25.09.2023

Newsletter Arbeitsrecht 3. Ausgabe 2023

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Editorial

Liebe Leser,

wir hoffen, Sie hatten einen schönen Sommer und sind mit neuem Schwung aus dem Urlaub zurückgekehrt. Es ist die Zeit des Jahres, in der neue Projekte angestoßen oder laufende Projekt wieder aufgenommen werden. Es ist daher auch ein guter Zeitpunkt, um sich einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und Fragen aus dem Bereich des Arbeitsrechts zu verschaffen. Unser Newsletter ist hierbei die richtige Lektüre, um die aktuellen arbeitsrechtlichen Themen zu verfolgen.

Das Thema Entgeltsgestaltung und Entgelttransparenz bewegt aufgrund aktueller Entwicklungen vermehrt die Praxis. Fragen der Strukturierung des Entgelts konnten lange Zeit noch mit erheblichem Freiraum gestaltet werden. Die Arbeitswelt befindet sich hier jedoch im Wandel. Frühere Gestaltungsspielräume werden nun von der europäischen Gesetzgebung sowie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weiter eingeschränkt. Dietmar Heise befasst sich daher in dieser Ausgabe mit dem Thema Entgeltgestaltung unter Berücksichtigung der aktuellen Transparenz-Richtlinie vom 10. Mai 2023 (EU 2023/970) sowie der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Entgeltgleichheit vom 16. Februar 2023.

Unternehmen berichten seit Langem vom Fachkräftemangel, der das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland bremst. Der Gesetzgeber hat den Handlungsbedarf erkannt. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wurden erneut Änderungen am Aufenthaltsgesetz und weiteren Gesetzen des Ausländerrechts vorgenommen, die 2024 in Kraft treten. Lukas Beismann gibt in seinem Beitrag einen Überblick zu den Grundlagen des Fachkräfteeinwanderungsrechts und beleuchtet die kürzlich beschlossene Gesetzesnovelle zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung.

Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung befasst sich Dr. Annekatrin Veit mit Fragen rund um die Pflicht des Arbeitgebers zur Anpassung der Betriebsrenten und zeigt Handlungsoptionen auf. Vor dem Hintergrund der seit 2020 in Deutschland stark steigenden Inflationsrate rückt dieses Thema weiter in den Fokus der Unternehmen.

Monique Figueiredo von unserer unyer Netzwerkkanzlei FIDAL in Paris gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über den rechtlichen Rahmen und die jüngsten rechtlichen Entwicklungen im Bereich der der mobilen Arbeit in Frankreich.

Auch in dieser Ausgabe befassen wir uns selbstverständlich wieder mit den aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung und hoffen, dass die ausgewählten Entscheidungen für Sie in der Praxis von besonderem Interesse sind. Auf Ihr Feedback zu unseren Themen würden wir uns sehr freuen. Sprechen Sie uns daher gern mit Ihren Anregungen oder Fragen an.

Wir wünschen Ihnen nunmehr viel Spaß bei der Lektüre!

Ihr

Achim Braner

Entgeltgestaltung in der juristischen Zange

Lange Zeit waren Entgeltfragen ein Komplex des Arbeitsrechts, der noch mit erheblichem Freiraum ohne gesetzliche Vorgaben gestaltet werden konnte: Für Tarifentgelte erfüllten die Tarifverträge ihre ureigene Aufgabe, im AT- und OT-Bereich hatte (und hat) der Betriebsrat nicht umfassend mitzubestimmen. Für eine inhaltliche Kontrolle war (im Wesentlichen) nur der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, seit 2006 durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie seit 2017 durch das Entgeltgleichheitsgebot des Entgelttransparenzgesetzes mit den flankierenden Regelungen ergänzt. Die Freiräume werden nun von der europäischen Gesetzgebung und von dem Bundesarbeitsgericht in die Zange genommen.

Transparenz-Richtlinie

Ziel der Transparenz-Richtlinie vom 10. Mai 2023 (EU 2023/970) ist, die Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu fördern und die strukturellen Ursachen für die bestehenden Entgeltunterschiede zu beseitigen. Durch mehr Transparenz sollen laut der EU Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern verringert werden und damit die Ziele der Richtlinie durchgesetzt werden. Den bisherigen Regeln folgend soll die Entgeltgleichheit nicht nur für gleiche Arbeit hergestellt werden, sondern auch für gleichwertige Arbeit. Tatsächlich gehen die Maßnahmen deutlich über das bestehende Maß hinaus. Der Deutsche Gesetzgeber wird die bestehenden innerstaatlichen Regelungen signifikant ausbauen müssen. Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten endet am 7. Juni 2026.

Wesentliche Vorgaben der Transparenz-Richtlinie sind:

Die bisherige, in § 10 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) vorgesehene Auskunftspflicht wird erweitert: Unternehmen (jeder Größenordnung!) sollen verpflichtet werden, auf Anfrage der Beschäftigten Auskünfte über ihre individuelle Entgelthöhe (künftig: Bruttojahresentgelt einschließlich aller mittelbarer und unmittelbarer Geld- und Sachleistungen) und über die durchschnittliche Entgelthöhen zu geben. Die Daten müssen nach Geschlecht und für die Gruppen von Arbeitnehmern aufgeschlüsselt werden, die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie die auskunftsersuchende Person verrichten. Über das Auskunftsrecht soll der Arbeitgeber jährlich zu informieren haben.

Bisher gilt nach dem EntgTranspG, dass die auskunftsersuchende Person mindestens sechs andere Personen des jeweils anderen Geschlechts aus einer Vergleichsgruppe benennen können musste, der Arbeitgeber musste mehr als 201 Mitarbeitende beschäftigen.

Transparenz für Bewerber soll bereits vor der Einstellung hergestellt, der Arbeitgeber entsprechend zur Auskunft verpflichtet werden: Bewerber sollen das Recht erhalten, Informationen über das Einstiegsgehalt der betreffenden Stelle oder dessen Spanne sowie die ggf. einschlägigen Bestimmungen des Tarifvertrags zu erhalten. Auf der anderen Seite wird Intransparenz für den Arbeitgeber geschaffen: Ihm soll verboten sein, nach der vorherigen Gehaltsentwicklung und dem aktuellen Gehalt der Bewerber zu fragen.

Transparenz der Entgeltentwicklung: Unternehmen müssen Kriterien angeben, wie Beschäftigte ihr Gehalt verbessern und sich weiter entwickeln können. Die Mitgliedsstaaten können Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten von der Regelung ausnehmen.

Vertraulichkeitsklauseln in den Arbeitsverträgen hinsichtlich der jeweils eigenen Vergütung sollen unwirksam werden.

Schadensersatzanspruch oder Entschädigung: Arbeitnehmer, die im Zusammenhang mit Entgeltdiskriminierungen einen Schaden erlitten haben, sollen dafür vollständigen Schadensersatz oder vollständige Entschädigung fordern können. Der Anspruch soll neben Fällen der Geschlechtsdiskriminierung auch bei Diskriminierung hinsichtlich des Gehalts wegen der Herkunft oder des sozialen Umfelds bestehen. Er soll ausdrücklich nicht nur angemessen, sondern auch abschreckend sein. Eine Obergrenze – für Entschädigungen in § 15 Abs. 2 AGG vorgesehen – verbietet die Richtlinie. Dennoch ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber wenig Änderungsbedarf gegenüber dem schon bestehenden Anspruch aus § 15 AGG sehen wird.

Die Bürokratie in Form von Berichterstattungspflichten soll ausgeweitet werden: Arbeitgeber (Unternehmen) mit mindestens 250 Arbeitnehmern werden jährlich das geschlechtsspezifische Lohngefälle offenlegen müssen. Arbeitgeber mit mindestens 100 Arbeitnehmern werden die Daten alle drei Jahre offenlegen müssen. Für Arbeitgeber mit weniger als 100 Arbeitnehmern ist die Meldung freiwillig. Die Berichterstattungspflicht beginnt für Unternehmen mit mindestens 150 Arbeitnehmern am 7. Juni 2027, für Unternehmen mit mindestens 100 Arbeitnehmern am 7. Juni 2031.“

Das geltende EntgTranspG verpflichtet Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten zu einer Berichterstattung alle fünf Jahre, wenn sie Tarifverträge anwenden, sonst alle drei Jahre.

Die Unternehmen sollen weiter zu einer gemeinsamen Entgeltbewertung und erforderlichenfalls zur Erarbeitung von Maßnahmen mit der Arbeitnehmervertretung verpflichtet werden, wenn:

das Entgeltgefälle mehr als 5 % beträgt,

diese Differenz nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Ursachen begründet und dargelegt ist und

das Unternehmen den Unterschied nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag der Berichterstattung korrigiert hat.

Beweislastumkehr: Macht der Beschäftigte eine Diskriminierung glaubhaft, muss das Unternehmen nachweisen, dass keine Entgeltdiskriminierung gegeben ist. Auch diese Maßnahme ist jedenfalls im Ansatz bereits aus dem AGG bekannt.

Verbandsklagen und Rechte der Arbeitnehmervertretungen: Um eine „Viktimisierung“ der vermeintlich benachteiligten Arbeitnehmer zu vermeiden, sollen Verbände, ­Organisationen, Gleichbehandlungsstellen und Arbeitnehmer­vertretungen sich sowohl im Namen der ­Arbeitnehmer als auch zu deren Unterstützung an Verfahren wegen der Verletzung von Equal Pay beteiligen können. Das wird im Ergebnis auf Verbandsklagen und Auskunftsrechte für Betriebsräte oder Gewerkschaften hinauslaufen. Damit kann der bürokratische Begründungsaufwand für Arbeitgeber nochmals steigen.

Sanktionen für Unternehmen: Die Mitgliedstaaten müssen Sanktionen gegen die Unternehmen für den Fall einführen, dass sich Unternehmen nicht an die Vorgaben halten.

Schließlich droht auch eine Änderung des Arbeitsgerichtsverfahrens: Während derzeit in erster Instanz jede Partei ihre Verfahrenskosten ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens trägt, sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Gerichte einem unterliegenden (!) Kläger (regelmäßig wohl der Arbeitnehmer) im Falle „berechtigter Gründe“ zur Klage die Verfahrenskosten erlassen kann. Ob diese dann der Staat oder gar der obsiegende Arbeitgeber zahlen muss, wird nicht festgelegt.

BAG: Entgeltgleichheit ist keine Verhandlungssache

Auch das BAG verengt die Gestaltungsspielräume der Arbeitgeber in Entgeltfragen vor dem Hintergrund von Equal Pay der Geschlechter: Mit Urteil vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21) verwehrt es den Arbeitgebern, Entgelte im Verhandlungswege zu differenzieren, selbst wenn die unterschiedliche Behandlung von den Arbeitnehmern oder Bewerbern ausgeht. Es gewährt den aus seiner Sicht diskriminierten Arbeitnehmern den Anspruch auf Gehaltsanpassung nach oben sowohl nach Art. 157 AEUV (EU-Vertrag) als auch nach §§ 3 Abs. 1, 7 EntgeltTranspG.

Das BAG verglich in dem Fall einen Vertriebsmitarbeiter, der mit der Aussicht auf eine Nachfolge in die Leitungsfunktion eingestellt wurde, mit einer nahezu zeitgleich eingestellten Vertriebsmitarbeiterin. Beiden bot der Arbeitgeber ursprünglich dasselbe (!) Monatsgehalt an. Zu seinem Nachteil ließ sich der Arbeitgeber aber auf unterschiedliche Forderungen beider Bewerber ein: Der männliche Bewerber forderte rund 28 % mehr Gehalt, die Bewerberin eine jährliche unbezahlte Freistellung von 20 „Tagen“. Beiden Forderungen gab der Arbeitgeber nach. Nach Inkrafttreten eines Haustarifvertrags wurden beide Arbeitnehmer in dieselbe Tarifgruppe eingruppiert, die für beide Arbeitnehmer zu einem höheren Grundentgelt führte. Wegen einer Deckelung der Anpassung in dem mit der Gewerkschaft ausgehandelten (!) Haustarifvertrag erhielten beide aber nach wie vor unterschiedlich hohe Entgelte.

Die tragenden Eckpunkte des BAG können erhebliche Auswirkungen auf die Entgeltgestaltung im Unternehmen und auf die Verhandlungsposition des Arbeitgebers in Einstellungsverhandlungen haben:

Das BAG lässt in einem Gehaltsvergleich zwischen Arbeitnehmern keine Gesamtbewertung aller Gehaltsbestandteile zu, sondern beschränkt den Vergleich auf das Grundentgelt. Damit verwehrt es dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Einigung auf Vertragskonditionen durch steuerliche Optimierungen oder Optimierungen im Hinblick auf die persönliche Situation der Arbeitnehmer (wie im Fall Freizeitwünsche) zu erleichtern.

Andere ausgehandelte Vertragselemente als Entgelte finden nach dem Willen des BAG ebenfalls keine Berücksichtigung in dem Equal-Pay-Vergleich. Insbesondere die der Arbeitnehmerin auf ihr Verlangen gewährte unbezahlte Freistellung ließ das BAG deshalb außer Betracht.

Das BAG unterstellt Arbeitnehmern gewisse Unmündigkeit: Es meint, Arbeitnehmer könnten ihre Gehaltsvorstellungen nicht sachgerecht artikulieren, wenn sie keine Kenntnis von den Vereinbarungen mit anderen Arbeitnehmern haben. Will ein Arbeitgeber Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer also wegen der verschiedenen Verhandlungssituationen unterscheiden, so soll er nach den Vorstellungen des BAG gehalten sein, den Bewerbern die mit den vergleichbaren Arbeitnehmern ausgehandelten Konditionen offenzulegen. Wenn das BAG das wirklich so meint, dann dürften Gehaltsverhandlungen absurd werden.

Immerhin gesteht das BAG den Arbeitgebern die Darlegung zu, das das höhere Entgelt eines Arbeitnehmers wegen der Arbeitsmarktlage erforderlich gewesen sei, um die offene Stelle mit einer geeigneten Arbeitskraft zu besetzen. Das klingt schön. Aber zu welcher Bürokratie wird der Arbeitgeber dadurch gezwungen? Muss er künftig alle eingegangenen Bewerbungen einschließlich der Forderungen der Bewerber (bezogen auf das Grundgehalt) dokumentieren und speichern? Die Vorgaben des BAG scheinen allen Bemühungen des Datenschutzrechts um Datensparsamkeit zuwider zu laufen.

Sein tiefes Misstrauen in sachgemäße Gehaltsverhandlungen der Unternehmen äußert das BAG sogar ausdrücklich: Es könne „nicht ausgeschlossen werden…, dass das Geschlecht mitursächlich für das Nachgeben des Arbeitgebers war.

Kritik und Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Das Bundeskabinett hat kürzlich erfreuliche Erleichterungen für Unternehmen in Sachen Bürokratie vereinbart (u. a. die Einschränkung der Schriftform für Nachweise der Vertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz). Das europäische Parlament und das BAG konterkarieren dies und überhäufen die Arbeitgeber mit neuen, teils absurden bürokratischen Lasten. Das zeugt nicht von Einsicht beider Institutionen in die Bedürfnisse der Praxis.

Die Umsetzung der Transparenz-Richtline dürfte Arbeitgeber verpflichten, umfangreiche Informationen über ihre Entgeltstrukturen zu sammeln, zu analysieren, gegenüber dem Betriebsrat zu rechtfertigen und sie zu veröffentlichen. Es erhellt, dass die Richtline Rücksicht auf kleinere Unternehmen nehmen soll: „Die Mitgliedstaaten bieten Arbeitgebern mit weniger als 250 Arbeitnehmern und den betreffenden Arbeitnehmervertretern Unterstützung in Form von technischer Hilfe und Schulungen, um die Einhaltung der in dieser Richtlinie festgelegten Verpflichtungen zu erleichtern“ – so Art. 11 der Richtlinie. Die Verfasser der Richtlinie erkennen also selbst, dass die Bürokratie überbordet. Aber praxisgerechte Hilfen und Schulungen durch den Staat? Das klingt sarkastisch. Die Umsetzung der Richtlinie gibt den Arbeitgebern immerhin noch wenige Jahre Luft.

Anders die Vorgaben des BAG, die ab sofort beachtet werden sollten und – wie in dem vom BAG entschiedenen Fall – sogar für die Vergangenheit wirken können. Insbesondere diese Vorgaben werden nicht nur Bürokratie verursachen, sondern dürften auch Einfluss auf die Gestaltung von Vergütungsstrukturen zeitigen: Vergütungsbänder dürften künftig stärker hinterfragt – und abgesichert – werden müssen als bislang. Die Kombination von Grundgehältern mit anderen Vergütungselementen wird neu bewertet werden müssen. Eine Vergütungsgestaltung ohne Rechtsberatung wird erschwert. Individuelle Abweichungen von Gehaltsstrukturen zwecks Gewinnung besonders begehrter Stellenbewerber müssen gründlich erwogen, geprüft und dokumentiert müssen. Sonst droht die Anpassung der bislang geringer vergüteten Bestandsmitarbeiter und damit eine ungewollte Änderung der Vergütungsstrukturen.

Folglich erscheint sinnvoll, schon jetzt die bestehenden Entgeltstrukturen zu analysieren und etwaige geschlechterspezifische Unterschiede zu identifizieren, selbst wenn sie nur mittelbar als solche gesehen werden könnten oder wenn sich nicht gleiche, sondern nur vergleichbare Arbeitsplätze betreffen. Personalgewinnungsprozesse und insbesondere Gehaltsverhandlungen sollten ebenfalls kritisch analysiert und erforderlichenfalls verbessert werden. Die Sensibilisierung und Schulung der Führungskräfte mit Einstellungsbefugnis ist schließlich auch empfehlenswert.

Ein hoher Preis für (noch) mehr Entgeltgleichheit.

Das neue Recht der Fachkräfteeinwanderung

Der Mangel an Fachkräften bremst das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland. Arbeitgeber haben in Anbetracht dessen großes Interesse daran, ausländische Fachkräfte für sich zu gewinnen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick zu den Grundlagen des Fachkräfteeinwanderungsrechts und stellt dazu die kürzlich beschlossene Gesetzesnovelle zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung dar. Zuletzt wird aufgezeigt, welche Haftungsrisiken für Arbeitgeber bei der Ausländerbeschäftigung bestehen können.

I. Aufenthaltstitel und Zugang zur Erwerbstätigkeit für ausländische Fachkräfte

Fachkräfte sind nach der Legaldefinition in § 18 Abs. 3 AufenthG Arbeitnehmer mit anerkannter qualifizierter Berufsausbildung oder mit akademischer Ausbildung. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel zum Zwecke der Erwerbstätigkeit sind in § 18 Abs. 2 AufenthG geregelt. Zu den gängigen Aufenthaltstiteln für ausländische Fachkräfte gehören u. a. die Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung für ausländische Fachkräfte mit Berufsausbildung nach § 18a AufenthG, die Aufenthaltserlaubnis gem. § 18b Abs. 1 AufenthG und die „Blaue Karte EU“ (§ 18b Abs. 2 AufenthG) für Akademiker sowie die Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche nach § 20 AufenthG. In der Regel ist für die Aufnahme einer Beschäftigung neben dem Aufenthaltstitel gem. § 39 AufenthG zusätzlich die Erteilung einer Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit notwendig. Ausnahmen von diesem Zustimmungserfordernis sind für bestimmte Fälle in der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländern (BeschV) niedergelegt.

II. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Mit dem zum 1. März 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollte der Zuzug qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland erleichtert und die Fachkräftesicherung in Deutschland verbessert werden. Mit dem Gesetz wurde in
§ 81a AufenthG das sog. „beschleunigte Fachkräfteverfahren“ eingeführt. Dieses ist für Unternehmen interessant, die eine bestimmte Fachkraft einstellen wollen, die sich noch im Ausland befindet. Arbeitgeber müssen für das beschleunigte Fachkräfteverfahren eine Gebühr bezahlen und erhalten hierfür u. a. Beratungsleistungen durch die Ausländerbehörden, ein vereinfachtes Zustimmungsverfahren der Bundesagentur für Arbeit, Hilfestellungen bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen sowie innerhalb von drei Wochen einen Termin für die Visumserteilung bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung.

III. Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung hat die Ampel-Koalition zuletzt erneut Änderungen am AufenthG und weiteren Gesetzen des Ausländerrechts vorgenommen. Diese wurden Mitte August 2023 verkündet und treten 2024 in Kraft. Die Fachkräfteeinwanderung wird durch die Reform künftig auf drei Säulen ruhen: der „Fachkräftesäule“, der „Erfahrungssäule“ und der „Potenzialsäule“. Konkret sieht das Gesetz insbesondere eine neue „Chancenkarte“ vor: Diese ist der Potenzialsäule zuzuordnen und soll es ausländischen Fachkräften erleichtern, nach Deutschland zu kommen und hier eine Beschäftigung aufzunehmen. Gesetzlich werden dafür die neuen §§ 20a, 20b AufenthG eingeführt, die den berechtigten Personenkreis und ein Punktesystem zur Vergabe der Chancenkarte regeln. Bei der neuen Chancenkarte handelt es sich insofern um einen Aufenthaltstitel zur Suche einer Beschäftigung. Eine Einreise von Ausländern ist dabei ohne Arbeitsangebot oder Arbeitsvertrag zur Arbeitssuche, Ausbildung oder Qualifizierung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens für max. zwölf Monate möglich.

Die Gesetzesnovelle sieht darüber hinaus weitere Änderungen in verschiedenen anderen Bereichen vor. So soll etwa die Gehaltsschwelle für die Erteilung einer „Blauen Karte EU“ in
§ 18g AufenthG-E auf 50 % der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung beim Fehlen der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit herabgesenkt werden bzw. auf
45,3 % mit einer solchen Zustimmung. Nach § 18b Abs. 2 AufenthG waren dies bisher 2/3 bzw. 52 % der Beitragsbemessungsgrenze. Fachkräfte können künftig ferner das Verfahren zur Anerkennung ihres Abschlusses erst in Deutschland durchführen. Voraussetzung hierfür ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sog. Anerkennungspartnerschaft. Damit verbunden ist die Verpflichtung, das Anerkennungsverfahren zeitnah nach Einreise anzustoßen. Bisher musste dies gem. § 16d AufenthG vor der Einreise aus dem Ausland heraus beantragt und durchlaufen werden.

Die Zielsetzung der Reform ist es insgesamt, die Beschäftigung ausländischer Fachkräfte in Deutschland weiter zu erleichtern und die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu fördern. Gleichwohl steht diesem Anliegen aktuell immer noch eine erhebliche Überlastung der Ausländerbehörden entgegen. Ob die ambitionierten Pläne mit der Verwaltungswirklichkeit vereinbar sind, wird sich erst nach Umsetzung der Gesetzesnovelle zeigen.

IV. Haftungsrisiken illegaler Ausländerbeschäftigung für Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen stets die Voraussetzungen für die ­Beschäftigung von Ausländern gem. § 4a Abs. 5 AufenthG prüfen. Eine Beschäftigung von Ausländern ohne Aufenthaltstitel bzw. Arbeitserlaubnis steht unter Strafe; die Straftat- und Ordnungswidrigkeitentatbestände sind dabei über mehrere Gesetze verteilt. Nach. § 404 Abs. 3 SGB III kann eine Geldbuße von bis zu EUR 500.000 verhängt werden, wenn ein Arbeitgeber Ausländer beschäftigt, die nicht über die erforderliche Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis verfügen. Straftatbestände sind in §§ 10, 10a, 11 SchwarzArbG geregelt. Für die dort niedergelegten Fälle können bei „grobem Eigennutz“ sogar Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung kann im Übrigen § 98b AufenthG sein: Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde Anträge auf Subventionen in einem Zeitraum von fünf Jahren ablehnen, wenn an den Subventionsantragsteller eine Geldbuße nach § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III von wenigstens EUR 20.000 verhängt oder ein Straftatbestand der §§ 10, 10a, 11 SchwarzArbG erfüllt wurde. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge enthält § 98c AufenthG eine entsprechende Regelung.

V. Fazit

Die Reform der Fachkräfteeinwanderung bringt eine Fülle von Neuerungen mit sich, die punktuelle Erleichterungen für ausländische Fachkräfte und deren potenzielle Arbeitgeber bedeuten. Eine grundlegende Neugestaltung des Fachkräfteeinwanderungsrechtes ist jedoch nicht erkennbar. Aufgrund der erheblichen Haftungsrisiken in diesem Zusammenhang ist es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, die Voraussetzungen für die Beschäftigung ausländischer Fachkräfte sorgfältig zu prüfen. Dennoch bleiben aufgrund des nach wie vor bestehenden bürokratischen Aufwands und der komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen Unsicherheiten bestehen.

Rentenanpassung und Inflation

Wegen der seit der SARS-CoV-2-Pandemie gestörten Lieferketten und der Rohstoffengpässe infolge des Kriegs in der Ukraine ist die Inflationsrate in Deutschland seit 2020 deutlich angestiegen. Dies wirkt sich auch auf die Höhe einer nach § 16 BetrAVG zu leistenden Betriebsrentenanpassung aus: Der Verbraucherpreisindex (VPI, Basis 2020 = 100) ist in der Zeit von Juni 2020 bis Juni 2023 um 16,3 % gestiegen (Anpassungsstichtag 1. Juli 2023), während der Anstieg zwischen Juni 2017 und Juni 2020 nur 4 % betrug (Anpassungsstichtag 1. Juli 2020). Arbeitgeber sollten daher genau prüfen, ob und in welchem Umfang sie Anpassungsprüfungspflichten treffen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

I. In welchen Fällen kann eine Betriebsrentenanpassung unterbleiben?

Mittelbarer Durchführungsweg: Die betriebliche Altersversorgung wird über eine Direktversicherung oder über eine Pensionskasse durchgeführt und sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile werden ab Rentenbeginn zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet, § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG.

Zusageart: Die Versorgungszusagen sind als Beitragszusagen mit Mindestleistung ausgestaltet.

Schlechte wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber befindet sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage. Er verzeichnet Verluste oder nur eine geringe Eigenkapitalrentabilität.

II. Wenn die Betriebsrente dem Grunde nach anzupassen ist: In welchen Fällen braucht der Arbeitgeber die Rentenanpassung nicht nach dem Anstieg des Verbraucherpreisindexes zu bemessen?

1 %-Anpassung: Die Versorgungsordnung oder die Versorgungszusage enthält eine ausdrückliche Regelung zur Anpassung der Betriebsrenten, wobei sich der Arbeitgeber verpflichtet hat, die laufenden Leistungen um mindestens 1 % jährlich anzupassen, § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG. Eine solche Regelung ist für Zusagen, die vor 1999 erteilt wurden, nicht zulässig (§ 30c BetrAVG).

Nettolohnanstieg: Der Arbeitgeber wählt als Anpassungsmaßstab den Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens. Bei dem Anpassungsmaßstab „Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen“ stellt sich nicht nur die Frage nach der Auswahl der richtigen Vergleichsgruppe, sondern auch der Ermittlung der Nettolöhne.

III. Wenn eine Betriebsrentenanpassung erfolgen muss, kann sich der Arbeitgeber dieser Pflicht mit Verweis auf die Außerordentlichkeit der Inflationssteigerung entziehen? Nein, das ist nicht möglich. Im Einzelnen:

Kein Teilwiderruf: Eine Versorgungszusage ist eine langfristig angelegte Vertragsbeziehung, bei der im Zeitablauf Änderungen der äußeren Umstände eintreten können, die den jeweiligen Wert der Leistung beeinflussen. Soweit solche Änderungen vorhersehbar sind oder mit ihnen gerechnet werden muss, fallen sie unter die gegenseitige Risikotragung und rechtfertigen keinen Widerruf wegen der Störung der Geschäftsgrundlage. Das BAG (Urteil vom 22. April 1986 –
3 AZR 496/83) erkennt den Teuerungsausgleich für Betriebsrenten nicht als einen sachlichen Grund für eine Rentenkürzung an, weil die Betriebsrentenanpassung ihrerseits ein Ausdruck von Treu und Glauben sei. Insofern kann eine Rentenanpassung nicht vor dem Hintergrund der hohen Inflation ganz oder teilweise unterlassen werden.

Keine einmalige Kapitalzahlung statt regulärer Betriebsrentenanpassung: Eine Gestaltung derart, dass nur ein Teil des zu leistenden Inflationsausgleichs als Erhöhung der laufenden Rente gewährt wird und zusätzlich eine einmalige Kapitalzahlung, die aber nicht dauerhaft die Rente erhöht, ist nicht zulässig. Nach einer ebenfalls älteren Entscheidung des BAG (Urteil vom 31. Januar 1984 – 3 AZR 514/81) ist es zulässig, die Rentenanpassung in Kapitalform zu erbringen – dies allerdings nur dann, wenn lediglich die Kapitalzahlung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens gerecht werde.

IV. Welches Risiko besteht bei einer zu Unrecht unterlassenen Betriebsrentenanpassung?

Bei einer unterlassenen oder zu niedrig ausfallenden Betriebsrentenanpassung besteht das Risiko, dass die Betriebsrentner erfolgreich den vollen Anpassungsbetrag einklagen. Eine zu Unrecht unterlassene Betriebsrentenanpassung gilt nur dann als zu Recht unterlassen, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde,
§ 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG.

V. Welche Handlungsoptionen hat ein Arbeitgeber, wenn eine Betriebsrentenanpassung unterhalb des Anstiegs des Verbraucherpreisindexes oder unterhalb des Anstiegs der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen nicht in Betracht kommt?

Änderung der Versorgungszusage: Änderungen des Durchführungswegs (auf Direktversicherung oder Pensionskasse) oder der Auszahlungsform (von Rente auf Kapital) können für künftige Anpassungsstichtage eine Pflicht zur Anpassungsprüfung entfallen lassen. Wie bei allen Änderungen von Versorgungszusagen ist aber zu beachten, dass das richtige Änderungsinstrumentarium gewählt wird und bei verschlechternden Änderungen die Drei-Stufen-Theorie bzw. die Grundsätze des Vertrauensschutzes eingehalten werden bzw. bei Individualzusagen das Einverständnis des Versorgungsberechtigten vorliegt.

Rechtliche Befreiung von den Versorgungsverpflichtungen: Eine Anpassungsprüfungspflicht entfällt, sobald der Arbeitgeber sich rechtlich von den Versorgungsverpflichtungen befreien konnte. Dies kann z. B. – soweit im Einzelfall zulässig – durch Abfindungen erfolgen. Denkbar ist auch eine Auslagerung der Pensionsverpflichtungen gegenüber Rentnern und Ausgeschiedenen auf eine sog. Rentnergesellschaft.

VI. Beratungshinweis

Wenn der nächste Rentenanpassungsstichtag bevorsteht und Sie als Arbeitgeber prüfen lassen möchten, ob und in welcher Höhe Sie anpassen müssen, steht Ihnen unser auf betriebliche Altersversorgung spezialisiertes Pensions-Team unter assistants.pensions@luther-lawfirm.com zur Verfügung. Das Pensions-Team berät Sie auch zu möglichen Umgestaltungen der Versorgungsverpflichtungen, um zum nächsten Anpassungsstichtag nicht mehr unter die Anpassungsprüfungspflicht zu fallen.

Weiterer Hinweis: „Quick-Check Organvergütung“

Arbeitsrechtliche Compliance ist ein integraler Bestandteil verantwortungsvoller Unternehmensführung. Aufgrund aktueller rechtlicher Entwicklungen und medial viel beachteter Verfahren ist das Thema der Angemessenheit der Vergütung von Organpersonen verstärkt in den Fokus sowohl der Öffentlichkeit als auch der Finanzverwaltung gerückt. Für Aufsichtsräte und Mitglieder anderer Leitungsgremien ergeben sich bei der Festlegung der Vergütung von Geschäftsführern, Vorständen und sonstigen Organpersonen stetig wachsende Anforderungen und nicht zuletzt Haftungsrisiken. Eine regelmäßige, externe Überprüfung der aktuellen und anvisierten Vergütungsstrukturen ist daher unabdingbar. Aus unserer Sicht empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld einer beabsichtigten Vergütungsentscheidung einen unabhängigen Rat einzuholen: Denn einerseits können so kostspielige und langwierige Konsequenzen vermieden werden, andererseits wird hierdurch auch das persönliche Haftungsrisiko der beteiligten Entscheider erheblich reduziert. Regelmäßig bedarf es hierzu im ersten Schritt keiner umfassenden Begutachtung. Problematische Gestaltungen lassen sich häufig bereits im Rahmen einer summarischen Prüfung zuverlässig und kostengünstig identifizieren und abstellen. Unser Angebot: Der „Quick-Check Organvergütung“. Anhand eines Fragebogens überprüfen unsere Experten das aktuelle Vergütungsniveau Ihres Hauses und geben eine Einschätzung zu geplanten Vergütungsentscheidungen. Sprechen Sie Annekatrin Veit, die Autorin des vorstehenden Beitrags, bei Interesse gerne an (annekatrin.veit@luther-lawfirm.com). Selbstverständlich begutachten wir auch bereits laufende Vergütungen und unterstützen Sie bei der Lösung etwaiger Folgeprobleme

Verwertung von Beweismitteln aus offener Videoüberwachung auch bei datenschutzrechtswidrigem Verhalten

In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich selbst dann kein Verwertungsverbot für Aufnahmen aus einer offenen Videoüberwachung, wenn diese nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.

BAG, Urteil vom 29.6.2023 – 2 AZR 296/22

Der Fall

Der klagende Arbeitnehmer war in der Gießerei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Diese warf ihm vor, an einem Samstag eine sog. Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, sie dennoch vergütet zu bekommen. An besagtem Tag hatte der Kläger das Werksgelände zwar betreten, die Auswertung der Aufnahmen einer durch Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehenen Videokamera an einem der Tore des Betriebsgeländes ergab jedoch, dass er dieses noch vor Schichtbeginn wieder verlassen hatte. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin außerordentlich fristlos und später nochmal ordentlich. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. ArbG und LAG gaben dieser statt.

Die Entscheidung

Das BAG entsprach hingegen der Revision der Beklagten. Es mangele nicht an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung, da für die den Sachverhalt belegenden Videoaufzeichnungen weder ein Sachvortrags- noch ein Beweiserhebungsverbot bestehe. Der Schutz personenbezogener Daten sei kein uneingeschränktes Recht, sondern unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abzuwägen. Ein Verwertungsverbot komme nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweismittels wegen einer unions- oder grundrechtlichen geschützten Rechtsposition des Klägers zwingend geboten ist. Dies sei bei einer vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung, die von einer offenen Überwachungsmaßnahme erfasst wurde, regelmäßig nicht der Fall. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung könne nicht dazu dienen, sich der Verantwortung für vorsätzlich rechtswidriges Handeln zu entziehen – was das BAG mit dem Satz „Datenschutz ist kein Tatenschutz“ pointierte.

Ohne Bedeutung sei, dass das Piktogramm über die Videoüberwachung bei der Beklagten nicht gem. Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO gesondert auf eine Aufzeichnung und Speicherung hingewiesen hat, weil der Kläger damit angesichts der offenen Videoaufzeichnung habe rechnen müssen. Zuletzt scheitere eine Verwertung auch nicht an einer bei der Beklagten bestehenden Betriebsvereinbarung zur elektronischen Anwesenheitserfassung, die eine Regelung enthielt, wonach „keine personenbezogene Auswertung von Daten erfolgt“. Den Betriebsparteien fehle die Regelungsmacht, ein über das formelle Verfahrensrecht der ZPO hinausgehendes Verwertungsgebot zu begründen oder die Möglichkeit des Arbeitgebers zu beschränken, in einem Individualrechtsstreit Tatsachenvortrag über betriebliche Geschehnisse zu halten.

Unser Kommentar

Die Entscheidung überzeugt und lässt es nicht dazu kommen, dass aus Gründen des Datenschutzes anstelle des Opfers einer Pflichtverletzung der Täter geschützt wird. Auch unter dem aktuellen Datenschutzrecht sind sowohl offene als auch verdeckte Videoüberwachungen zulässig. Erfolgen Aufzeichnungen heimlich, müssen diese aber das einzige Mittel sein, eine strafbare Handlung oder eine andere schwere Pflichtverletzung aufzuklären – nur dann überwiegt das Beweisinteresse des Arbeitgebers die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Im Kontext von datenschutzwidrigem Verhalten entschied das BAG bereits zuvor, dass das aus einer verdeckten Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze gewonnene Beweismaterial nicht allein deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegt, weil es unter Verstoß gegen das (heute in § 4 Abs. 2 BDSG normierte) Gebot gewonnen wurde, bei Videoaufzeichnungen öffentlich zugänglicher Räume den Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle kenntlich zu machen (BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 153/11). Zentral in der hier vorgestellten Entscheidung ist zuletzt die eindeutige Klärung, dass durch Betriebsvereinbarung nicht der beweisrechtliche Umgang mit Überwachungsaufnahmen geregelt werden. Dahin gehende, bereits bestehende Regelungen können künftig ignoriert werden.

Keine Verletzung des Maßregelungsverbots wegen Wartezeitkündigung ungeimpfter Arbeitnehmer

Möchte der Arbeitgeber mit der Kündigung eines ungeimpften Arbeitnehmers vorrangig einen möglichst optimalen Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft erreichen, verstößt die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

BAG, Urteil vom 30.3.2023 – 2 AZR 309/22

Der Fall

Die klagende Arbeitnehmerin war seit Februar 2021 als medizinische Fachangestellte bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt, einer GmbH in kommunaler Trägerschaft und Betreiberin eines Krankenhauses. Im Hinblick auf die Möglichkeit zur Impfung gegen SARS-CoV-2 nahm die Klägerin weder die Angebote der Beklagten noch andere Optionen wahr. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit und begründete dies gegenüber dem Betriebsausschuss mit der fehlenden Impfung und dem fehlenden Willen der Klägerin, sich impfen zu lassen. Die Beklagte habe den Schutz der Patienten gegenüber den Interessen der Klägerin vorrangig berücksichtigen müssen.

Das ArbG nahm einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) an und gab der Kündigungsschutzklage der Klägerin statt, das LAG entsprach wiederum der Berufung der Beklagten.

Die Entscheidung

Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG und wies die Revision der Klägerin zurück. Die Kündigung sei nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gem. § 612a BGB i.V.m. § 134 BGB bzw. §§ 242, 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es fehle an der für einen Verstoß gegen § 612a BGB erforderlichen Kausalität zwischen dem ausgeübten Recht und der benachteiligenden Maßnahme.

Das wesentliche Motiv für die Kündigung sei nicht allein der Umstand gewesen, dass die Klägerin sich gegen eine Impfung entschieden hat, sondern der von der Beklagten beabsichtigte bestmögliche Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liege nur vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers den tragenden Beweggrund für die benachteiligende Maßnahme bietet. Wenn der Arbeitgeber aber aufgrund eines Motivbündels handele, so müsse auf das wesentliche Motiv abgestellt werden. Vorliegend seien keine über den von der Beklagten verfolgten optimalen Patientenschutz hinausgehenden Beweggründe ersichtlich; insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Beklagte die Kündigung als „Racheakt“ ausgesprochen habe, weil die Klägerin, sich nicht impfen lassen wollte.

Die Kündigung sei auch nicht wegen anderer als den von
§ 612a BGB erfassten Gründen gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Vor allem liege keinen Fall von Willkür vor, da mit der Kündigung ein legitimer Zweck verfolgt worden sei. Auch der Umstand, dass anderen ungeimpften Beschäftigten nicht gekündigt worden sei, führe zu keinem zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben, da diese Beschäftigten die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG bereits absolviert hatten und deshalb mit der Klägerin nicht vergleichbar seien.

Unser Kommentar

Die Entscheidung trägt zur Klärung einer der zahlreichen Rechtsfragen bei, die im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie entstanden sind. Der Fall verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse eines Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und dem von Arbeitgebern bezweckten Schutz des ebenfalls grundrechtlich geschützten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit von anderen Mitarbeitern und Kunden, hier den besonders vulnerablen Patienten in einem Krankenhaus. Zumindest im Hinblick auf eine in der Wartezeit ausgesprochene Kündigung besteht nun Klarheit, dass der Schutz von Patienten höher gewichtet werden kann als das Interesse eines ungeimpften Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Darüber hinaus enthält das Urteil des BAG auch allgemeine Ausführungen zu den Anforderungen an Wartezeitkündigungen, die nicht nur im Zusammenhang mit der Pandemie von Interesse sind: So legt das BAG bei seiner Abwägung grundrechtlich geschützter Interessen entscheidendes Gewicht darauf, dass ein Arbeitnehmer in der Wartezeit nur begrenztes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses haben kann.

Tarifliche Ausschlussfristen gelten weiterhin für Urlaubsabgeltungsansprüche

Ist ein Arbeitgeber seinen Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaub betreffend vor Veröffentlichung des EuGH-Urteils vom 6. November 2018 – C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) nicht nachgekommen, so begann der Lauf einer Ausschlussfrist erst am Tag nach der Veröffentlichung des Urteils. Hieraus resultiert ein Vertrauensschutz, solange entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung die erfolgreiche Geltendmachung des Urlaubabgeltungsanspruchs hat aussichtslos erscheinen lassen.

BAG, Urteil vom 31.1.2023 – 9 AZR 244/20

Der Fall

Der Kläger war bei einem Zeitungsverlag zunächst als sog. „Pauschalist“ tätig und später als Online-Redakteur angestellt. Nach dem anwendbaren Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen (MTV) sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen, um nicht zu verfallen. Während seiner Tätigkeit als Pauschalist wurde dem Kläger kein Urlaub gewährt. Erstmals im August 2018 forderte der Kläger Abgeltung von Urlaub im Umfang von 65 Tagen mit einem Wert von EUR 14.391,50 brutto. Die Beklagte verwies auf den Verfall und die Verjährung der Forderung. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung

Die Revision des Klägers war indes erfolgreich. Das BAG bestätigte, dass Ansprüche auf Urlaubsabgeltung als reine Geldansprüche tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfalle die Obliegenheit des Arbeitgebers zur Realisierung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers und dessen strukturell schwächere Position. Der Abgeltungsanspruch unterfalle dann der dreijährigen Regelverjährung, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entstanden sei. Bis zum Urteil des EuGH in der Rechtssache Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften sei die Verjährung gleichwohl gehemmt gewesen: Zuvor sei das BAG davon ausgegangen, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers verfallen würden. Die klageweise Geltendmachung sei deshalb zum maßgeblichen Bewertungszeitpunkt (Entstehung des Anspruchs im Jahr 2014) unzumutbar gewesen, da ihr höchstrichterliche Rechtsprechung entgegenstand. Erst mit Änderung der Rechtslage sei das Hindernis für die Geltendmachung des Anspruchs beseitigt und die Verjährung nicht mehr gehemmt gewesen.

Als Geldanspruch unterliege der Abgeltungsanspruch der tariflichen Ausschlussfrist, wobei diese mit der Fälligkeit des Anspruchs beginne und hier so auszulegen sei, dass sie nicht in Konflikt mit höherrangigem Recht (konkret dem BUrlG) stehe, das seinerseits unionsrechtskonform auszulegen sei. Da dem Kläger aufgrund der damaligen Rechtsprechung des BAG zum Verfall von Urlaubsansprüchen eine Geltendmachung seiner Ansprüche nicht zuzumuten gewesen sei, habe die Ausschlussfrist infolgedessen erst am 7. November 2018 zu laufen begonnen – dem Tag nach der Verkündung des EuGH-Urteils.

Unser Kommentar

Das BAG bestätigt, dass auch vor den Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers Urlaubsabgeltungsansprüche durch tarifliche Ausschlussfristen verfallen können. Zugleich modifiziert es den Zeitpunkt des Fristbeginns in Fällen, in denen eine Klageerhebung für Arbeitnehmer aufgrund seiner entgegenstehenden Rechtsprechung unzumutbar erschien. Diese „Übergangsfrist“ wird jedoch nur noch in den wenigen Fällen relevant sein, in denen auf Urlaubsabgeltung gerichtete Verfahren bereits anhängig sind; ansonsten sind die Verfalls- und Verjährungsfristen mittlerweile abgelaufen. Davon abgesehen haben Arbeitgeber, die nicht vor dem drohenden Urlaubsverfall am Jahresende warnen und zur Realisierung des Urlaubs auffordern, weiterhin unverändert jedenfalls den deshalb unverfallbaren Mindesturlaub gem. § 3 Abs. 1 BUrlG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Erst ab dieser Zäsur kommt es ansonsten nicht mehr auf die Erfüllung der urlaubsrechtlichen Mitwirkungspflichten an. Der Abgeltungsanspruch verjährt dann in drei Jahren – soweit er nicht bereits zuvor aufgrund von Ausschlussfristen verfallen ist.

Zulässigkeit eines „Sozialplan Null“ bei wirtschaftlicher Unvertretbarkeit von Sozialplanleistungen

Die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans ist regelmäßig überschritten, wenn die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verbindlichkeiten zu einer Illiquidität des Unternehmens, seiner bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt.

BAG, Beschluss vom 14.2.2023 – 1 ABR 28/21

Der Fall

Die am Verfahren beteiligten Arbeitgeber unterhielten einen Gemeinschaftsbetrieb. Das erste beteiligte Unternehmen schrieb seit Jahren rote Zahlen, die die andere Gesellschaft bis 2015 im Rahmen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ausglich. Ab dem Jahr 2017 war das Eigenkapital der ersten Arbeitgeberin aufgezehrt. Im Oktober 2019 wies ihre Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag iHv etwa EUR 12 Mio. aus, Ende 2019 waren es EUR 15,8 Mio., dazu kamen Verbindlichkeiten von ca. EUR 19 Mio. Bereits im Oktober 2018 erteilte eine britische Konzerngesellschaft der strauchelnden Gesellschaft eine begrenzte Liquiditätszusage von EUR 4 Mio. für eine insolvenzvermeidende Betriebsstillegung bis Ende 2019, die explizit nicht für Sozialplanleistungen galt. Die Stilllegung erfolgte sodann zum 30. April 2019.

Ende 2019 beschloss die gerichtlich eingesetzte Einigungsstelle einen Sozialplan, der mit insgesamt EUR 3 Mio. ausgestattet sein sollte. Die beteiligten Arbeitgeber fochten den Spruch daraufhin an und machten geltend, dass die Einigungsstelle ihr Ermessen überschritten habe, weil das Sozialplanvolumen wirtschaftlich für die erste, finanziell kriselnde Gesellschaft nicht vertretbar sei. Den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs wiesen die Vorinstanzen ab.

Die Entscheidung

Der Erste BAG-Senat entsprach indes der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeber. Der Einigungsstellenspruch sei unwirksam, da diese ihren Ermessensspielraum überschritten habe, weil das Sozialplanvolumen die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für die erste Gesellschaft übersteigt. Auch bei konzernangehörigen Unternehmen richte sich diese Grenze nach den Verhältnissen des sozialplanpflichtigen Arbeitgebers selbst. Ein Sozialplan sei nicht mehr wirtschaftlich vertretbar, wenn dessen Erfüllung zu einer Illiquidität, einer bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt. Dies gelte auch, wenn nach einer Betriebsstillegung keine Arbeitsplätze mehr vorhanden sind. Vorliegend sei das Sozialplanvolumen schon deshalb nicht wirtschaftlich vertretbar gewesen, weil die betroffene Gesellschaft bilanziell überschuldet war, dazu sei ihr Eigenkapital schon seit Jahren aufgebraucht gewesen. Auch aus der Liquiditätszusage des britischen Schwesterunternehmens ergebe sich nichts anderes, da diese nur bis Ende 2019 und nicht für Sozialplanleistungen galt.

Unser Kommentar

Das BAG erwähnt den Begriff „Sozialplan Null“ nicht, zeigt durch die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen und seine Begründung aber, dass auch ein äußerst niedriger oder undotierter Sozialplan zulässig sein muss, wenn keine finanziellen Mittel für Abfindungsleistungen zur Verfügung stehen. In der Praxis behandelt die Einigungsstelle die wirtschaftliche Lage des Unternehmens fast immer sehr stiefmütterlich und orientiert sich primär am Ausgleichs- bzw. Milderungsbedarf der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Findet keine eingehende Prüfung der finanziellen Situation des Arbeitgebers statt, hat ein Sozialplan in der Folge ggfs. in einem kriselnden Unternehmen dasselbe Volumen wie in einem leistungsstarken. Das BAG lässt zwar grundsätzlich Belastungen bis an die Grenze der Bestandsgefährdung zu – dies heißt aber nicht, dass der Spruch der Einigungsstelle zur Insolvenz führen darf. Die Erfurter Richter verleihen der Korrekturfunktion der wirtschaftlichen Vertretbarkeit nun glücklicherweise mehr Gewicht, was auch zu einer intensiveren ­Berücksichtigung der finanziellen Lage in Einigungsstellenverfahren führen dürfte.

„Besser verhandeln“ ist kein zulässiges Kriterium für Entgeltunterschiede

Individuelles Verhandlungsgeschick ist kein Argument, um unterschiedliche Entlohnung von Männern und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu rechtfertigen. Wollen Arbeitgeber Entgeltunterschiede machen, müssen sie sich an sachliche Gründe wie einschlägige Berufserfahrung oder Personalgewinnungsschwierigkeiten halten.

BAG, Urteil vom 16.2.2023 – 8 AZR 450/21

Der Fall

Eine seit März 2017 im Vertrieb beschäftigte Arbeitnehmerin klagte auf Zahlung rückständiger Vergütung und Entschädigung i. H. v. EUR 6.000, weil sie sich aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt fühlte. Hierbei bezog sie sich auf einen neben ihr seit Januar 2017 beschäftigten männlichen Arbeitnehmer, dem die beklagte Arbeitgeberin zunächst – so wie der Klägerin – ein Grundgehalt von EUR 3.500 brutto monatlich angeboten hatte. Anders als die Klägerin, die das Angebot akzeptiert hatte, forderte der Mann jedoch EUR 1.000 brutto monatlich mehr. Die Beklagte ließ sich darauf ein und vergütete den männlichen Arbeitnehmer sodann entsprechend höher.

Die Entscheidung

Im Unterschied zu den Vorinstanzen gab das BAG der Klage in fast allen Punkten statt, allerdings sprach es der Klägerin nur eine Entschädigung von EUR 2.000 zu. Durch das niedrigere Grundentgelt der Klägerin bestehe bei gleicher Arbeit die Vermutung einer Geschlechterdiskriminierung. Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast entschieden die Erfurter Richter bereits zuvor, dass es die Vermutung einer Geschlechterdiskriminierung gem. § 22 AGG begründe, wenn eine Arbeitnehmerin aufzeigen kann, dass sie weniger als ein männlicher Vergleichskollege verdient (BAG, Urteil vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19). In der Folge obliege es dem Arbeitgeber, die Diskriminierungsvermutung nach den Maßstäben des Vollbeweises zu widerlegen. Gelingt ihm dies nicht, geht dies zu seinen Lasten.

Vorliegend habe die Arbeitgeberin die Vermutung der geschlechtsbezogenen Benachteiligung nicht entkräften können. Die von ihr vorgebrachten Argumente wie Personalgewinnungsschwierigkeiten und die Lage auf dem Arbeitsmarkt seien zwar dafür durchaus geeignet, Voraussetzung sei aber, dass das höhere Entgelt tatsächlich unumgänglich gewesen sei, um die offene Position zu besetzen. Dies sei hier nicht dargetan. Ebenso ist nach Ansicht des BAG „besseres Verhandlungsgeschick“, worauf sich die Arbeitgeberin zudem berufen hatte, für sich betrachtet kein ausreichendes Kriterium für Entgeltunterschiede. Ließe man dies als Rechtfertigungsgrund zu, könnten sich Arbeitgeber zu leicht der Beachtung des Grundsatzes der geschlechtsbezogenen Entgeltgleichheit entziehen. Zwar könne eine bessere Qualifikation eine höhere Vergütung rechtfertigen, auch dies sei hier aber nicht dargelegt worden.

Unser Kommentar

Führen diese Maßstäbe zum Ende von Gehaltsverhandlungen? Vermutlich nicht. Schließlich kann auch weiterhin mit der besseren Qualifikation argumentiert werden, etwa aufgrund einer fachspezifischen Ausbildung oder wegen einschlägiger Berufserfahrung. Beide Gründe wurden sowohl vom BAG als auch vom EuGH (Urteil vom 28. Februar 2013 – C-427/11 [Kenny u. a.]) explizit anerkannt, um eine geschlechtsspezifische Benachteiligungsvermutung zu entkräften. Ebenso kann aufgrund von Personalgewinnungsschwierigkeiten auf höhere Gehaltsforderungen eingegangen werden. Gleichwohl sind die Anforderungen an die Darlegung dieser Gründe nunmehr gestiegen. Wollen oder müssen Arbeitgeber Entgeltunterschiede machen, haben sie sich strikt an die in § 3 Abs. 2 Satz 2 EntgTranspG genannten „arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogenen Kriterien“ zu halten. Rechtsprechung hierzu existiert indes bisher kaum; will ein Arbeitgeber einer dringend gesuchten Fachkraft also mehr als einer vergleichbaren Person anderen Geschlechts zahlen, so ist der Arbeitgeber gut beraten, die (erfolglose) Suche zum bisherigen Entgelt sorgsam zu dokumentieren.

Geltung der tariflichen Vergütungsordnung als betriebliches Gesamtentgeltschema

Der tarifgebundene Arbeitgeber ist betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet einer Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer auf die gesamte Belegschaft anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen; dies gilt auch bei Nachbindung des Tarifvertrags.

BAG, Beschluss vom 14.2.2023 – 1 ABR 9/22

Der Fall

Die beteiligte Arbeitgeberin war bis Ende 2020 Mitglied in einem Unterverband von METALL NRW, der mit der IG Metall im Jahr 2003 ein Entgeltrahmenabkommen (ERA NRW) schloss. Dieses regelt u. a. die Eingruppierung in Entgeltstufen, wobei die konkreten Gehälter in einem weiteren Entgeltabkommen festgelegt wurden, das die IG Metall zum 31. Dezember 2020 kündigte. Zwischen Sommer 2018 und Herbst 2020 nahm die Arbeitgeberin 28 Einstellungen und Versetzungen vor, bei denen sie größtenteils in ein alternatives Vergütungssystem eingruppierte. Der Betriebsrat stimmte den Einstellungen und Versetzungen zu, nicht aber den beabsichtigten Eingruppierungen; Zustimmungsersetzungsverfahren leitete die Arbeitgeberin nicht ein. Der Betriebsrat machte daraufhin geltend, dass die Arbeitgeberin die unter das ERA fallenden Arbeitnehmer weiterhin in die darin vorgesehenen Entgeltstufen eingruppieren und ihn hieran beteiligen müsse. Seinem diesbezüglichen Antrag gab das ArbG statt, das LAG wies ihn auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hin ab.

Die Entscheidung

Das BAG entsprach wiederum der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats. Dieser könne von der Arbeitgeberin eine Eingruppierung von Arbeitnehmern, die unter den persönlichen Anwendungsbereich des ERA NRW fallen, in die darin vorgesehenen Entgeltgruppen verlangen, und dass diese das Beteiligungsverfahren nach § 99Abs. 1 BetrVG einhält oder ein Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99Abs. 4 BetrVG durchführt. Der Anspruch folge aus § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat dem Arbeitgeber bei einem groben Verstoß gegen seine Pflichten aus dem BetrVG durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen kann, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Weil die Arbeitgeberin hier wiederholt gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen habe, indem sie das Beteiligungs- bzw. Zustimmungsersetzungsverfahren nicht berücksichtigt hat, seien die Voraussetzungen der Norm erfüllt. Die Pflicht zur Ein- und Umgruppierung sowie zur Beteiligung des Betriebsrats dienten der einheitlichen Anwendung der zutreffenden Vergütungsordnung und sorgten so für Transparenz und innerbetriebliche Lohngerechtigkeit. Bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber stelle die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts dar. Der tarifgebundene Arbeitgeber sei betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifbindung der Arbeitnehmer anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung gem. § 87Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Das Entgeltschema des ERA NRW habe hier mithin die anzuwendende Vergütungsordnung dargestellt.

Unser Kommentar

Damit die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung für alle unter dessen Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer das im Betrieb geltende Entgeltsystem darstellt und bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern keine Schutzlücken entstehen, kommt es auf eine Tarifgebundenheit durch Mitgliedschaft oder arbeitsvertragliche Bezugnahme nicht an (so zuvor auch bereits BAG, Beschluss vom 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10). Dies gilt auch im Nachbindungs- und Nachwirkungszeitraum des Tarifvertrags gem. § 3 Abs. 3 bzw. § 4 Abs. 5 TVG. Die tarifliche Vergütungsordnung wird nur durch ein neues tarifliches Entgeltschema abgelöst – was dann aber auch gelten muss, wenn der Arbeitgeber einen Verbandswechsel vollzieht. Das BAG lehnt daneben erfreulicherweise einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats ab und verbleibt vielmehr bei den im Rahmen von § 101 BetrVG und § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gegebenen Möglichkeiten. Die Vorschrift des § 23 BetrVG ist dabei an das Vorliegen konkreter Voraussetzungen gebunden, sodass hierüber gerade nicht jeder Verstoß des Arbeitgebers geahndet werden kann

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung

Hinsichtlich der Ausgestaltung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung hat der Betriebsrat vorbehaltlich künftiger anderweitiger gesetzlicher Regelungen nach § 87Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 3Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ein Mitbestimmungs- und Initiativrecht.

LAG München, Beschluss vom 22.5.2023 – 4 TaBV 24/23

Sachverhalt

Die konzernangehörige Arbeitgeberin und der bei ihr gebildete Betriebsrat streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung von Außendienstmitarbeitern. Für Innendienstmitarbeiter bei der Arbeitgeberin erfolgt die Arbeitszeiterfassung bereits mittels eines vom Konzernbetriebsrat mitbestimmten Systems. Sie vertritt die Auffassung, dass aufgrund der bereits bestehenden gesetzlichen Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ein Mitbestimmungsrecht des örtlichen Betriebsrats über das „Ob“ ausscheide und beim „Wie“ der Konzernbetriebsrat zuständig sei, weil eine unterschiedliche Handhabung zwischen den Mitarbeitergruppen nicht möglich sei. Dem Antrag des Betriebsrats auf Einsetzung der Einigungsstelle gab das ArbG München dennoch statt.

Beschluss

Ebenso entschied das LAG und wies die Beschwerde der Arbeitgeberin zurück. Es bestünden keine hinreichenden Zweifel gem. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG an der Einsetzung der Einigungsstelle. Der zulässige Regelungsgegenstand ergebe sich aus dem Mitbestimmungsrecht des örtlichen Betriebsrats in Fragen des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Zwar bestünde in der Tat kein Mitbestimmungsrecht über das „Ob“ der Zeiterfassung, da insoweit bereits eine gesetzliche Pflicht aus § 3 Abs. 2 Nr.1 ArbSchG folge und kein Gestaltungsspielraum verbleibe. Ein solcher bestehe gleichwohl auf das „Wie“, also hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der täglichen Arbeitszeiterfassung, etwa in Bezug auf die Art der Erfassung oder Unterschiede zwischen den Beschäftigungsgruppen. Vorbehaltlich einer abweichenden Neuregelung durch den Gesetzgeber ergebe sich daher ein Initiativrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Dass Mitbestimmungsrecht hänge dabei nicht vom Umsetzungswillen des Arbeitgebers ab, da für die Zeiterfassung eine gesetzliche Handlungspflicht bestehe. Zwar bestimme das Gesetz keine bestimmte Erfassungsform, das Mitbestimmungsrecht diene jedoch gerade dazu, den Regelungsbedürfnissen der betroffenen Beschäftigten durch gleichberechtigte Mitsprache im Rahmen der bestehenden Handlungsspielräume bei einer möglichst effektiven Umsetzung des Gesundheitsschutzes in ihrem jeweiligen Betrieb Rechnung zu tragen. Hierfür sei stets der örtliche Betriebsrat als sachnäheres Gremium zuständig.

Unser Kommentar

Das LAG folgt der viel beachteten Entscheidung des BAG zur Arbeitszeiterfassung aus dem letzten Jahr (BAG, Urteil vom 13. September 2022 – 1 ABR 21/22) und trägt mit seiner Entscheidung zur weiteren Durchsetzung der Mitbestimmungsrechte bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung bei. Die Berücksichtigung möglicher gesetzlicher Neuregelungen lehnt das Gericht aktuell zurecht ab. Ein Blick auf den vom BMAS nur einen Monat vor der Entscheidung veröffentlichten Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes zeigt zudem, dass sich daraus für die Frage der Mitbestimmung bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung voraussichtlich sowieso keine Änderungen ergeben würden (siehe hierzu ausführlich den Beitrag in unserem Newsletter 2/2023). Im Entwurf heißt es im Übrigen, dass eine konkrete Form der Zeiterfassung nicht vorgegeben werden soll; ob und wie die Gesetzesreform kommt, bleibt abzuwarten.

Personalgestellung im öffentlichen Dienst ist keine Leiharbeit

Die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG ist nicht auf eine Situation anwendbar, in der der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers dauerhaft zu einem Drittunternehmen verlagert wird und dieser aufgrund einer tarifvertraglichen Vorschrift des öffentlichen Dienstes selbst dann fortan den Weisungen des Drittarbeitgebers unterliegt, wenn er von seinem Widerspruchssprecht in Bezug auf den Übergang des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht hat und dieses somit an sich zum vorherigen Arbeitgeber fortbesteht.

EuGH, Urteil vom 22.6.2023 – C-427/21 (ALB FILS KLINIKEN)

Der Fall

Der Ausgangsrechtsstreit stammt aus Deutschland. Auf das Arbeitsverhältnis des darin klagenden Arbeitnehmers fand der TVöD Anwendung. Im Sommer 2018 gliederte die beklagte Arbeitgeberin, eine Klinik, mehrere Arbeitsbereiche auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft aus, wodurch auch das Arbeitsverhältnis des Klägers auf diese übergehen sollte. Dieser machte zwar von seinem Widerspruchsrecht aus § 613a Abs. 6 BGB Gebrauch, sodass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbestand, gleichwohl wurde er im Wege der Personalgestellung gem. § 4 Abs. 3 TVöD verpflichtet, seine Arbeitsleistung fortan für die Tochtergesellschaft zu erbringen. Der Kläger begehrte daraufhin die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, seine Arbeit bei der Tochtergesellschaft zu erbringen. ArbG und LAG wiesen die Klage ab, das BAG fragte beim EuGH an, ob die Personalgestellung nach dem TVöD in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt.

Die Entscheidung

Laut EuGH folge für die Anwendbarkeit der Leiharbeitsrichtlinie bereits aus deren Art. 1 Abs. 1, dass ein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis zu dem Zweck eingegangen werden muss, den Arbeitnehmer – wiederholt – entleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Ferner müsse das Arbeitsverhältnis mit einem entleihenden Unternehmen seiner Natur nach vorübergehend sein. In der Folge müsse sowohl bei Abschluss des Arbeitsvertrags als auch bei jeder tatsächlichen Überlassung die Absicht bestehen, den Arbeitnehmer dem Entleiher vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Im vorliegenden Fall erbringe der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zwar für ein Drittunternehmen und unterliege dabei dessen Aufsicht und Leitung i.S.d. Art. 1 Abs. 1 RL 2008/104/EG, allerdings sei zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen, ihn einem entleihenden Unternehmen vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Das Arbeitsverhältnis zu seiner bisherigen Arbeitgeberin bestehe zudem nur fort, weil er von seinem Widerspruchsrecht im Zuge des Betriebsübergangs Gebrauch gemacht habe. Etwas anderes folge auch nicht aus den Zielen der Richtlinie, die einen Ausgleich zwischen unternehmerischer Flexibilität und Arbeitnehmerschutz bezwecke – was im Ausgangsfall aber jeweils unbedeutend sei.

Unser Kommentar

Der EuGH stellte den vorübergehenden Charakter der Leiharbeit zuletzt bereits in Bezug auf die Höchstüberlassungsdauer und -anzahl heraus (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 – C-681/18 [KG – Missions successives dans le cadre du travail intérimaire]). Die Personalgestellung im öffentlichen Dienst ist indes grundsätzlich auf Dauer angelegt – anders als die Zuweisung gem. § 4 Abs. 2 TVöD – und daher selbst mit einem längeren Leiharbeitseinsatz nicht vergleichbar. Betroffene Arbeitnehmer haben deshalb auch nicht dasselbe Schutzbedürfnis wie Leiharbeitnehmer. Dies gilt erst Recht, wenn das Arbeitsverhältnis eigentlich übertragen werden sollte und nur noch aufgrund der Systematik des anzuwendenden Betriebsübergangsrechts besteht.

Rechtssprechung in Kürze

Diskriminierung wegen sexueller Orientierung bei Nichtabschluss eines Dienstvertrags

EuGH, Urteil vom 12.1.2023 – C-356/21
(TP [Monteur audiovisuel pour la télévision publique])

Eine nationale Gesetzesvorschrift zur freien Wahl des Vertragspartners, die legitimiert, dass die mit einem Beschäftigten regelmäßig vereinbarten Dienstverträge aufgrund seiner sexuellen Orientierung nicht mehr abgeschlossen oder verlängert werden können, ist nicht mit der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG vereinbar.

Der Fall

Der Ausgangsrechtsstreit stammt aus Polen. Der klagende Beschäftigte schloss seit 2010 Dienstverträge mit der beklagten Arbeitgeberin, einem TV-Sender, dessen alleiniger Anteilseigner der polnische Staat ist. Ende November 2017 schlossen die Parteien einen neuerlichen Vertrag mit einer Laufzeit von einem Monat. Nachdem der Kläger und sein Lebensgefährte auf YouTube ein weihnachtliches Musikvideo veröffentlichten, mit dem sie für Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren warben, wurden die Einsätze des Klägers wieder gestrichen; dazu schloss die Beklagte keine neuen Verträge mehr mit ihm ab. Der Kläger forderte daraufhin Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer Diskriminierung aufgrund seiner sexuellen Orientierung. Das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht legte daraufhin dem EuGH die Frage vor, ob eine Vorschrift aus dem polnischen Gleichbehandlungsgesetz, wonach die freie Wahl des Vertragspartners vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen wird, mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c RL 2000/78/EG vereinbar sei.

Die Entscheidung

Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a RL 2000/78/EG gilt die Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit. Der Begriff der Einstellungsbedingungen ist laut EuGH weit zu verstehen und umfasse den Zugang zu jeder beruflichen Tätigkeit, nicht nur für Arbeitnehmer. Notwendig sei allein, dass sich eine berufliche Tätigkeit von der bloßen Lieferung von Gütern bzw. der Erbringung von Dienstleistungen unterscheide und dass sie im Rahmen einer durch eine gewisse Stabilität gekennzeichneten Rechtsbeziehung ausgeübt wird. Die Weigerung, aufgrund der sexuellen Orientierung keine Dienstverträge mehr zu schließen, falle daher als Diskriminierung in den Geltungsbereich der Richtlinie. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c RL 2000/78/EG gelte die Richtlinie zudem „in Bezug auf […] Entlassungsbedingungen […]“. Auch dieser Begriff sei weit zu verstehen, sodass unter den Terminus der „Entlassung“ auch andere Formen der unfreiwilligen Vertragsbeendigung zu fassen seien.

Elektronischer Rechtsverkehr und Word-Dateien

BAG, Beschluss vom 29.6.2023 – 3 AZR 3/23

Das BAG hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) im Word-Format eingelegte Berufung den Formvoraussetzungen des elektronischen Rechtsverkehrs genügt.

Der Fall

In einem Rechtsstreit über Ruhegeld wies das ArbG Frankfurt am Main die Klage am 12. Januar 2022 ab. Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten am 21. Januar 2022 zugestellt. Am 21. Februar 2022 legte ein ordnungsgemäß bevollmächtigter und bestellter neuer Klägervertreter Berufung ein. Der Schriftsatz wurde dem Hessischen LAG via beA im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt – allerdings, da dem Klägervertreter laut eigenen Angaben vorübergehend die technischen Möglichkeiten zur Umwandlung des Dokuments in ein PDF fehlten, als Word-Datei. Der Schriftsatz wurde durch das LAG ausgedruckt, mit einem Eingangsstempel vom „21. Feb. 2022“ versehen und zur führenden Papierakte genommen. Anschließend rügte das LAG, dass die Übermittlung der Berufungsschrift im Word- statt im PDF-Format nicht den gesetzlichen Formvorschriften genüge. In der Folge verwarf es die Berufung als unzulässig. Die Klägerin wehrte sich hiergegen im Wege der Revisionsbeschwerde.

Die Entscheidung

Das BAG half der Revisionsbeschwerde ab, hob den Beschluss des LAG auf und verwies die Rechtssache an dieses zurück. Die Berufungsschrift sei zwar nicht wie in § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV vorgesehen als PDF-Dokument übermittelt worden. Dies stelle aber keine Voraussetzung für die wirksame Einreichung eines elektronischen Dokuments dar, wenn das Gericht – wie hier – weiterhin eine Papierakte führt, der Schriftsatz druckbar war und sodann auch ausgedruckt i.S.v. § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Papierakte genommen wurde. In diesem Fall sei der Schriftsatz gem. § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur „Bearbeitung durch das Gericht geeignet“.

Anknüpfungspunkte für die Geschäftszielerreichung bei einer Bonusgewährung

BAG, Urteil vom 25.1.2023 – 10 AZR 319/20

Werden als Voraussetzung für einen Bonus im Rahmen einer Zielvereinbarung sowohl individuelle als auch Geschäftsziele bestimmt, so beziehen sich letztere ohne eindeutig anderslautende Regelungen nur auf die Geschäftszielerreichung des Arbeitgeberunternehmens und/oder des Geschäftsbereichs des Begünstigten.

Der Fall

Die klagende Arbeitnehmerin arbeitet für ein Pharmaunternehmen, das Teil eines internationalen Konzerns ist. Abhängig von einer Zielerreichung erhält sie jährliche einen Bonus, dessen Voraussetzungen in einer Betriebsvereinbarung geregelt sind. Darin ist u. a. vorgesehen, dass das Unternehmen oder der Geschäftsbereich die zu erreichenden Geschäftsziele und den damit verbundenen Berechnungsfaktor festlegt. Im April 2017 teilte die Beklagte die Geschäftsziele und die wirtschaftlichen Kennzahlen im anstehenden Bonusjahr mit, nachfolgend erhielt wegen negativer Ergebnisse im Gesamtkonzern indes keiner der Mitarbeiter der Beklagten einen Bonus für 2017. Die Klägerin forderte daraufhin für sich dennoch eine volle Bonuszahlung, da die Geschäftszielerreichung nur für ihren Geschäftsbereich zu ermitteln sei und 98,58 % betrage. Die Beklagte meint, die Geschäftsziele seien konzernweit zu betrachten und hätten dort den für einen Bonus notwendigen Schwellenwert von 80 % nicht erreicht. Der darauffolgenden Klage gaben ArbG und LAG statt.

Die Entscheidung

Das BAG gab hingegen der Revision der Beklagten statt. Die Voraussetzungen für den Bonusanspruch der Klägerin seien zwar an sich erfüllt, in welcher Höhe dieser für 2017 besteht, sei jedoch offen, da die Vorinstanzen nicht schlichtweg von einem Zielerreichungsgrad von 100 % hätten ausgehen dürfen. Die Festlegung der geschäftsspezifischen Ziele stehe im Ermessen der Beklagten. Aus der BV Bonus ergebe sich derweil, dass nur geschäftsbereichs- und unternehmensbezogene Ziele bonusrelevant sein können, weshalb die Festsetzung des Faktors auf „Null“ aufgrund er Konzernergebnisse nicht billigem Ermessen entspreche. Die vom LAG vorgenommene Ersatzleistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB halte selbst der eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand, weil das LAG angenommen habe, dass die Beklagte zur Erreichung der Geschäftsziele nichts darlegt habe, obwohl dies geschehen sei. Infolgedessen seien wesentliche Umstände zur Bonushöhe unberücksichtigt geblieben. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten sei nach deren eigenen Zahlen von einer Zielerreichung über 80 % auszugehen, wobei weitere Einzelziele diesen Wert eher noch erhöhen.

Herabstufungen in der Sozialauswahl wegen Rentennähe

BAG, Urteil vom 8.12.2022 – 6 AZR 31/22

Bei der Sozialauswahl darf beim Lebensalter zulasten von Arbeitnehmern nicht nur berücksichtigt werden, dass diese bereits eine Regelaltersrente beziehen können, sondern auch, wenn dies innerhalb von zwei Jahren nach dem beabsichtigten Ende des Arbeitsverhältnisses abschlagsfrei möglich wird.

Der Fall

Die klagende Arbeitnehmerin war seit 1972 im Vertrieb der Arbeitgeberin beschäftigt und konnte ab Dezember 2020 Altersrente für besonders langjährig Versicherte beziehen. Anfang März 2020 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet, woraufhin der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste schlossen. In ihrer Vergleichsgruppe war die Klägerin die älteste und dennoch einzige Arbeitnehmerin aus dieser Gruppe auf der Namensliste, weil sie aufgrund ihrer Rentennähe im zugrunde liegenden Punkteschema herabgesetzt wurde. Ihr Arbeitsverhältnis wurde zum
30. Juni 2020 und noch einmal im Herbst 2020 gekündigt; ihrer Kündigungsschutzklage gab das ArbG statt, das LAG wies die Berufung dagegen zurück.

Die Entscheidung

Das BAG entsprach dagegen teilweise der Revision des beklagten Insolvenzverwalters. Dessen erste Kündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, da sie wegen grober Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht sozial gerechtfertigt gewesen sei. Nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO könne die Sozialauswahl unter Außerachtlassung einer etwaigen Schwerbehinderung nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden. Die Auswahl im Interessenausgleich erweise sich hier indes nicht bereits deshalb als grob fehlerhaft, weil darin die Rentennähe der Klägerin berücksichtigt worden ist. Bei der Gewichtung des Lebensalters könne nicht nur die Möglichkeit einbezogen werden, dass ein Arbeitnehmer eine Regelaltersrente bezieht, sondern auch, dass spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem anvisierten Ende des Arbeitsverhältnisses die Regelaltersrente oder eine andere (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei bezogen werden kann. Letzteres gelte nur dann nicht, wenn es sich um eine Altersrente für Schwerbehinderte (§§ 37, 236a SGB VI) handele; ausgenommen seien ferner solche Arbeitnehmer, die beim Ende des Arbeitsverhältnisses die Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte noch nicht erfüllt haben. Die Klägerin habe mithin als rentennah eingestuft werden können, gleichwohl sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft, weil darin das Kriterium „Betriebszugehörigkeit“ unzureichend bewertet worden sei. Die zweite Kündigung habe das Arbeitsverhältnis allerdings letztlich aufgelöst.

Kostenfreistellungsanspruch des Betriebsrats bei an den Arbeitgeber adressierter Rechnung

BAG, Beschluss vom 8.3.2023 – 7 ABR 10/22

Der Anspruch des Betriebsrats auf die Freistellung von Kosten gegen den Arbeitgeber setzt keine an den Betriebsrat adressierte Rechnung über die eingegangene Verbindlichkeit voraus.

Der Fall

Die Arbeitgeberin, eine ÖPNV-Betreibergesellschaft, und der bei ihr gebildete Betriebsrat streiten über die Freistellung von Kosten, die für die anwaltliche Vertretung des Betriebsrats in einer Einigungsstelle angefallen sind. Der Betriebsrat beschloss vor Beginn der Einigungsstelle die Beauftragung eines Rechtsanwalts über eine Agentur, mit der auch die Honorarvereinbarung geschlossen wurde. Eine von dieser an die Arbeitgeberin adressierte Rechnung beglich letztere nicht. Nachdem der Betriebsrat vor Gericht erfolglos die Freistellung von den Kosten gegenüber der Arbeitgeberin begehrte, stellte der Anwalt selbst eine Rechnung an die Arbeitgeberin. Auch diese blieb unbeglichen. Der Betriebsrat beantragte sodann abermals die Freistellung von den Anwaltskosten. ArbG und LAG wiesen auch diesen Antrag ab.

Die Entscheidung

Zum gleichen Ergebnis kam auch das BAG. Die Erfurter Richter wiesen zwar als rechtsfehlerhaft zurück, dass es mangels einer an den Betriebsrat adressierten Rechnung an dessen Inanspruchnahme fehle und dass der Vergütungsanspruch des Anwalts verjährt sei. Allerdings erfordere ein Freistellungsanspruch, dass eine Verbindlichkeit durch den Betriebsrat überhaupt wirksam begründet wird. Die Honorarvereinbarung wurde unzweifelhaft mit der Agentur getroffen, was für eine Mandatierung dieser spreche. Eine Forderung des Anwalts könne einem Freistellungsanspruch daher hier nicht zugrunde gelegt werden.

Verlängerung der Überlassungshöchstdauer für Leiharbeitnehmer durch Betriebsvereinbarung

BAG, Urteil vom 8.11.2022 – 9 AZR 486/21

Eine Höchstüberlassungsdauer für Leiharbeitnehmer von
48 Monaten in einer auf einem Tarifvertrag der Einsatzbranche basierenden Betriebsvereinbarung ist immer noch als ­„vorübergehend“ anzusehen.

Der Fall

Der klagende Arbeitnehmer war seit Ende Oktober 2015 bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt und wurde seitdem an die beklagte Arbeitgeberin überlassen. Bei dieser galt seit 1. April 2017 der „TV LeiZ“, der abweichend von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG eine Höchstdauer für Leiharbeitseinsätze von 48 Monaten bestimmt. Ferner enthält der TV LeiZ eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen. Im Herbst 2017 vereinbarte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine Anlage zu einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Leiharbeit, in der ebenfalls eine Höchstdauer für Leiharbeitseinsätze von 48 Monate geregelt wurde. Zudem wurde darin bestimmt, dass nach 48 Tätigkeitsmonaten die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erfolgt, sofern nicht bestimmte Ausschlussgründe vorliegen. Der Einsatz des Klägers endete zum 30. April 2020, woraufhin er geltend machte, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei, da sein Einsatz mehr als 54 Monate angedauert hat und auf einem Dauerarbeitsplatz stattfand. Hilfsweise klagte er darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihm einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten, da er hierauf nach 48 Tätigkeitsmonaten einen Anspruch habe. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung

Das BAG entsprach der Revision des Klägers nur in Bezug auf den Hilfsantrag. Zwischen ihm und der Beklagten sei kein Arbeitsverhältnis wegen Überschreitens der zulässigen Höchstüberlassungsdauer begründet worden, da die gesetzlich zulässige Höchstdauer von 18 Monaten wirksam durch den TV LeiZ bzw. die daran anknüpfende Anlage zur Gesamtbetriebsvereinbarung auf 48 Monate verlängert worden sei. Eine Dauer von 48 Monaten halte sich im Rahmen dessen, was als „vorübergehend“ nach dem Unionsrecht anzusehen sei. Unzulässig sei lediglich, wenn die Überlassung ohne jegliche zeitliche Begrenzung erfolgt und der Leiharbeitnehmer dauerhaft anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll. Eine Dauer von 48 Monate sei nicht dauerhaft und überschreite die in § 1 Abs. 1b Satz 1 und 6 AÜG vorgesehenen Grenzen auch nicht um ein Vielfaches. Bei der Berechnung der 48-monatige Höchstüberlassungsdauer seien ferner Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 wegen § 19 Abs. 2 AÜG nicht zu berücksichtigen. Begründet sei die Revision gleichwohl hinsichtlich des Hilfsantrags, wobei das LAG noch feststellen müsse, ob tatsächlich ein Übernahmeanspruch nach den Voraussetzungen der Anlage zur Gesamtbetriebsvereinbarung besteht.

Internationaler Newsflash aus unyer

Mobile Arbeit in Frankreich: Ein Leitfaden für ausländische Unternehmen

Mobile Arbeit bzw. „Telearbeit“, wie sie in Artikel L. 1222-9 des französischen Arbeitsgesetzbuchs (Code du travail) definiert wird, ist zu einer unumstößlichen Realität in der Arbeitswelt geworden. In Frankreich ist der grundlegende rechtliche Rahmen für mobile Arbeit inzwischen etabliert, entwickelt sich aber ständig weiter, um den sich ändernden Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gerecht zu werden. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die jüngsten rechtlichen Entwicklungen speziell in Bezug auf Tätigkeiten im Home Office.

I. Formalisierung der mobilen Arbeiten: Obligatorische schriftliche Vereinbarung?

Vor dem Erlass Nr. 2017-1387 durch die französische Regierung vom 22. September 2017 zur Reform bestimmter Arbeitsgesetze wurde die Tätigkeit im Rahmen mobiler Arbeit regelmäßig im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers oder in einer Vertragsänderung geregelt. Durch den Erlass wurde diese Formalisierung im Arbeitsvertrag abgeschafft; seitdem wird gesetzlich zwischen regelmäßiger und gelegentlicher mobiler Arbeit unterschieden. Regelmäßige mobile Arbeit wird im Rahmen eines Tarifvertrags oder einer vom Arbeitgeber nach Anhörung des Betriebsrats (in Frankreich Comité social et économique – CSE) erstellten „Charta“ organisiert, sofern eine solche existiert (Art. L. 1222-9 Code du travail). Diese ähnelt einer Betriebsvereinbarung in Deutschland. In der Praxis wird dem Arbeitgeber empfohlen, einen Tarifvertrag zu verwenden, da eine Charta für den Arbeitnehmer nicht bindend ist, es sei denn, sie wird in die „internen Regelungen“ aufgenommen, d. h. einvernehmlich zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht.

Gelegentliche mobile Arbeit wird ebenfalls nur im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingerichtet. Dieses gegenseitige Einvernehmen kann formfrei erfolgen, also etwa auch per E-Mail, mündlich oder gar per Textnachricht. Dem Arbeitgeber wird jedoch empfohlen, die Parameter für die mobile Arbeit schriftlich festzuhalten, damit er im Falle eines Rechtsstreits nachweisen kann, dass er den Arbeitnehmer über die Bedingungen dafür unterrichtet hat.

II. Das Recht auf Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Zu einem wichtigen Thema im Zusammenhang mit mobiler Arbeit ist auch das Recht auf Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses geworden. Ein solches Recht existiert in Frankreich in verschiedenen Formen, wenn die andere Vertragspartei (potenziell) eine Pflichtverletzung begangen hat. Die französische Rechtsprechung konzentriert sich zunehmend auf den Schutz der Arbeitnehmer vor übermäßiger Arbeitsbelastung; dabei neigen die Gerichte immer mehr dazu, Arbeitnehmern auch in Fällen von Verstößen des Arbeitgebers gegen Regelungen zu mobiler Arbeit ein Recht auf Unterbrechung der Arbeit zuzugestehen, insbesondere in Fällen einer missbräuchlichen Nutzung beruflicher Kommunikationsmittel außerhalb der Arbeitszeiten. Das Dokument bzw. die vertragliche Grundlage, in der die Maßgaben zur mobilen Arbeit geregelt werden, muss insofern vor allem die Grenzen der Arbeitszeit und der Unterbrechungszeiten klar definieren, um jegliches Risiko einer Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit der Arbeitnehmer zu vermeiden – und somit auch von Verstößen gegen diese Regelungen.

III. Unfälle während der Tätigkeit bei mobiler Arbeit

Ein weiterer Problembereich ist die Einstufung von Unfällen als Arbeitsunfälle, die sich bei mobiler Arbeit z. B. in der Wohnung des Arbeitnehmers ereignen. Hierbei entsteht insbesondere die Frage, wie der Nachweis erbracht werden kann, dass es sich um Arbeitsunfälle handelt. Der Erlass Nr. 2017-1387 hat hierzu ebenfalls Antworten gegeben, indem er anordnet, dass ein Unfall, der sich am Ort der mobilen Arbeit während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit ereignet, als Arbeitsunfall angesehen wird. Die Maßnahme wurde nachfolgend in Art. L. 1222-9 Code du travail kodiziert. Dennoch wird es häufig zu Abgrenzungsproblemen bei der Frage kommen, ob der Arbeitnehmer im Moment des Unfalls gearbeitet hat oder nicht. Wenn ein Betroffener, der eigentlich zuhause arbeiten sollte, einen Unfall erleidet, während er nicht dort ist, wird daher in der Regel keine Haftbarkeit des Unternehmens für die daraus resultierenden Schäden vorliegen. Etwas anderes gilt, wenn sich der Unfall auf dem Weg zur und von der Arbeit, also auch innerhalb des Hauses ereignet; dann kann es sich um einen Arbeitswegunfall handeln, der entschädigt wird. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer gleichwohl den Kausalzusammenhang zwischen dem Weg und der Arbeit nachweisen.

IV. Kosten der mobilen Arbeit

Die Frage der Kosten für die mobile Arbeit ist zu einem heiß diskutierten Thema geworden. Die französische Rechtsprechung hat das Recht der Arbeitnehmer auf Erstattung der Kosten für Strom, Internetzugang oder die Anschaffung notwendiger Geräte anerkannt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Arbeitgeber, umfassende und genaue Vereinbarungen zu diesem Thema zu treffen. In einem Urteil vom 23. Mai 2023 (Nr. 21/08088) hat das erstinstanzliche Tribunal judiciaire de Paris zuletzt gar entschieden, dass die im April 2021 in Kraft getretene letzte gesetzliche Änderung des Rechts mobile Arbeit vorherige Rechtssätze nicht infrage stellt – darunter auch die Maxime, dass Arbeitgeber zur Erstattung der mit mobiler Arbeit verbundenen Aufwendungen verpflichtet sind. Folglich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die mit der Tätigkeit verbundenen Kosten zu erstatten – auch in Ausnahmefällen wie etwa bei gesundheitlichen Problemen des Arbeitnehmers. Das Pariser Gericht fügte hinzu, dass diese Pflicht eine Frage der öffentlichen Ordnung ist. Es sei daher auch nicht möglich, davon durch Tarifvertrag abzuweichen, obwohl arbeitsrechtliche Inhalte in Frankreich weitaus flächendeckender und umfangreicher geregelt werden als in Deutschland. Folglich können Tarifverhandlungen über mobile Arbeit – wenn sie überhaupt stattfinden – nur die Bedingungen für die Übernahme der Kosten mobiler Arbeit betreffen, nicht aber den Grundsatz, dass der Arbeitgeber diese zu tragen hat. Dies unterstreicht abermals die Notwendigkeit, spezifische Vereinbarungen zu treffen.

V. Recht auf Privatsphäre und Datenschutz

Ein essenzielles Thema bei mobiler Arbeit ist zuletzt der Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten. Dabei muss der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Schutz der vom Telearbeitnehmer zu beruflichen Zwecken genutzten und verarbeiteten Daten zu gewährleisten. Die rechtlichen Grundlagen hierfür bilden die Maßgaben der französischen Datenschutzaufsicht CNIL (Commission nationale de l‘informatique et des libertés) sowie seit Mai 2018 die Datenschutzgrundverordnung und die darauf basierende Umsetzung im französischen Datenschutzrecht. Die CNIL informiert Arbeitnehmer auch in mobiler Arbeit über die gesetzlichen Bestimmungen und unternehmensspezifischen Vorschriften zum Schutz von Daten und ihrer Vertraulichkeit, über etwaige Beschränkungen bei der Nutzung von IT-Geräten oder -Tools (z. B. auch dem Internet) sowie über die Sanktionen bei Nichteinhaltung der geltenden Vorschriften.

Daneben darf die Überwachung von in mobiler Arbeit Tätigen durch den Arbeitgeber nicht in deren Privatsphäre eingreifen. Im November 2020 wies die CNIL bspw. darauf hin, dass eine ständige Überwachung mit Video- (oder Audio-) Geräten wie Webcams unverhältnismäßig und daher unzulässig ist. Ein Arbeitgeber könne von einem Arbeitnehmer nicht verlangen, dass er z. B. während der gesamten Arbeitszeit eine Videokonferenz abhält, nur, damit der Arbeitgeber sicherstellen kann, dass er der Arbeitnehmer auch tatsächlich arbeitet. Dazu wurde empfohlen, dass der Arbeitgeber von Arbeitnehmern in mobiler Arbeit nicht verlangt, dass sie ihre Kamera aktivieren, wenn sie an einer Videokonferenz teilnehmen; die Teilnahme über ein Mikrofon sei ausreichend.

VI. Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der französische Rechtsrahmen für mobile Arbeit kontinuierlich weiterentwickelt, um den Herausforderungen dieser neuen Form der Arbeitsorganisation gerecht zu werden. Für Arbeitgeber ist es wichtig, sich über die jüngsten rechtlichen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten und klare Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt werden und gleichzeitig die effektive Nutzung mobiler Arbeit gefördert wird.

Mobile Arbeit in Frankreich: Ein Leitfaden für ausländische Unternehmen

Mobile Arbeit bzw. „Telearbeit“, wie sie in Artikel L. 1222-9 des französischen Arbeitsgesetzbuchs (Code du travail) definiert wird, ist zu einer unumstößlichen Realität in der Arbeitswelt geworden. In Frankreich ist der grundlegende rechtliche Rahmen für mobile Arbeit inzwischen etabliert, entwickelt sich aber ständig weiter, um den sich ändernden Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gerecht zu werden. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die jüngsten rechtlichen Entwicklungen speziell in Bezug auf Tätigkeiten im Home Office.

I. Formalisierung der mobilen Arbeiten: Obligatorische schriftliche Vereinbarung?

Vor dem Erlass Nr. 2017-1387 durch die französische Regierung vom 22. September 2017 zur Reform bestimmter Arbeitsgesetze wurde die Tätigkeit im Rahmen mobiler Arbeit regelmäßig im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers oder in einer Vertragsänderung geregelt. Durch den Erlass wurde diese Formalisierung im Arbeitsvertrag abgeschafft; seitdem wird gesetzlich zwischen regelmäßiger und gelegentlicher mobiler Arbeit unterschieden. Regelmäßige mobile Arbeit wird im Rahmen eines Tarifvertrags oder einer vom Arbeitgeber nach Anhörung des Betriebsrats (in Frankreich Comité social et économique – CSE) erstellten „Charta“ organisiert, sofern eine solche existiert (Art. L. 1222-9 Code du travail). Diese ähnelt einer Betriebsvereinbarung in Deutschland. In der Praxis wird dem Arbeitgeber empfohlen, einen Tarifvertrag zu verwenden, da eine Charta für den Arbeitnehmer nicht bindend ist, es sei denn, sie wird in die „internen Regelungen“ aufgenommen, d. h. einvernehmlich zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht.

Gelegentliche mobile Arbeit wird ebenfalls nur im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingerichtet. Dieses gegenseitige Einvernehmen kann formfrei erfolgen, also etwa auch per E-Mail, mündlich oder gar per Textnachricht. Dem Arbeitgeber wird jedoch empfohlen, die Parameter für die mobile Arbeit schriftlich festzuhalten, damit er im Falle eines Rechtsstreits nachweisen kann, dass er den Arbeitnehmer über die Bedingungen dafür unterrichtet hat.

II. Das Recht auf Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Zu einem wichtigen Thema im Zusammenhang mit mobiler Arbeit ist auch das Recht auf Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses geworden. Ein solches Recht existiert in Frankreich in verschiedenen Formen, wenn die andere Vertragspartei (potenziell) eine Pflichtverletzung begangen hat. Die französische Rechtsprechung konzentriert sich zunehmend auf den Schutz der Arbeitnehmer vor übermäßiger Arbeitsbelastung; dabei neigen die Gerichte immer mehr dazu, Arbeitnehmern auch in Fällen von Verstößen des Arbeitgebers gegen Regelungen zu mobiler Arbeit ein Recht auf Unterbrechung der Arbeit zuzugestehen, insbesondere in Fällen einer missbräuchlichen Nutzung beruflicher Kommunikationsmittel außerhalb der Arbeitszeiten. Das Dokument bzw. die vertragliche Grundlage, in der die Maßgaben zur mobilen Arbeit geregelt werden, muss insofern vor allem die Grenzen der Arbeitszeit und der Unterbrechungszeiten klar definieren, um jegliches Risiko einer Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit der Arbeitnehmer zu vermeiden – und somit auch von Verstößen gegen diese Regelungen.

III. Unfälle während der Tätigkeit bei mobiler Arbeit

Ein weiterer Problembereich ist die Einstufung von Unfällen als Arbeitsunfälle, die sich bei mobiler Arbeit z. B. in der Wohnung des Arbeitnehmers ereignen. Hierbei entsteht insbesondere die Frage, wie der Nachweis erbracht werden kann, dass es sich um Arbeitsunfälle handelt. Der Erlass Nr. 2017-1387 hat hierzu ebenfalls Antworten gegeben, indem er anordnet, dass ein Unfall, der sich am Ort der mobilen Arbeit während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit ereignet, als Arbeitsunfall angesehen wird. Die Maßnahme wurde nachfolgend in Art. L. 1222-9 Code du travail kodiziert. Dennoch wird es häufig zu Abgrenzungsproblemen bei der Frage kommen, ob der Arbeitnehmer im Moment des Unfalls gearbeitet hat oder nicht. Wenn ein Betroffener, der eigentlich zuhause arbeiten sollte, einen Unfall erleidet, während er nicht dort ist, wird daher in der Regel keine Haftbarkeit des Unternehmens für die daraus resultierenden Schäden vorliegen. Etwas anderes gilt, wenn sich der Unfall auf dem Weg zur und von der Arbeit, also auch innerhalb des Hauses ereignet; dann kann es sich um einen Arbeitswegunfall handeln, der entschädigt wird. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer gleichwohl den Kausalzusammenhang zwischen dem Weg und der Arbeit nachweisen.

IV. Kosten der mobilen Arbeit

Die Frage der Kosten für die mobile Arbeit ist zu einem heiß diskutierten Thema geworden. Die französische Rechtsprechung hat das Recht der Arbeitnehmer auf Erstattung der Kosten für Strom, Internetzugang oder die Anschaffung notwendiger Geräte anerkannt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Arbeitgeber, umfassende und genaue Vereinbarungen zu diesem Thema zu treffen. In einem Urteil vom 23. Mai 2023 (Nr. 21/08088) hat das erstinstanzliche Tribunal judiciaire de Paris zuletzt gar entschieden, dass die im April 2021 in Kraft getretene letzte gesetzliche Änderung des Rechts mobile Arbeit vorherige Rechtssätze nicht infrage stellt – darunter auch die Maxime, dass Arbeitgeber zur Erstattung der mit mobiler Arbeit verbundenen Aufwendungen verpflichtet sind. Folglich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die mit der Tätigkeit verbundenen Kosten zu erstatten – auch in Ausnahmefällen wie etwa bei gesundheitlichen Problemen des Arbeitnehmers. Das Pariser Gericht fügte hinzu, dass diese Pflicht eine Frage der öffentlichen Ordnung ist. Es sei daher auch nicht möglich, davon durch Tarifvertrag abzuweichen, obwohl arbeitsrechtliche Inhalte in Frankreich weitaus flächendeckender und umfangreicher geregelt werden als in Deutschland. Folglich können Tarifverhandlungen über mobile Arbeit – wenn sie überhaupt stattfinden – nur die Bedingungen für die Übernahme der Kosten mobiler Arbeit betreffen, nicht aber den Grundsatz, dass der Arbeitgeber diese zu tragen hat. Dies unterstreicht abermals die Notwendigkeit, spezifische Vereinbarungen zu treffen.

V. Recht auf Privatsphäre und Datenschutz

Ein essenzielles Thema bei mobiler Arbeit ist zuletzt der Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten. Dabei muss der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Schutz der vom Telearbeitnehmer zu beruflichen Zwecken genutzten und verarbeiteten Daten zu gewährleisten. Die rechtlichen Grundlagen hierfür bilden die Maßgaben der französischen Datenschutzaufsicht CNIL (Commission nationale de l‘informatique et des libertés) sowie seit Mai 2018 die Datenschutzgrundverordnung und die darauf basierende Umsetzung im französischen Datenschutzrecht. Die CNIL informiert Arbeitnehmer auch in mobiler Arbeit über die gesetzlichen Bestimmungen und unternehmensspezifischen Vorschriften zum Schutz von Daten und ihrer Vertraulichkeit, über etwaige Beschränkungen bei der Nutzung von IT-Geräten oder -Tools (z. B. auch dem Internet) sowie über die Sanktionen bei Nichteinhaltung der geltenden Vorschriften.

Daneben darf die Überwachung von in mobiler Arbeit Tätigen durch den Arbeitgeber nicht in deren Privatsphäre eingreifen. Im November 2020 wies die CNIL bspw. darauf hin, dass eine ständige Überwachung mit Video- (oder Audio-) Geräten wie Webcams unverhältnismäßig und daher unzulässig ist. Ein Arbeitgeber könne von einem Arbeitnehmer nicht verlangen, dass er z. B. während der gesamten Arbeitszeit eine Videokonferenz abhält, nur, damit der Arbeitgeber sicherstellen kann, dass er der Arbeitnehmer auch tatsächlich arbeitet. Dazu wurde empfohlen, dass der Arbeitgeber von Arbeitnehmern in mobiler Arbeit nicht verlangt, dass sie ihre Kamera aktivieren, wenn sie an einer Videokonferenz teilnehmen; die Teilnahme über ein Mikrofon sei ausreichend.

VI. Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der französische Rechtsrahmen für mobile Arbeit kontinuierlich weiterentwickelt, um den Herausforderungen dieser neuen Form der Arbeitsorganisation gerecht zu werden. Für Arbeitgeber ist es wichtig, sich über die jüngsten rechtlichen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten und klare Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt werden und gleichzeitig die effektive Nutzung mobiler Arbeit gefördert wird.

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