15.04.2024

Sondernewsletter Cannabis April 2024

PDF

Freie Fahrt für Cannabis – oder gibt es arbeitsrechtliche Grenzen?

Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 23. Februar 2024 das Cannabisgesetz (CanG), das in Teilen bereits zum 1. April 2024 in Kraft getreten ist. Mit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes werden Cannabis und nichtsynthetisches THC nicht mehr als Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) eingestuft. Es erfolgt aber weiterhin eine rechtlich klare Abgrenzung von medizinischem Cannabis, das durch das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) geregelt wird, und Cannabis zu nicht-medizinischem Zwecken, für das das Konsumcannabisgesetz (KCanG) eine Teillegalisierung schafft und das deshalb besonders im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung steht.

Beide Gesetze werfen eine Vielzahl von Umsetzungsfragen auf, die insbesondere auch arbeitsrechtliche Fragestellungen betreffen. Arbeitgeber, insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen, müssen sich angesichts der Neuregelungen mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihren Verpflichtungen zu Gewährleistung von Sicherheit am Arbeitsplatz und ihren Fürsorgepflichten als Arbeitgeber gerecht werden können, denn ein gesetzliches Verbot von Cannabis am Arbeitsplatz besteht nicht. Hier dürften Maßnahmen im Rahmen des Weisungs- und Direktionsrechts, aber auch vertragliche Vereinbarungen und Betriebsvereinbarungen in Erwägung zu ziehen sein. Auch Regelungen zum Konsum außerhalb der Arbeitszeit, der sich nachteilig auf das Arbeitsverhalten auswirken kann, dürften unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen sein. Eine ungeprüfte Übernahme der bislang zum Alkoholkonsum getroffenen Regelungen dürfte angesichts der komplexeren Dosis-Wirkbeziehung von Cannabis gegenüber Alkohol und der größeren Streubreite in der individuellen Verstoffwechselung von Cannabis nicht zu empfehlen sein.

Diese und mögliche Fallstricke möchten wir für Sie gerne in arbeitsrechtlich relevanten Fallgruppen darstellen.

Zum besseren Verständnis ist es – auch um arbeitsrechtlich die richtigen Wertungsentscheidungen treffen zu können – zentral, die öffentlich-rechtlichen und letztlich gefahrenschutzrechtlichen Wertungen des neuen Gesetzes zu verstehen. Denn was hat sich konkret geändert?

Konsumcannabisgesetz (KCanG)

Besitz, Anbau, Herstellung, Handel, das Ein- und Ausführen, die Abgabe und Weitergabe, das Verschaffen, Erwerben oder Entgegennehmen von Cannabis bleiben auch nach der Neuregelung grundsätzlich verboten. Allerdings sieht das KCanG Ausnahmetatbestände für Erwachsene vor. Diese betreffen Besitz, Konsum, privaten Eigenanbau zum Eigenkonsum und gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichem Eigenanbau in Anbauvereinigungen durch Erwachsene innerhalb bestimmter Mengengrenzen.

Erwachsene dürfen 25 g Cannabis zum Eigenkonsum besitzen und im öffentlichen Raum mit sich führen. Der Besitz von mehr als 25 g und bis zu 30 g stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Der Besitz von 30 g und mehr bleibt strafbar.

Erwachsene, die seit mindestens sechs Monaten in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, dürfen zum Zwecke des Eigenkonsums an ihrem Wohnsitz bis zu drei Cannabispflanzen anbauen und im privaten Raum bis zu 50 g Cannabis besitzen. Die Weitergabe an Dritte ist unzulässig. Der Besitz von über 50 g bis zu 60 g im privaten Raum stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Bei Überschreiten dieser Grenze ist der Besitz von Cannabis auch künftig strafbar.

Erlaubnispflichtig ist der gemeinschaftliche nicht-gewerbliche Anbau durch Anbauvereinigungen zum Eigenkonsum ihrer Mitglieder. Das Cannabisgesetz enthält detaillierte Regelungen zum Rechtsstatus der Anbauvereinigungen, ihren Pflichten und Verantwortlichkeiten, die zum 1. Juli 2024 Geltung erlangen sollen. Das Gesetz geht von einem gemeinschaftlichen Anbau durch die Mitglieder aus. Mitglieder, die mit dem gemeinschaftlichen Anbau verbundene Tätigkeiten übernehmen, können geringfügig beschäftigt werden. Die darüber hinausgehende entgeltliche Beschäftigung oder Beauftragung Dritter mit Aufgaben, die den mit dem gemeinschaftlichen Anbau verbundenen Tätigkeiten zuzuordnen sind, ist unzulässig.

Insgesamt belegen die im KCanG verankerten Mengenregelungen, dass auch der regelmäßige Konsum von nicht-medizinischem Cannabis legal ermöglicht werden soll.

Konsumverbote bestehen sodann im Umfeld von Schulen, Kinderspielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, öffentlichen Sportstätten, auf dem Gelände von Anbauvereinigungen, in Fußgängerzonen zu bestimmten Zeiten und in Bereichen, die nach dem Nichtraucherschutzgesetz oder der Arbeitsstättenverordnung ausgewiesen sind (abrufbar unter www.bubatzkarte.de).

Die durch Art. 10 CanG vorgenommene Änderung von § 5 Abs. 1 Arbeitsstättenverordnung dient dem Schutz der nicht rauchenden Beschäftigten. Danach hat der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Rauche und Dämpfe von Cannabisprodukten zu schützen und kann, soweit erforderlich, ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot erlassen. Ein gesetzliches Cannabisverbot am Arbeitsplatz sieht das Cannabisgesetz dagegen nicht vor.

Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG)

Mit der Herausnahme von Cannabis aus dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes bestand auch für Cannabis zu medizinischen Zwecken ein Neuregelungsbedarf, dem das Medizinal-Cannabisgesetz Rechnung trägt. Danach haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder nach begründeter ärztlicher Einschätzung nicht zur Anwendung kommen kann und Aussicht auf spürbare positive Effekte besteht. Medizinal-Cannabis bleibt verschreibungspflichtig und darf weiterhin an Patienten nur durch Apotheken gegen Vorlage einer ärztlichen Verordnung abgegeben werden.

Die Wertungen in Bezug auf den legalen Konsum sowohl für Konsum- als auch für Medizinalcannabis bleiben letztlich aber gleich. Denn in Bezug auf Wirkweise und potentielle Gefahrenquelle ergeben sich insoweit keine Unterschiede. Allenfalls in Bezug auf Fragen der Repräsentanz könnten sich hier unterschiedliche Wertungsmaßstäbe herausbilden.

Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre!

Autorinnen

Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M

Cornelia Yzer

Betriebsvereinbarungen zur Regelung von Cannabis-Konsum

Handlungsbedarf nach der Teillegalisierung von Cannabis-Produkten

Der Konsum von Cannabis im Betrieb ist nicht gewünscht und soll untersagt werden, ähnlich wie bei einem Alkoholverbot. Dabei stehen die Betriebsparteien vor der Frage, ob und in welchem Umfang sie den Konsum von Cannabis-Produkten kollektiv-rechtlich überhaupt verbieten können.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Bislang sahen Arbeitgeber häufig keine Notwendigkeit, Regelungen zum Cannabis-Konsum am Arbeitsplatz zu treffen. Durch die Teillegalisierung von Cannabis seit dem 1. April 2024 besteht nun jedoch Handlungsbedarf. Möchten Arbeitgeber verhindern, dass Mitarbeiter unter Einfluss von Cannabis arbeiten oder Cannabis auf dem Betriebsgelände konsumieren, ist eine entsprechende Regelung ratsam.

Offen ist insoweit, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht für ein Cannabis-Verbot hat. Soweit der Arbeitgeber „nur“ verbieten möchte, dass Arbeitnehmer unter dem Einfluss von Cannabis arbeiten, könnte argumentiert werden, dass dies nur das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten beträfe. Wir gehen jedoch davon aus, dass mit besseren Argumenten die Rechtsprechung zum Alkoholverbot auf ein Cannabis-Verbot übertragbar ist. Danach unterliegt eine Null-Toleranz-Grenze für Cannabis am Arbeitsplatz dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, da ein solches Verbot das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten im Betrieb betrifft, zugleich eine Regelung zur Verhütung von Arbeitsunfällen darstellt und dem Gesundheitsschutz dient.

Es ist zu erwarten, dass eine Null-Toleranz-Regelung im Wege einer Einigungsstelle durchsetzbar ist, sollte sich der Betriebsrat weigern, eine entsprechende Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Regelungsmöglichkeiten

Die Betriebsparteien können regeln, dass Arbeitnehmer nicht unter Einfluss von Cannabis zur Arbeit erscheinen dürfen. Entsprechende Null-Promille-Regelungen sind für Alkohol zulässig. Ob die Rechtsprechung den Arbeitnehmern wegen des unterschiedlichen Abbau-Verhaltens von Cannabis minimale Toleranzen zugesteht, bleibt abzuwarten. Da es noch keine gesicherten Erkenntnisse zu etwaigen Grenzwerten gibt, empfehlen wir eine Null-Toleranz-Regelung.

Die Betriebsparteien können zudem ein absolutes Cannabis-Konsum-Verbot auf dem Betriebsgelände vereinbaren. Dies verhindert, dass Arbeitnehmer nach Dienstschluss oder in Pausenzeiten auf dem Betriebsgelände Cannabis konsumieren.

Für die private Nutzung von Dienstwagen sollte ebenfalls eine Null-Toleranz-Regelung getroffen werden. Eine entsprechende Alkohol-Regelung ist allgemein anerkannt und zulässig. Insofern muss auch nicht auf einen etwaigen höheren Grenzwert für das Führen von Kraftfahrzeugen Rücksicht genommen werden, sollte ein solcher gesetzlich eingeführt werden.

Zu der Frage, ob auch der Konsum im privaten Bereich eingeschränkt werden kann und ob verpflichtende Drogentest angeordnet werden können, finden Sie unseren Beitrag „Grenzen der Untersagung des privaten Cannabiskonsums und von Drogentests am Arbeitsplatz“ in diesem Sondernewsletter.

Praxishinweise

Besteht bereits eine Betriebsvereinbarung, die den Drogenkonsum untersagt, sollten Sie prüfen, ob diese auch noch Cannabis nach der Teillegalisierung umfasst. Sollten beispielsweise nur Alkohol und „illegale Drogen“ erfasst sein, könnte dies in einem Kündigungsrechtsstreit zu Problemen führen (zu Kündigungsmöglichkeiten finden Sie unseren Beitrag „Sanktionsmöglichkeiten bei Cannabiskonsum – Abmahnung oder Kündigung?“ in diesem Sondernewsletter). Sie sollten daher die Betriebsvereinbarung anpassen und Cannabis gesondert verbieten.

Wir empfehlen, initiativ auf den Betriebsrat zuzugehen und eine entsprechende Regelung zu fordern. So können sie sicher gehen, sämtliche Anforderungen hinsichtlich des betrieblichen Unfallschutzes (siehe dazu unseren Beitrag „Cannabiskonsum und Arbeitsschutz“ in diesem Sondernewsletter) und Ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber (siehe dazu unser Beitrag „Cannabis-Konsum: Wie weit reicht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?“ in diesem Sondernewsletter) nachzukommen.

Autor

Lukas Paetzold

Cannabiskonsum und Arbeitsschutz

Cannabis wird in Deutschland nicht erst seit dem 1. April 2024 konsumiert. Arbeitsschutz im Zusammenhang auch mit diesem Rauschmittelkonsum ist also nichts per se Neues. Die Legalisierung des Cannabiskonsums durch das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Cannabisgesetz (CanG) bringt dieses Thema aber in das Bewusstsein der Arbeitgeber Cannabis künftig wohl auch häufiger in den Betrieb.

Neuregelungen durch das CanG im Bereich Arbeitsschutz

Das CanG enthält in Bezug auf den Arbeitsschutz lediglich zwei Vorschriften: Durch Artikel 9 wird das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) dahingehend ergänzt, dass auch Personen, die nach dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) oder dem Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) verurteilt worden sind, Jugendliche nicht beschäftigen und ausbilden dürfen. Artikel 10 sieht eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) dahingehend vor, dass der Nichtraucherschutz nicht mehr nur in Bezug auf Tabak gilt, sondern auch in Bezug auf Rauche und Dämpfe von Cannabisprodukten – und ebenfalls neu: E-Zigaretten.

DGUV Vorschrift 1 und DGUV Regel 100-001

Rauschmittel sind auch bisher beim Arbeitsschutz bedacht worden. Die wesentlichen arbeitsschutzrechtlichen Regelungen enthalten die seitens der Unfallversicherungsträger erlassene DGUV Vorschrift 1[1] (Grundsätze der Prävention) und die DGUV Regel 100-001[2].

Laut § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 dürfen Arbeitgeber Arbeitnehmer nicht mit einer Tätigkeit betrauen, die erkennbar nicht in der Lage sind, die Arbeit ohne Gefahr für sich und andere auszuführen (Stichwort „Befähigung für Tätigkeiten“). Die DGUV Regel 100-001 gibt eine Vorgehensweise bei nicht vorhandener Befähigung im Sinne der vorgenannten Vorschrift § 7 DGUV Vorschrift 1 vor: liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Tätigkeit zu erbringen, ohne sich selbst oder andere zu gefährden, besteht ein Beschäftigungsverbot für diese Tätigkeiten. Einer der beispielhaft genannten Gründe für die fehlende Befähigung ist der Konsum von Drogen oder anderer berauschender Mittel. Es sind aber „konkrete Anhaltspunkte“ dafür erforderlich, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die Arbeit gefahrlos auszuführen.

Ein besonders strenger Maßstab ist bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten anzulegen, die sich aus der Eigenart des Betriebs und der ausgeübten Tätigkeit ergeben können, wie z. B. das Führen von Fahrzeugen oder Maschinen.

Neben der Arbeitgeberpflicht statuiert § 15  Absatz 2 DGUV Vorschrift 1 auch eine eigene Verhaltenspflicht für die Arbeitnehmer. Diese dürfen sich nicht durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden. Die DGUV Regel 100-001 lässt hier wenig Raum für Zweifel: „Der Konsum von Alkohol lässt, wie der Konsum von Drogen oder anderen berauschenden Mitteln, in der Regel eine Gefährdung vermuten“. Ein Verstoß des Arbeitnehmers gegen § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu EUR 10.000 geahndet werden kann ( § 32 DGUV Vorschrift 1 i.V.m. § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

Problematik für Arbeitgeber – Diagnose

Arbeitgeber sehen sich vor dem Problem, dass die durch Cannabiskonsum bedingten Ausfallerscheinungen mitunter nur schwer von außen erkennbar sind und häufig die Wirkzeit nicht nur den akuten Rauschzustand umfasst, sondern auch darüber hinaus andauern kann. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen nennt hier bspw. verminderte Reaktion und Merkfähigkeit, verschwommenes Sehen, Blutdruckabfall, Schwindel und Orientierungslosigkeit.[3] All diese Ausfallerscheinungen haben gemein, dass sie einen ganz erheblichen Einfluss auf die Fähigkeit von Arbeitnehmern haben können, Maschinen oder Fahrzeuge zu bedienen.

Fehlende Befähigung, § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1

Die Handlungsempfehlung der DGUV Regel 100-001 hilft bei der Frage der Beantwortung nach der fehlenden Befähigung nur bedingt: Die Beurteilung der aktuellen Befähigung des Versicherten könne z. B. durch arbeitsmedizinische Untersuchungen (bspw. durch den Betriebsarzt) ermöglicht werden. Allerdings sind körperliche und klinische Untersuchungen von Arbeitnehmern aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Achtung und des Schutzes der Würde und der Freiheit des Menschen sowie seines Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nur mit Einwilligung der betroffenen Person zulässig

Auch vor diesem Hintergrund geht die DGUV Regel 100-001 davon aus, dass bereits die auf Verhaltensbeobachtungen oder Hinweise gestützte subjektive Einschätzung des Vorgesetzten für das Aussprechen eines Beschäftigungsverbots ausreiche.

Kommt der Arbeitgeber also bei dieser subjektiven Beobachtung zur Schlussfolgerung, dass die Befähigung fehlt, ist ein Beschäftigungsverbot auszusprechen. Dieses erfordert nicht zwingend, dass der Arbeitnehmer auch den Betrieb verlassen muss, sondern ist tätigkeitsbezogen. Andere Tätigkeiten, bei denen die entsprechenden Ausfallerscheinungen die Befähigung nicht beeinträchtigen, sind unverändert möglich –  wobei schwer vorstellbar ist, welche Tätigkeiten hiernach übrig bleiben könnten. Ob im Fall, dass keine alternativen Tätigkeiten vom Arbeitnehmer erledigt werden können, ein Annahmeverzugslohnanspruch entsteht, ist bislang nicht entschieden. Es spricht jedoch viel dafür, dass Arbeitnehmer, die unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht eingesetzt werden dürfen, ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß anbieten, sodass kein verzugsbegründender Tatbestand vorliegt. Der Arbeitgeber sollte – so unsere Empfehlung – das Entgelt entsprechend kürzen. Hinsichtlich weiterer arbeitsrechtlicher Konsequenzen wie Abmahnung, Kündigung, etc. vgl. den Beitrag Ackermann/Voigt.

Gefährdungen begründender Zustand, § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1

Nicht nur für den Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber bietet aber die Vermutung, die die DGUV Regel 100-001 in Ziff. 3.1.2 aufstellt, eine wichtige Hilfestellung. Nach dieser oben dargestellten Regel lässt allein der Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln „in der Regel eine Gefährdung“ i.S.v. § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 erkennen, ohne dass es hierbei auf die Art der Tätigkeit ankommt.

Die DGUV Regel 100-001 hält zudem fest, dass auch ein Konsum im privaten, zeitlich der Arbeit vorgelagerten Bereich, genüge, um eine Gefährdung zu begründen – und ein solcher auch die Befähigung nach § 7 DGUV Vorschrift 1 beeinträchtigen kann.

Sollte der Arbeitgeber also Kenntnis davon erhalten, dass der Arbeitnehmer im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit Cannabis konsumiert, liegt ein Beschäftigungsverbot nahe.

Fazit und Ausblick

Ein zu erwartender erhöhter Cannabiskonsum in Deutschland wird eine ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit der Arbeitgeber für diese Droge fordern. Dem Arbeitgeber zur Kenntnis kommender Konsum in zeitlicher Nähe zur Aufnahme der Tätigkeit, während dieser oder in den Pausen bringt die Vermutung einer Gefährdung mit sich und zwingt den Arbeitgeber zum Handeln. Beschäftigungsverbote werden auszusprechen sein. Im Übrigen wird der Arbeitgeber auf Ausfallerscheinungen achten müssen – nichts Neues, vor allem in Bezug auf Alkoholkonsum, mit der Schwierigkeit, dass alkoholbedingte Ausfallerscheinungen mitunter leichter zu entdecken sein dürften als jene durch Cannabiskonsum.

Autoren

Kerstin Gröne

Dr. Christoph Corzelius


1. publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2942 (zul. abgerufen am 5. April 2024

2. publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2909 (zul. abgerufen am 5. April 2024).

3. www.dhs.de/suechte/illegale-drogen/cannabis/risiken (zul. abgerufen am 5. April 2024)

Individualrechtliche Sanktionsmöglichkeiten bei Cannabiskonsum – Abmahnung oder Kündigung?

Was soll ich tun, wenn mein Arbeitnehmer während einer „Raucherpause“ kifft? Welche Optionen habe ich, wenn ein Arbeitnehmer „berauscht“ zur Arbeit erscheint? Diese und ähnliche Fragen stellen sich für Arbeitgeber seit der Legalisierung des Cannabis zum
1. April 2024.

Welche Regeln muss ein Arbeitnehmer bei Cannabiskonsum beachten?

Unabhängig davon, ob es sich um erlaubte Drogen wie Alkohol und Cannabis oder andere, verbotene berauschende Mittel handelt, darf sich ein Arbeitnehmer nicht in einen Zustand versetzen, in dem es ihm nicht möglich ist, seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Außerdem darf er (in einem solchen Zustand) nicht für sich oder andere eine Gefährdung darstellen (§ 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 i.V. m. § 15 ArbSchG, vgl. auch Beitrag von Gröne/Corzelius in diesem Newsletter). Hierbei handelt es sich um ein relatives Verbot: Der Konsum ist zwar erlaubt, jedoch nur soweit, als dass keine Einschränkungen der Leistungs- und Urteilsfähigkeit eintreten.

Ein Konsum (auch im privaten Bereich) kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, soweit die Ausfallerscheinungen während der Arbeitszeit eintreten oder noch andauern. Es kommt nicht darauf an, ob sich der Arbeitnehmer vor oder während der Arbeit berauscht (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3. Mai 2007 – 4 Sa 529/06, BeckRS 2008, 50568).

Ausfallerscheinungen liegen nicht nur dann vor, wenn ein Arbeitnehmer kaum ansprechbar ist und nur noch undeutlich spricht. Vielmehr sind solche auch bereits dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer seine „Normalleistung“ nicht mehr erbringen kann, weil er z. B. langsamer arbeitet oder seine Stimmung deutlich gedämpft oder euphorisiert ist. Die Normalleistung bestimmt sich subjektiv nach dem Vermögen des Arbeitnehmers, sodass auch bei langsamerem Arbeiten u. ä. drogenbedingte Ausfallerscheinungen gegeben sind (Fuhlrott, ArbRAktuell 2023, 531).

Der Arbeitgeber kann (auf Basis seines Direktionsrechts nach § 106 GewO) für die Arbeitszeit ein Verbot erlassen, nach dem es den Arbeitnehmern untersagt ist, erlaubte Drogen oder andere Genussmittel (wie z. B. auch Alkohol oder Zigaretten) zu konsumieren. Ein etwaig bestehender Betriebsrat ist hierbei zu beteiligen (vgl. Beitrag von Paetzold in diesem Newsletter). Ein derartiges Verbot hätte der Arbeitnehmer dann ebenfalls zu berücksichtigen. Auf den privaten (Freizeit-)Bereich kann der Arbeitgeber demgegenüber grds. nicht unmittelbar einwirken. Etwas anderes kann ggf. bei einem Repräsentanten (z. B. Beamter, Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst) gelten (vgl. Beitrag von Brinkmann in diesem Newsletter). Wie zuvor erwähnt, darf der Arbeitnehmer aber nicht mit unter fortwirkenden Drogeneinfluss zur Arbeit erscheinen (vgl. Beitrag von Ceruti/Ax in diesem Newsletter).

Welche Handlungsoptionen hat der Arbeitgeber bei Verstoß

Steuerbares Verhalten

Konsumiert ein Arbeitnehmer Cannabis während der Arbeitszeit oder erscheint er mit Ausfallerscheinungen zur Arbeit, sodass er diese nicht ordnungsgemäß erbringen kann, liegt ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen (Neben-)Pflichten vor.

Der Arbeitgeber kann in einem solchen Fall die Vergütung eines Arbeitnehmers einbehalten, so weit dieser wegen des Konsums (insb.) von Cannabis unentschuldigt fehlt und/oder nicht in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen bzw. dies nicht ohne Gefährdung anderer Rechtsgüter oder Personen kann.

Darüber hinaus kann der Arbeitgeber bezüglich des konkreten Verstoßes zunächst eine Abmahnung und bei erneutem Verstoß eine (ggf. fristlose) Kündigung aussprechen. Eine sofortige fristlose Kündigung wird dagegen nur in Ausnahmefällen möglich sein, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die Schwere des Vertragsverstoßes nicht mehr zumutbar ist. Dies erfordert erhebliche Auswirkungen des Cannabiskonsums im oder außerhalb des Betriebs. Sollte der Arbeitnehmer den Verstoß bestreiten, muss der Arbeitgeber diesen bzw. die Ausfallerscheinungen etc. beweisen können. Ein Drogentest ist in solchen Fällen nur ausnahmsweise möglich (vgl. Beitrag von Ceruti/Ax in diesem Newsletter). Deshalb sollte man die Aussagen von Personen, die den Konsum oder/und etwaige Ausfallerscheinungen bestätigen können, sorgfältig dokumentieren. Hierbei ist auch aufzunehmen, aufgrund welcher Umstände (z. B. typischer Geruch, glasiger Blick usw.) man den Eindruck gewonnen hat, der Arbeitnehmer sei nicht in der Lage, seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Im Falle einer zulässigen Videoüberwachung, sind etwaige Aufzeichnungen so schnell wie möglich zu sichten und zu sichern.

Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit einer Verdachtskündigung. Diese ist gerechtfertigt, wenn bereits der Verdacht des Verstoßes die Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar erscheinen lässt. Mit Blick auf den nunmehr legalisierten Konsum sind die Hürden mittlerweile noch höher, zumal die Rechtsprechung bereits aktuell sehr hohe Anforderungen an den Verdacht stellt.

Drogenabhängiger Mitarbeiter

Etwas anderes gilt bei einem drogenabhängigen Mitarbeiter: In einem solchen Fall kommt „lediglich“ eine personenbedingte Kündigung nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung in Betracht. Zunächst ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch bei einer Suchterkrankung bei Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen innerhalb von zwölf Monaten nach § 167 Abs. 2 SGB IX ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Allerdings finden sich Stimmen, wonach Suchtpotenzial bei Cannabis wesentlich geringer als bei Alkohol sei. Medizinisch fundierte Studien dazu existieren aktuell kaum bzw. nicht.

Sollte ein BEM erfolglos verlaufen, ist eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt, wenn auch in Zukunft mehr erheblichen Ausfällen aufgrund der Suchterkrankung zu rechnen ist und diese zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führen. Diese müssen im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung dazu führen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.

Bezüglich der zu erwartenden Fehlzeiten können die der letzten drei Jahre als Indiz herangezogen werden. Der Arbeitnehmer kann diesen Zeiten aber z. B. eine erfolgreiche oder eine gerade begonnene Therapie entgegenhalten (soweit er solche nicht in der Vergangenheit abgebrochen hat bzw. diese nicht erfolgreich waren).

Praxishinweis

Es empfiehlt sich, ein deutliches (umfassendes) Verbot von Tabakkonsum, Cannabis, Alkohol und anderen Genussmitteln mit berauschendem Effekt am Arbeitsplatz – ggf. unter Berücksichtigung der Mitwirkungspflichten des Betriebsrats – zu erlassen. Davon sollte ggf. umfasst sein, welche Art Genussmittel auf Firmenveranstaltungen erlaubt sind. Ein Verstoß gegen ein absolutes Verbot ist in der Praxis leichter nachzuweisen als der Verstoß gegen ein relatives Verbot, das nur beinhaltet, dass ein Arbeitnehmer sich in den Zustand versetzt, in dem er seine Arbeitsleistung nicht mehr ordnungsgemäß erbringen kann. Allerdings bleibt in diesem Fall das Problem des zulässigen Konsums in der Freizeit, welches fortwirkende Einflüsse auf den betrieblichen Bereich hat.

Autoren

Hans-Christian Ackermann

Jana Anna Voigt

Grenzen der Untersagung des privaten Cannabiskonsums und von Drogentests am Arbeitsplatz

Ein Joint auf dem sonnigen Balkon am Vormittag und anschließend zur Spätschicht. Was für den ein oder anderen Arbeitnehmer einen gelungenen Start in den Tag bedeuten mag, wird Arbeitgebern eher Sorgenfalten auf die Stirn treiben und Fragen aufwerfen: Kann ich als Arbeitgeber meinen Arbeitnehmern den Cannabiskonsum in der Freizeit verbieten? Oder kann ich wenigstens einen Drogentest anordnen, wenn mein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz einen berauschten Eindruck macht?

Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Legalisierung des Besitzes von Cannabis für den Freizeitgebrauch nicht dazu führt, dass der Arbeitnehmer Cannabis auch am Arbeitsplatz konsumieren darf. Arbeitnehmer bleiben dem Arbeitgeber weiterhin ihre ungetrübte Arbeitsleistung schuldig. Wenn diese durch den Konsum von Cannabis beeinträchtigt wird, liegt ein Verstoß gegen die Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag vor.

Doch wie kann der Arbeitgeber sicherstellen, dass die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht infolge von Drogenkonsum im privaten Bereich eingeschränkt ist? Schließlich hat der Arbeitgeber ein Interesse, die vereinbarte Arbeitsleistung in vollem Umfang und ohne Einschränkungen in Anspruch zu nehmen. Während er im Rahmen des Direktionsrechts und seiner Fürsorgepflichten den Konsum am Arbeitsplatz verbieten kann, hat der Arbeitgeber keinen Einfluss auf den privaten Konsum seines Arbeitnehmers. Da es sich beim Cannabiskonsum – innerhalb der gesetzlichen Grenzen – von nun an um eine legale private Angelegenheit handelt, hat der Arbeitgeber solange keine Handhabe gegen den Cannabiskonsum, wie dieser keine Auswirkung auf die Arbeitsleistung hat.

Anders als bei der berühmten „Fahne“, die ein Hinweis auf übermäßigen Alkoholkonsum und einen anhaltenden Rauschzustand sein kann, ist bei Cannabis auch nicht ohne Weiteres erkennbar, ob der Arbeitnehmer sich noch in einem berauschten Zustand befindet. Hinzu kommt, dass nach medizinischen Erkenntnissen die Wirkdauer deutlich länger und individuell unterschiedlicher ist als bei Alkohol. Ein Konsum am Feierabend oder Wochenende kann sich daher u. U. noch auf die anschließende Arbeitszeit am nächsten Morgen oder zu Wochenbeginn auswirken. Der Wirkstoff von Cannabis, Tetrahydrocannabinol (THC), und sein Abbauprodukt lassen sich grundsätzlich zwar in Speichel, Urin, Blut und Haaren nachweisen, jedoch länger als die tatsächliche Wirkung anhält. Ein aktuell bestehender Drogeneinfluss lässt sich daher nur durch einen Bluttest feststellen. Eine Dosis-Wirkung-Beziehung sowie ein Grenzwert, der auf eine verminderte Leistungsfähigkeit schließen lässt, existiert bislang – anders als beim Alkohol – nicht. Ein Drogentest, insbesondere durch Blutentnahme, stellt jedoch einen erheblichen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar und ist daher grundsätzlich ohne Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers nicht möglich. Eine einseitige Verpflichtung durch den Arbeitgeber scheidet regelmäßig ebenso aus, wie die Durchführung routinemäßiger Blutuntersuchungen, mit denen vorbeugend festgestellt werden soll, ob Arbeitnehmer unter Drogeneinfluss stehen. Ausnahmen können im Einzelfall in besonders gefährdeten Bereichen, wie z. B. in der Luftfahrt oder bei Berufskraftfahrern, bestehen, da dort z. T. tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen die Möglichkeit zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung vorsehen. Arbeitnehmer können durch einen freiwilligen negativen Drogentest den Verdacht selbst entkräften. Bei einer Weigerung darf aber nicht automatisch auf einen Konsum und eine verminderte Leistungsfähigkeit geschlossen werden.

Im Ergebnis bleibt Arbeitgebern nur die Möglichkeit zur Wachsamkeit gegenüber ihren Arbeitnehmern, um Ausfallerscheinungen frühzeitig zu erkennen. Insoweit gilt nichts anderes als gegenüber Arbeitnehmern, die Alkohol konsumieren oder legale leistungsbeeinflussende Medikamente einnehmen.

Daneben sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter mit Blick auf das etwaige Entfallen des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes sensibilisieren, denn dieser ist bei Konsum von Alkohol und Drogen regelmäßig reduziert oder entfällt vollständig. Insoweit kann sich der private Cannabiskonsum negativ auf den grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bestehenden Unfallsversicherungsschutz auswirken.

Autorinnen

Nadine Ceruti

Cyrielle Therese Ax

Incentivierung des Unterlassens von Cannabis-Konsum

Im Rahmen der kürzlichen Legalisierung des Cannabis-Konsums stellen sich zahlreiche Fragen für Arbeitgeber, insbesondere wie der Konsum unterbunden werden kann, ohne in den privaten Lebensbereich der Arbeitnehmer einzugreifen. Arbeitgeber streben nach der uneingeschränkten Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer. Arbeitnehmer hingegen schulden grundsätzlich eine „ungetrübte“ Arbeitsleistung. Die kognitive Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer soll nicht durch den Konsum von Genussmitteln getrübt werden.

Die hierfür geltenden Grundsätze – die jahrzehntelang für den Konsum von Alkohol vor und während der Arbeitstätigkeit entwickelt worden sind – können weitestgehend äquivalent auf den Konsum von Cannabis übertragen werden. Auf den ersten Blick existieren zwischen dem Alkohol- und dem Cannabiskonsum keine signifikanten Unterschiede. Ungeachtet der Auswirkungen auf den Körper führt der Genuss von Alkohol und Cannabis zu einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Aus diesem Grund können die Grundsätze die bei Alkoholkonsum zum Verboten geführt haben auch auf den Cannabiskonsum übertragen werden. Zu beachten ist die komplexere Dosis-Wirkbeziehung von Cannabis gegenüber Alkohol und der größeren Streubreite in der individuellen Verstoffwechselung von Cannabis. Problematisch ist bereits der Nachweis des Konsums und die Handhabungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zur Verhinderung von negativen Auswirkungen auf die Arbeitsleistung. Erschwerend ist der Umstand zu berücksichtigen, dass die Wirkung von THC vergleichsweise länger im Blutkreislauf anhält. Die Grenzwerte für eine vertragsgemäße Arbeitsfähigkeit und die langfristigen Folgen können zum Zeitpunkt der Legalisierung nicht abschließend vorhergesehen und beurteilt werden.

Prävention – Aufgabe des Arbeitgebers

Folglich stellt sich die Frage, wie der Arbeitgeber den Konsum ohne den Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers unterbinden, wie er Arbeitnehmer dazu motivieren kann und wie er die Arbeitsleitungsfähigkeit erhält. Denkbar sind in erster Linie monetäre Anreize.

Kann der Arbeitgeber Arbeitnehmer eine Prämie zahlen, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraums kein Cannabis konsumiert wird?

Ja. Es stehen keine gesetzlichen Bestimmungen entgegen, die gegen eine Vergütung eines bestimmten Verhaltens sprechen. Bereits aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergibt sich die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers und des Betriebsrates im Rahmen des Gesundheitsschutzes. Der Arbeitgeber ist gehalten, bereits präventiv tätig zu werden, um die Arbeitskraft sowie die Leistungsfähigkeit zu garantieren. Repressive Maßnahmen entfalten in der Kombination mit der Prävention eine wirkungsvolle Symbiose. Bloße repressive Maßnahme in Form von Verboten am Arbeitsplatz spiegeln keinen umfangreichen, nachhaltigen Gesundheitsschutz wider.

Kann der Arbeitgeber die Zahlung einer Prämie von der Absolvierung eines freiwilligen und nicht anlassbezogenen Drogentests abhängig machen?

Wie immer in der Juristerei: Es kommt drauf an. Grundsätzlich verstößt die Durchführung oder das Verlangen der Durchführung eines Drogentests gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und verletzt auch die körperliche Integrität des jeweiligen Arbeitnehmers. Bereits fraglich ist, ob die Durchführung eines oberflächlichen „Wischtests“ auf der Stirnoberfläche eines Arbeitnehmers einen Eingriff in die körperliche Integrität – vergleichbar mit einem Atemtests beim Alkohol – darstellt. Weiterhin kann durchaus diskutiert werden, ob tatsächlich ein Eingriff in die körperliche Integrität vorliegt, soweit Arbeitnehmer freiwillig und nicht anlassbezogen einen Drogentest durchführen und somit durch die Einwilligung kein Eingriff in den Schutzbereich ihrer Rechte vorliegt. Streit besteht zudem darüber entstehen, ob Handlungen in Bezug zum Arbeitsverhältnis auch aus eigenem Antrieb erfolgen können oder nach dem äußerst restriktiven Verständnis im Datenschutzrecht freiwillige Entscheidungen im Arbeitsverhältnis aufgrund des wirtschaftlichen Gefälles nicht existent zu sein scheinen. Nach unserer, dieser nicht geteilten Auffassung wird die Freiwilligkeit vorliegend bei Durchführung von Drogentests durch Zufallsproben und der autonomen Entscheidung des Erhaltens einer Prämie garantiert.

Fraglich ist womöglich, ob die Freiwilligkeit unter dem Druck der Belegschaft leiden könnte und einzelne Arbeitnehmer unter Druck gesetzt werden. Im Ergebnis handelte es sich um eine freiwillige Durchführung zur Erreichung eines eigenen Ziels – die Auszahlung einer Prämie.

Bezugnehmend auf die unklaren Folgen durch den Konsum von Cannabis auf die Arbeitsfähigkeit könnte abweichend zum Alkoholkonsum eine Incentivierung zur Erreichung des präventiven Gesundheitsschutzes langfristig zielführend sein. Die Umsetzung zur Zahlung einer einheitlichen Prämie kann – unter Einbeziehung des Betriebsrats – im Wege einer Betriebsvereinbarung erfolgen. Alternativ sind gesonderte bilaterale Vereinbarungen denkbar.

Wie kann der Nachweis des Unterlassens des Konsums nachgewiesen werden?

Der Arbeitgeber kann nach den vorstehenden Ausführungen die Zahlung von einem negativen Test abhängig machen. Mögliche Varianten sind die Durchführung eines Schweiß- oder eines Speicheltests auf Kosten des Arbeitgebers.

Fazit

Abschließend stellt sich die Frage, ob es nicht selbstverständlich sein sollte, dass Arbeitnehmer nüchtern – ungeachtet einer gesonderten Vergütung – ihre Tätigkeit aufnehmen, durchführen und beenden. Die Zukunft wird zudem zeigen, wie der Cannabiskonsum die Arbeitsfähigkeit beeinflusst und welche Grenzwerte die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung gewährleisten.

Autoren

Axel Braun

Mark Deigel

Von der Schreibtischschublade ins Rampenlicht: Cannabiskonsum im öffentlichen Dienst

Fragen zur Vereinbarkeit des (außerdienstlichen) Cannabiskonsums mit dem Beschäftigungsverhältnis machen auch vor den Beschäftigten im öffentlichen Dienst keinen Halt. Sie sind dem Staat und seiner Verfassung zur Treue und Rücksichtnahme verpflichtet. Je nach Art des Vertragsverhältnisses (Beamte/Tarifangestellte/Arbeitnehmer) sind diese Pflichten unterschiedlich stark ausgeprägt. Die für Beamte geltenden Grundsätze können nicht auf Tarifbeschäftigte/Arbeitnehmer übertragen werden.

(Vorübergehende) Gesundheitsbeeinträchtigung durch Cannabiskonsum

Beamte

Der Beamte hat die Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf. Seine Aufgaben kann er nur dann mit vollem persönlichem Einsatz erfüllen, wenn er gesund ist. Er hat eine Gesunderhaltungspflicht.

Problematisch wird der (legale) Konsum von Rauschmitteln wie Cannabis, sobald sie zur Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit führen. Eine disziplinarrechtlich relevante (schuldhafte) Dienstpflichtverletzung liegt vor, wenn der Beamte im Moment des Konsums vorhersehen konnte, dass dieser zu einer Einschränkung der Dienstfähigkeit führen kann und dies dienstrechtliche Folgen haben kann. Nachdem es sich bei Cannabis nicht mehr um ein verbotenes Betäubungsmittel handelt, wird man diese für den Alkoholkonsum aufgestellte Wertung entsprechend anwenden müssen. Disziplinarrechtliche Relevanz kann jedenfalls der Rückfall nach einer erfolgreichen Entwöhnungstherapie haben, wenn der Beamte im Moment des Konsums in der Lage war, der Gefahr eines Rückfalls in den Cannabiskonsum mit Erfolg zu begegnen und aus dem Rückfall eine eingeschränkte Dienstfähigkeit folgt. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Polizeibeamter nur noch eingeschränkt im Innendienst ohne Führen von Waffen und Fahrzeugen eingesetzt werden kann.

Treten Verdachtsmomente auf, die einen Cannabiskonsum vermuten lassen, empfiehlt es sich, den betroffenen Beamten bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt konkret darüber zu belehren, dass der Konsum die Dienstfähigkeit beeinträchtigen kann und dass diese Beeinträchtigung dienstrechtliche Konsequenzen für ihn haben kann. Nur dann wird ein disziplinarrechtliches Vorgehen gegen den Beamten, dem anderenfalls kaum nachweisbar sein wird, dass er sich im Moment des schädlichen Konsums der nachteiligen dienstrechtlichen Konsequenzen bewusst war, erfolgreich sein.

Tarifbeschäftigte/Angestellte im öffentlichen Dienst

Tarifbeschäftigte und Angestellte im öffentlichen Dienst haben auf die berechtigten Interessen ihres Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Daraus folgt die Obliegenheit, sich arbeitsfähig zu halten. Konsumiert ein Arbeitnehmer Cannabis, kann dies zu einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit oder gar einer Arbeitsunfähigkeit (z. B. den (vorübergehenden) Verlust der Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs, die für die Ausübung der Tätigkeit notwendig ist) führen. Bei verschuldeter Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit entfällt die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz). Je nach Schwere der Pflichtverletzung können der Cannabiskonsum und seine Folgen zu weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie einer Abmahnung oder einer Kündigung führen.

Rufschädigung/Vertrauensverlust durch Cannabiskonsum

Beamte

Daneben besteht eine Pflicht des Beamten zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten, um das Ansehen des einzelnen Beamten und der Beamtenschaft in der Bevölkerung sowie das innerdienstliche Vertrauensverhältnis zum Dienstherren zu bewahren. Zwar wird von Beamten Integrität, Rechtstreue und eine dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtete Amtsführung erwartet, das bedeutet jedoch nicht, dass jedes moralische oder sittliche Fehlverhalten zu unmittelbaren dienstlichen Konsequenzen führt.

Ein Fehlverhalten ist deshalb nur dann dienstrechtlich relevant, wenn es geeignet ist, durch den eintretenden Vertrauensschaden die Erfüllung der Dienstpflichten zu beeinträchtigen. Der (außerdienstliche) Konsum von Cannabis stellt zwar ein potenzielles Fehlverhalten dar, er steht jedoch zunächst nicht in einem konkreten Zusammenhang mit dem Dienst, ist gesamtgesellschaftlich in einem gewissen Umfang verbreitet und wird durch die jüngste Gesetzesänderung in Form der Teillegalisierung wohl eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz erlangen.

Im Einzelfall muss das konkrete Konsumverhalten immer am konkreten Amt und seinen besonderen Anforderungen gemessen werden. Besonders verpflichtete Beamte wie Soldaten, Polizisten und Lehrer müssen mit einem anderen Maß gemessen werden als etwa Beamte der allgemeinen inneren Verwaltung. Grundsätzlich wird man davon ausgehen müssen, dass der Cannabiskonsum in Uniform besonders schwer wiegt, da damit eine sichtbare Verbindung zwischen Konsum und dem Dienstherren hergestellt wird. Die Gefahr, dass der Beamte sein Ansehen, das Ansehen der Beamtengruppe sowie des Dienstherren schädigt, ist besonders groß. Man stelle sich allein das Bild eines Polizisten vor, der nach dem Dienst in Uniform als erstes einen Joint dreht und ihn öffentlich vor seiner Dienststelle konsumiert. Die für ein relevantes außerdienstliches Verhalten notwendige Voraussetzung der Amtsbezogenheit des Schadens wäre in einer solchen Situation wohl gegeben.

Auch nach der Legalisierung des Cannabiskonsums besteht weiterhin das beschriebene Schädigungspotenzial. Ein Verhalten muss nicht rechtswidrig sein, um einen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht zu begründen. Dabei muss dabei zwischen dem grundrechtlich geschützten Privatleben und einem öffentlichkeitswirksamen Verhalten, welches Zweifel an der Integrität des Amtsträgers aufkommen lassen kann, unterschieden werden. Der Beamte hat Rücksicht auf seine Amtsstellung zu nehmen, wenn er sich in der Öffentlichkeit bewegt. Die Grenzen sind im Einzelfall zu beurteilen und unterliegen auch dem stetigen gesellschaftlichen Wandel.

Tarifbeschäftigte/Angestellte im öffentlichen Dienst

Angestellte müssen ebenfalls alles unterlassen, was das Ansehen ihres Arbeitgebers beeinträchtigt. Ihre Treue und Rücksichtnahmepflichten gehen jedoch nicht so weit wie die der Beamten. Für nicht hoheitlich tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten keine weitergehenden vertraglichen Nebenpflichten als für die Beschäftigten der Privatwirtschaft. Ob der Konsum von Cannabis im konkreten Fall zu einer Beeinträchtigung des Ansehens des Arbeitgebers führt und der Arbeitnehmer durch den nunmehr (teilweise) legalen Konsum eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, wird im Einzelfall zu bewerten sein. Ähnlich wie im Beamtenverhältnis wird davon auszugehen sein, dass jedenfalls dann, wenn der Konsum in Dienstkleidung geschieht und somit ein sichtbarer Bezug des (außerdienstlichen) Verhaltens zum Arbeitgeber hergestellt werden kann, die Schwelle zu einem relevanten (außerdienstlichen) Verhalten überschritten sein kann.

Zu differenzieren ist der Konsum ohne sichtbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis im privaten Umfeld, der nach der jüngsten Gesetzesänderung jedenfalls keinen Rechtsverstoß mehr darstellt. Es wird jedoch weiterhin davon auszugehen sein, dass aus dem außerdienstliche Verhalten gegebenenfalls Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten gezogen werden können. Überträgt man die bisherige Rechtsprechung zum Alkoholmissbrauch im Privatbereich (das BAG entschied, dass einem U-Bahn-Zugführer, der mit 2,73 Promille Blutalkohol einen Verkehrsunfall verursachte, noch nicht als derart unzuverlässig anzusehen sei, dass er kein Vertrauen mehr verdiene) auf den Cannabiskonsum, kann aufgrund eines (einmaligen) Vollrauschs nicht zwangsläufig darauf geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer derart unzuverlässig ist, dass er kein Vertrauen mehr verdient.

Fazit – Cannabiskonsum im öffentlichen Dienst

Beamte

Letztlich wird wohl nur ein außerdienstlicher Cannabiskonsum, der in seiner konkreten Form keine Pflichten aus dem Beamtenverhältnis verletzt, nicht zur Diskreditierung des Dienstherren sowie des Beamtentums geeignet ist und gegen keine Gesetze verstößt, unproblematisch sein. Es bleibt abzuwarten, welche Leitlinien die Rechtsprechung zu diesem derzeit vielbeachteten Themenkomplex aufstellen wird. Sobald der Konsum jedoch die Leistungsfähigkeit der Beamten während der Ausführung ihrer Tätigkeit einschränkt, ist von einer dienstrechtlich relevanten Pflichtverletzung auszugehen, der der Dienstherr frühestmöglich mit präventiven und gegebenenfalls disziplinarischen Maßnahmen begegnen sollte.

Tarifbeschäftigte/Angestellte im öffentlichen Dienst

Zwar gelten für nicht hoheitlich tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes keine weitergehenden vertraglichen Nebenpflichten als für die Beschäftigten der Privatwirtschaft. Sie sind jedoch nach § 241 Abs. 1 BGB dazu gehalten, auch im außerdienstlichen Bereich auf die berechtigten Interessen ihres Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Angestellte müssen folglich alles unterlassen, was das Ansehen ihres Arbeitgebers beeinträchtigt. Letztlich wird man sich bei der Bewertung eines (außerdienstlichen) Cannabiskonsums an den auch in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen bestehenden Grundsätzen orientieren können und – wie stets – die Besonderheiten des Einzelfalls beachten und bewerten müssen. Jedenfalls dann, wenn der Cannabiskonsum zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, einer Arbeitsunfähigkeit oder einer Gefährdung anderer Arbeitnehmer führt, liegt ein Verhalten vor, dem der Arbeitgeber je nach Schwere der Pflichtverletzungen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Rüge, Abmahnung, Kündigung) begegnen kann und sollte. Gestaltet der Arbeitnehmer seinen Konsum jedoch so, dass er den rechtlichen Rahmen einhält und keinen Einfluss auf das Beschäftigungsverhältnis hat, steht ihm nichts im Wege.

Autor

Kevin Brinkmann LL.M.

Die Legalisierung von Cannabis und Arbeitsrecht – Besondere Spielregeln bei besonderen Tätigkeiten

Alkohol oder Cannabis – für viele ein eklatanter Unterschied. War die Legalisierung durch das Cannabisgesetz (CanG) für die einen längst überfällig, so hätte sie für andere niemals kommen müssen. Gerade mit Blick auf Berufe wie Ärzte, Busfahrer oder Piloten, bei denen es entscheidend auf einen wachsamen Zustand ankommt, haben große Teile der Bevölkerung Sorgen. Doch ist diese Sorge berechtigt? Und haben sich nicht bereits in den vergangen Jahren hinreichende Spielregeln basierend auf Alkoholkonsum entwickelt, um dem Cannabis-Konsum arbeitsrechtlich entgegen zu treten?

Die Ausgangslage

Es spielt grundsätzlich – jedenfalls arbeitsrechtlich – keine Rolle, ob Arbeitnehmer in ihrer Freizeit legale oder illegale Drogen konsumieren. Fakt ist aber auch, dass der Arbeitnehmer sich während der Arbeitszeit in einem Zustand befinden muss, der die ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung ermöglicht, sodass es nicht zu Ausfallerscheinungen kommt. Darunter fällt auch ein ungetrübter Geisteszustand. Dies ist bereits eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis und muss daher nicht expressis verbis vereinbart werden.

Insbesondere bei Berufsgruppen, bei denen es elementar auf eine uneingeschränkte Aufmerksamkeit ankommt, sind dabei gesteigerte Anforderungen zu stellen. Man denke beispielsweise an Ärzte, die eine Operation durchführen oder Arbeitnehmer, die mit dem Führen von Eisenbahnen oder Flugzeugen betraut sind. Die Aufzählung ließe sich weiter fortführen. Zudem ist an Arbeitnehmer zu denken, bei denen außerdienstliches Verhalten leicht das Arbeitsverhältnis stören kann, hier beispielsweise Suchtberater oder Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes.

So sah das Bundesarbeitsgericht (BAG) bei einem Berufskraftfahrer, der am Wochenende Amphetamin und Methamphetamin konsumierte und am Montag wieder Fahrten ausführte, diese Pflicht als verletzt an (BAG, Urt. v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15). Diese Wertung lässt sich sicherlich auch auf eine Ärztin, die am Sonntagabend einen Joint raucht und am Montagmorgen Operationen durchführt, oder einen Pilot, der am Montag nach New York fliegt, übertragen. Der Geisteszustand ist mithin in den oben genannten Berufsgruppen schnell als getrübt anzusehen.

Novelle der Rechtslage – oder doch nicht?

Spätestens mit der nunmehr erfolgten Legalisierung dürfte eine Unterscheidung zum Alkohol nicht mehr angezeigt sein. Denn eine Ärztin oder ein Pilot darf auch nicht am Sonntag übermäßig Alkohol konsumieren und sodann Montag „verkatert“ zur Operation oder zum Flug erscheinen. Sodann ist nämlich nicht gesichert, dass Arbeitnehmer ihre Hauptleistungspflichten störungsfrei erbringen können – hier das Operieren oder das Fliegen.

Gesetzliche Drogenverbote bleiben ohnehin unberührt. Exemplarisch beispielsweise im Straßenverkehr handelt derjenige gem. § 24a Abs. 2 StVG ordnungswidrig, der unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, worunter auch Cannabis fällt.

Speziell bei Kraftfahrunternehmen ist zusätzlich § 8 Abs. 2 BOKraft zu beachten, der gleichermaßen den Konsum von Mitteln, die den Dienst beeinträchtigen, verbietet. Luftfahrzeugführern ist ferner das Führen oder Bedienen eines Luftfahrzeugs unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen psychoaktiven Substanzen gem. § 4a Abs. 1 LuftVG untersagt. An diese besonderen Regularien bleiben die Berufsgruppen natürlich weiterhin gebunden.

Ein konkreter Handlungsbedarf für Arbeitgeber, die derartig besondere Berufsgruppen beschäftigten, besteht insoweit nicht. Gleichwohl bleibt es unbenommen, im Wege des Direktionsrechts nach § 106 GewO den Konsum jedenfalls während der Arbeitszeit zu untersagen. Die Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eines Betriebsrates, soweit im Betrieb vorhanden, sollte bedacht werden. Bestehende Betriebsvereinbarungen sollten mit Blick auf die Legalisierung von Cannabis überprüft werden.

Fazit

Summa summarum handelt es sich um alte Probleme in einem neuen Gewand, denn das CanG trifft keine arbeitsrechtlichen Regelungen für besondere Berufe, sodass auf die Rechtsprechung und allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden muss. (Legaler) Drogenkonsum bleibt grundsätzlich Privatsache, aber nur solange das Arbeitsverhältnis nicht gestört wird – wie auch schon zuvor mit Hinblick auf die konkreten Facetten des konkreten Arbeitsverhältnisses. Besondere Tätigkeiten innerhalb besonderer Berufe, die mitunter besonderes Vertrauen der Öffentlichkeit genießen, unterliegen daher nach wie vor gesteigerten Anforderungen an die ungetrübte Arbeitsleistung. Die private Lebensführung wird daher nur dort begrenzt, wo ein unmittelbarer Zusammenhang zu der zu erbringenden Arbeitsleistung besteht. Daran hat das CanG nichts geändert.

Autorin

Sophie Haeberlein

Lena Barry

Cannabis-Konsum: Wie weit reicht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?

Die Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers verlangt, dass der Arbeitgeber die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so wahren muss, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Diese Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann in Einzelfällen Handlungspflichten des Arbeitgebers auslösen. Es lohnt sich daher für Arbeitgeber, sich im Zusammenhang mit dem neuen Cannabisgesetz, mit der ihnen obliegenden Fürsorgepflicht zu beschäftigen.

Bemerkt ein Arbeitgeber beispielsweise, dass ein Arbeitnehmer im Betrieb unter dem Einfluss von Cannabis steht und hierdurch eine Gefahr für sich selbst oder Dritte erzeugt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, einzugreifen und geeignete Maßnahmen zum Schutz des betroffenen Arbeitnehmers sowie anderer Arbeitnehmer zu treffen. Der Arbeitgeber muss zunächst dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer nicht weiterarbeitet. Je nach Zustand des betroffenen Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber außerdem für einen gesicherten Heimweg sorgen. Unter Umständen kann es auch erforderlich sein, dass ein Notruf abgesetzt wird, wenn erkennbar ist, dass der betroffene Arbeitnehmer notfallmedizinische Hilfe benötigt. Wird ein unter Cannabis-Einfluss stehender Arbeitnehmer hingegen weiterbeschäftigt und ereignet sich in diesem Zustand ein Unfall, kann dies außerdem erhebliche Konsequenzen auch für den Arbeitgeber haben. Insbesondere kann es zum Fortfall des gesetzlichen Versicherungsschutzes kommen. Insoweit besteht eine Parallele zu den Fällen, in denen Arbeitnehmer unter dem Einfluss von Alkohol stehen.

Die Frage der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers stellt sich auch, wenn Arbeitnehmer bei Betriebsfeiern berauschende Mittel konsumieren. Grundsätzlich gilt, dass die Arbeitnehmer für den Konsum von Alkohol und anderen berauschenden Mitteln wie Cannabis selbst verantwortlich sind. Der Arbeitgeber muss den Einzelnen nicht vor eigenverantwortlichen Schädigungen schützen. Ein anderer Fall kann aber vorliegen, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, das Risiko einzuschätzen und der Arbeitgeber dies erkennen kann, beispielsweise weil die körperliche Aktivität auf einer Betriebsfeier unerwartet mehr Konzentration erfordert als für den Arbeitnehmer zuvor absehbar war.

Arbeitgeber sollten außerdem dann besondere Vorsicht walten lassen, wenn Minderjährige in Kontakt mit Cannabis gelangen könnten. Das neue Cannabisgesetz schreibt in § 5 CanG vor, dass der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verboten ist. Befinden sich auf einer Betriebsfeier beispielsweise minderjährige Auszubildende, dürfte die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers greifen. Zum Schutz der Minderjährigen wird es dem Arbeitgeber obliegen, jeden physischen Kontakt auszuschließen, beispielsweise durch ein generelles Cannabis-Verbot.

Autorinnen

Dr. Isabel Schäfer

Amelie Räpple, LL.M. (Berkeley)

Ihr/e Ansprechpartner
Hans-Christian Ackermann

Hans-Christian Ackermann
Partner
Düsseldorf
hans-christian.ackermann@luther-lawfirm.com
+49 211 5660 18772

Axel Braun

Axel Braun
Partner
Köln
axel.braun@luther-lawfirm.com
+49 221 9937 25740

Kerstin Gröne

Kerstin Gröne
Partnerin
Köln
kerstin.groene@luther-lawfirm.com
+49 221 9937 0

Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M.

Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M.
Partnerin
Düsseldorf, Köln
eva.ruetz@luther-lawfirm.com
+49 211 5660 27048

Cornelia Yzer

Cornelia Yzer
Of Counsel
Berlin
cornelia.yzer@luther-lawfirm.com
+49 30 52133 21175

Nadine Ceruti

Nadine Ceruti
Counsel
Frankfurt a.M.
nadine.ceruti@luther-lawfirm.com
+49 69 27229 24795

Cyrielle Therese Ax

Cyrielle Therese Ax
Senior Associate
Frankfurt a.M.
cyrielle.ax@luther-lawfirm.com
+49 69 27229 27460

Dr. Christoph Corzelius

Dr. Christoph Corzelius
Senior Associate
Köln
christoph.corzelius@luther-lawfirm.com
+49 221 9937 27795

Lukas Paetzold

Lukas Paetzold
Senior Associate
Düsseldorf
lukas.paetzold@luther-lawfirm.com
+49 211 5660 12338

Dr. Isabel Schäfer

Dr. Isabel Schäfer
Senior Associate
Hamburg
isabel.schaefer@luther-lawfirm.com
+49 40 18067 14068

Jana Anna Voigt

Jana Anna Voigt
Senior Associate
Düsseldorf
jana.voigt@luther-lawfirm.com
+49 211 5660 18783

Kevin Brinkmann LL.M.

Kevin Brinkmann LL.M.
Associate
Hamburg
kevin.brinkmann@luther-lawfirm.com
+49 40 18067 11184

Mark Deigel

Mark Deigel
Associate
Köln
mark.deigel@luther-lawfirm.com
+49 221 9937 20957

Sophie Haeberlein

Sophie Haeberlein
Associate
Leipzig
sophie.haeberlein@luther-lawfirm.com
+49 341 5299 1225

Amelie Räpple, LL.M. (Berkeley)

Amelie Räpple, LL.M. (Berkeley)
Associate
Hamburg
amelie.raepple@luther-lawfirm.com
+49 40 18067 19156

Lena Barry

Lena Barry
Legal Consultant
Leipzig
lena.barry@luther-lawfirm.com
+49 341 5299 16746