsachen. Bei einer kleineren Restrukturierung kann man niemanden in die Verhandlungen mitnehmen. Das bezahlt kein Mandant. Da erfolgt die theoretische Ausbildung, indem man zusammen Betriebsvereinbarungen schreibt, die junge Associates beim Interessenausgleich und beim Sozialplan einbindet, so dass sie das Rüstzeug haben, um es auch später live zu machen. Das Live-Verhandeln lernen sie im Wesentlichen durch die Wahrnehmung der Gerichtstermine. Und natürlich haben wir auch sehr professionelle Trainings hierzu in unserer Academy.

"Habt keine Angst, Fehler zu machen"

 

Was wünschen Sie sich von Bewerber:innen?

Wir wollen Leute, die im besten Falle schon was von der Welt gesehen haben, die mit offenen Augen durch das Leben laufen und über den Tellerrand hinausschauen. 

Gerade für das Arbeitsrecht ist elementar, dass ich andere Kulturen und Perspektiven kennen gelernt habe. Es braucht einen ganz großen Packen Empathie, denn egal ob Individual- oder Kollektivfall: Es sind immer Menschen involviert und Menschen betroffen. 

Man sollte außerdem Pragmatismus mitbringen und - was für Luther als Kanzlei des Mittelstandes natürlich wichtig ist – unternehmerisches Denken und ein Bewusstsein dafür, wie ein Unternehmen funktioniert. 

Nicht zuletzt braucht man Hunger! Die Leute sollten wissbegierig sein, sie sollten jeden Tag mit dem Bewusstsein beginnen, dass man wieder ein Stückchen besser werden kann. Denn an dem Tag, an dem ich glaube, ich sei so gut, dass ich nicht besser werden kann, beginnt mein Verfall. 

Welche Tipps haben Sie für die Bewerbung bei Luther?

Ich persönlich brauche nicht 35 Seiten Lebenslauf und Zeugnisse mit allem Pipapo, aber da ist unser Recruiting-Team vielleicht anderer Meinung. Ich mag auch nicht diese textbausteinartigen 08/15-Anschreiben. Individualität und Kreativität sind mir wichtig. Bewerber, die auch andere Dinge als Jura machen, sollten das erwähnen. Ein komplett vorgezeichneter Weg, der so aussieht als wäre er am Reißbrett entstanden, kommt bei mir nicht an. Man darf Ecken und Kanten haben. 

Die letzte Frage: Welchen Rat oder ein Tipp geben Sie Jurist:innen, die am Anfang Ihrer Berufslaufbahn stehen oder noch studieren, mit auf den Weg?

Probiert euch aus und habt keine Angst, Fehler zu machen. Fehler macht man so oder so. Wenn man aber feststellt, dass der eingeschlagene Weg nicht der richtige ist, dann muss man mutig sein und die Entscheidung korrigieren. 

Den jungen Kollegen sage ich hier immer - auch wenn es sich ein bisschen abgestumpft anhört -, dass man sich jeden Morgen wieder für Luther entscheidet. Man kann jeden Morgen aufstehen und sagen: Ich gehe da nicht mehr hin! Keiner kann mich dazu zwingen und ich kann jederzeit kündigen. Man ist nicht in einer Großkanzlei-Laufbahn gefangen. Wenn man eine andere Entscheidung für seine berufliche Laufbahn trifft, wird einem das keiner übelnehmen. 

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