13.01.2022

Sondernewsletter Betriebsratswahlen 2022

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Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir wünschen Ihnen ein frohes neues Jahr und alles Gute für 2022!

Das Jahr hat gerade begonnen und schon stehen in den Personal- und Rechtsabteilungen bereits die ersten Aufgaben an.
Dieses Jahr werden in der Zeit zwischen dem 1. März und dem 31. Mai in Deutschlands Unternehmen wieder Betriebsräte gewählt. Teils laufen in den Unternehmen die Vorbereitungsarbeiten hierzu bereits auf Hochtouren und der Wahlkampf hat seit Wochen begonnen. Es geht somit nunmehr in die Endphase. Grund für uns, dass wir uns diesem Thema in einer Sonderausgabe unseres Newsletters nochmals widmen.

Wir haben bereits in den letzten Monaten regelmäßig in unserem Luther-Blog Arbeitsrecht Beiträge rund um das Thema
„Betriebsratswahlen 2022“ veröffentlicht. In dieser Ausgabe fassen wir Ihnen diese nochmals zur Vorbereitung der anstehenden Wahlen kompakt zusammen.

Einer der Themenbereiche ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Hiermit hat der Gesetzgeber im abgelaufenen Jahr neue Regeln für das Wahlverfahren geschaffen. Dietmar Heise gibt in seinen Beiträgen zum Wahlverfahren auch einen Überblick über die grundlegenden Punkte der gesetzlichen Neuregelungen, die es zu beachten gilt.

Wir befassen uns aber nicht nur mit dem konkreten Wahlverfahren, sondern auch mit grundsätzlichen Themen rund um die Betriebsratsarbeit. So setzen sich Klaus Thönißen und Christian Kuß mit aktuellen Fragen der Haftung des Arbeitgebers bei Verstößen des Betriebsrates gegen den Datenschutz auseinander. Dr. Eva Rütz und Katharina Gorontzi beleuchten die betriebsverfassungsrechtlichen Implikationen von mobiler Arbeit und künstlicher Intelligenz. Dies sind nur zwei der vielen Themen, die in unserem Sondernewsletter auf Sie warten.

Auch wenn keine Betriebsratswahlen anstehen, lohnt sich ein regelmäßiger Blick in unseren Luther-Blog Arbeitsrecht, in welchem wir über aktuelle Themen und Entwicklungen aus dem Bereich des Arbeitsrechts informieren.

Wir freuen uns auf Ihr Feedback und wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

Herzliche Grüße

Paul Schreiner              Achim Braner

Der Wahlkampf hat begonnen – Fünf Handlungsempfehlungen für den Wahlkampf aus Arbeitgebersicht

Die Betriebsratswahlen stehen vor der Tür. Zwischen dem 1. März und dem 31. Mai 2022 werden in Deutschlands Unternehmen wieder Mitarbeitervertreter gewählt. Insoweit bleibt zwar noch etwas Zeit bis zur Einreichung der Wahlvorschläge, doch in den meisten Betrieben hat der Wahlkampf bereits begonnen. Kandidaten beginnen, für sich zu werben und auch die Arbeitgeber sollten diese Phase nutzen.

Kandidatenansprache – auch ein Instrument für Arbeitgeber

Als Arbeitgeber liegt das Interesse an der Betriebsratswahl auf der Hand: Unternehmen haben ein Interesse, mit dem Betriebsrat vertrauensvoll und konstruktiv zusammenzuarbeiten. Deswegen kann es sinnvoll sein, in der Belegschaft gezielt für ein Engagement im Betriebsrat zu werben. Denn bei zahlreichen zustimmungspflichtigen Themen, z. B. der Einführung von technischen Einrichtungen (Dauerbrenner: Software/Sweet HR) hilft es durchaus, wenn Mitarbeiter mit dem erforderlichen technischen Sachverstand und Interesse im Betriebsrat sind. Ein erster Schritt kann also das Ansprechen von potenziellen Kandidaten sein.

Das Werben für einzelne Kandidaten ist zulässig, sollte aber im Rahmen bleiben und nicht den Charakter eines eigenen Wahlkampfes erreichen (das heißt z. B. kein Einsatz betrieblicher Mittel für einen bestimmten Kandidaten).

Kritik ist erlaubt

Eine Verpflichtung zur Neutralität besteht für Arbeitgeber im Wahlkampf nicht. Einem derartigen Neutralitätsgebot, wie es zuweilen in der Literatur und auch von einzelnen Gerichten angenommen wurde, hat das BAG im Jahr 2017 eine deutliche Absage erteilt (BAG, Beschluss vom 25. Oktober 2017 –
7 ABR 10/16). Auch ein Arbeitgeber kann sich auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen und Stellung im Wahlkampf beziehen. Schließlich kann von den Arbeitnehmern erwartet werden, die Aussagen des Arbeitgebers einzuordnen und eine freie Wahlentscheidung zu treffen. Wie überall gilt: Sachliche und inhaltlich zutreffende Kritik ist immer angebracht. Arbeitgeber dürfen Probleme in der Zusammenarbeit mit aktuellen Gremien also offen ansprechen. Das schließt öffentliche Äußerungen – diese dürfen pointiert sein – zu einzelnen Kandidaten mit ein und auch kritische Äußerungen über einzelne Kandidaten sind zulässig.

Klare Regeln einhalten

Gänzlich unbeschränkt ist die erlaubte Einflussnahme auf die Betriebsratswahl nicht. Die Grenzen sind in § 20 BetrVG klar geregelt. Nicht erlaubt sind das Versprechen oder Gewähren von Vorteilen (Abs. 2), das Androhen oder Zufügen von Nachteilen (Abs. 2) sowie ganz allgemein die Behinderung der Wahl (Abs. 1). Dabei schützt § 20 Abs. 2 BetrVG vor allem die innere Willensbildung der wahlberechtigten Arbeitnehmer, während der Behinderungstatbestand in § 20 Abs. 1 BetrVG den äußeren Ablauf der Wahl garantieren soll.

Keine Gewährung von Vorteilen

Eine verbotene Bevorteilung einzelner Kandidaten liegt nicht erst bei dem Versprechen oder Gewähren von Gehaltserhöhungen, Beförderungen oder sonstigen unmittelbaren Zuwendungen vor. Auch die Unterstützung des Wahlkampfes durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder betrieblicher Infrastruktur ist unzulässig, soweit diese nicht allen Kandidaten gleichermaßen gewährt wird.

Kein Zufügen von Nachteilen

Spiegelbildlich dazu liegt eine Benachteiligung insbesondere dann vor, wenn einzelne Kandidaten oder Listen nicht im selben Maße Zugriff auf betriebliche Mittel erhalten wie die restlichen Wahlbewerber. Zudem sind selbstverständlich das Androhen und Durchführen von Gehaltskürzungen, Versetzungen oder Kündigungen als Mittel der Einflussnahme auf die Betriebsratswahl verboten.

Fazit: Keine falsche Zurückhaltung – Betriebsratswahlen betreffen das ganze Unternehmen

Der Wahlkampf für die BR-Wahlen 2022 hat begonnen. Trauen Sie sich als Arbeitgeber, Farbe zu bekennen. Sprechen sie aktuelle Probleme in der Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretungen oder einzelnen Betriebsratsmitgliedern offen an. Ermutigen Sie Mitarbeiter, sich im Betriebsrat zu engagieren und sich für die Wahl zu bewerben. Die Grenzen der unzulässigen Wahlbeeinflussung sind klar erkennbar und sollten daher kein Unternehmen abschrecken, sich aktiv in den Wahlkampf einzubringen.

Autor

Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco)

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Essen

 

Das Wahlverfahren Teil I: Vorbereitungen des Wahlvorstands

Die Betriebsratswahlen 2022 stehen vor der Tür. Die Vorbereitungen beginnen jetzt. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz 2021 und die neue Wahlordnung haben das Wahlverfahren verändert. Der Arbeitgeber sollte das Verfahren in groben Zügen kennen.

Der Wahlvorstand: Herr des Verfahrens

Die genaue Gestaltung der Wahl obliegt dem Wahlvorstand. Er besteht im Regelfall aus drei (wahlberechtigten) Arbeitnehmern. Die Mitglieder sind also keine Wahlprofis. Sie brauchen Hilfe: vom Arbeitgeber, einem Anwalt – oder einer Gewerkschaft.

Existiert bereits ein Betriebsrat, so bestellt dieser den Wahlvorstand. Unterbleibt die Bestellung, so können das Arbeitsgericht (auf Antrag) oder der Gesamtbetriebsrat den Wahlvorstand bestellen. Wenn kein Gesamtbetriebsrat existiert, kann in Konzernen auch der Konzernbetriebsrat aktiv werden. Durch die Arbeitnehmer selbst kann ein Wahlvorstand nur in betriebsratslosen Betrieben eingesetzt werden, und zwar auf einer Wahlversammlung.

Das bestellende Organ kann ausnahmsweise auch mehr als drei Mitglieder des Wahlvorstands bestellen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich sein sollte. Zulässig sind nur ungerade Mitgliederzahlen. Ersatzmitglieder können auch bestellt werden. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften können je einen Betriebsangehörigen entsenden, allerdings ohne Stimmrecht. Der Wahlvorstand selbst kann soweit erforderlich Wahlhelfer zur Unterstützung heranziehen.

Der Wahlvorstand arbeitet in Sitzungen und entscheidet qua Beschluss. Neuerdings sind als Zugeständnis an die Digitalisierung auch Sitzungen über Video oder Telefon oder Hybridsitzungen möglich. Bestimmte Aufgaben (Prüfung der Wahlvorschläge, Losverfahren zur Nummerierung mehrerer Wahlvorschläge) dürfen nur in Präsenzsitzungen behandelt werden.

Erste Prüfungen des Wahlvorstands vor Einleitung der Wahl

Die Wahl wird offiziell eingeleitet mit dem Aushang eines Wahlausschreibens. Zuvor hat der Wahlvorstand einige erste Prüfungen vorzunehmen:

In welcher Einheit ist zu wählen, wie ist also der Betrieb abzugrenzen? Das ist häufig leicht zu beurteilen. Die Bewertung wird schwierig, wenn mehrere kleinere Einheiten organisatorisch verbunden sind, beispielsweise kleinere Filialen. Schwierig kann auch die Beurteilung von Gemeinschaftsbetrieben mehrerer Unternehmen sein.

Wer ist als Arbeitnehmer des Betriebs zu betrachten? Dazu zählen beispielsweise auch Leiharbeitnehmer. Zu Streit kommt es häufig bei Freelancern oder langfristig im Betrieb tätigen Drittkräften, z. B. in der IT. Nicht zu berücksichtigen sind echte leitende Angestellte.

Wer ist wahlberechtigt, wer ist wählbar? Mitwählen dürfen neuerdings alle Arbeitnehmer ab einem Alter von 16 Lebensjahren. Leiharbeitnehmer dürfen allerdings nur wählen, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden; der Zeitraum muss natürlich den Wahltag einschließen. Die Jüngeren sind nur Stimmvolk. Als Betriebsratsmitglied wählbar sind hingegen nur Volljährige, die zudem mindestens sechs Monate dem Betrieb oder zumindest dem Unternehmen oder dem Konzern angehören müssen.

Wie viele wahlberechtigte Arbeitnehmer hat der Betrieb? Die Zahl ist vor allem für die Größe des zu wählenden Betriebsrats und das Wahlverfahren bedeutsam: In Betrieben mit bis zu 100 Wahlberechtigten findet ein sogenanntes „vereinfachtes“ Wahlverfahren Anwendung, in Betrieben von 101 bis 200 Wahlberechtigten können der Wahlvorstand und der Arbeitgeber freiwillig das „vereinfachte“ Wahlverfahren anstelle des normalen vereinbaren. Für den Arbeitgeber ist eine solche Vereinbarung aber selten empfehlenswert: Die „vereinfachte“ Wahl wird in erster Linie stark beschleunigt, nicht vereinfacht. Sie wird dadurch weitaus anfälliger für Fehler.

Wie viele Arbeitnehmer der verschiedenen Geschlechter gibt es? Das wird vor allem für die Zusammensetzung des Betriebsrats bedeutsam: Für das Geschlecht in der zahlenmäßigen Minderheit gibt es Mindestquoten für die Zahl der Betriebsratsmitglieder. Die Rechtsprechung und die Literatur kennen bislang nur Frauen und Männer, keine anderen Geschlechter. Praktisch dürften Diverse auch äußerst selten eine Rolle spielen: Sie dürften meist nicht hinreichend häufig in den Betrieben vertreten sein, um auch nur einen einzigen Platz im Betriebsrat gesichert zu bekommen.

Weitere Vorbereitungen: Wahltag, Dokumente

Der Wahlvorstand legt den Wahltag oder, in größeren Betrieben, die Wahltage fest. Dabei sollte er die Vielzahl seiner Aufgaben bis zum Wahltag berücksichtigen. Grob geschätzt dauert die Vorbereitung der Wahl mindestens zehn bis zwölf Wochen.

Aus einer vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Liste erarbeitet der Wahlvorstand die Wählerliste. Diese ist immens wichtig: Am Wahltag darf nur wählen, wer in der Wählerliste eingetragen ist. Der Arbeitgeber sollte alle hierfür erforderlichen Daten der Arbeitnehmer zusammentragen. Auf der Wählerliste anzugeben sind Familien- und Vorname sowie das Geburtsdatum aller Arbeitnehmer. Leiharbeitnehmer, minderjährige Wahlberechtigte und etwa andere nicht wählbare Wahlberechtigte sind als solche zu kennzeichnen. Die Liste ist nach Geschlechtern getrennt zu führen.

Mit der Erstellung der Wählerliste legt sich der Wahlvorstand auch endgültig fest, wen er als (wahlberechtigten) Arbeitnehmer ansieht. Daher sollte der Arbeitgeber frühzeitig prüfen, ob er die Bewertung des Wahlvorstands teilt. Wenn nicht, sollte er frühzeitig auf eine Korrektur hinwirken.

Sehr aufwendig ist für den Wahlvorstand die Erstellung des sog. Wahlausschreibens. Dieses Dokument enthält die wichtigen Eckdaten der anstehenden Betriebsratswahl, die der Wahlvorstand den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung entsprechend zu ermitteln hat. Für die „normale“ Wahl in größeren Betrieben umfasst das Wahlausschreiben zwingend 13 Punkte (§ 3 Abs. 2 WOBetrVG) – der Wahlvorstand könnte freiwillig weitere Details ergänzen. Im Falle der „vereinfachten“ Wahl steigt (!) die Zahl der Pflichtangaben auf 15 (§ 31 Abs. 2 WOBetrVG).

Nach der Fertigstellung der Dokumente hängt der Wahlvorstand die Wählerliste und das Wahlausschreiben im Betrieb aus. Ergänzend kann er die Dokumente elektronisch bekannt machen. Wahlberechtigten, die am Wahltag absehbar nicht im Betrieb sein werden, muss der Wahlvorstand das Wahlausschreiben (nicht die Wählerliste) ergänzend elektronisch zusenden. Für eine ausschließliche elektronische Bekanntmachung bestehen hohe Hürden, die kaum ein Betrieb erfüllen dürfte.

Mit der Bekanntmachung des Wahlausschreibens ist die Betriebsratswahl offiziell eingeleitet. Mehr dazu im folgenden Beitrag.

Autor

Dietmar Heise

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Stuttgart

Das Wahlverfahren Teil II: Die eingeleitete „normale“ Wahl

Im vorherigen Beitrag wurden die Schritte der Betriebsratswahl bis zum Erlass (= Aushang) des Wahlausschreibens beschrieben. In diesem Beitrag erläutern wir, was Arbeitgeber außerdem beachten sollten. Mit dem Erlass des Wahlausschreibens ist die Betriebsratswahl nach den Regeln der Wahlordnung offiziell eingeleitet. Viele Schritte folgen. Die folgenden Erläuterungen gelten – wie auch die Beschreibung im vorherigen Beitrag – für größere Betriebe mit in der Regel mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern.

Wahlvorschläge

Mit dem Erlass des Wahlausschreibens öffnet sich ein Zeitfenster von zwei Wochen, in dem Arbeitnehmer und im Betrieb vertretene Gewerkschaften Vorschläge für Betriebsratskandidaten einreichen können. Solche Vorschlagslisten sollen – müssen aber nicht – doppelt so viele Bewerber enthalten wie der Betriebsrat später Mitglieder haben wird. Wichtig ist, dass jede Vorschlagsliste von mindestens 1/20 der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebs durch Unterschrift unterstützt werden muss. In jedem Fall genügen 50 Unterschriften – also in Betrieben mit mindestens 1.000 Wahlberechtigten.

Der Wahlvorstand hat alle eingereichten Vorschlagslisten zu prüfen. Sind sie nicht zu beanstanden, so macht er sie im Betrieb bekannt. Dabei hat er sich neutral zu verhalten, er darf keine Liste bevorzugen.

Prüfung und Korrektur der Wählerliste

Gemeinsam mit dem Wahlausschreiben hatte der Wahlvorstand die Wählerliste bekannt zu machen. Diese ist für die Wahl immens wichtig: Auf einer Vorschlagsliste für ein Betriebsratsamt kandidieren kann nur, wer auf der Liste steht. Gleiches gilt für das aktive Wahlrecht: Seine Stimme am Wahltag abgeben kann und darf nur, wer zu diesem Zeitpunkt auf der Liste steht.

Daher sollten die Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber die Richtigkeit der Wählerliste prüfen. Für die Arbeitnehmer tickt auch hier die Uhr. Sie können Einsprüche gegen die Richtigkeit nur binnen zweier Wochen ab Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einreichen. Später – bis zum Abschluss der Stimmabgabe – darf der Wahlvorstand das Wahlausschreiben nur im Falle rechtzeitig eingereichter Einsprüche, bei Ein- und Austritten von Arbeitnehmern oder bei offensichtlichen Fehlern korrigieren. Der Arbeitgeber und Gewerkschaften können keinen Einspruch einlegen.

Auch eine etwaige Wahlanfechtung wegen Fehlern der Wählerliste ist neuerdings eingeschränkt: Arbeitnehmer können die Wahl aus diesem Grund nur anfechten, wenn zuvor (irgend) ein Arbeitnehmer fristgerecht Einspruch eingelegt hatte oder die Anfechtenden hieran gehindert waren. Für den Arbeitgeber ist die Wahlanfechtung ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruhte.

Wichtig ist für den Arbeitgeber also: Er sollte innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Wählerliste und auch seine Vorarbeiten prüfen. Wenn er in seinen eigenen, dem Wahlvorstand überlassenen Listen Fehler entdeckt und sich die Wahlanfechtung offenhalten will, sollte er den Wahlvorstand so zeitig zur Korrektur auffordern, dass der Wahlvorstand den Fehler innerhalb der Zwei-Wochen-Frist korrigieren kann.

Stimmzettel und Art des Wahlverfahrens

Zur Vorbereitung der eigentlichen Wahl hat der Wahlvorstand Stimmzettel zu erstellen. Sind in der Zwei-Wochen-Frist mehrere gültige Vorschlagslisten eingegangen, so werden die Namen der Listen auf dem Stimmzettel in der Reihenfolge ihrer zuvor zugelosten Ordnungsnummer aufgeführt. Die Wähler haben nur eine Stimme, die sie einer Liste ihrer Wahl geben können (sog. Verhältniswahl).

Wurde nur eine gültige Vorschlagsliste fristgemäß eingereicht, so findet eine sog. Mehrheitswahl statt: Alle Kandidaten der Liste werden einzeln und namentlich auf dem Stimmzettel zur Wahl gestellt. Jeder Wähler kann so viele Stimmen beliebig vergeben wie Mitglieder des Betriebsrats zu wählen sind. In manchen Betrieben werden gezielt alle Bewerber auf eine Liste geschrieben, um eine Mehrheitswahl zu erreichen. Diese soll angeblich die demokratische Anmutung der Wahl stärken. Davor ist zu warnen: Wenn nur ein verprellter Kandidat genug Unterstützer findet und in letzter Sekunde einen eigenen Vorschlag einreicht, ist das ganze gut gemeinte Vorhaben gescheitert. Diese Fälle kommen regelmäßig vor.

Wurde hingegen keine einzige gültige Vorschlagsliste fristgemäß eingereicht, so hat der Wahlvorstand zunächst eine Nachfrist von genau einer Woche zu setzen, die er weder verkürzen noch verlängern darf. Wird weiterhin keine Liste eingereicht, so hat der Wahlvorstand die Wahl abzubrechen.

Wahl und Briefwahl

Der Wahlakt selbst ähnelt öffentlichen Wahlen: In dem Wahllokal sind die Wähler anhand einer (aktualisierten) Wählerliste auszuhaken. Es ist sicherzustellen, dass sie ihre Stimme unbemerkt abgeben können. Die gefalteten Stimmzettel sind in eine nicht zu manipulierende Urne einzuwerfen und dort bis zum Ende der Stimmabgabe aufzubewahren. Umschläge für die Stimmzettel wurden übrigens gerade abgeschafft. Der Wähler hat seinen Stimmzettel nun so zu falten, dass seine Stimmabgabe nicht zu erkennen ist. Mögen die Arbeitnehmer geschickter sein als Laschet.

Briefwahl heißt bei der Betriebsratswahl schlicht „schriftliche Stimmabgabe“. Anders als z. B. letztens bei der Bundestagswahl ist eine Briefwahl nicht frei möglich. Nur Wahlberechtigte, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind ihre Stimme persönlich abzugeben, dürfen Briefwahl verlangen. Ist dem Wahlvorstand die Abwesenheit bekannt, dann hat er dem Wahlberechtigten auch ohne ausdrückliches Verlangen die Unterlagen zuzusenden.

Auszählung, Bekanntgabe des Ergebnisses

Nach Ende der Stimmabgabe werden die Stimmen ausgezählt. Bei einer Mehrheitswahl – also einer eingereichten Vorschlagsliste – ist die Ermittlung der Gewählten jedenfalls im ersten Schritt einfach: Es geht schlicht nach der Stimmenzahl.

Im Falle der Verhältniswahl ist das kompliziertere d’Hondtsche Höchstzahlverfahren anzuwenden. Hier sind die auf jede Liste entfallenden Stimmen fortlaufend durch ganze Zahlen zu teilen, beginnend bei 1 (also durch 1, 2, 3 usw.). Auf die sich daraus ergebenden Quotienten werden – beginnend von dem höchsten – die Sitze verteilt (eingehender z. B. bei Wikipedia).

Komplizierter kann es in beiden Fällen werden, wenn das sich in der Minderheit befindliche Geschlecht nicht den seinem Beschäftigtenanteil entsprechenden Anteil an Betriebsratssitzen erhält: In diesem Fall werden die ermittelten Betriebsratsmitglieder des Mehrheitsgeschlechts beginnend mit demjenigen der geringsten Stimmen- oder Höchstzahl gestrichen und durch den nächsten Bewerber des Minderheitsgeschlechts ersetzt.

Im Extremfall kann dadurch der Bewerber einer Liste durch einen Repräsentanten des Minderheitsgeschlechts auf einer anderen Liste ersetzt werden, was die Mehrheitsverhältnisse im Betriebsrat sogar ändern kann.

Nachdem die Gewählten ermittelt wurden und diese ihre Wahl angenommen haben, ist das Wahlergebnis im Betrieb und gegenüber dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften bekannt zu geben. Letzter Akt des Wahlvorstands ist die Einberufung und Leitung der konstituierenden Sitzung des neugewählten Betriebsrats, bis ein Leiter zur Wahl des Vorsitzenden bestimmt wurde.

Vereinfachte Wahl in Betrieben mit bis zu 100 Wahlberechtigten

Die hier beschriebenen Regeln gelten nur für größere Betriebe. In den kleineren gilt die sogenannte „vereinfachte“ Wahl.

Autor

Dietmar Heise

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Stuttgart

Kommunikation und Neutralitätspflicht des Arbeitgebers bei Betriebsratswahlen

Die Betriebsratswahl ist Aufgabe der Belegschaft und nicht des Arbeitgebers – dieser Grundsatz ist nicht nur Faustregel, sondern im Betriebsverfassungsrecht auch gesetzliches Gebot. Eine rechtswidrige Einmischung des Arbeitgebers kann weitreichende Folgen haben, weshalb Arbeitgeber gut beraten sind, bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten.

Die Organisation und Durchführung von Betriebsratswahlen obliegt den Beschäftigten. Im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ebenso wie in der Wahlordnung (WO) finden sich nur sehr vereinzelt Regelungen zur Beteiligung des Arbeitgebers im Rahmen der Betriebsratswahlen. § 2 Abs. 2 WO etwa regelt bestimmte Auskunftspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Wahlvorstand für die Anfertigung der Wählerliste;
§ 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG statuiert die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers. Kurz: Der Arbeitgeber wird nur dort eingebunden, wo seine Mitwirkung unabdingbar ist.

Behinderungs- und Einmischungsverbot

Allerdings finden sich im BetrVG eine Reihe von Ge- und Verboten gerichtet an den Arbeitgeber. Die Wahl des Betriebsrats darf nicht behindert werden (§ 20 Abs. 1 BetrVG), insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. Dieses Verbot schützt die äußere Wahlhandlung, also die Kandidatur, das Aufstellen der Wahlvorschläge, das Sammeln von Stützunterschriften, das Werben und die Stimmabgabe. Weiter darf die Wahl des Betriebsrats nicht beeinflusst werden (§ 20 Abs. 2 BetrVG). Die Betriebsratswahl soll also nicht durch Manipulationen bei der der Wahlhandlung vorgelagerten Willensbildung des Wählers beeinflusst werden.

Obwohl beide Regelungen so formuliert sind, dass sie sich an jede beliebige Person oder Stelle – Vorgesetzte, Wahlbewerber, Gewerkschaftsvertreter – richten, betreffen die Verbote tatsächlich vor allem das Verhalten und die Kommunikation des Arbeitgebers.

Neutralitätspflicht

Neben diesen ausdrücklichen Verboten gehen Rechtsprechung und Literatur – unabhängig von deren Herleitung – übereinstimmend von einer grundsätzlichen Neutralitätspflicht des Arbeitgebers aus. Diese Neutralitätspflicht soll eine Chancengleichheit für alle an der Wahl teilnehmenden Kandidaten schaffen. Allerdings unterliegt der Arbeitgeber keinem strikten Neutralitätsgebot im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Untersagt ist nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung muss vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen (BAG, Beschluss vom 25. Oktober 2017 –
7 ABR 10/16, 458 ff.). Der Arbeitgeber fungiert als eine Art „Schiedsrichter“ bei der Betriebsratswahl; er hat diese zu überwachen; er darf einer bestimmten Gruppe von Kandidaten keine Vorteile gewähren oder sie einer anderen versagen, und er darf auch ansonsten keine Ungleichbehandlung vornehmen. Das Neutralitätsgebot soll der Integrität der Wahl dienen und verhindern, dass der Arbeitgeber die Wahl gerade der Gremien beeinflusst, die ihn (später) kontrollieren sollen.

Es ist aber nicht absolut, das Grundrecht der Meinungsfreiheit gilt selbstverständlich auch für den Arbeitgeber. Die Grenzen, wie weit der Arbeitgeber gehen darf, sind fließend. Klar ist, dass Äußerungen, die (konkludente) Androhung von konkreten Nachteilen oder das Versprechen von konkreten Vorteilen enthalten, unzulässig sind. Verboten sind selbstverständlich auch allgemein strafbare Handlungen – also Beleidigungen
u. ä. Nicht unter die Meinungsfreiheit fallen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik, sodass der Arbeitgeber sich dieser ebenfalls enthalten sollte. Die Neutralitätspflicht greift schon vor den Verboten aktiver Handlungen ein. Die Pflicht kann bereits durch ein Untätigsein des Arbeitgebers verletzt werden. Die Unterscheidung ist vor allem für potenzielle Sanktionen bzw. Rechtsfolgen entscheidend: Während Verstöße gegen § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG strafrechtlich durch § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG abgesichert sind, führt eine Verletzung des Neutralitätsgebots „allenfalls“ zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl, wenn diese auch unter
§ 20 BetrVG oder andere wesentliche Wahlvorschriften
iSd § 19 Abs. 1 BetrVG fällt.

Fallgruppen

Eine unzulässige Wahlbehinderung liegt vor, wenn die Einleitung oder Durchführung der Wahl erschwert oder unmöglich gemacht wird. Dabei muss die Wahl nicht verhindert werden, es genügt bereits ihre mehr als nur unerhebliche Störung oder Erschwerung. Ein unzulässiges Verhalten des Arbeitgebers liegt bspw. vor, wenn dieser Arbeitnehmer anweist, nicht zur Wahl zu gehen oder nicht zu kandidieren, Wahlplakate abnimmt oder Abmahnungen wegen einer Wahlwerbung ausspricht. Weitere Beispiele sind die Weigerung, die erforderlichen Unterlagen zur Erstellung der Wählerliste zu überlassen, Mitglieder des Wahlvorstands von der Arbeitsleistung zu befreien oder Arbeitnehmern absichtlich Aufträge zu erteilen, um sie von der Wahlausübung abzuhalten.

Keine Wahlbehinderung liegt hingegen vor, wenn sich der Arbeitgeber weigert, einen Wahlkandidaten zur Sammlung von Unterschriften für seinen Wahlvorschlag freizustellen oder, wenn er einen leitenden Angestellten unverbindlich auf seinen Status als leitender Angestellter hinweist, ohne ein bestimmtes Verhalten von diesem zu erwarten.

Fälle einer unzulässigen Einmischung liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn der Arbeitgeber etwa einer Gruppe von Kandidaten bei der Herstellung einer Wahlzeitung die Hilfe seiner PR-Abteilung anbietet oder ein leitender Angestellter auf Geheiß des Arbeitgebers für einen Kandidaten im Betrieb Stützunterschriften sammelt. Einmischungshandlungen des Arbeitgebers in die Betriebsratswahl liegen bspw. ebenso vor, wenn der Arbeitgeber für ein bestimmtes Verhalten in Bezug auf die Wahl eine Beförderung oder ihre Versagung zusagt, den Entzug von freiwillig gewährten Leistungen ankündigt oder androht, den Arbeitnehmer auf einen schlechteren Arbeitsplatz zu versetzen. Hingegen ist der Hinweis auf die Bedeutung der Wahl zulässig, da der Arbeitgeber für die Wahl und nicht für den zu Wählenden wirbt.

Ebenso unzulässig ist es nicht nur, einem Mitarbeiter individuell Nachteile im Fall einer Kandidatur in Aussicht zu stellen, sondern auch Nachteile allgemeiner Natur, wie zum Beispiel, dass beim Sieg einer bestimmten Liste Kündigungen oder eine Betriebsschließung zu erwarten sind, anzukündigen. Allerdings muss die Drohung über eine Warnung hinausgehen, also künftige Übel in Aussicht stellen, auf deren Eintritt der Arbeitgeber tatsächlich selbst Einfluss hat oder zumindest vorgibt zu haben.

Folgen für die Praxis

Arbeitgebern ist dringend zu raten, besonders vorsichtig bei der Gewährung von Sonderleistungen zu sein. Es sollte Sorge dafür getragen werden, dass sämtliche Pflichten nach der WO rechtzeitig und vollumfänglich erfüllt werden. Von Aussagen zu Kandidaten oder Leistungen sollten Geschäftsführer und leitende Angestellte gänzlich absehen bzw. sehr sorgfältig unterscheiden, ob es sich um die rechtmäßige Äußerung einer Meinung handelt.

Autor

Katharina Müller, LL.M. oec.

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln

Online-Wahl des Betriebsrats?

Das allgegenwärtige Thema der Digitalisierung macht auch vor den Betriebsratswahlen nicht halt. Unternehmen haben ein großes Interesse daran, die Durchführung ihrer Betriebsratswahl als Online-Wahl anzubieten, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, Kosten zu sparen und Fehler zu vermeiden. Dies birgt jedoch rechtliche Risiken.

Bisher analoge Wahl

Wie die Betriebsratswahl genau stattzufinden hat, ist im BetrVG und in der WO geregelt.

Danach gelten für die Stimmabgabe – grob vereinfacht – die analogen Regelungen, wie sie auch bei parlamentarischen Wahlen zur Anwendung kommen: Grundsätzlich geben Wähler vor Ort (im Wahllokal des Betriebs) ihre Stimme ab. Hierbei kreuzen sie auf dem Stimmzettel per Stift ihre bevorzugte Vorschlagsliste an und legen den Stimmzettel anschließend in einem Wahlumschlag in die Wahlurne (§§ 11 ff. WO).

Ergänzend dazu existiert die Möglichkeit einer schriftlichen Stimmabgabe (§§ 24 ff. WO). Anders als etwa bei der Briefwahl bei Bundestagswahlen ist die schriftliche Stimmabgabe bei Betriebsratswahlen jedoch nicht grundlos möglich. Sie setzt vielmehr voraus, dass die wahlberechtigte Person bei der Wahl nicht im Betrieb ist und ihre Stimme deshalb nicht selbst vor Ort an der Wahlurne abgeben kann. Die schriftliche Stimmabgabe ist wörtlich zu verstehen: Hier muss ebenfalls analog mit einem Stift die Wahl auf dem Stimmzettel ausgeübt, dieser in einem Wahlumschlag verschlossen und sodann an den Wahlvorstand zurückgeschickt/-gegeben werden.

Vorschläge aus der Praxis

Eine Online-Wahl ist also gesetzlich bislang nicht normiert. Die vorhandenen Regelungen zur Stimmabgabe lassen sich auch nicht so auslegen, dass sie eine digitale Stimmabgabe gestatten.

Diese veralteten rechtlichen Rahmenbedingungen werden in der Praxis zunehmend kritisiert. Mehr und mehr Mitarbeiter arbeiten digital, von zu Hause oder unterwegs sowie zeitlich flexibel. Eine Urnen- bzw. Briefwahl wirkt sehr antiquiert und schreckt insbesondere Jüngere ab.

Eine wirksame Betriebsverfassung lebt jedoch davon, dass der Betriebsrat über eine hohe demokratische Legitimation verfügt und die gesamte Belegschaft vertritt. Es liegt im Interesse aller, eine hohe Wahlbeteiligung zu ermöglichen. Langfristig wird dies nur mit dem – fakultativen – Angebot einer Online-Wahl gelingen. Gleichzeitig werden hierdurch die Kosten und die menschliche Fehleranfälligkeit reduziert.

Deshalb haben sich verschiedene Unternehmen bereits in der Vergangenheit bewusst dafür entschieden, die Online-Wahl als zusätzliche Option anzubieten (z. B. T-Systems, Beiersdorf). Sie haben hierbei durchweg positive Erfahrungen gemacht und gerade die Wahlbeteiligung steigern können.

Der Gesetzgeber ist am Zug

Die Gesetzesreformen der letzten Jahre haben diese Überlegungen bislang nicht aufgegriffen. Weder im Zuge der allgemeinen Überlegungen zur Arbeit 4.0 (siehe etwa das Weißbuch Arbeiten 4.0 des BMAS aus dem Jahr 2017) noch durch das jüngst in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde eine entsprechende Modernisierung des Wahlverfahrens vorgenommen.

Dies dürfte insbesondere der Sorge um vermeintliche Sicherheitsrisiken geschuldet sein. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht 2007 in seinem Wahlcomputer-Urteil (2 BvC 3/07) strenge Anforderungen an die Vereinbarkeit von Wahlgeräten mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl angelegt. Es existieren allerdings durchaus Anbieter, deren Software vom BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) zertifiziert und damit als sicher eingestuft ist.

Immerhin einen kleinen Schritt nach vorne hat der Gesetzgeber 2020 gewagt, wenn auch nur in einem äußerst abseitigen Bereich des Sozialversicherungsrechts: Die Wahlen der Vertreter der Versicherten bei bestimmten Arten von Krankenkassen können im Rahmen eines Modellprojekts im Jahr 2023 zusätzlich per Online-Wahl stattfinden (§ 194a SGB V). Abhängig von den dort gemachten Erfahrungen könnte anschließend auch das Thema Digital-Update der Betriebsratswahlen wieder auf die politische Agenda gelangen.

Rechtsfolgen einer Online-Wahl

Die Durchführung einer Online-Wahl stellt einen Verstoß gegen das Wahlverfahren dar und berechtigt daher zur Anfechtung der Betriebsratswahl (§ 19 BetrVG). Voraussetzung dafür ist aber, dass dieser Verstoß sich kausal auf das Wahlergebnis auswirken kann und die Anfechtung innerhalb von einer Frist von zwei Wochen erfolgt.

Ob die Online-Wahl darüber hinaus sogar zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führt, ist zweifelhaft. Das LAG Hamburg hat dies in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (8 TaBV 5/17) – anders als die Vorinstanz – verneint.

Autor

Dr. Paul Gooren, LL.M. (Chicago)

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Berlin

Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitgebers – Nicht immer geht es gut

Das Betriebsverfassungsgesetz sowie die Wahlordnung sehen detaillierte Regelungen zu den Wahlvoraussetzungen und dem Wahlverfahren vor. Die Detailtiefe begründet zugleich die Fehleranfälligkeit von Wahlen.

Berichtigende Verfügung zur Fehlerkorrektur

Werden Fehler im laufenden Wahlverfahren erkennbar, kann der Arbeitgeber im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auf eine Fehlerkorrektur hinwirken. Im Vergleich zu einem Wahlabbruch ist dieser Berichtigungsanspruch als milderes Mittel vorrangig.

Erforderlich ist ein wesentlicher Verstoß gegen Bestimmungen, der das Wahlergebnis verfälschen kann. Allerdings: Ein Korrekturanspruch besteht nur, wenn bei der Korrektur die zwingenden Fristen des Wahlverfahrens gewahrt werden können. Ist die Berichtigung dagegen im laufenden Wahlgang nicht mehr möglich (insbesondere weil sonst Fristen in unzulässiger Weise verkürzt würden und dadurch wiederum zwingende Wahlvorschriften nicht beachtet würden), ist die Korrekturverfügung unzulässig. Ansonsten würde die gerichtlich durchgesetzte Korrektur ihrerseits wieder Gründe für die Anfechtung schaffen.

Wahlabbruchverfügung mit hohen Hürden

Ausschließlich bei schwerwiegenden Verstößen erkennt die Rechtsprechung die Möglichkeit des Abbruchs einer Betriebsratswahl an. Während das Gesetz zwar die Wahlanfechtung, nicht aber den Wahlabbruch, erwähnt, soll der Arbeitgeber nicht sehenden Auges schwerwiegende Verstöße hinnehmen und auf nachträglichen Rechtsschutz angewiesen sein, zumal er die Kosten der zu wiederholenden Wahl trägt.

Das BAG sieht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der auf einen Wahlabbruch gerichtet ist, nur als begründet an, wenn die Betriebsratswahl voraussichtlich nichtig wäre. Damit kommt der Erlass einer Wahlabbruchverfügung nur in Betracht, wenn „gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maß verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht.“ Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Betriebsrat für einen Betrieb gewählt werden soll, für den bereits ein Betriebsrat besteht. Ebenso gilt dies in Fällen, wenn das als Wahlvorstand tätige Gremium gar nicht bestellt wurde. Dieser hohe Maßstab ist nicht unumstritten.

In Ziel und Rechtsfolge zu unterscheiden ist zwischen einem Totalabbruch der Wahl einerseits und dem Abbruch der Wahl zur Neueinleitung. Ist z. B. die Einheit, für die der Betriebsrat gewählt werden soll, nicht betriebsratsfähig oder besteht bereits ein Betriebsrat, kommt nur ein Totalabbruch der Wahl in Betracht. Ist dagegen eine fehlerfreie Einleitung und Durchführung der Wahl im Grunde möglich, stellt der Abbruch der Wahl und deren Neueinleitung das mildere Mittel dar.

Wahlanfechtung, oder: Was lange währt …

Binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist eine Anfechtung der Wahl möglich. Die Anfechtung führt zu einer nachträglichen Kontrolle, ob gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

Bedenkt man die Anfechtungsfrist von zwei Wochen, ist die Verfahrensdauer von Anfechtungen bemerkenswert. So entschied das BAG mit Beschluss vom 28. April 2021 (7 ABR 10/20) über die Anfechtung einer im Jahr 2018 stattgefundenen Wahl, bei der im Streit stand, ob der Wahlvorstand eine Vorschlagsliste zu Unrecht nicht zugelassen hatte.

Angesichts der detaillierten Verfahrensregelungen und der rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es zahlreiche Fehlerquellen, die zu einer Wahlanfechtung berechtigen. Zu Verstößen kann es sowohl beabsichtigt als auch unbeabsichtigt kommen.

Beispiele in der Vergangenheit, die zur Anfechtung berechtigten, war z. B. eine Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl aufgrund überwachter Stimmabgabe, die Zulassung nicht Wahlberechtigter zur Wahl oder in näherer Vergangenheit die Stimmabgabe ohne Verwendung von Wahlumschlägen.

Ist die Anfechtung erfolgreich, steht fest, dass die Wahl unwirksam war. Neuwahlen sind sodann wie in einem betriebsratslosen Betrieb einzuleiten, soweit der Fehler sich nicht ausnahmsweise im Anschluss an eine Teilanfechtung korrigieren lässt, wie z. B. bei einer beantragten Feststellung des richtigen Wahlergebnisses. In der Zwischenzeit geschlossene Betriebsvereinbarungen bleiben dennoch wirksam.

Nichtigkeit der Wahl bei fehlendem Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl

Komplettiert werden die Rechtsschutzmöglichkeiten durch die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl. Die Nichtigkeitsfeststellung ist nur begründet, wenn in einem so hohen Maße gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts verstoßen wurde, dass nicht einmal mehr der Anschein einer der dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt. Dies kommt allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Typischerweise wird im gerichtlichen Verfahren daher der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit mit der Wahlanfechtung verknüpft. Anders als im Falle der Anfechtbarkeit, entfaltet die Feststellung der Nichtigkeit Rückwirkung dergestalt, dass Rechtshandlungen des Betriebsrats in der Vergangenheit keine Wirkung entfallen.

Fazit und Ausblick

Arbeitgeber sollten die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Wahldurchführung im Auge behalten. Insbesondere vor dem Hintergrund der langen Verfahrensdauer und gerade auch der Kosten etwaiger Wahlwiederholungen, empfiehlt es sich, bereits während der Wahlen auf die Korrektur etwaiger Fehler hinzuwirken.

 

Autor

Dr. Astrid Schnabel, LL.M. (Emory)

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hamburg

Betriebsratswahl: Wer bezahlt die Wahl?

Im Rahmen der Betriebsratswahl kommt regelmäßig die Frage auf, welche Kosten hiermit einhergehen und wer diese Kosten trägt. Wir geben hierzu einen Überblick.

Arbeitgeber trägt grundsätzlich die Kosten der Wahl

Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl. Innerhalb eines gemeinsamen Betriebs tragen die Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl grundsätzlich als Gesamtschuldner. Der Innenregress richtet sich nach Individualvereinbarung, hilfsweise nach der jeweiligen Lohnsumme.

Umfang der Kostentragungspflicht

1. Kosten für Sachmittel

Unter die Kostentragungspflicht fallen zum einen die Sachkosten für die Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl. Um Sachkosten zur Vorbereitung der Betriebsratswahl handelt es sich etwa bei Kosten für Fachliteratur zur Betriebsratswahl, Gesetzestexte, Büromaterial und Räumlichkeiten. Zu den Sachkosten zur Durchführung der Betriebsratswahl zählen insbesondere Kosten für Wahlurnen, Porto für die Briefwahl, Wählerlisten, Stimmzettel, Wahlumschläge, Wahlkabinen und Software zur Durchführung der Wahl. Für die Kosten der Wahlwerbung muss der Arbeitgeber hingegen nicht aufkommen.

2. Persönliche Kosten des Wahlvorstands

Neben dem Sachaufwand muss der Arbeitgeber auch die persönlichen Kosten der Wahlvorstandsmitglieder tragen, die im Rahmen einer Betriebsratswahl anfallen. Hierunter fallen Reise- und Schulungskosten. Jedem Wahlvorstandsmitglied ist eine Schulung zu gewähren. Wird ein Kfz zur Durchführung der Wahl benötigt, etwa um Wahlunterlagen in andere Betriebsteile zu bringen, muss der Arbeitgeber ein solches zur Verfügung stellen oder aber den Wahlvorstand für die Nutzung seines Privatfahrzeugs entschädigen.

3. Grenze der Kostentragungspflicht

Als Grenze der Kostentragungspflicht gilt stets, dass die Kosten notwendig und angemessen sein müssen. Überflüssige Kosten muss der Arbeitgeber nicht tragen. Streitigkeiten über die Frage, ob der Arbeitgeber bestimmte Kosten zu tragen hat oder nicht, sind auf Antrag vom Arbeitsgericht im Beschlussverfahren zu entscheiden.

4. Rechtsanwaltskosten

Zudem muss der Arbeitgeber die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts bei Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl tragen. Hierunter fallen etwa die Kosten für ein Wahlanfechtungsverfahren oder für einen Rechtsstreit zur Klärung der Rechte des Wahlvorstands. Allgemein verfolgt die Rechtsprechung im Hinblick auf Kosten im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten im Rahmen einer Betriebsratswahl einen großzügigen Maßstab. So sind die Kosten erforderlich, solange nicht die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint oder die Heranziehung rechtsmissbräuchlich erfolgt.

5. Kosten für Arbeitsausfall

Der Wahlvorstand übt sein Amt grundsätzlich während der Arbeitszeit aus. Der Arbeitgeber muss die Wahlvorstandsmitglieder für ihre Tätigkeiten zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl freistellen und den Lohn regulär weiterzahlen. Auch diese Kosten sind in das Gesamtbudget der Betriebsratswahl einzupreisen.

Praxishinweis

Für die Praxis bedeutet dies, dass Arbeitgeber sich auf nicht unerhebliche Kosten im Rahmen von Betriebsratswahlen einstellen müssen. Die Rechtsprechung legt – letztlich zu Lasten des Arbeitgebers – im Hinblick auf die Erforderlichkeit einen eher weiten Maßstab an.

Autor

Dr. Sarah Zimmermann

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln

Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Die anstehenden Betriebsratswahlen stellen Arbeitgeber erneut vor die Aufgabe der Bestimmung der Vergütung der einzelnen Betriebsratsmitglieder. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die gesetzlichen Grundlagen und die Risiken für Arbeitgeber in diesem Zusammenhang geben.

Gesetzliche Grundlage

Mit der Übernahme des Amtes als Betriebsratsmitglied geht die Wahrnehmung von Aufgaben für den Betriebsrat einher. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder zur Wahrnehmung dieser Aufgaben in dem Umfang von der Arbeitspflicht zu befreien, wie eine Tätigkeit für den Betriebsrat als „erforderlich“ nachgewiesen wird. Als Sonderregelung hierzu gilt in Unternehmen ab in der Regel 200 Mitarbeitern die unwiderlegliche Vermutung, dass – je nach Unternehmensgröße – Betriebsratstätigkeiten im Umfang einer oder mehrerer Vollzeitstellen anfallen. Der Arbeitgeber hat entsprechend der in § 38 Abs. 1 BetrVG benannten Anzahl je nach Unternehmensgröße Mitglieder des Betriebsrats vollständig von der Arbeitspflicht zu befreien. Welche Mitglieder dies betrifft, wird durch geheime Wahl des Betriebsrats bestimmt
(§ 38 Abs. 2 BetrVG).

Die Ausübung des Amtes als Betriebsratsmitglied erfolgt unentgeltlich (§ 37 Abs. 1 BetrVG), jedoch behält der Mitarbeiter für Zeiten, in denen er aufgrund der Betriebsratstätigkeit seiner üblichen beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann, seinen arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Diese Regelung findet auch bei vollständiger Befreiung von der Arbeitspflicht nach § 38 BetrVG Anwendung. Das Gesetz sieht somit vor, dass der Arbeitgeber gegenüber Betriebsratsmitgliedern, die zur Ausübung der Betriebsratstätigkeit teilweise oder vollständig von der primär geschuldeten beruflichen Tätigkeit freigestellt sind, in vollem Umfang vergütungspflichtig bleibt.

Fraglich ist jedoch häufig, in welcher Höhe die Vergütung zu gewähren ist. Aus § 37 Abs. 4 Satz 1 iVm § 78 Satz 2 BetrVG ergibt sich ein Anspruch auf eine Vergütung, die nicht geringer bemessen sein darf, als diejenige vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

Das Betriebsratsmitglied ist so zu stellen, als habe es die Betriebsratstätigkeit nicht ausgeübt, sondern seine berufliche Tätigkeit fortgesetzt. Der Arbeitgeber ist insoweit verpflichtet, das Arbeitsentgelt von sich aus zu überprüfen und anzupassen, ohne dass es einer aktiven Geltendmachung des Betriebsratsmitglieds bedarf.

Für den Arbeitgeber ergibt sich aus diesem Anspruch jedoch die bisweilen äußerst schwierige Aufgabe der Ermittlung der diesen Anforderungen gerecht werdenden Vergütung des einzelnen Betriebsratsmitglieds, ohne hierbei das Betriebsratsmitglied entgegen § 78 Satz 2 BetrVG zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Verstöße hiergegen sind immer wieder auch Gegenstand bundesarbeitsgerichtlicher Entscheidungen.

Vergleichbare Arbeitnehmer

Aus § 37 Abs. 4 Satz 1 iVm § 78 Satz 1 BetrVG ergibt sich ein Anspruch auf eine Vergütung, wie sie vergleichbare Mitarbeiter erhalten. Hierbei handelt es sich nicht um die durchschnittliche Vergütung einer Mitarbeitergruppe. Vielmehr ist bei der Bestimmung der konkreten Vergütung des Betriebsratsmitglieds im Wege einer Verobjektivierung des Vergütungsanspruchs mindestens ein vergleichbarer Mitarbeiter zu ermitteln. Als vergleichbare Mitarbeiter gelten Arbeitnehmer desselben Betriebs, die eine im Wesentlichen objektiv vergleichbare Tätigkeit ausüben. Bei der Vergleichbarkeit sind neben der Tätigkeit auch die fachlichen Qualifikationen, wie
z. B. Berufsausbildung, Fortbildungen und der bisherige Werdegang, sowie die persönlichen Qualifikationen, wie z. B. Bildungsstand, Qualität der Arbeitsergebnisse und vorhandenes Entwicklungspotential, einzubeziehen. Bereits an dieser Stelle können sich Streitigkeiten über den Betriebsbegriff und daher über die in die Vergleichbarkeitsprüfung einzubeziehenden Mitarbeiter ergeben. Umstritten ist zudem, wie damit umzugehen ist, wenn sich kein Mitarbeiter findet, der auf Grundlage der benannten Kriterien mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar ist. Ob in diesem Fall der am ehesten vergleichbare Mitarbeiter herangezogen werden soll oder mangels Vergleichbarkeit nach § 37 Abs. 4 BetrVG eine Bestimmung der Vergütung vor dem Hintergrund des § 78 Satz 2 BetrVG allein auf Grundlage einer hypothetischen Beurteilung erfolgen darf, ist nicht abschließend geklärt.

Zu beachten gilt es jedoch, dass eine besondere Entwicklung der Vergütung der vergleichbaren Mitarbeiter aufgrund besonderer Leistungen, die von dem Betriebsratsmitglied mangels Zugangsvoraussetzungen nicht hätten erreicht werden können, ebenso außer Betracht bleiben müssen, wie besondere Leistungen des Betriebsratsmitglieds, die dieses allein im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit leistet.

Umgekehrt sind bei dieser Vergütungsentwicklung jedoch auch Leistungsausfälle des Betriebsratsmitglieds, etwa wegen einer längeren Arbeitsunfähigkeit, zu berücksichtigen. In einer solchen Phase hätte bei regulärer Ausübung der beruflichen Tätigkeit keine Weiterentwicklung stattgefunden.

Zeitpunkt für diese Bestimmung der vergleichbaren Mitarbeiter ist die erstmalige Übernahme des Betriebsratsamtes, sodass auch im Fall einer Verlängerung des Betriebsratsamtes die vergleichbare Vergütung zu diesem Zeitpunkt zugrunde zu legen ist.

Beförderung mit Vergütungsanpassung

Aus § 37 Abs. 4 iVm § 78 Satz 2 BetrVG ergibt sich zwar kein direkter Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Beförderung. Jedoch kann sich aus § 37 Abs.4 iVm § 78 BetrVG ein Anspruch auf entsprechende Vergütungsentwicklung ergeben, wenn die Beförderung betriebsüblich ist und damit auch vergleichbare Mitarbeiter diese erreichen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bestimmte Beförderungen allein durch Betriebszugehörigkeit erreicht werden. Ein die übliche Vergütung übersteigender Vergütungsanspruch kann sich daneben aus
§ 611a BGB iVm § 78 Satz 2 BetrVG ergeben, wenn dem Betriebsratsmitglied aufgrund besonderer Qualifikationen ohne die Betriebsratstätigkeit eine höhere Tätigkeit zugewiesen worden wäre, die eine entsprechende Gehaltsentwicklung begründet. In diesem Fall müssen jedoch Voraussetzungen gegeben sein, nach denen sich das Betriebsratsmitglied gegenüber dem tatsächlich beförderten Mitarbeiter aufgrund objektiver Kriterien durchgesetzt hätte.

In solchen Fällen kann auch die Neubestimmung der vergleichbaren Mitarbeiter erforderlich werden.

Auswirkungen einer Änderung des Arbeitsplatzes

Für den Fall, dass der Mitarbeiter während des laufenden Mandats als Betriebsratsmitglied, insbesondere aufgrund des Wegfalls seines bisherigen Arbeitsplatzes nach Übernahme des Amtes, auf einem neuen Arbeitsplatz eingesetzt wird, richtet sich seine Vergütung nach diesem neuen Arbeitsplatz. Insbesondere bei vollständig von der Arbeitspflicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern hat der Arbeitgeber bei der Ermittlung der Vergütungsentwicklung zu prüfen, auf welchem Arbeitsplatz der Mitarbeiter bei hypothetischer Betrachtung eingesetzt werden würde. Auch in diesem Fall kann eine Neubestimmung der vergleichbaren Mitarbeiter erforderlich werden.

Praxistipp

Die Bestimmung des Vergütungsanspruchs von Betriebsratsmitgliedern gestaltet sich in der Praxis häufig als äußerst schwierig und birgt Potenzial für Streitigkeiten. Um insbesondere bei langjähriger Betriebsratstätigkeit und/oder einer vollständigen Freistellung von der Arbeitspflicht eine Bestimmung und Überprüfung des Vergütungsanspruchs zu ermöglichen, kann zunächst das jährliche Mitarbeitergespräch genutzt werden. Dabei können dem Betriebsratsmitglied die mit ihm vergleichbaren Mitarbeiter mitgeteilt und mögliche Änderungen erörtert werden.

Des Weiteren kann es zum einen hilfreich sein, bereits im Zeitpunkt der Amtsübernahme Feststellungen zu den vergleichbaren Mitarbeitern zu treffen und diese in einer Mitarbeiterliste festzuhalten. Diese Liste kann in den Jahren der Betriebsratstätigkeit im Rahmen der Mitarbeitergespräche mit dem Betriebsratsmitglied angepasst werden, indem etwa neu eingetretene Mitarbeiter hinzugefügt und ausscheidende Mitarbeiter sowie solche mit außergewöhnlicher Entwicklung ausgenommen werden. Insoweit gilt es jedoch zu beachten, dass eine Regelung der Vergütungsgrundlagen, die über das einzelne Betriebsratsmitglied hinausgehen, der Mitbestimmung des Betriebsrats unterfallen können.

Zum anderen kann der Arbeitgeber auch die konkreten Parameter der Tätigkeit, die Qualifikationen des Mitarbeiters in fachlicher und persönlicher Hinsicht sowie etwaige übliche Entwicklungsmöglichkeiten festhalten. Diese Feststellungen können ebenfalls im jährlichen Mitarbeitergespräch erneuert und um etwaige fachliche Entwicklungen des Betriebsratsmitglieds ergänzt werden. Mit diesen Feststellungen zu Beginn der Amtszeit kann der Situation vorgebeugt werden, dass im Verlauf der Amtszeit die vergleichbaren Mitarbeiter ausscheiden und keine neuen vergleichbaren Mitarbeiter festgestellt wurden.

Schließlich ist Arbeitgebern zu raten, sicherzustellen, dass die Gehälter der Betriebsratsmitglieder einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden. Dabei kann sich diese Überprüfung zeitlich an den betriebsüblichen Gehaltsgesprächen und damit möglichen Veränderungen der Vergütungsstruktur der vergleichbaren Mitarbeiter orientieren. Zu beachten sind daneben jedoch Entwicklungen außerhalb des üblichen Rhythmus, wie etwa die Neu-/Besetzung einer höheren Position oder der Wegfall von Arbeitsplätzen.

Autor

Cyrielle Therese Ax

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Frankfurt a.M.

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Smiley auf dem Stimmzettel gefährdet die Betriebsratswahl

Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre zwischen März und Mai statt – turnusmäßig wieder 2022. Grund genug, sich genauer mit den Details der Abstimmung zu beschäftigen. Wir schauen darauf, was passieren kann, wenn der Stimmzettel individuell aufbereitet wird.

Fallbeispiel Aufsichtsratswahl

Das BAG (Beschluss vom 28.04.2021 – 7 ABR 20/20) hat erst jüngst entschieden, dass ein mit einem Smiley verzierter Stimmzettel im Rahmen der WO zum Drittelbeteiligungsgesetz unwirksam ist. Diese Entscheidung dürfte auch für Betriebsratswahlen interessant werden.

Was war in diesem Fall passiert? Bei der Aufsichtsratswahl in einer Unternehmensgruppe hatten verschiedene Beteiligte kandidiert. Ein Stimmzettel wurde für ungültig erklärt, da er in der linken oberen Ecke außerhalb des für die Stimmabgabe vorgesehenen Feldes einen gezeichneten Smiley mit einem Durchmesser von etwa 1 cm aufwies. Deshalb bestand Stimmengleichheit zwischen zwei Kandidaten. Der daraufhin durchgeführte Losentscheid ging zu Lasten des Kandidaten 1 aus: Kandidat 2 wurde zum Aufsichtsratsmitglied gewählt. Kandidat 1 klagte daraufhin und verlangte die Berücksichtigung des für ungültig erklärten Stimmzettels.

Entscheidung des BAG: Smiley führt zur Unwirksamkeit

Das BAG stellt in seinen Entscheidungsgründen klar, dass
§ 13 WODrittelbG, der die Kennzeichnung von Stimmzetteln verbietet, eine wesentliche Wahlvorschrift ist. Diese trägt dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl und des Wahlgeheimnisses als elementare Grundprinzipien dadurch Rechnung, dass sie eine Rückverfolgbarkeit der Stimmabgabe auf einen bestimmten Wähler ausschließt.

Die Möglichkeit des Rückschlusses auf einen bestimmten Wähler ermöglicht auch ein Smiley. Demnach handelt es sich um ein zur Ungültigkeit des Stimmzettels führendes besonderes Merkmal. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass eine konkrete Person tatsächlich feststellbar ist. Es genügt, dass die zusätzliche, über die Stimmabgabe hinausgehende Kennzeichnung des Stimmzettels im Zusammenwirken mit anderen Umständen abstrakt geeignet ist, Rückschlüsse auf die Identität des Abstimmenden zu ziehen. Dies ist im Zweifel immer anzunehmen, wenn der Stimmzettel eine zusätzliche Kennzeichnung enthält.

Was heißt das nun für Betriebsratswahlen?

Die Entscheidung des BAG erfolgte zwar im Rahmen von unternehmerischen Aufsichtsratswahlen, dennoch dürften die getroffenen Grundsätze auch für Betriebsratswahlen gelten. Dafür spricht vor allem der gleichlautende Wortlaut der betrieblichen Vorschrift, nach welchem Stimmzettel, die mit einem besonderen Merkmal versehen sind, als ungültig zu bewerten sind.

Letztlich soll auf unternehmerischer sowie auf betrieblicher Ebene der Grundsatz der Freiheit der Wahl durch das Erfordernis einer geheimen Wahl abgesichert werden. Diesem Grundsatz dient hauptsächlich die vorgegebene Einheitlichkeit des Stimmzettels.

Eine Gefährdung der geheimen Wahl liegt bereits dann vor, wenn die abstrakte Gefahr der Identifizierbarkeit eines bestimmten Wählers besteht. Aus meiner Sicht ist diese stets gegeben, wenn eine wie auch immer geartete zusätzliche Markierung auf dem Stimmzettel zu finden ist. Ist eine solche vorhanden, so ist es letztlich nur eine Frage des Ressourcenaufwands, den Ersteller zu finden. Die Betriebsratswahl ist und bleibt eine ernste Angelegenheit – das sollte der Wahlvorstand im Zuge der Wahlvorbereitungen deutlich hervorheben. Humor und plakative Kommunikation haben Raum im vorgelagerten Wahlkampf. Auf einem Stimmzettel führen sie zu ungültigen Stimmen und können Aufwand und Kosten der Wahl unnötig in die Höhe treiben.

Autor

Paul Schreiner

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln und Essen

Betriebsratswahl 2022: Haften Arbeitgeber, wenn Betriebsräte gegen den Datenschutz verstoßen?

Datenschutz ist auch bei Betriebsratswahlen ein wichtiges Thema: § 79a BetrVG hält den Betriebsrat dazu an, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die datenschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten, bestimmt jedoch den Arbeitgeber zum datenschutzrechtlich Verantwortlichen und damit zum Haftenden. Doch welche Kontrollmöglichkeiten hat der Arbeitgeber überhaupt, um einen Haftungsfall zu vermeiden?

Rechtliche Ausgangslage

Der Betriebsrat kommt im Rahmen seiner Aufgaben umfassend mit personenbezogenen Daten in Kontakt (zum Beispiel bei Auskunftsansprüchen, der Einstellung oder Versetzung eines Arbeitnehmers oder bei einem Interessenausgleich). Vor Inkrafttreten des § 79a BetrVG am 18. Juni 2021 existierte keine konkrete Regelung in Bezug auf die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch den Betriebsrat. Nach der Rechtsprechung des BAG stand fest, dass der Betriebsrat zumindest in gewissen Grenzen den Datenschutz zu berücksichtigen hat. Umstritten war jedoch, ob der Betriebsrat dabei selbst als eigenständiger Verantwortlicher gem. Art. 4 Nr. 7 DSGVO haftbar oder unselbstständiger Teil des verantwortlichen Arbeitgebers ist. Dies hat der Gesetzgeber nun klargestellt; so heißt es im Satz 2 des § 79a BetrVG:

Soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften.

Diese, auf den ersten Blick zu begrüßende Klarstellung, wirft angesichts des Eingangssatzes der Neuregelung jedoch Fragen auf. Dort heißt es:

Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten hat der Betriebsrat die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten.

Der deutsche Gesetzgeber kann gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO in bestimmten Fällen gesetzlich festlegen, wer Verantwortlicher ist. Problematisch ist nur, dass sich der deutsche Gesetzgeber, soweit es um die weiteren datenschutzrechtlichen Regelungen geht, nicht an die Systematik der DSGVO gehalten hat, sondern die Pflichten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aufgeteilt hat. Lässt man die Frage, ob eine solche Aufteilung unter europarechtlichen Gesichtspunkten überhaupt wirksam vorgenommen werden kann, erstmal unbeachtet, führt diese Aufteilung zu praktischen Problemen – insbesondere, weil der Arbeitgeber am Ende für die Einhaltung haftet.

Aufteilung der datenschutzrechtlichen Zuständigkeiten auf Arbeitgeber und Betriebsrat

Das Gesetz verkompliziert durch den gewählten Mittelweg, mit dem es Verantwortlichkeit nach der DSGVO und Verpflichtung im Sinne der DSGVO voneinander löst, das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist datenschutzrechtlich Verantwortlicher und muss damit dafür sorgen, dass die Vorgaben der DSGVO eingehalten werden. Dies kann der Arbeitgeber jedoch nur gewährleisten, wenn er in datenschutzrechtlicher Hinsicht anweisen und überprüfen kann, wie der Betriebsrat diese Pflichten umsetzt. Allerdings ist der Betriebsrat dem Strukturprinzip der Betriebsverfassung nach autonom und unterliegt daher keinen Weisungen des Arbeitgebers.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der in § 79a Satz 3 BetrVG normierten Unterstützungspflicht zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Diese gibt nicht vor, inwieweit dem Arbeitgeber datenschutzrechtliche Kontrollrechte zustehen. Dabei wollte der Gesetzgeber, dass die Autonomie des Betriebsrats im Datenschutzrecht nicht durchbrochen wird und es dem Arbeitgeber weiterhin verboten bleibt, dem Betriebsrat Vorgaben hinsichtlich des Datenschutzes zu machen. Die umfassende Verantwortlichkeit in Sachen Datenschutz bleibt indes beim Arbeitgeber.

Die Rolle des Datenschutzbeauftragten

Der Hinweis auf den Datenschutzbeauftragten in § 79a Satz 4 BetrVG ist ebenfalls keine Hilfe für den Arbeitgeber. Dieser ist dem Arbeitgeber gegenüber zur Verschwiegenheit über Informationen verpflichtet, die Rückschlüsse über den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats ermöglichen könnten. Erfährt der Datenschutzbeauftragte von einem Verstoß, der im Zusammenhang mit dem Meinungsbildungsprozess steht, darf er den Arbeitgeber nicht über diesen Verstoß informieren. Die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten dürfte es dem Arbeitgeber zweifellos erschweren, in derartigen Situationen rechtskonform zu handeln.

Fehlende Exkulpations- und Enthaftungsmöglichkeit des Arbeitgebers

Leider enthält § 79a BetrVG keine Exkulpations- oder Enthaftungsmöglichkeit zugunsten des Arbeitgebers. Obwohl der Arbeitgeber keine Kontrolle über die Datenschutzorganisation des Betriebsrats hat, haften Unternehmen dennoch für jegliches datenschutzrechtliche Fehlverhalten des Betriebsrats. Insbesondere wird sich der Arbeitgeber nicht auf eine mangelhafte Umsetzung der Unterstützungspflicht berufen können, weil diese nichts an seiner Verantwortung ändert. Die durch § 79a BetrVG geschaffene Konstellation stellt für den Arbeitgeber daher eine unkontrollierbare Haftungsfalle dar. Die gesamte Konstruktion des § 79a BetrVG verletzt den zivilrechtlichen Grundsatz, dass man nur in dem Umfang des eigenen Verschuldens haftet und ist dadurch rechtsdogmatisch äußerst problematisch. Durch die mangelhafte gesetzliche Regelung werden Arbeitgeber letztlich gezwungen, datenschutzrechtliche Verstöße hinzunehmen, um dann ggf. den Weg über ein Verfahren nach § 23 BetrVG anzustrengen.

Fazit und Lösungsansätze

§ 79a BetrVG ist aus den dargelegten Gründen offen gesagt überflüssig – diese Norm hilft schlicht niemandem. Die in der Praxis wirklich entscheidende Frage des Umgangs mit der Haftung und entsprechenden Kontrollmöglichkeiten wird nicht geregelt. Dem Arbeitgeber ist es nicht möglich, die oben beschriebene Haftungssystematik abzuschwächen. Nach hiesiger Auffassung ist die einzige Handlungsoption des Arbeitgebers, mit dem Betriebsrat gemeinsam verbindliche Regelungen zur Einhaltung des Datenschutzes zu treffen. Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Betriebsrat datenschutzrechtlich unsauber arbeitet, sollten Arbeitgeber stets genau prüfen, welche Informationen an den Betriebsrat zur Aufgabenerfüllung weiterzugeben sind und welche nicht. Denn insbesondere innerhalb der allgemeinen Auskunftsansprüche nach § 80 Abs. 2 BetrVG wird der Betriebsrat den Schutz personenbezogener Daten sicherstellen müssen.

Autor

Christian Kuß, LL.M.

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln

Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco)

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Essen

Sachmittel und Schulungsansprüche für die Betriebsratsarbeit

Der Betriebsrat muss handlungsfähig sein. Der Arbeitgeber hat ihm die dafür erforderlichen Sachmittel bereitzustellen und die Kosten für erforderliche Schulungen zu übernehmen. Aber was ist erforderlich und was nicht?

Erforderlichkeit

Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich die durch die Betriebsratstätigkeit entstehenden erforderlichen Kosten und hat ihm die für seine Tätigkeit erforderlichen Sachmittel zur Verfügung zu stellen (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Welche Sachmittel zur ordnungsgemäßen Durchführung erforderlich sind, richtet sich nach Art und Beschaffenheit des Betriebs.

Der Betriebsrat hat einen Überlassungsanspruch. Er ist in der Regel nicht ermächtigt, sich die nach eigener Ansicht erforderlichen Sachmittel selbst zu beschaffen und die Kosten dem Arbeitgeber anschließend in Rechnung zu stellen. Der Arbeitgeber hat ein Auswahlrecht zwischen mehreren geeigneten Sachmitteln.

Die Frage der Erforderlichkeit wird nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Betriebsrat beantwortet. Er hat die Auswahlentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung seiner Bedürfnisse und der Belange des Arbeitgebers zu treffen. Hält der Arbeitgeber vom Betriebsrat angeforderte Sachmittel nicht für erforderlich, hat er ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren zur Klärung der Streitfrage einzuleiten.

Sachmittel

Erforderliche Sachmittel sind alle Gegenstände, die der Betriebsrat für Sitzungen, Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung zur Erledigung seiner Aufgaben benötigt. Dazu zählen hauptsächlich Büroutensilien. Es besteht jedenfalls ein Anspruch auf Mitnutzung der betrieblichen Kopiergeräte oder Drucker; angesichts der heutigen Speicherfunktionen und Üblichkeit der Geräte ggf. auch ein Anspruch auf die Überlassung eigener Geräte. Die Qualität der Sachmittel hat dem betriebsüblichen Standard zu entsprechen.

Zur Unterrichtung der Arbeitnehmer ist dem Betriebsrat in der Regel ein „schwarzes Brett“ zur Verfügung zu stellen, auf dem er Bekanntmachungen und Mitteilungen anbringen kann. Es ist an einer geeigneten, für alle Arbeitnehmer zugänglichen Stelle zu platzieren.

Dem Betriebsrat ist zudem einschlägige Fachliteratur zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören insbesondere die wichtigsten arbeits- und sozialrechtlichen Gesetzestexte, ein aktueller Kommentar zum BetrVG und eine arbeits- und sozialrechtliche Fachzeitschrift. Die Notwendigkeit sonstiger Literatur ergibt sich aus den Anforderungen an die konkrete Betriebsratsarbeit.

Die Sachmittel bleiben im Eigentum des Arbeitgebers. Ausnahme hiervon bilden verbrauchbare Sachmittel, deren Eigentum auf die Betriebsratsmitglieder in ihrer Gesamtheit übergeht. Wird ein neuer Betriebsrat gewählt, geht z. B. das Eigentum an bestehenden Akten auf ihn über.

Digitale Arbeitsmittel

Arbeitgeber haben dem Betriebsrat im erforderlichen Umfang die für seine Arbeit notwendigen Informations- und Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.

In der digitalisierten Arbeitswelt gehört zu der Grundausstattung des Betriebsrats ein Computer mit üblichem Zubehör (Bildschirm etc.), Internetzugang sowie ein Telefon. Weitere Arbeitsmittel (etwa Laptops, Smartphones) haben Arbeitgeber nur bereitzustellen, wenn sie nach den jeweiligen betrieblichen Anforderungen erforderlich sind. Dies mag der Fall sein bei erheblichen Reisetätigkeiten oder bei dem Erfordernis flexibler Erreichbarkeit.

Anhaltspunkte für die Prüfung der Erforderlichkeit können unter anderem das betriebsübliche Ausstattungsniveau und die durch den Arbeitgeber selbst eingesetzten Kommunikationsmittel sein. Keinesfalls muss das betriebliche Ausstattungsniveau überschritten werden. Alleine der Wunsch nach „Waffengleichheit“ mit der betrieblichen Leitungsebene begründet noch keine Erforderlichkeit.

Nutzen Arbeitgeber ein innerbetriebliches Informations- und Kommunikationssystem (Intranet), ist dem Betriebsrat die Möglichkeit zu eröffnen, eine eigene Homepage mit zu seinen Aufgaben gehörenden Informationen einzurichten, ohne dass der Arbeitgeber darauf Einfluss nehmen darf.

Schulungsansprüche

Dem Betriebsrat muss grundsätzlich die Erlangung des für ihre Aufgabenerfüllung erforderlichen Wissens ermöglicht werden. Darunter fallen nicht nur Grundkenntnisse im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht, sondern je nach Ausgestaltung des Betriebs auch Wissen zu speziellen Sachmaterien. Gerade bei letzteren ist stets zu prüfen, ob nach den Verhältnissen des Einzelbetriebs Fragen und Probleme anstehen, die der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen und bei denen im Hinblick auf den konkreten Wissensstand des jeweiligen Betriebsratsmitglieds eine Schulung erforderlich erscheint.

Während bei Schulungen, die Grundkenntnisse vermitteln, die Wissensvermittlung an alle Betriebsratsmitglieder erforderlich sein wird – soweit nicht bereits Kenntnisse vorhanden sind –, ist dies bei Schulungen zu Spezialthemen nicht der Fall. Bei diesen ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Schulung thematisch erforderlich ist und wie viele Mitglieder des Betriebsrats über das Wissen verfügen müssen. Regelmäßig darf und muss erwartet werden, dass ein geschultes Betriebsratsmitglied seine Kenntnisse weitergibt und einsetzt.

Übernahme der Schulungs- und Fortbildungskosten

Der Arbeitgeber hat nach § 40 Abs. 2 BetrVG die Kosten für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu tragen, die erforderliche Kenntnisse vermitteln. Im Falle von Schulungen, die Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind (vgl. § 37 Abs. 6 BetrVG), hat der Arbeitgeber die Kosten stets zu tragen. Vermittelt eine Schulung nur teilweise erforderliche Kenntnisse, sind die Kosten nur voll zu tragen, wenn die Vermittlung der erforderlichen Themen einen Anteil von 50 % überschreiten und sich die Teilnahme nicht sinnvoll beschränken lässt.

Formelle Voraussetzung für die Kostentragungspflicht ist ein Beschluss des Betriebsrats über die Teilnahme seines Mitglieds an der Schulungsveranstaltung vor der Teilnahme. Ein nachträglicher Beschluss über die Billigung der Teilnahme reicht nicht aus.

Daneben ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der Betriebsrat hat stets zu prüfen, ob die Schulungskosten unter Berücksichtigung des Inhalts und des Umfangs des vermittelten Wissens mit der Größe und der Leistungsfähigkeit des Betriebs zu vereinbaren sind. Arbeitgeber sind nur insoweit zur Erstattung verpflichtet, als der Kostenaufwand dem Rahmen des nach den Verhältnissen Zumutbaren entspricht. Kein Kriterium ist jedenfalls die besondere Attraktivität bestimmter Schulungsorte.

Ist die Teilnahme an einer Schulung erforderlich, sind auch Reisekosten, Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu erstatten. Sie unterliegen jedoch einer eigenständigen Erforderlichkeitskontrolle.

Autor

Kevin Brinkmann LL.M.

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hamburg

Betriebsverfassungsrechtliche Implikationen von Mobiler Arbeit und Künstlicher Intelligenz

Hot Topics sind „Mobile Arbeit“ und „Künstliche Intelligenz“ schon länger – jetzt sind die Begrifflichkeiten nicht nur im Unternehmensalltag, sondern auch im Betriebsverfassungsrecht angekommen. Was bedeutet das für den Betriebsablauf und die Arbeit von Betriebsräten?

Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Künstlicher Intelligenz

1. Was ist Künstliche Intelligenz?

KI ist nicht legaldefiniert, sodass Streit über die Frage, ob eine Anwendung von KI vorliegt, vorprogrammiert ist.

Die KI-Strategie der Bundesregierung (www.ki-strategie-deutschland.de) verfolgt die Position der „schwachen“ KI. Danach ist KI die „Lösung konkreter Anwendungsprobleme auf Basis der Methoden aus der Mathematik und Informatik, wobei die entwickelten Systeme zur Selbstoptimierung fähig sind. Dazu werden auch Aspekte menschlicher Intelligenz nachgebildet und formal beschrieben bzw. Systeme zur Simulation und Unterstützung menschlichen Denkens konstruiert.“ Unter „starker“ KI wird darüber hinaus ein System verstanden, dass die gleichen – oder sogar übertreffende – intellektuellen Fertigkeiten wie der Mensch hat.

2. KI-Einsatz

KI wird in Unternehmen zunehmend implementiert, insbesondere im Personalbereich. Als beispielhafte Anwendungsgebiete werden Bewerbungsverfahren/Assessmentcenter, Personal-Leistungsbeurteilungen sowie interne Schulungen mit Überprüfung des Lernerfolgs genannt. Arbeitgeber erhoffen sich so unter anderem zielgenauere Personalentscheidungen und Ressourcennutzung. Außerhalb des Personalbereichs hält KI zudem immer mehr Einzug in unsere Leben, so zum Beispiel bei assistierten Operationen, bei der analytischen Bilderkennung oder beim autonomen Autofahren.

3. Beteiligungsrecht des Betriebsrats

Beim Einsatz von KI haben Betriebsräte fortan unter anderem die Möglichkeit, auf externen Sachverstand zurückzugreifen, um komplexe informationstechnische Zusammenhänge zu verstehen, zu bewerten und mitzugestalten. Neu in § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist verankert, dass diese Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Einführung oder Anwendung von KI als erforderlich im Sinne des Satzes 1 gilt.

Der Arbeitgeber kann also bei neuen Softwarelösungen, beim Einsatz neuer Maschinen oder auch bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat künftig nicht mehr mit dem Argument abwenden, dass eine solche nicht erforderlich sei.

Letztlich erhofft sich der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, dass die Beschäftigten bei der Einführung und Anwendung von KI-Systemen mehr Vertrauen und Akzeptanz entwickeln, wenn die Betriebsräte mit eingebunden werden.

4.
Einfluss der KI auf Arbeitsabläufe und Berücksichtigung bei Auswahlrichtlinien

Flankierend findet KI darüber hinaus nunmehr auch Berücksichtigung in §§ 90 Abs. 1 Nr. 3, 95 BetrVG.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Beschäftigte durch den Einsatz von KI in ihren Arbeitsverfahren und -abläufen beeinflusst sein könnten. § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sieht deshalb vor, dass Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig über die Planung des Einsatzes von KI unterrichten müssen und zwar für alle Arbeitsbereiche.

Durch die Ergänzung in Abs. 2a des § 95 BetrVG wird klargestellt, dass der Betriebsrat insbesondere bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen mitentscheiden kann und zwar auch dann, wenn die Auswahlrichtlinien eigenständig durch eine KI-Anwendung erstellt werden (Einsatz sog. Algorithmic-Decision-Making-Systeme (ADM-Systeme)).

Neues Mitbestimmungsrecht bei Mobiler Arbeit in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG

Als neues Mitbestimmungsrecht wurde § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG geschaffen. Danach hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von Mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

1. Begriff der Mobilen Arbeit

Mobile Arbeit liegt vor, wenn Beschäftigte regelmäßig oder anlassbezogen außerhalb der Betriebsstätte unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik die geschuldete Arbeitsleistung erbringen. Üblicherweise wird in Deutschland darunter eine „Homeoffice“-Tätigkeit verstanden. Unter Mobile Arbeit fällt aber nicht, wenn Beschäftigte die Arbeitsleistung aufgrund der Eigenart ohnehin mobil und nicht ortsgebunden erbringen müssen (z. B. LKW-Fahrer, Monteure, Vertriebsmitarbeiter).

2. Umfang des Mitbestimmungsrechts

Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass sich das Mitbestimmungsrecht einzig auf das „Wie“ bezieht. Der Betriebsrat kann also mitbestimmen bei der Ausgestaltung von Mobiler Arbeit, aber nicht, ob Mobile Arbeit eingeführt wird. Die Einführung von Mobiler Arbeit kann der Betriebsrat also nicht erzwingen. Zum „Wie“ gehören beispielhaft der zeitliche Umfang der Mobilen Arbeit, der Ort der Leistungserbringung, Erreichbarkeitszeiten, Umgang mit gestellten Arbeitsmitteln sowie insbesondere Datenschutz- und Sicherheitsaspekte.

Bei Nr. 14 handelt es sich letztlich um einen Auffangtatbestand, denn Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit Mobiler Arbeit sind schon in Nr. 2 (Arbeitszeit), Nr. 6 (Einsatz von technischen Einrichtungen) und Nr. 7 (Arbeitsschutz) verankert, die unverändert weiterhin gelten.

Somit ist abzuwarten, inwieweit in der Praxis auf den neuen Mitbestimmungstatbestand zur Schließung von etwaigen Regelungslücken zurückgegriffen wird und inwieweit dieser mehr als ein reiner Auffangtatbestand erachtet werden wird.

Autor

Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M.

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf und Köln

Katharina Gorontzi, LL.M.

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf

 

Mehr Digitalisierung wagen: Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt

Infolge der Covid-19 Pandemie hat die Betriebsratsarbeit zunächst „befristet“ mehr Digitalisierung erfahren. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber nun ab dem 18. Juni 2021 eine aus seiner Sicht dauerhafte Möglichkeit für digitale Betriebsratsarbeit verabschiedet und damit unter anderem Regelungen für virtuelle Betriebsratssitzungen und Betriebsvereinbarungen getroffen, die im Folgenden praxisorientiert vorgestellt werden.

Rechtsgrundlage für digitale Betriebsratsarbeit

Die Covid-19 Pandemie erforderte das Eingreifen des Gesetzgebers in sämtliche Bereiche der Arbeitswelt. Etwa am bis dahin geltenden Grundsatz „Abhaltung der Betriebsratssitzungen in Präsenz“ konnte nicht festgehalten werden. Schnelle Lösungen waren gefragt. Für die Betriebsratsarbeit hatte der Gesetzgeber daher im März 2020 mit heißer Nadel den § 129 BetrVG gestrickt, der erstmals digitale Betriebsratssitzung per Video- oder Telefonkonferenz ermöglichte und bis 30. Juni 2021 befristet galt. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit ist am 18. Juni 2021 in Kraft getreten und schafft nun einen (unbefristeten) neuen Rechtsrahmen für digitale Betriebsratssitzungen. Danach besteht weiterhin die Möglichkeit eine Betriebsratssitzung mittels „Video- und Telefonkonferenz“, wobei der Gesetzgeber hierfür jetzt jedoch ergänzende Voraussetzungen verlangt. Mehr Digitalisierung erfährt die Betriebsverfassung dazu nun auch durch die Möglichkeit des digitalen Abschlusses von Betriebsvereinbarungen gem. § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.

Anforderungen an die digitale Betriebsratsarbeit

1. Voraussetzungen digitaler Betriebsratssitzungen und -beschlüsse

Der Gesetzgeber hat mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz an der virtuellen Betriebsratssitzung festgehalten, diese jedoch im Rahmen eines „Regel-Ausnahme-Verhältnis“ geregelt. Dies bedeutet, dass im Grundsatz eine Betriebsratssitzung, trotz pandemischer Lage und stets fortschreitender Digitalisierung, in Präsenz stattzufinden hat. Der Gesetzgeber begründet die Entscheidung mit den aus der Pandemiezeit gezogenen Erfahrungen fehlender sozialer Interaktion, abnehmender Verständlichkeit durch Bild- und Tonprobleme, sowie zunehmender Entwicklung hin zum Vortrag und weg vom Austausch und Diskurs.

Für die Durchführung einer virtuellen Betriebsratssitzung gelten nun drei Voraussetzungen (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 - 3 BetrVG) die kumulativ vorliegen müssen. Im Einzelnen sind dazu die Voraussetzungen einer virtuellen Sitzung in der Geschäftsordnung zu regeln (a), es darf kein fristgebundener Widerspruch durch ein Viertel der Betriebsratsmitglieder vorliegen (b) und es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können (c).

a) Verankerung in der Geschäftsordnung

Der Betriebsrat hat durch Geschäftsordnung die Voraussetzungen einer virtuellen Betriebsratssitzung zu regeln und hat dazu inhaltlich nur den Grundsatz des Vorrangs der Präsenzsitzung zu beachten. Ausweislich der Gesetzesbegründung kann der Vorrang beispielsweise gesichert werden durch eine Begrenzung der Anzahl von Sitzungen, die ganz oder teilweise als Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden können, oder eine Beschränkung auf bestimmte Themen, auf Sachverhalte, bei denen der Betriebsrat eine möglichst schnelle Befassung für angezeigt hält oder durch eine Begrenzung auf Fälle, in denen sie dem Gesundheitsschutz der Betriebsratsmitglieder dienen. Es steht dem Betriebsrat darüber hinaus frei, die Voraussetzungen einer virtuellen Teilnahme festzulegen. Sofern in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit virtuellen Betriebsratssitzungen gemacht wurden, empfiehlt es sich, diese bei der Gestaltung mit einzubeziehen

b) Die neue Widerspruchsmöglichkeit

Der Gesetzgeber verlangt zudem, dass Betriebsratsmitglieder die Möglichkeit haben müssen, einer virtuellen Betriebsratssitzung zu widersprechen. Der Widerspruch eines einzelnen Mitglieds genügt jedoch noch nicht. Vielmehr müssen für einen wirksamen Widerspruch mindestens ein Viertel aller Mitglieder des Betriebsrats innerhalb einer vom Vorsitzenden zu bestimmender angemessener Frist der geplanten virtuellen Sitzung widersprechen. Dafür sollte der Vorsitzende bereits bei der ordnungsgemäßen Einladung darüber informieren, dass und in welcher Weise die Nutzung einer virtuellen Sitzung beabsichtigt wird sowie eine angemessene Frist zum Widerspruch setzen. Der Widerspruch hat dann gegenüber dem Vorsitzenden zu erfolgen.

c) Keine Kenntnisnahme Dritter

Schließlich fordert das Gesetz, sicherzustellen, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis erlangen können. Es müssen dazu sowohl technische-, als auch organisatorische Maßnahmen zur Sicherung vorgenommen werden. Hier ist der Betriebsrat in der Pflicht. Denkbar sind z. B. die Verwendung verschlüsselter Verbindungen, der Aufenthalt von Betriebsratsmitgliedern während der Sitzung in Räumen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, sowie eine Erklärung, dass keine Personen ohne Teilnahmeberechtigung in den entsprechenden Räumen präsent sind. Verstößt der Gesetzgeber gegen nur eine dieser Voraussetzungen, besteht das Risiko, dass entsprechend getroffene Beschlüsse nichtig sind.

Für den Arbeitgeber gilt, dass er nach § 40 Abs. 2 BetrVG verpflichtet ist, die für die Sitzungen erforderliche Technik sowie weitere notwendige Mittel zur Verfügung zu stellen und die entstehenden Kosten zu tragen. Eine Grenze ergibt sich dabei nur aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der vorschreibt, dass etwaige Anschaffungen dem Arbeitgeber auch zumutbar sein müssen, was in der Praxis regelmäßig für weite Interpretationsspielräume sorgt. Auch hier empfiehlt es sich, ein abgestimmtes Vorgehen und die Beantwortung der Fragen: Was wird genau gebraucht und was soll bzw. darf es kosten?

2. Digitale Betriebsvereinbarungen

Auch Betriebsvereinbarungen können zukünftig nach § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG digital geschlossen werden. Dieser ordnet abweichend von § 126a Abs. 2 BGB an, dass bei einer elektronischer Betriebsvereinbarung der Betriebsrat und der Arbeitgeber dasselbe Dokument elektronisch zu signieren haben. Bis dato hatte die Rechtsprechung, zuletzt mit Beschluss des BAG aus dem Jahr 2010 (Beschl. v. 05. Oktober 2010, Az. 1 ABR 31/09) für die Einigungsstelle, diese für nicht ausreichend erklärt. Mit Einführung des § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Gesetzgeber nun für Klarheit gesorgt.

Das Comeback des § 129 BetrVG

Ergänzend zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens am 10. Dezember 2021 vom Bundestag beschlossen, § 129 BetrVG in abgeänderter Form zu reanimieren, der ab dem 12.12.2021 in der neuen Fassung zunächst bis zum 19. März 2022 befristet gelten soll. Er regelt insbesondere die von dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz bisher noch nicht erfassten Bereiche, etwa die virtuelle Einigungsstelle, oder die Möglichkeit, Betriebsräteversammlungen und Jugend- und Auszubildendenversammlungen mittels audiovisueller Einrichtungen durchzuführen.

Anforderungen an die Praxis und Ausblick

Für die betriebliche Praxis ergeben sich durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz die Chance, Betriebsratsarbeit zeitgemäß zu gestalten und trotz der Pandemie aufrechtzuerhalten. Die konkrete Ausgestaltung verlagert der Gesetzgeber dabei an wichtigen Stellen in die Hände des Betriebsrats, etwa durch die Vorgabe eine für den Betrieb maßgeschneiderte Geschäftsordnung zu verabschieden. Es ist zu empfehlen, dass Betriebsrat und Arbeitgeber hierzu gemeinsam beraten, um eine bestmögliche Grundlage für die neuen Sitzungsformate zu erarbeiten.

Auch das neue Regierungsbündnis aus SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP hat das Thema digitale Betriebsarbeit mit auf die Agenda genommen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Betriebsratsmitglieder in Zukunft selbstbestimmt entscheiden können, ob sie analog oder digital arbeiten. Es ist daher mit weiterer Digitalisierung für die Betriebsratsarbeit zu rechnen. Dabei soll die nun gewagte Digitalisierung auch überprüft und das neue Gesetz evaluiert werden, um eine möglichst effektive Betriebsratsarbeit für die Zukunft sicherzustellen.

Autor

Dr. Jan-David Jäger

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Leipzig