18.12.2025
Deutschland modernisiert seine Verkehrswege: Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzesentwurf des Infrastruktur Zukunftsgesetzes soll darauf abzielen, Planungs- und Genehmigungsverfahren für zentrale Verkehrs- und Energieinfrastruktur zu beschleunigen, zu vereinheitlichen und zu digitalisieren. Die Bundesregierung will mit dem Gesetzesentwurf auf einen erheblichen Sanierungsbedarf der Infrastruktur, langwierige Verwaltungsverfahren und überlastete Verkehrsnetze reagieren. Kern des Infrastruktur-Zukunftsgesetzes ist die Priorisierung strategischer Vorhaben in den Sektoren Straßen, Schienen und Wasser, die Steigerung der Effizienz des Planungsrechts und eine Digitalisierung von Verwaltungsverfahren. Durch diese Maßnahmen sollen infrastrukturelle Engpässe schneller beseitigt, Ersatzneubauten – etwa von maroden Brücken – zügiger ermöglicht und Bestandsanlagen nachhaltig erhalten werden. Inhaltliche Gesetzesänderungen erfolgen insbesondere im Verwaltungsverfahrensgesetz und einschlägigen Fachgesetzen, wie dem Bundesfernstraßen-, Allgemeinen Eisenbahn-, Wasserstraßen- oder Bundesnaturschutzgesetz.
Zentrales Instrument für die Beschleunigung ist die Priorisierung von Infrastrukturprojekten. Die Priorisierung erfolgt durch die rechtliche Einstufung bestimmter Vorhaben als „im überragenden öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit dienend“ oder der Festlegung von „Dringlichkeits-“ und „Engpassprojekten“ für Straßen bzw. der Feststellung eines „vordringlichen Bedarfs“ für bestimmte Schieneninfrastruktur in Bedarfsplänen des Bundesgesetzgebers. Damit sollen priorisierte Projekte auch in der Abwägung gegenüber entgegenstehenden Interessen (z. B. Natur- und Umweltschutz) besonders stark gewichtet werden. Die Priorisierung in den jeweiligen Fachplanungsgesetzen soll zudem die Erteilung von Ausnahmen erleichtern, Genehmigungsentscheidungen beschleunigen und die Planungs- und Investitionssicherheit erhöhen.
Neben der grundlegenden Priorisierung sieht der Gesetzesentwurf weitere Maßnahmen zur Beschleunigung von Projekten vor. Im Bundesfernstraßengesetz sollen vorläufige Anordnungen flexibler werden, um bauvorbereitende Maßnahmen einfacher und stärker ausgestalten zu können: beispielsweise durch den Wegfall der Prognoseentscheidung, dass mit einer Entscheidung zugunsten des Vorhabens gerechnet werden kann, der Streichung der Reversibilitätsbedingung, also der bislang geforderten „Umkehrbarkeit“ der Maßnahme und der Präzisierung der Wiederherstellungspflicht durch die Ersetzung der Formulierung „früherer Zustand“ zu „im Wesentlichen gleichartiger Zustand“.
Im Schienenbereich werden darüber hinaus bestimmte Modernisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen der Leit- und Sicherungstechnik von einer gesonderten Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen, etwa die Ausstattung bestehender Bahnstrecken mit einer Oberleitung oder Stromschiene auf einer Länge von bis zu 60 Kilometern oder die Errichtung von Lärmschutzwänden. Bei den Bundeswasserstraßen erfolgt eine Priorisierung insbesondere von kritischen Anlagen wie Wehren und Schleusen. Zudem sollen Kosten- und Kreuzungsregeln zwischen Straßen, Schienen und Wasser vereinfacht werden.
Das gewünschte Ergebnis: klare Prioritäten, kürzere Verfahren und mehr Planbarkeit – mit besonders spürbaren Tempoeffekten auf der Straße.
Gleichzeitig soll der Gesetzesentwurf das Verwaltungsverfahren sektorenübergreifend vereinheitlichen und Planungen erleichtern. Doppelprüfungen sollen vermieden werden. Beispielsweise wird das Linienbestimmungsverfahren als derzeit eigenständiger Verfahrensschritt mit Umweltverträglichkeitsprüfung im Bundesfernstraßengesetz gestrichen und stattdessen in die Gesamtabwägung der Planung einbezogen. Dadurch entfällt ein gesonderter behördlicher Verfahrensschritt.
Im Natur- und Umweltschutz setzt der Gesetzesentwurf auf einheitliche und möglichst praxistaugliche Standards: Die Umsetzung von Vorgaben des Natur- und Umweltschutzes sollen vereinfacht und Kompensationen flexibilisiert werden. Für bestimmte priorisierte Maßnahmen soll für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen die Gleichrangigkeit des Ersatzgeldes anerkannt werden. Zugleich wird die Umweltverträglichkeitsprüfung in besonders bedeutsamen Einzelfällen beschleunigungsfähig ausgestaltet und für bestimmte (Teil-) Projekte gestrichen. Die Kritik an einem Ungleichgewicht zugunsten schnellerer Infrastrukturentscheidungen zulasten des Umweltschutzes dürfte insoweit anhalten.
Ein weiterer Kern ist die umfassende Digitalisierung von Verfahren. Bekanntmachungen, Auslegungen, Beteiligungen und Zustellungen sollen grundsätzlich digital erfolgen. Das bedeutet, dass formale Bekanntgaben und der Beginn von Fristen rechtlich durch elektronische Veröffentlichungen ausgelöst werden können. Zudem sollen Verfahrensabläufe durch Genehmigungsfiktionen und verbindliche Fristen für behördliche Schritte weiter vereinfacht werden. Entsprechende Anpassungen erfolgen insbesondere im Verwaltungsverfahrensgesetz zur Bekanntmachung im Internet und in den Bestimmungen zum Planfeststellungsverfahren. Allerdings lässt der Gesetzesentwurf für den Fall der „technischen Unmöglichkeit“ einer digitalen Veröffentlichung die Bekanntmachung auch „auf andere Weise“ zu. Ob und wie von dieser „technischen Unmöglichkeit“ Gebrauch gemacht wird und sich die geplante Digitalisierung auch in der Praxis bewährt, wird sich zeigen.
Mit dem Infrastruktur-Zukunftsgesetz sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte beschleunigt, vereinheitlicht und effizienter gestaltet werden, etwa durch Verfahrenserleichterungen, Digitalisierung und die Priorisierung von Maßnahmen der Verkehrsinfrastruktur. Für Projektträger und Unternehmen heißt das: Digitale Prozesse und Beteiligungsportale nutzen, den Bedarf für priorisierte Projekte ermitteln und die neuen Verfahrensverkürzungen aktiv gestalten. Wer frühzeitig handelt, kann Zeit sparen und Projekte schneller zur Genehmigungsreife bringen – jedenfalls nach der Zielsetzung des Gesetzesentwurfes. Ob das Gesetz wie beabsichtigt die „PS auf die Straße bringt“, bleibt abzuwarten. Der Entwurf durchläuft nun zum Inkrafttreten das parlamentarische Verfahren in Bundesrat und Bundestag.
Eric Doyé
Associate
Leipzig
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