23.03.2023

Newsletter Arbeitsrecht 1. Ausgabe 2023

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Vorwort

Lieber Leserinnen, liebe Leser,

wir freuen uns, Ihnen mit diesem Newsletter unsere erste Ausgabe im neuen Kalenderjahr präsentieren zu können und hoffen, eine Auswahl an Themen getroffen zu haben, die für Sie von besonderem Interesse ist. An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich für die rege Teilnahme an unserer Umfrage zum Newsletter sowie für Ihr Feedback, das uns von großer Hilfe war. Wir sind Ihnen sehr dankbar, wenn wir auch weiterhin Anregungen für Themen und Inhalte erhalten, die für Sie in der Praxis von Bedeutung sind.

Den Anfang machen wir in dieser Ausgabe mit den Energiepreisbremsen. Dr. Astrid Schnabel aus unserem Hamburger Büro befasst sich mit der Arbeitsplatzerhaltungspflicht im Rahmen der Energiepreisbremsen. Das Ende 2022 erlassene Energiekostendämpfungsprogramm der Bundesregierung sieht gesetzliche Regelungen zu Preisbremsen für Erdgas und Wärme vor und beinhaltet auch Entlastungen für Unternehmen. Die gewährten Entlastungen sehen im Gegenzug u. a. eine Pflicht zum Erhalt von Arbeitsplätzen vor. Was es damit auf sich hat, zeigt Astrid Schnabel in ihrem Beitrag.

Der Frühling steht endlich vor der Tür und wir freuen uns auf den Sommer. Sommerzeit ist Urlaubszeit. Somit auch Zeit, sich wieder mal mit dem sich stetig neu entwickelnden Urlaubsrecht zu befassen. Caroline Risse und Paula Sophie Kurth aus unserem Berliner Büro beschäftigen sich daher in dieser Ausgabe mit dem Verfall und der Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen. Ende des Jahres 2022 sowie Anfang des Jahres 2023 ergingen hierzu mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts, die ein großes Medienecho hervorgerufen haben. Anlass für uns, dieses in der Praxis relevante Thema genauer zu beleuchten.

Dr. Annekatrin Veit, unsere Expertin aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung, erläutert in ihrem Beitrag die Angemessenheit von Pensionszusagen für Organe von gemeinnützigen Körperschaften.

Knapp zwei Jahre nach dem Start von unyer, einer Organisation für Unternehmen aus dem Bereich Professional Services, freuen wir uns, über ein neues Mitglied: Die österreichische Kanzlei KWR hat sich unserem Netzwerk in diesem Jahr angeschlossen. Für unyer sind nun insgesamt 2.550 Anwälte in mehr als 16 Ländern tätig. Auch in dieser Ausgabe berichten wir daher wieder über aktuelle arbeitsrechtliche Themen und Entwicklungen aus der unyer-Welt. Caroline Ferté, Partnerin unserer französischen unyer-Netzwerk-Kanzlei Fidal, berichtet in ihrem Beitrag, über ein aktuelles Urteil des obersten Gerichtshofs zur Vergütungspflicht von Reisezeiten.

Neben unseren Schwerpunktthemen erhalten Sie auch mit dieser Ausgabe den gewohnten Überblick über aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte, die aus unserer Sicht für die Personalarbeit von besonderer Relevanz sind.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

Herzliche Grüße

Ihr

Achim Braner

Die Arbeitsplatzerhaltungspflicht im Rahmen der Energiepreisbremsen

Ende 2022 wurden mit dem sog. Energiekostendämpfungsprogramm der Bundesregierung gesetzliche Regelungen zu Preisbremsen für Erdgas und Wärme erlassen, die auch Entlastungen für Unternehmen beinhalten. Um diese zu erhalten, beinhalten die neuen Vorschriften u. a. eine Pflicht zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Mit den zusammenhängenden arbeitsrechtlichen Fragen beschäftigt sich dieser Beitrag.

I. Inhalt der Arbeitsplatzerhaltungspflicht

Im Rahmen des Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) wurden im Dezember 2022 das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) sowie das Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (EWPBG) verabschiedet, die – neben Entlastungen für Haushalte – auf Antrag auch Entlastungen für Unternehmen bereithalten. Da die finanzielle Entlastung der Unternehmen zur Stabilität und zum Erhalt von Arbeitsplätzen in herausfordernden Zeiten beitragen soll, werden neben den darzulegenden Fördervoraussetzungen auf verschiedenen Förderstufen zusätzliche Anforderungen an Unternehmen gestellt. Hierzu gehört die sog. Arbeitsplatzerhaltungspflicht
(§ 37 StromPBG bzw. § 29 EWPBG) sowie ein Verbot der Ausschüttung von Boni und Dividenden, das zudem ein Verbot bestimmter Vergütungserhöhungen beinhaltet (§ 37a StromPBG bzw. § 29a EWPBG). Im Wesentlichen ergeben sich aus den Gesetzen in dieser Hinsicht identische Anforderungen, auch wenn der Gesetzeswortlaut mitunter voneinander abweicht. Unter dem Schlagwort der Arbeitsplatzerhaltungspflicht wird der Bezug von Entlastungsbeträgen von über EUR 2 Mio. daran geknüpft, dass das Unternehmen „durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Regelung zur Beschäftigungssicherung für die Dauer bis mindestens zum
30. April 2025 getroffen hat“.

II. Bezugsobjekt

Bezugsobjekt der Arbeitsplatzerhaltungspflicht ist das (antragstellende) Unternehmen. Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut und wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt: „Bei verbundenen Unternehmen gilt die Pflicht jeweils für die einzelnen Unternehmen“ (BT-Drs. 20/4683, S. 92). Dies bedarf insoweit der Erwähnung, als beide Energiepreisbremsengesetze z. B. für das Erreichen von Förderhöchstgrenzen auf eine Konzernbetrachtung abstellen.

III. Vorrang von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung

Die Energiepreisbremsengesetze gehen von einem Vorrang der Beschäftigungssicherung durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung aus. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass „gerade Tarif- und Betriebsparteien über die Kompetenz und das verfassungsrechtlich garantierte Recht verfügen, Vereinbarungen über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen zu treffen“ (BT-Drs. 20/4683, S. 92). Für Abschluss und Zustandekommen gelten die allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Kommt ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung nicht zustande, z. B. weil keine Einigung erzielt werden kann oder kein Betriebsrat gebildet ist, können Unternehmen auf die Selbstverpflichtungserklärung zurückgreifen, die jedoch strengeren Voraussetzungen unterliegt. Die Selbstverpflichtungserklärung muss die Erklärung enthalten, dass bis mindestens zum 30. April 2025 eine Belegschaftsstärke erhalten werden soll, die mindestens 90 % der am 1. Januar 2023 vorhandenen Arbeitsplatz-Vollzeitäquivalente entspricht. Zudem ist zu erklären, wieso ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung nicht zustande gekommen sind.

IV. Inhaltliche Vorgaben an die Beschäftigungssicherung

Mit dem Vorrang von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung wurde zugleich ein weiter Verhandlungs- und Abschlussspielraum der jeweiligen Beteiligten anerkannt. Die Vorgabe, dass sich das Unternehmen zum Erhalt von 90 % der Vollzeitäquivalente verpflichten und dies grundsätzlich auch so umsetzen muss, gilt ausschließlich für die Selbstverpflichtung. Weder besteht ein zwingendes Erfordernis, die 90 %-Schwelle in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung aufzunehmen, noch erfolgt eine behördliche Kontrolle einer Einhaltung. Ob die Vorgaben des Tarifvertrags oder der Betriebsvereinbarung erfüllt werden, unterliegt ausschließlich der Kontrolle der Beteiligten. Folgen von Verstößen sind ebenfalls durch die Beteiligten zu regeln oder ergeben sich ggf. aus dem Gesetz. So steht dem Betriebsrat z. B. ein Durchführungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung zu. Aus praktischer Sicht dürfte allerdings bezweifelt werden, dass in den Verhandlungen zu Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung Zusagen akzeptiert werden, die wesentlich unterhalb der 90 %-Schwelle liegen.

V. Betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit

In betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, wo die Zuständigkeit für den Abschluss einer Arbeitsplatzerhaltungs-Betriebsvereinbarung angesiedelt ist. Grundsätzlich gilt nach dem Betriebsverfassungsrecht die lokale Zuständigkeit der Betriebsräte. Der Gesamtbetriebsrat ist dagegen zuständig für Angelegenheiten, die das Unternehmen oder mindestens zwei Betriebe betreffen und durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe nicht geregelt werden können (§ 50 Abs. 1 BetrVG). Angesichts des Unternehmensbezugs der Arbeitsplatzerhaltungspflicht ist u. E. die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründet. Die lokalen Betriebsräte können jenseits ihrer örtlichen Zuständigkeit keine Regelungen treffen. Im Übrigen würde ein Unternehmensbezug bei gleichzeitiger Beteiligung verschiedener lokaler Gremien zu einem Wettstreit führen, der praktisch dazu führen dürfte, dass Verhandlungen wenig aussichtsreich sind. Dies wiederum würde die Möglichkeit der Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung befördern, die das Gesetz allerdings als nachrangig ansieht.

Ist gesetzeswidrig kein Gesamtbetriebsrat gebildet, fehlt dem Arbeitgeber der zuständige Verhandlungspartner. In diesem Fall bleibt nur die Abgabe der Selbstverpflichtungserklärung. Eine „Ersatzzuständigkeit“ eines oder mehrerer lokaler Betriebsräte entbehrt auch in diesen Fällen einer gesetzlichen Grundlage. Auch die Ansicht, dass – wenn in einem Unternehmen mit mehreren betriebsratsfähigen Betrieben nur ein Betriebsrat existiert und deshalb kein Gesamtbetriebsrat gebildet werden kann – der einzige im Unternehmen bestehende Betriebsrat zu beteiligen ist, findet im Gesetz keine Grundlage.

VI. Selbstverpflichtung und ungeklärte Fragen

Muss ein Unternehmen auf die Selbstverpflichtung zurückgreifen, gestaltet sich das Verfahren zweistufig. Während bis spätestens zum 15. Juli 2023 die Selbstverpflichtungserklärung abzugeben ist, ist nach dem 30. April 2025 nachzuweisen, dass die Verpflichtungserklärung auch tatsächlich eingehalten wurde. Der Zeitpunkt des Nachweises ist gesetzlich nicht geregelt, soll allerdings nach der Gesetzesbegründung „in zumutbarem zeitlichen Abstand nach dem 30. April 2025, spätestens jedoch vor dem 31. Dezember 2025, erfolgen.“

Rechtliche Unklarheiten ergeben sich aus den materiellen ­Kriterien der Selbstverpflichtung. Zwar verpflichtet sich das Unternehmen, mindestens 90 % der Vollzeitäquivalente zu ­erhalten. Was in diesem Kontext ein Vollzeitäquivalent ist, bleibt jedoch offen. Viel spricht dafür, auf die Definition des Vollzeitäquivalents, wie es im Unternehmen umgesetzt wird, abzustellen. Die BDA weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass zwar keine gesetzliche Definition vorliege, nimmt jedoch Bezug auf die Berechnung nach Eurostat, also der europäischen Statistik. Unklar ist auch, welche Auswirkungen es haben kann, wenn sich die reguläre Wochenarbeitszeit im Unternehmen im Referenzzeitraum ändert.

Offen bleiben auch Fragen zum Begriff der Beschäftigten bzw. der Belegschaft. Nach der Gesetzesbegründung ist der Belegschaftsbegriff weit auszulegen, sodass auch regelmäßig überlassene Leiharbeitnehmer einbezogen werden. Fragen, die aus den Unternehmen herangetragen werden, beziehen sich dagegen auf den Umgang mit Mitarbeitern in Elternzeit, Langzeitkranken, Auszubildenden oder dem Umgang mit freien Stellen nach Eigenkündigungen oder verhaltens-/personenbedingten Kündigungen, insbesondere, wenn aufgrund des Fachkräftemangels freie Stellen trotz Bemühungen nicht besetzt werden können. Während man bei Mitarbeitern in Elternzeit und Langzeitkranken annehmen kann, dass diese berücksichtigt werden, weil der Arbeitsplatz weiterhin existiert, besteht bei freien Stellen das Risiko, dass diese gerade nicht als „erhalten“ angesehen werden, auch wenn sie
z. B. in der Personalplanung verzeichnet sind. Sollte dies der Fall sein, könnte allerdings eine Rückforderung von Entlastungsbeträgen aufgrund der Nichteinhaltung der Arbeitsplatzerhaltungspflicht aus Ermessensgründen unterbleiben. In jedem Fall ist allerdings sorgfältig zu dokumentieren, wenn im Referenzzeitraum Entlassungen vorgenommen werden.

VII. Konsequenzen eines Verstoßes

Während das Gesetz keine Regelungen bei einem Verstoß gegen Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag vorsieht, kann bzw. wird das Unterschreiten der 90 %-Grenze zu einer teilweisen Rückforderung der Entlastungsbeträge führen, die den Grundbetrag von EUR 2 Mio. übersteigen. Während die Rückforderungsentscheidung im Ermessen liegt, enthalten die Gesetze bzw. Gesetzesbegründungen jedoch Vorgaben zur Ermessensausübung. Je nach Umfang der Unterschreitung sollen 20-60 % der EUR 2 Mio. überschreitenden Entlastungsbeträge zurückgefordert werden. Bei einer Unterschreitung von mehr als 50 % soll der Gesamtbetrag, der über EUR 2 Mio. hinaus geleistet wird, zurückgefordert werden.

Stellt ein Unternehmen den Geschäftsbetrieb vollständig ein oder verlagert diesen ins Ausland, führt dies ebenfalls zu einer Rückforderung. Für das StromPBG ergibt sich dies direkt aus dem Gesetz; im EWPBG ist eine derartige Regelung nicht enthalten, obwohl die Gesetzesbegründung darauf verweist. Ein Verfehlen der Zusage zur Arbeitsplatzerhaltung kann durch Investitionen kompensiert werden, die – so der gemeinsame Nenner – die Annahme rechtfertigen, dass das Unternehmen Arbeitsplätze in Zukunft erhalten wird. Erfasst sind Investitionen z. B. in die Transformation, die Energieversorgungssicherheit oder den Umweltschutz. Allerdings gibt es konkrete Vorgaben zur Investitionsquote und -höhe.

VIII. Arbeitsplatzerhaltung im Fall des Unternehmensverkaufs

Im Rahmen der Rückforderungsvorschriften berücksichtigungsfähig sind Umwandlungen und Betriebsübergänge, die dazu führen, dass das antragstellende Unternehmen als Rechtsträger keine oder weniger Beschäftigte zählt. In diesem Fall erfolgt eine Betrachtung, wie viele Arbeitsplätze beim nunmehrigen Beschäftigungsgeber erhalten sind. Während dies für das (ursprünglich) antragstellende Unternehmen im Konzernverbund ggf. leichter nachzuvollziehen ist, sind derartige Informationen bei einem Verkauf an Dritte für das antragstellende Unternehmen schwer zugänglich. Insoweit dürften bei derartigen Übertragungsprozessen nunmehr auch Informationsansprüche gegenüber dem Erwerber vorzubehalten sein. Wie mit Personalabbaumaßnahmen beim Erwerber umzugehen ist, die dazu führen, dass gegen den Veräußerer Rückforderungsansprüche entstehen, insbesondere im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche oder Haftungsregelungen, ist in diesem Zusammenhang nur eine weitere Frage.

IX. Fazit

Während die Energiepreisbremsen in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten Entlastung für Unternehmen bieten, ist gerade die Arbeitsplatzerhaltungspflicht eine Voraussetzung, aufgrund derer die Prüfung, ob und in welcher Höhe Entlastungen in Anspruch genommen werden, sehr genau ausfällt. Der hinter der Arbeitsplatzerhaltungspflicht stehende Zweck ist nachvollziehbar. Für die Zwecke einer verlässlichen Prüfung wäre es allerdings erforderlich, dass die Anforderungen klar(er) definiert werden.

Neues vom BAG zu Verfall und Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsab­geltungsansprüchen

Ende 2022 sowie Anfang 2023 ergingen mehrere medienwirksame Urteile des BAG zum Verfall und zur Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen, u. a. zu langzeiterkrankten Beschäftigten. In Presseberichten wurde in diesem Kontext oft von Arbeitgebern nun drohenden „Klagewellen“ auf Gewährung und Auszahlung von Urlaub gesprochen. Was genau sich durch die aktuelle Rechtsprechung des BAG geändert hat und ob Arbeitgeber tatsächlich einem gesteigerten Prozessrisiko ausgesetzt sind und wie sie dem begegnen können, wird nachfolgend beleuchtet.

I. Kein Verfall von Urlaub bei unterlassener Arbeitgeber-Mitwirkung

Für Arbeitgeber besteht schon seit dem Jahr 2018 eine strenge Mitwirkungsobliegenheit bei der Inanspruchnahme von Urlaub durch ihre Mitarbeiter. So sind Arbeitgeber seit dem dazu angehalten, ihre Beschäftigten durch ausreichenden Hinweis rechtzeitig im Kalenderjahr in die Lage zu versetzen, ihren Urlaub wahrzunehmen. Nur wenn sie dies getan haben und ein Mitarbeiter den Urlaub dennoch freiwillig nicht genommen hat, kann dessen gesetzlicher Anspruch auf Urlaub am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen. Diese Grundsätze wurden in der wegweisenden Entscheidung des EuGH entwickelt, die Arbeitgebern erstmalig eine solche Mitwirkungsobliegenheit als zwingende Voraussetzung für den Verfall von Urlaub aufgab (EuGH, Urteil vom 6. November 2018 – C-684/16
[Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]).

Die Entscheidung des EuGH im Jahr 2018 äußerte sich aber nicht dazu, ob diese Anforderungen zur Mitwirkungsobliegenheit auch für den Fall von langzeiterkrankten Mitarbeitern gilt. In der Vergangenheit hatte für Langzeiterkrankte in ständiger Rechtsprechung des BAG gegolten, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche ohne weiteres mit Ablauf des
31. März des zweiten Folgejahrs, also nach 15-monatiger Verfallfrist, untergingen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10; BAG, Urteil vom 11. Juni 2013 – 9 AZR 855/11).

Diese Ungewissheit räumte das BAG nun Ende Dezember letzten Jahres in Übereinstimmung mit dem vorher befragten EuGH (EuGH, Urteil vom 22. September 2022 – C-518/20 [Fraport] und C-727/20 [St. Vincenz-Krankenhaus]) aus. Das BAG führte aus, dass im Falle fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bzw. im Fall von Langzeiterkrankten nach dem Zeitpunkt des Beginns der Erkrankung zu differenzieren sei: Wenn ein Mitarbeiter seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten Folgejahrs gesundheitlich bedingt daran gehindert war, den Urlaub zu nehmen, kann ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Ablauf der 15-Monatsfrist auch bei unterbliebener Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers eintreten. Denn hier hätte auch der Hinweis des Arbeitgebers dem Mitarbeiter nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs verhelfen können. Erkrankt ein Mitarbeiter hingegen erst im Laufe des Kalenderjahrs und hat der Arbeitgeber bis zu diesem Zeitpunkt den erforderlichen Hinweis auf den Urlaubsanspruch unterlassen, kann der Urlaubsanspruch nicht verfallen (BAG, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 25/19). Hier hätte ein Hinweis des Arbeitgebers jedenfalls bis zur Erkrankung noch zur Inanspruchnahme von Urlaub führen können. Zusammenfassend ist seit dem Urteil vom 20. Dezember 2022 nun klar, dass ein Verfall des Urlaubsanspruchs ohne Mitwirkung des Arbeitgebers nun noch seltener möglich ist, nämlich nur bei mindestens 15-monatiger durchgängiger Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters seit Beginn des Urlaubsjahres.

II. Verjährung von Urlaub nur bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit

In einer weiteren Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 2022 führte das BAG darüber hinaus seine Rechtsprechung zur Verjährung von Urlaubsansprüchen konsequent fort: Das BAG stellte klar, dass Urlaubsansprüche bei unterbliebener Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers nicht nur nicht verfallen, sondern auch nicht verjähren können (BAG, Urteil vom
20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20; EuGH, Urteil vom
22. September 2022 – C-120/21 [LB – Prescription du droit au congé annuel payé]). Arbeitgebern stand die Einrede der Verjährung bis dahin noch als letztes Mittel zur Verfügung, um nicht verfallenem Urlaub zu begegnen. Zwar finden die Verjährungsvorschriften (§ 214 Abs. 1, §§ 194 Abs. 1, 199 Abs. 1 BGB) grundsätzlich auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Bei richtlinienkonformer Auslegung beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist allerdings erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nachkommt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Von nun an ist die Einrede der Verjährung also ebenfalls an die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit gekoppelt.

III. Ausschluss und Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Strikt vom Urlaubsanspruch zu trennen ist der Urlaubsabgeltungsanspruch, der als rein finanzieller Anspruch erst mit rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Inwiefern sich die o. g. Entscheidungen des BAG vom 20. Dezember 2022 zum Urlaubsanspruch auf den Urlaubsabgeltungsanspruch auswirken, beantwortete das BAG in seinen Entscheidungen aus Ende Dezember 2022 nicht. In zwei neueren Urteilen vom 31. Januar 2023 nahm das BAG nun aber auch hierzu Stellung: Das BAG stellte klar, dass auch bei unterbliebenem Hinweis des Arbeitgebers der Urlaubsabgeltungsanspruch – im Gegenteil zum Urlaubsanspruch – unmittelbar mit rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verjähren beginnt und weiterhin (tariflichen) Ausschlussfristen unterliegen kann (BAG, Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20, 9 AZR 244/20).

Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsnatur des während des Arbeitsverhältnisses bestehenden Urlaubs- und des erst danach entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruchs ist das ohne weiteres nachvollziehbar. So führte das BAG aus, dass Zielrichtung des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Unterschied zum Urlaubsanspruch nicht die Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken, sondern allein dessen finanzielle Kompensation ist. Die strukturell unterlegene Position eines Mitarbeiters, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit eines Mitarbeiters bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses; auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit kommt es dann nicht (mehr) an.

Iw Praxishinweise

Sowohl der Verfall als auch die Verjährung von Urlaubsansprüchen sind nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG nach wie vor möglich, solange Arbeitgeber ihrer Mitwirkungsobliegenheit genügen. Deshalb ist Arbeitgebern noch dringender als bereits zuvor zu raten, dieser entsprechend den Anforderungen des BAG nachzukommen. Hierzu sollten sie

ihre Mitarbeiter zu Beginn des Kalenderjahres in Textform über die Anzahl der ihnen zustehenden Urlaubstage informieren,

ihre Mitarbeiter dazu auffordern, den Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann und

ihre Mitarbeiter über die Konsequenzen für den Fall belehren, dass sie den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragen.

Um auch den Verfall der Urlaubsansprüche von erst im Laufe des Jahres langzeiterkrankten Mitarbeitern nach der 15-Monatsfrist herbeiführen zu können, ist Arbeitgebern zu empfehlen, die (erste) Belehrung so früh wie möglich im Kalenderjahr vorzunehmen, also nicht, wie bisher üblicherweise gehandhabt, erst im dritten Quartal eines Jahres. Die Belehrung kann per Schreiben oder auch digital, z. B. per E-Mail, erfolgen. Zudem sollte die oder der direkte Vorgesetzte regelmäßig daran erinnern, den Urlaub im Kalenderjahr zu beantragen und zu nehmen.

Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast für die ­Erfüllung ihrer Mitwirkungsobliegenheit. Sie sollten deswegen beachten, dass das Absenden einer E-Mail allein deren Zugang i.S.v. § 130 BGB weder beweist noch dies für einen ­Anscheinsbeweis ausreicht (LAG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 24. August 2018 – 2 Sa 403/18). Damit sie jedenfalls einen Anscheinsbeweis erzeugen, sollten E-Mails daher mit einer Lese- oder Empfangsbestätigungsfunktion versehen werden oder die Beschäftigten um eine (digitale) Eingangsbestätigung gebeten werden.

V. Fazit

Die relativ große mediale Aufregung um die neue BAG-Rechtsprechung lässt sich bei genauer Betrachtung erheblich eindämmen. Arbeitgeber brauchen keine Angst vor „Klagewellen“ wegen nicht verjährenden oder nicht verfallenden Urlaubs zu haben: Erfüllen sie ihre Mitwirkungsobliegenheit, können Verfall und Verjährung des Urlaubsanspruchs weiterhin uneingeschränkt eintreten; auf Urlaubsabgeltungsansprüche als reine Geldansprüche finden Ausschlussfristen und Verjährung nach dem BAG sowieso unverändert Anwendung. Zentraler Auseinandersetzungspunkt von Rechtstreitigkeiten im Zusammenhang mit Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen wird zukünftig wohl die korrekte Ausgestaltung der Mitwirkungsobliegenheit sein.

Angemessenheit von Pensionszusagen für Organe von gemeinnützigen Körperschaften

Die Höhe der Vergütung ihrer Mitarbeiter, Führungskräfte und Organpersonen können Unternehmen grundsätzlich frei bemessen. In einigen Fällen ist es jedoch erforderlich, bei der Höhe der Vergütung bestimmte Grenzen einzuhalten. So ist gemeinnützigen Körperschaften gesetzlich vorgeschrieben, dass sie keine Person durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen dürfen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO).

Für die Frage, wann eine Vergütung unverhältnismäßig ist, können die Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung angewendet werden. Wann wiederum eine überhöhte Vergütung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt, wird an einem internen oder externen Fremdvergleich gemessen. Dabei wird stets die Gesamtvergütung des Geschäftsführers betrachtet, zu der nicht nur Gehälter und Sonderzahlungen, sondern auch die Pensionszusagen gehören (BFH, Urteil vom 12. März 2020 – V R 5/17). Zu diesem Zweck sind die Pensionszusagen mit der sog. fiktiven Jahresnettoprämie zu bewerten, also dem Jahresbeitrag, der für eine Versicherung mit entsprechenden Leistungen zu erbringen wäre.

Für die Angemessenheit der Vergütung gibt es keine festen Regeln; u. U. können Gehaltsstrukturuntersuchungen (z. B. die sog. BBE-Studie oder die sog. Kienbaum-Studie) herangezogen werden. Der Umstand, dass es sich um gemeinnützige Organisationen handelt, muss bei der Angemessenheitsprüfung nicht mindernd berücksichtigt werden: Die Vergütungen dürfen den Gehältern für vergleichbare Tätigkeiten bei nicht steuerbegünstigten Unternehmen entsprechen. Eine Vergütung, die den oberen Rand der Bandbreite der ­Angemessenheit um mehr als 20 % übersteigt, gefährdet die Gemeinnützigkeit (BFH, Urteil vom 12. März 2020 – V R 5/17).

Beachten gemeinnützige Körperschaften dieses Angemessenheitserfordernis nicht, sind die möglichen Folgen vielfältig: Sie reichen vom Verlust der Gemeinnützigkeit mit allen steuerlichen und wirtschaftlichen Folgen über zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen die handelnden Personen bis hin zur Verwirklichung des Straftatbestands der Untreue.

Daher empfiehlt es sich vor der Erteilung einer Versorgungszusage an Organe gemeinnütziger Körperschaften, diese auf Angemessenheit dem Grund und der Höhe nach prüfen zu lassen. Auch bereits erteilte Versorgungszusagen sollten anhand inner- und außerbetrieblicher Umstände, einer versicherungsmathematischen Bewertung der Pensionszusage sowie einschlägigen Referenzwerten und Vergütungsstudien überprüft werden.

Kein Vertrauensschutz für Ausschlussfristen­regelungen bei fehlender Ausnahme von Haftungsansprüchen

Ausschlussfristenregelungen, die Haftungsansprüche wegen Vorsatzes nicht ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen, sind wegen Verstoßes gegen § 202
Abs. 1 BGB nichtig. Ein Vertrauensschutz für den Verwender der Klausel besteht nicht.

BAG, Urteil vom 5.7.2022 – 9 AZR 341/21

Der Fall

Die klagende Arbeitnehmerin war bei der beklagten Arbeitgeberin von Anfang 2012 bis Ende August 2017 als Bürokauffrau beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag enthielt eine Ausschlussklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die damit in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Sofern die Gegenseite den Anspruch ablehnt oder sich nicht binnen zwei Wochen erklärt, sollte der Anspruch verfallen, wenn er nicht innerhalb von drei weiteren Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Vom 4. April 2013 bis 17. August 2017 befand sich die Klägerin bis auf kleinere Unterbrechungen in Elternzeit. Zum 31. August 2017 kündigte sie das Arbeitsverhältnis und forderte die Beklagte Ende Oktober 2017 auf, ihr 14 Tage Resturlaub aus 2013 und 2014 abzugelten. Mit am 1. Februar 2018 zugestellter Klage forderte sie zudem die Abgeltung weiterer 130 Urlaubstage aus den Jahren 2013 bis 2017, was die Beklagte mit Verweis auf die Ausschlussklausel ablehnte. Das ArbG gab der Klage im Hinblick auf sieben Urlaubstage statt, das LAG wies die Berufung der Klägerin zurück.

Die Entscheidung

Der 9. BAG-Senat entsprach hingegen der Revision der Klägerin und sprach dieser einen Anspruch auf Abgeltung weiterer 116 Urlaubstage zu. Die vorherige Annahme des LAG, der Anspruch sei wegen der Ausschlussfristenregelung verfallen, halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, da die Klausel wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot, die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft zu erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB), gem. § 134 BGB nichtig sei. Die Regelung sei weit gefasst und finde daher auch auf Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung Anwendung. Die Klausel sei aber unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes nicht ausschließe. Auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 2 Hs. 1 BGB) könne sie weder ganz noch teilweise aufrechterhalten bleiben. Daneben komme auch kein Vertrauensschutz für den Arbeitgeber als Verwenderin der Klausel in Betracht. An der Rechtsprechung des 8. Senat aus dem Jahre 2013, die noch eine einschränkende Auslegung vorgenommen hatte, wird nicht mehr festgehalten. Bezogen auf die Urlaubsabgeltung, entschied der 9. BAG Senat zudem, dass der Anspruch auch in der genannten Höhe bestehe, da das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG während der Elternzeit keine Anwendung finde und die Beklagte vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses weder ausdrücklich noch konkludent eine Kürzung des Urlaubs gem.
§ 17 Abs. 1 1 BEEG erklärt habe.

Unser Kommentar

Bis vor einigen Jahren ging der 8. Senat noch davon aus, dass eine explizite Herausnahme der Haftung wegen Vorsatzes in Ausschlussfristenregelungen nicht notwendig ist, weil wegen der klaren Gesetzeslage regelmäßig davon auszugehen sei, dass die Vertragspartner keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen gesetzliche Verbotsnormen regeln wollen. Klauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstoßen, sollten deshalb wirksam sein (zuletzt BAG, Urteil vom
20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12). Der 9. BAG-Senat bestätigt nun aber den jüngeren Rechtsprechungswechsel des BAG zur notwendigen Ausklammerung von Haftungsansprüchen wegen Vorsatzes aus Verfallklauseln. Insofern sind nach dieser neueren Rechtsprechung Ausschlussklauseln, die auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung bzw. unerlaubter Handlung erfassen, wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB (und § 276 Abs. 3 BGB) nichtig (BAG, Urteil vom 26. November 2020 – 8 AZR 58/20; Urteil vom 9. März 2021 – 9 AZR 323/20). In der vorliegenden Entscheidung gibt der
9. Senat in Rn. 28 sogar Gestaltungshinweise für den nach
§ 202 Abs. 1 BGB erforderlichen Klauselzusatz:

„[..] alle beiderseitigen Ansprüche mit Ausnahme solcher aus einer vorsätzlichen Handlung[..]“ oder „Diese Regelung erfasst nicht Ansprüche der Parteien aus einer vorsätzlichen Handlung.“

Die Entscheidung ist bezogen auf den Vertrauensschutz jedoch zu kritisieren: Klauseln, die bis zu einem definitiven Rechtsprechungswechsel in Verträgen aufgenommen werden, müssen Vertrauensschutz genießen. Dass eine Rechtsauffassung des BAG von Instanzgerichten und im Schrifttum kritisiert oder anders bewertet wird, ändert nichts an ihrer Verbindlichkeit. Die Gestaltung von AGB kann sich nur im Zeitpunkt ihrer Erstellung an der (aktuellen) Rechtsprechung des BAG orientieren, weshalb Rechtsprechungsänderungen nur im Ausnahmefall in die Vergangenheit eingreifen dürfen. Das BAG nahm beispielsweise eine Teilnichtigkeit von Ausschlussfristenregelungen zuletzt auch dann an, wenn diese Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmen und damit gegen § 3 Satz 1 MiLoG verstoßen, aber vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbart wurden BAG, Urteil vom 18. September 2018 – 9 AZR 162/18). Hier sollte allein die Änderung der Gesetzeslage nicht nachträglich zur (Gesamt-)Unwirksamkeit einer Ausschlussfristenregelung führen. Gleiches muss für Verfallklauseln gelten, die zumindest vor dem Urteil des 8. Senats vom 26. November 2020 abgeschlossen wurden, da erst darin dessen vorherige Rechtsprechung explizit aufgegeben wurde. Selbst, wenn zuvor eine „gesetzkonforme“ Gestaltung anhand der §§ 202 Abs. 1, § 276 Abs. 3 BGB hätte stattfinden können, ist die Rechtsprechung des BAG und dessen zum damaligen Zeitpunkt noch einschränkende Auslegung letztlich das relevante Kriterium für die Rechtslage in der Praxis.

Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschafts­betrieb – Notwendigkeit einheitlicher Mitbestimmungsinhalte

Bestehen in einem gemeinsamen Betrieb gewillkürt mehrere Betriebsräte, die nur für die Arbeitnehmer „ihres“ Arbeitgebers zuständig sind, spricht dies gegen den Charakter eines Gemeinschaftsbetriebs; stellt ein beteiligtes Unternehmen einem anderen in diesem Fall Arbeitnehmer zur Verfügung, handelt es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG.

BAG, Urteil vom 24.5.2022 – 9 AZR 337/21

Der Fall

Der Kläger ist seit 2004 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt, die gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung ausübt. Ihre Muttergesellschaft betreibt einen Flughafen, wohin der Kläger seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses als Leiharbeitnehmer überlassen wurde. Im Sommer 2017 schlossen die Arbeitgeberin, die Muttergesellschaft und ein Drittunternehmen eine Vereinbarung über die Etablierung eines Gemeinschaftsbetriebs, für den sie eine einheitliche Personalleitung vorsahen. Auf Basis eines Tarifvertrags sollte kein gemeinsamer Betriebsrat gebildet werden, sondern die Arbeitnehmer durch den jeweiligen Betriebsrat bei ihrem Vertragsarbeitgeber vertreten werden. Weil die Muttergesellschaft höhere Löhne nach dem TVöD zahlt, forderte der Kläger die Arbeitgeberin später auf, seine Arbeitsleistung rückwirkend zum 1. Januar 2018 danach zu vergüten. Dazu machte er ggü. der Muttergesellschaft das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1, Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1b AÜG geltend, da er dauerhaft an diese überlassen worden sei und de facto gar kein Gemeinschaftsbetrieb bestehe. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung

Das BAG entsprach der Revision des Klägers, verwies die Sache aber zurück an die Vorinstanz. Zwar liege keine Arbeitnehmerüberlassung an einen Dritten vor, wenn der Vertragsarbeitgeber mit diesem einen gemeinsamen Betrieb unterhält und darin auch eigene Betriebszwecke verfolgt. Das LAG habe jedoch nicht alle wesentlichen Aspekte für die Frage gewürdigt, ob vorliegend wirklich ein Gemeinschaftsbetrieb besteht. Die tarifvertraglich bewirkte Aufteilung der betrieblichen Mitbestimmung lasse daran zweifeln, dass die Arbeitgeberfunktion tatsächlich einheitlich wahrgenommen werde; die gewillkürte Schaffung zweier Betriebsräte könne in diesem Zusammenhang erhebliche Auswirkungen auf die Personalleitung haben, insbesondere, weil sich unterschiedliche betriebliche Regelungen in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG ergeben können. Von einer Einheitlichkeit sei nur dann auszugehen, wenn diese Regelungen weitgehend übereinstimmen oder zumindest aufeinander abgestimmt sind – dies habe das LAG entsprechend zu klären.

Unser Kommentar

Neben dem gemeinsamen Betriebsführungswillen ist für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs grundsätzliche Bedingung, dass die beteiligten Arbeitgeber denselben Betriebszweck verfolgen und eine einheitliche personelle Leitungsmacht besteht (siehe nur BAG, Beschluss vom 16. April 2008 – 7 ABR 4/07). Gemäß BAG steht die Existenz mehrerer Betriebsräte der Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs zwar nicht zwangsweise entgegen. Dennoch bestehen aus Sicht des 9. Senats hier starke Indizien dafür, dass die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer lediglich in formaler Hinsicht einer einheitlichen Leitung, tatsächlich aber einer nach Vertragsarbeitgebern getrennten Personalführung unterliegen, wenn mehrere Betriebsräte jeweils ausdrücklich für die Arbeitnehmer „ihres“ Arbeitgebers zuständig sind. In der Folge fände die bisher geltende Rechtssprechung des BAG zur Überlassung von Arbeitnehmern im Gemeinschaftsbetrieb dann keine Anwendung (BAG, Beschluss vom 25. Oktober 2000 – 7 AZR 487/99). Die Bewertung hier ist nachvollziehbar, wenn es die Existenz mehrerer Betriebsräte als wichtiges Indiz getrennter Leitungsmacht heranzieht und so einen Gemeinschaftsbetrieb ablehnt; die Voraussetzung einer einheitlichen Leitungsstruktur von der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten zu entkoppeln, um so einen Gemeinschaftsbetrieb annehmen zu können, wäre inkonsequent

Wirksamkeit einer Versetzung ins Ausland

Der Arbeitgeber kann aufgrund seines ­Direktionsrechts den Arbeitnehmer auch an einen Arbeitsort des Unternehmens im Ausland versetzen, wenn nicht ein konkreter inländischer Arbeitsort vereinbart wurde.

BAG, Urteil vom 30.11.2022 – 5 AZR 336/21 u. a.

Der Fall

Der Kläger ist seit 2018 als Pilot bei einer Airline mit Sitz in Irland beschäftigt. Seine „Homebase“ war zunächst der Flughafen Nürnberg, wobei der Arbeitsvertrag die Möglichkeit der Änderung des Stationierungsorts regelte. Da zwischen der beklagten Arbeitgeberin und der Vereinigung Cockpit ein Tarifvertrag geschlossen worden war, bezog der Kläger ein höheres Grundgehalt als dies sein nach irischem Recht geschlossener Arbeitsvertrag vorsah. Ende März 2020
entschied sich die Beklagte, die Basis Nürnberg aufzulösen und den Kläger aus diesem Grund nach Bologna zu versetzen. Gleichzeitig sprach sie vorsorglich eine entsprechende Änderungskündigung aus, welche der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm. Der Kläger machte daraufhin geltend, dass die Versetzung unbillig sei und begründete dies mit dem dadurch verursachten Entzug seines tariflichen Vergütungsanspruchs. Dem entgegnete die Beklagte, dass kein freier Arbeitsplatz an einer anderen deutschen Basis vorhanden gewesen sei. ArbG und LAG wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung

Auch vor dem BAG hatte die Revision des Klägers keinen Erfolg. Der Arbeitsvertrag, auf den sich der Kläger und die Beklagte geeinigt hatten, habe gerade keinen inländischen Arbeitsort vorgeschrieben und sogar im Gegenteil eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen. Dies lasse den Schluss zu, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung ins Ausland umfasste. Ferner enthalte das Gesetz keine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in Deutschland. Die Versetzung wahre billiges Ermessen und halte einer Ausübungskontrolle stand. Sie sei Resultat der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, die Basis Nürnberg aufzugeben. Während es keine offenen Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort gegeben habe, sei damit auch die Möglichkeit entfallen, den Kläger dort weiterhin zu stationieren. Die Weisung habe darüber hinaus keine Auswirkung auf den Inhalt des Arbeitsvertrags und insbesondere auch nicht auf das arbeitsvertragliche Entgelt. Allein der von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags sei maßgebend für den Umstand gewesen, dass der Kläger ein höheres Tarifgehalt bezog. Zuletzt führe auch die Tatsache, dass sonstige Nachteile der Versetzung wie die Aufgabe des Wohnorts nicht finanziell kompensiert worden seien, ebenfalls nicht zu deren Unbilligkeit.

Unser Kommentar

In seinem Urteil bestätigt das BAG zunächst grundsätzlich seine bisherige Rechtsprechung, nach der nur die vertragliche Festlegung eines spezifischen Arbeitsorts eine Beschränkung des Versetzungsrechts des Arbeitgebers bewirkt. Das Novum, das der vorliegende Fall enthält, ist die explizite Übertragung dieser Grundsätze auf Versetzungen ins Ausland. Dabei spielt die räumliche Entfernung eine untergeordnete Rolle. So kann eine Versetzung von Aachen in eine grenznahe Stadt in Belgien oder den Niederlanden räumlich unproblematischer sein als beispielsweise nach Köln. Zu beachten gilt bei dauerhaften Versetzungen, dass das jeweilige ausländische Arbeits- und Sozialversicherungsrecht Anwendung findet, während das BetrVG keine Geltung hat. Dabei gilt bei den zwei letztgenannten Fällen zwingend das Territorialprinzip. Ein Wechsel der Alltags- und/oder Arbeitssprache hat in anderen Berufsfeldern sicherlich gravierendere Auswirkungen als in der Arbeitswelt eines Verkehrspiloten, dürfte aber grundsätzlich ebenfalls Relevanz haben. Die Entscheidung verdeutlicht, dass diese Rechtsfolgen überwiegend zwingender Natur sind und folglich keine der Ausübungskontrolle im Einzelfall unterliegenden Aspekte darstellen. Bisher galt: Die Bezeichnung des ersten Einsatzorts im Vertrag beschränkt im Gegensatz zur vertraglichen Vereinbarung eines festen Arbeitsorts die Versetzbarkeit nicht. Die Entscheidung gibt daher Anlass, Versetzungsklauseln kritisch zu prüfen.

 

Notwendiges tatsächliches Unterlassen einer personellen Einzelmaßnahme bis zur (erneuten) Beteiligung des Betriebsrats

Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme ohne Beteiligung des Betriebsrats durch, kann er ein rechtzeitiges und damit ordnungsgemäßes Zustimmungsersuchen gem.
§ 99 Abs. 1 BetrVG nur dann an den Betriebsrat richten, wenn er die Maßnahme vorher aufgehoben hat. Hierzu ist es erforderlich, dass der Einsatz des betroffenen Arbeitnehmers auf dem neuen Arbeitsplatz zumindest vorübergehend tatsächlich unterbleibt.

BAG, Beschluss vom 11.10.1022 – 1 ABR 18/21

Der Fall

Im Rahmen einer Umgestaltung ihrer Betriebsorganisation wies die beteiligte Arbeitgeberin einem ihrer Mitarbeiter im Mai 2018 die Position des Leiters einer neu geschaffenen Abteilung zu, während er zuvor einen anderen Bereich geleitet hat; den Betriebsrat beteiligte sie nicht. Auf Antrag des Betriebsrats gab das ArbG der Arbeitgeberin im Juni 2019 auf, die Maßnahme aufzuheben, wogegen die Arbeitgeberin Beschwerde einlegte. Im Januar 2020 teilte sie dem Betriebsrat sodann mit, dass sie die Versetzung zurücknehme, woraufhin die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärten und dieses eingestellt wurde. Noch am selben Tag bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat, der beabsichtigten erneuten Versetzung des Betroffenen auf dieselbe Leitungsstelle zuzustimmen; zudem teilte sie mit, dass sie die Versetzung vorläufig durchführen werde. Mit Schreiben vom 14. Januar 2020 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung, weshalb die Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren beantragte, die Zustimmung des Betriebsrats gerichtlich zu ersetzen und festzustellen, dass die vorläufige Durchführung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Das ArbG wies die Anträge ab, das LAG gab ihnen auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hin statt.

Die Entscheidung

Der 1. BAG-Senat gab wiederum der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats statt. Die Anträge der Arbeitgeberin seien unbegründet, da die Arbeitgeberin das Zustimmungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet habe. Voraussetzung für die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG sei eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung setze die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf. Die Unterrichtung durch die Arbeitgeberin und ihr Gesuch auf Erteilung der Zustimmung durch den Betriebsrat im Januar 2020 seien hier jedoch nicht vor der Versetzung des Betroffenen gem. § 99 Abs. 1 BetrVG erfolgt. Die Vorschrift verlange explizit, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der personellen Maßnahme unterrichtet und die Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einholt. Auch aus dem Normzweck folge, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einem Zeitpunkt stattfindet, noch keine endgültige Entscheidung getroffen wurde oder eine solche zumindest noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden kann.

Die Unterrichtung des Betriebsrats sowie das Zustimmungsersuchen seien nach Ansicht des BAG infolgedessen nicht rechtzeitig und damit ordnungsgemäß erfolgt, da die Arbeitgeberin die Versetzung bereits im Mai 2018 endgültig durchgeführt habe und der Betroffene seitdem ununterbrochen auf der ihm neu zugewiesenen Stelle eingesetzt wurde. Die bloße Mitteilung der Arbeitgeberin, sie nehme die Versetzung „zurück“ und dass diese nur noch „vorläufig“ erfolge, bedeute nicht, dass sie dadurch eine „neue“ Versetzung geplant hätte. Einem Arbeitgeber sei es zwar unbenommen, den Betriebsrat mehrmals hintereinander um Zustimmung zu einer Maßnahme zu bitten oder nach (rechtskräftigem) Unterliegen in einem Zustimmungsersetzungsverfahren die auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme erneut nach Maßgabe des
§ 99 Abs. 1 BetrVG einzuleiten, ggfs. über den Weg des § 99 Abs. 4 i. V. m. § 100 Abs. 2 BetrVG. Gleichwohl sei stets erforderlich, dass der Arbeitgeber von der Maßnahme Abstand genommen hat und eine neue – eigenständige – Einstellung oder Versetzung eingeleitet hat, wofür er die Maßnahme tatsächlich aufheben müsse. Nicht ausreichend sei es, wenn er den Betriebsrat lediglich nachträglich um Zustimmung bittet oder mitteilt, er nehme die Maßnahme zurück und führe sie nur noch vorläufig durch – dies folge aus § 101 BetrVG. Unerheblich sei dabei, wenn nach einer Umorganisation ein Einsatz auf dem früheren Arbeitsplatz unmöglich ist, wobei der Vollzug einer bereits endgültig durchgeführten Versetzung schon grundsätzlich nicht durch eine „Rückversetzung“ aufgehoben werden könne. Entscheidend sei vielmehr, dass der Einsatz auf dem zuletzt zugewiesenen Arbeitsplatz – zumindest vorübergehend bis zur Einleitung etwas etwaigen neuen Beteiligungsverfahrens – unterbleibt.

Unser Kommentar

Die Entscheidung des BAG verwundert vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des 7. BAG-Senats aus dem Jahr 2018 nicht und führt diese konsequent fort. Auch hier hat das BAG entschieden, dass der Arbeitgeber die Aufhebung einer ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats durchgeführten Maßnahme gem. § 101 BetrVG nicht dadurch verhindern kann, dass er das Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG nachholt, ohne zuvor die bereits erfolgte Maßnahme aufzuheben und ggfs. ein neues Besetzungsverfahren zu betreiben, solange der Betriebsrat der ursprünglichen Einstellung nicht nachträglich zustimmt (BAG, Beschluss vom 21. November 2018 – 7 ABR 16/17). In der Praxis würde man im ersten Moment für den Arbeitgeber erhebliche finanzielle Auswirkungen vermuten, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz beispielsweise aufgrund einer Umstrukturierung nicht mehr vorhanden ist, eine Beschäftigung auf dem alten Arbeitsplatz für den Arbeitgeber tatsächlich also unmöglich wird (Stichwort: Annahmeverzug). Der Einsatz muss aber nach dem BAG nur bis zur Einleitung eines etwaigen neuen Beteiligungsverfahrens nach § 99 Abs. 1, § 100 Abs. 2 BetrVG unterbleiben. Ein gut beratener Arbeitgeber wird in so einem Fall also schnell handeln und ein neues Verfahren nach § 99 Abs. 1, § 100 Abs. 2 BetrVG schnellstmöglich einleiten. Das drohende Betriebs(ausfall)risiko mit der Folge, dass er in Annahmeverzug gerät, lässt sich hier also durch schnelles Handeln stark minimieren. In dem Kontext auch relevant: Für den Fall unternehmensüberschreitenden Versetzungen hat das BAG erst kürzlich einen anderen, arbeitgeberfreundlichen Bewertungsmaßstab entwickelt (BAG, Beschluss vom 15. November 2022 – 1 ABR 15/21).

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs bei fehlender Arbeitssuchendmeldung nach § 38 SGB III

Die fehlende Arbeitssuchendmeldung nach § 38 Abs. 1 SGB III bei der Agentur für Arbeit ist (nur) ein Indiz für ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs.

BAG, Urteil vom 12.10.2022 – 5 AZR 30/22

Der Fall

Die Parteien streiten über die Höhe des Annahmeverzugslohns und der Nutzungsausfallentschädigung für den dem Kläger nicht zur Verfügung gestellten Dienstwagen. Der Kläger ist bei der Beklagten auf Grundlage eines Arbeitsvertrags in leitender Position tätig. Neben seinem Bruttomonatsgehalt hat er Anspruch auf Zurverfügungstellung eines Dienstwagens, auch zur privaten Nutzung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ohne auf die Pflicht zur Arbeitssuchendmeldung nach § 38 Abs. 1 SGB III hinzuweisen. Der Kläger meldete sich nicht arbeitsuchend und bezog keine Leistungen der Agentur für Arbeit. Dem Kläger war diese Verpflichtung jedoch bekannt. Der Kläger hatte mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg und machte sodann Annahmeverzugslohn sowie Nutzungsausfallentschädigung für den Dienstwagen geltend. Die Beklagte wandte ein, dass der Kläger durch die Verletzung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht anderweitigen Erwerb böswillig im Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG nicht erzielt habe. Das ArbG gab der Zahlungsklage statt, das LAG hat diese Entscheidung unter Verweis auf die unterlassene Arbeitssuchendmeldung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Das BAG hob wiederum das Urteil des LAG auf und verwies die Sache dorthin zurück. Die Erfurter Richter stellten zunächst fest, dass die Anrechnung anderweitigen Erwerbs bzw. dessen böswilligen Unterlassens vorliegend aus § 11 Nr. 2 KSchG und nicht aus dem nahezu wortgleichen § 615 BGB folge. Der Anspruch auf Nutzungsersatz für das nicht zur Verfügung gestellte Kraftfahrzeug folge aus §§ 280 Abs. 1,
283 BGB (und nicht aus § 11 Nr. 2 KSchG oder § 615 BGB).

Das BAG entschied weiter, dass allein die Tatsache der unterlassenen Arbeitssuchendmeldung nach § 38 Abs. 1 SGB III nicht die Böswilligkeit des unterlassenen Erwerbes automatisch bestätige. Dies sei lediglich ein Umstand, der im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen sei. Die (unterbliebene) Erfüllung der Meldepflicht sei ein Anknüpfungspunkt für die Konkretisierung des Begriffs der „Böswilligkeit“ des unterlassenen, anderweitigen Erwerbs. Darüber hinaus seien im Rahmen einer Gesamtabwägung alle Umstände des Einzelfalls, so z. B. auch die Tatsache, ob und warum der Arbeitgeber ggf. nicht über die Meldepflicht belehrt hat, zu berücksichtigen.

Sollte ein böswilliges Verhalten des Klägers bejaht werden, wäre weiter zu prüfen, ob und welche Vermittlungsangebote die Arbeitsagentur unterbreitet hätte, ob eine Bewerbung der Klägers erfolgreich gewesen wäre und welche Vergütung er im relevanten Zeitraum hätte erzielen können. Der Arbeitgeber müsse hierzu zunächst nur schlüssig vortragen, dass es Vermittlungsangebote der Arbeitsagentur für den Arbeitsbereich des Klägers im Streitzeitraum gegeben habe. Der Kläger müsse sodann zu Vermittlungschancen so konkret wie möglich vortragen. Sodann obliege es weiterhin dem Arbeitgeber, die Zumutbarkeit etwaiger Vermittlungsvorschläge und die Erwerbschancen im Falle einer Bewerbung nachzuweisen. Bzgl. des Nutzungsersatzes wäre die unterlassene Arbeitssuchendmeldung im Rahmen eines etwaigen Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

Unser Kommentar

Das Urteil stärkt die Position des Arbeitgebers in der Praxis kaum. Diesem ist es weiterhin nur schwer möglich, die Böswilligkeit unterlassenen Erwerbs nachzuweisen. Im Einzelnen:

Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer immer dann Annahmeverzugslohn, wenn er die vom Arbeitnehmer vertragsgemäß angebotene Arbeit nicht annimmt. Der klassische Fall liegt vor, wenn eine arbeitgeberseitige Kündigung im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens für unwirksam erklärt wird. Dann schuldet der Arbeitgeber für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist das Gehalt ohne die Arbeitsleistung erhalten zu haben. Neben § 11 Abs. 2 KSchG (für die Zeit eines Kündigungsschutzverfahrens) regelt § 615 BGB die Pflicht zur Zahlung des Annahmeverzugslohns im laufenden Arbeitsverhältnis. So kann Annahmeverzugslohn z. B. dann zu zahlen sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mangels Aufträgen zeitweise keine Aufgaben zuweisen kann.

Geht der Arbeitnehmer in dieser Zeit einer anderen Erwerbstätigkeit nach, verringert die hierdurch erzielte Vergütung den Annahmeverzugslohn. Der Annahmeverzugslohn wird zudem reduziert, wenn der Arbeitnehmer einen anderweitigen Erwerb böswillig nicht erzielt, weil er vorsätzlich und ohne Grund Arbeit ablehnt oder verhindert, dass ihm eine solche angeboten wird. Eine klare Definition des Wortes „böswillig“ gibt es nicht. Deshalb ziehen Gerichte bei Streit über die Frage, ob ein anderweitiger Erwerb bzw. das böswillige Unterlassen eines solchen vorliegt, alle Indizien des Falls heran. Die fehlende Arbeitssuchendmeldung ist ein solches Indiz, jedoch kann sie nicht allein die Böswilligkeit des unterlassenen Erwerbs belegen. Mit Blick auf die Entscheidung des BAG muss im Folgenden zudem schlüssig dargelegt werden, dass die Arbeitsagentur Vermittlungsvorschläge unterbreitet hätte, die zu einer erfolgreichen Bewerbung geführt hätten. Weiter muss der Arbeitgeber belegen, ab welchem Zeitpunkt welche Erwerbschancen bestanden hätten.

In diesem Zusammenhang steht dem Arbeitgeber ein Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer zur Seite: Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge nach § 242 BGB (BAG, Urteil vom
27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19). Der Arbeitgeber kann den gerichtlichen Anforderungen zum Nachweis böswillig unterlassenen Erwerbs gut nachkommen, wenn er dem Arbeitnehmer eine Position im eigenen Unternehmen oder Konzernverbund anbieten lässt. Dies kommt allerdings nach Ausspruch einer Kündigung nur in wenigen Fallgestaltungen in Betracht, insb. bei einer personenbedingten Kündigung. Der Einwand anderweitigen Erwerbs und dessen böswilligen Unterlassens ist jedoch taktisch in den meisten Fällen sinnvoll.

Krankfeiern auf White-Night-Ibiza-Party als Grund für eine außerordentliche Kündigung

Eine fristlose Kündigung wegen Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit ist gerechtfertigt, wenn sich eine Arbeitnehmerin unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für zwei Tage krankmeldet und während dieser Zeit an einer White-Night-Ibiza-Party teilnimmt.

ArbG Siegburg, Urteil vom 1.12.2022 – 5 Ca 1200/22

Der Fall

Die Klägerin war bei der Beklagten als Krankenpflegeassistentin beschäftigt. Am Wochenende des 2./3. Juli 2022 war sie jeweils zum Spätdienst eingeteilt; für diese Dienste meldete sie sich krank. In der Nacht vom 2. auf den 3. Juli 2022 nahm sie zusammen mit einigen Arbeitskollegen an der sog. White-Night-Ibiza-Party teil. Dies ist durch Fotos dokumentiert, die die Klägerin in ihrem WhatsApp-Status und der Party-Veranstalter auf seiner Homepage veröffentlicht haben. Die Klägerin legte am 4. Juli 2022 eine auf denselben Tag datierte AU-Bescheinigung eines Online-Anbieters vor, ausweislich derer sie am 2./3. Juli 2022 arbeitsunfähig gewesen sei. Nach Anhörung der Klägerin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Kündigungsschutzklage ab. Die außerordentliche fristlose Kündigung sei gerechtfertigt; zur Überzeugung der Kammer stünde fest, dass die Klägerin die Arbeitsunfähigkeit für die Tage am 2. und 3. Juli 2022 nur vorgetäuscht habe und nicht arbeitsunfähig erkrankt sei. Anhand der Fotos sei zu erkennen, dass die Klägerin am Tag ihrer angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit „bester Laune und bei bester Gesundheit“ an der White-Night-Ibiza-Party teilgenommen habe. Hinzu komme, dass die AU-Bescheinigung erst nachträglich ausgestellt wurde. Damit sei der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert, mit der Folge, dass die Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trage, dass sie tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Dies gelang der Klägerin nach Überzeugung der Kammer „in keiner Weise“. Das Gericht bescheinigt der Klägerin eine Neigung zur Unwahrheit: Die ursprüngliche Aussage, sie habe sich wegen Grippesymptomen krankgemeldet, habe sie später selbst revidiert. Für die klägerseits dazu bemühte Erklärung zeigte sich das Gericht nicht empfänglich: „Gelogen ist gelogen.“ Vor diesem Hintergrund glaubte das Gericht der Klägerin auch ihre spätere Einlassung nicht, sie habe aufgrund einer innerbetrieblichen Mobbingsituation an einer zweitägigen psychischen Erkrankung gelitten. Hiergegen spräche schon die Tatsache, dass sie die Party mit ihren Arbeitskollegen besucht habe; zudem gäbe es derart kurzfristige psychische Erkrankungen schlicht nicht.

Unser Kommentar

Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit stellt bekanntlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Sofern der Arbeitnehmer eine ärztliche AU-Bescheinigung vorlegt, sieht sich der Arbeitgeber regelmäßig mit der Herausforderung konfrontiert, den hohen Beweiswert einer solchen zu erschüttern. Dabei muss der Arbeitgeber nicht das Gegenteil beweisen; er muss aber Tatsachen vorbringen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers begründen. Hierzu zählen etwa die Rückdatierung der Bescheinigung, die Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit nach Ablehnung eines Urlaubsantrags, das Nachgehen einer Nebentätigkeit während der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit oder die Vorlage einer am Tag der Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgestellten AU-Bescheinigung, die passgenau die Kündigungsfrist abdeckt. Die zunehmend praxisrelevante Frage, ob der hohe Beweiswert der AU-Bescheinigung auch im Falle einer telemedizinischen Untersuchung durch einen Online-Anbieter gegeben ist, bleibt derweil weiterhin offen: Das ArbG Siegburg lässt vorliegend erkennen, dass es den Beweiswert der AU-Bescheinigung auch deshalb für fragwürdig hält, weil der behandelnde Arzt fachfremd ist und die Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Genesung rückwirkend ohne direkte Untersuchung festgestellt hat. Eine unmissverständliche Aussage zu telemedizinischen Untersuchungen findet sich indes nicht, sodass dies auch in der nächsten Instanz nicht relevant werden dürfte

Behinderung der Betriebsratsarbeit durch einen Aushang

Die Veröffentlichung eines Aushangs und die Äußerung in einer Betriebsversammlung, durch die bekannt gemacht wird, dass ein Betriebsratsmitglied eine hohe Abfindung gefordert habe und durch seine Forderung das Vertrauen der Belegschaft und die Verantwortung gegenüber dieser missbraucht habe, was einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot darstelle, stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratsarbeit dar, sofern kein berechtigtes Interesse für die Veröffentlichung besteht. Dasselbe gilt für entsprechende Äußerungen auf der Betriebsversammlung. Wird die Veröffentlichung auf andere Betriebe erstreckt (z. B. durch Intranet, App, Aushang), stellt dies regelmäßig einen groben Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit dar. Begründet ein Betriebsratsmitglied seine Beschwerde nach einem abweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts erst zweieinhalb Monate nach Zustellung des Beschlusses, liegt regelmäßig keine Eilbedürftigkeit (mehr) vor.

LAG Nürnberg, Beschluss vom 14.11.2022 – 1 TaBVGa 4/22

Der Fall

Der Antragsteller ist ehemaliger Betriebsratsvorsitzender und zuletzt freigestelltes Betriebsratsmitglied. Die Arbeitgeberin führt weitere Betriebe, in denen jeweils ein Betriebsrat gebildet ist. Im November 2020 unterzeichnete der Antragsteller noch in der Stellung als Betriebsratsvorsitzender eine Betriebsvereinbarung, die im Falle eines freiwilligen Ausscheidens eine auf EUR 250.000 gedeckelte Abfindung vorsah. Der Antragsteller forderte jedoch für sein freiwilliges Ausscheiden eine Abfindung von zunächst EUR 750.000, später in Höhe von EUR 360.000.

Daraufhin leitete die Arbeitgeberin ein Verfahren zum Ausschluss des Antragstellers aus dem Betriebsrat wegen grober Pflichtverletzung ein. Ein Gesellschafter der Unternehmensgruppe und Vorsitzender des Verwaltungsrats der Komplementärgesellschaft der Arbeitgeberin sowie der geschäftsführende Gesellschafter der Komplementärgesellschaft informierten die Belegschaft aller Betriebe der Arbeitgeberin durch einen Aushang mit dem Titel „Betriebsrat missbraucht Vertrauen“ über das Vorgehen des Antragstellers und veröffentlichten den Aushang im Intranet und einer betriebsübergreifend genutzten firmeninternen App. Der Aushang enthielt verschiedene Vorwürfe gegenüber dem Antragsteller. Demnach habe er gegen das Verbot der Begünstigung von Betriebsräten verstoßen, indem er nach einem persönlichen Vorteil aufgrund seines Amtes als Betriebsrat gestrebt habe und damit seine Interessen vor die Interessen der Belegschaft gestellt habe. Dies lasse eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr zu.

Der Antragsteller leitete daraufhin ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein und machte geltend, dass er durch den Aushang und seine Veröffentlichung in seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied behindert werde. Es sei aus den Details des Aushangs klar erkennbar, dass sich die Geschäftsführung auf ihn beziehe. Der Sachverhalt sei zudem nicht korrekt wiedergegeben. Jedenfalls sei sein Ruf erheblich geschädigt worden. Er beantragte, den Antragsgegnern aufzugeben, den Aushang als unwahr zu widerrufen, an allen Orten der Veröffentlichung des Aushangs einen Widerruf zu veröffentlichen und den Antragsgegnern aufzugeben, die verschiedenen Äußerungen in jeglicher Form nicht mehr zu behaupten und zu verbreiten.

Erstinstanzlich wurde der Arbeitgeberin aufgegeben, den Aushang an sämtlichen Orten zu entfernen und eine erneute (auch wörtlich oder sinngemäß gleiche) Veröffentlichung schriftlich und mündlich zu unterlassen. Im Übrigen wurden die Anträge abgewiesen. Gegen diese Entscheidung legten die Beteiligten jeweils Beschwerde ein. Der Antragsteller begründete seine Beschwerde nach Fristverlängerung erst zweieinhalb Monate nach Zugang des erstinstanzlichen Beschlusses. Nachdem der Aushang zwischenzeitlich entfernt wurde, wurde das Verfahren, soweit die Entfernung des Aushangs angeordnet wurde, übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht änderte den Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise ab und untersagte es der Arbeitgeberin, der Betriebsöffentlichkeit zu erklären, ein freigestelltes Betriebsratsmitglied oder der Antragsteller habe für sein Ausscheiden eine Abfindung von EUR 750.000 oder EUR 360.000 verlangt, dies sei als Missbrauch der Verantwortung gegenüber der Belegschaft und/oder Verstoß gegen das Begünstigungsverbot und/oder Versuch anzusehen, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 10.000 angedroht. Soweit das Arbeitsgericht die erneute Veröffentlichung des Aushangs untersagt hat, wurde der Antrag abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Äußerung über einen Ausschlussantrag als solchen eine zutreffende Tatsachenbehauptung darstelle, die den berechtigten Interessen der Arbeitgeberin diene. Die Veröffentlichung dieser Information könne – ohne Nennung der Hintergründe und begrenzt auf den betreffenden Betrieb – nicht untersagt werden. Darüber hinaus habe für die Veröffentlichung weiterer Informationen kein Bedürfnis und keine Erforderlichkeit bestanden. Die nicht von dem Betriebsrat, dessen Mitglied der Antragsteller ist, repräsentierte Belegschaft habe mit dem Verfahren nichts zu tun. Es sei die Pflicht der Arbeitgeberin dafür zu sorgen, dass solche Informationen nicht außerhalb des Betriebs verbreitet werden, den Betriebspartner nicht gegenüber Dritten schlecht zu machen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Betriebsratsmitgliedern zu unterlassen. Dies ergebe sich jedenfalls aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Der Aushang lasse vorliegend den Eindruck beim Leser entstehen, dass eine schwere Verfehlung des Betriebsratsmitglieds vorliege, was über eine angemessene Kommentierung weit hinaus gehe.

Soweit behauptet wurde, dass der Antragsteller eine überhöhte Abfindung gefordert habe, dies ein Missbrauch seiner Verantwortung gegenüber der Belegschaft, ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot oder ein Versuch gewesen sei, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, hätte die Arbeitgeberin diese Äußerungen unterbinden müssen. Selbst wenn diese Aussagen getätigt worden und zutreffend wären, waren sie erkennbar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie hätten als vertraulich angesehen werden müssen. Es sei nicht einmal im Ansatz ein Bedürfnis für eine Unterrichtung der Betriebsöffentlichkeit erkennbar. Vielmehr sei zu erwarten, dass der Antragsteller unter Rechtfertigungsdruck gerät und das Vertrauen der Belegschaft in ihn und damit seine Amtsausführung beschädigt wird. Das führe zu einer unzulässigen Benachteiligung des Antragstellers bzw. einer objektiven Behinderung der Betriebsratstätigkeit im Sinne des
§ 78 BetrVG.

Soweit der Antragsteller seine erstinstanzlichen Anträge geltend mache, fehle es an der Eilbedürftigkeit. Der Antragsteller habe mehr als zwei Monate gewartet, bis er seine Anträge im Rahmen der Beschwerde erneut gestellt habe. Er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass seinem Begehr die Eilbedürftigkeit, die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gegeben sein müsse, fehle. Zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung seien die Aushänge mehr als vier Monate in der Öffentlichkeit gewesen, die Äußerungen in der Betriebsversammlung seien drei Monate alt und der Beschluss des Arbeitsgerichts fast drei Monate alt gewesen. Soweit die Anträge in erster Instanz abgewiesen wurden, habe offenbar keine Eilbedürftigkeit mehr bestanden.

Unser Kommentar

Strengt die Arbeitgeberin ein Verfahren zum Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat an, ist eine Mitteilung über diesen Umstand stets auf die Betriebsöffentlichkeit zu beschränken. Im Übrigen sollte zurückhaltend kommuniziert werden. Die Gründe für den Antrag auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds sollten vor Abschluss des Gerichtsverfahrens nicht an die Betriebsöffentlichkeit kommuniziert werden, sofern dafür im Einzelnen kein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin vorliegt. Insbesondere eigene Wertungen sollten nicht als Fakt dargestellt und veröffentlicht werden. Details aus vertraulichen Gesprächen, die erkennbar nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, sollten unter Verschluss gehalten werden. Eine Veröffentlichung dieser Informationen stellt regelmäßig einen Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine Behinderung der Betriebsratsarbeit dar. Werden zusätzlich nicht am direkten betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnis beteiligte Dritte
(z. B. die Belegschaft anderer Betriebe) informiert, stellt dies regelmäßig einen groben Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit dar, sofern dafür kein besonderes Bedürfnis besteht. Es ist folglich besonders auf den Empfängerkreis der jeweiligen Information zu achten.

Aus der Entscheidung geht zudem einmal mehr das Gebot eines schnellen Handelns im Rahmen von einstweiligen Verfügungsverfahren – unabhängig vom konkreten Einzelfall ­hervor. Schon durch das Ausreizen gesetzlich vorgesehener Fristen und die Beantragung von Fristverlängerungen kann der Antragsteller die Eilbedürftigkeit seines Begehrens selbst widerlegen. Entsprechendes gilt, wenn der Antragsteller es unterlässt, unverzüglich einen Titel im Hauptsacheverfahren zu erlangen. Letztlich kommt es stets auf eine Wertung des Einzelfalls an. Im Zweifel sollte jedoch möglichst zügig gehandelt werden.

Kündigungsschutz bei Schwangerschaft

Das BAG hält an seiner arbeitnehmerfreundlichen Berechnungsmethode zur ­Bestimmung des Schwangerschaftsbeginns nach § 17 Abs. 1 MuSchG fest.

BAG, Urteil vom 24.11.2022 – Az.: 2 AZR 11/22

Der Fall

Die Parteien stritten in dem zu entscheidenden Fall über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung und das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 17 MuSchG. In diesem Zusammenhang bestand im Wesentlichen Streit darüber, ob die klagende Arbeitnehmerin ihrem Arbeitgeber unverzüglichen das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt habe. Das Arbeitsverhältnis hatte am 15. Oktober 2020 begonnen. Bereits unter dem 6. November 2020, zugegangen am Folgetag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Die Klägerin erhob unter dem 12. November 2020 Kündigungsschutzklage und begehrte festzustellen, dass die Kündigung unwirksam sei. Am 2. Dezember 2020 teilt die Klägerin im Rahmen dieses Verfahrens über ihren Anwalt gegenüber dem Arbeitsgericht mit, sie sei bereits in der sechsten Woche schwanger und legte eine ärztliche Bescheinigung vom 26. November 2020 vor, welche den 5. August 2021 als voraussichtlicher Geburtstermin auswies.

Die Vorinstanzen hatten die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das LAG Baden-Württemberg hatte zur Berechnung des Beginns der Schwangerschaft nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 266 Tagen zugrunde gelegt und nach einer Berechnung auf dieser Basis das Bestehen einer Schwangerschaft und damit das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes zum Zeitpunkt der Kündigung abgelehnt.

Die Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das BAG stellte in seiner Entscheidung klar, dass es an seiner in ständiger Rechtsprechung angewendeten Berechnungsmethode zur Bestimmung des Schwangerschaftsbeginns nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG festhalte. Danach sei von dem im ärztlichen Zeugnis prognostizierten Entbindungstermin ausgehend durch Rückrechnung um 280 Tage der erste Tag der Schwangerschaft zu bestimmen, ohne dass der Entbindungstages selbst einbezogen würde.

Das BAG begründete seine Entscheidung für die Anwendung der Rückrechnung um 280 Tage mit dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag und den unionsrechtlichen Vorgaben. So sei der Begriff der Schwangerschaft, welcher Voraussetzung für den Anspruch auf den besonderen Kündigungsschutz sei, weder in der europäischen Mutterschutzrichtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) noch im deutschen Mutterschutzgesetz (MuSchG) näher definiert. Das deutsche Mutterschutzgesetz stelle jedoch zur Berechnung der vorgeburtlichen Mutterschutzfrist allein auf den im ärztlichen Zeugnis prognostizierten Entbindungstermin ab. Dieser prognostizierte Entbindungstermin bleibe selbst dann maßgeblich, wenn dieser mit dem tatsächlichen Entbindungstermin nicht übereinstimme
(§ 3 Abs. 1 S. 3 und S.4 MuSchG). In der Folge sei auch bei der Bestimmung des Beginns der Schwangerschaft und damit dem Beginn des Eingreifens des besonderen Kündigungsschutzes von dem im ärztlichen Zeugnis prognostizierten Tag der Entbindung und, im Sinne eines größtmöglichen Schutzes für die schwangere Arbeitnehmerin, von einem frühestmöglichen Schwangerschaftsbeginn auszugehen. Dem entspreche auch die Berechnungsmethode des BAG, indem bei der Rückrechnung um 280 Tage die durchschnittliche Dauer eines Menstruationszyklus von je 28 Tagen (ein Lunarmonat) und somit die mittlere Schwangerschaftsdauer von zehn Lunarmonaten zugrunde gelegt werde. Zwar würden damit auch Tage mit unwahrscheinlichem Schwangerschaftsbeginn einbezogen. Bei der Bestimmung des Schwangerschaftsbeginn als Voraussetzung für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes gehe es jedoch nicht um eine naturwissenschaftlich korrekte Bestimmung im Einzelfall.

Diese Methode zur Bestimmung des Schwangerschaftsbeginns nach § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG entspreche auch dem europäischen Recht. Nach der Mutterschutzrichtlinie seien alle Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zum Verbot einer Kündigung während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs zu ergreifen. Ziel der Richtlinie sei nach der Rechtsprechung des EuGH, zu verhindern, dass sich schwangere Arbeitnehmerinnen der Gefahr einer Kündigung aus solchen Gründen ausgesetzt sehen, die mit ihrem Zustand in der Schwangerschaft in Verbindung stehen und daraus folgende schädliche physische und psychische Auswirkungen auf die Verfassung der Schwangeren zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, sei jedoch bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt von einer Schwangerschaft auszugehen.

Das BAG tritt zudem dem vielfachen Vorwurf entgegen, mit seiner Berechnungsmethode würden die voneinander zu unterscheidenden Ebenen des tatsächlichen Vorliegens der Schwangerschaft als Voraussetzung des Anspruchs und deren prozessuale Darlegung und Beweis vermischt. Die Arbeitnehmerin habe weiterhin zu beweisen, dass die Schwangerschaft bestehe und wann die Entbindung voraussichtlich stattfinden werde. Regelmäßig werde zum Nachweis eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt. Der Arbeitgeber könne deren Beweiswert jedoch erschüttern.

So liege der Fall auch im zu entscheidenden Verfahren. Die Klägerin habe eine ärztliche Bescheidung über den voraussichtlichen Entbindungstermin am 5. August 2021 vorgelegt. Unter Zugrundelegung der Berechnungsmethode des BAG sei die Klägerin seit dem 29. Oktober 2020 schwanger gewesen, sodass die unter dem 6. November 2020 ausgesprochene Kündigung gegen das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuSchG verstieße.

Das BAG konnte aufgrund der in den beiden Vorinstanzen unzureichend erfolgten Feststellungen über das tatsächliche Geschehen jedoch keine abschließende Entscheidung über die Auswirkungen des Verstoßes gegen das Kündigungsverbot treffen und verwies den Rechtsstreit insoweit zurück. Das LAG werde bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin kein allgemeines Risiko der rechtzeitigen Mitteilung der Schwangerschaft gegenüber dem Arbeitgeber trage, so das BAG. Zudem müsse sie sich nur Übermittlungshindernisse zurechnen lassen, an denen sie ein Verschulden trifft, nicht jedoch das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten.

In dem Fall, dass die Klägerin mit der ärztlichen Bescheinigung vom 26. November 2020 erstmals Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt habe, sei die Mitteilung der Schwangerschaft per schriftsätzlicher Mitteilung über ihren Anwalt und das Arbeitsgericht als noch unverzüglich iSd § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG anzusehen. Das BAG ließ insoweit den Zeitraum von sechs Tagen zwischen Kenntnisnahme durch ärztliche Feststellung der Schwangerschaft und Mitteilung der Schwangerschaft an den Prozessbevollmächtigten genügen. Es sei zudem anzunehmen, dass im Fall der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Übermittlung von Schriftsätzen durch die Sachbearbeiter bei Gericht der Zugang der Mitteilung über die Schwangerschaft gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist erfolge.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BAG ist aus Sicht der Rechtssicherheit zu begrüßen, da das BAG klarstellt, von seiner angewendeten Berechnungsmethode nicht abzuweichen. Zudem verschafft der Verweis auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben und die Ziele der europäischen Mutterschutzrichtlinie sowie dem Zweck des deutschen Mutterschutzgesetzes der Berechnungsmethode des frühestmöglichen Schwangerschaftsbeginns eine starke Basis. Der Entscheidung kann vor diesem Hintergrund nur zugestimmt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat sich, trotz der Neuregelung des MuSchG im Jahre 2017, einer Begriffsbestimmung der Schwangerschaft i.S.d.
§ 17 MuSchG nicht angenommen. Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich verankerten besonderen Schutzes von Müttern und damit gerade auch Schwangeren, ist die Festlegung des frühestmöglichen Zeitpunktes des Schwangerschaftsbeginns zur Bestimmung des Eingreifens des besonderen Kündigungsschutzes nicht zu beanstanden. Würde man dem Ansatz des LAG Baden-Württemberg folgen und von einer durchschnittlichen Schwangerschaftsdauer ausgehen, würde dies dem gesetzlichen Schutzauftrag nicht gerecht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade auch zu Beginn einer Schwangerschaft Umstände vorliegen können, die die Leistungsfähigkeit der Schwangeren einschränken und damit Grund für eine Kündigung sein könnten. Eben solche Kündigungen, die auf Gründen beruhen, die aus dem Zustand der Schwangeren herrühren, sollen nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch durch das Kündigungsverbot erfasst werden.

Für Arbeitgeber bedeutet diese Entscheidung die Gewissheit, dass im Falle der Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über den Entbindungstermin, der für die schwangere Arbeitnehmerin günstige frühe Schwangerschaftsbeginn durch Rückrechnung um 280 Tage greift und die hohen Hürden der Erschütterung des Beweiswertes der ärztlichen Bescheinigung weiterhin bestehen bleiben.

Für den praktischen Umgang kann nur geraten werden, genau zu dokumentieren, wann die Kündigung zugestellt oder übergeben wurde und wann die Mitteilung über das Bestehen der Schwangerschaft dem Arbeitgeber zugeht. Insoweit sollten insbesondere der Eingang der Mitteilung beim Arbeitgeber und der interne Postlauf im Blick behalten werden. Je größer der Abstand zwischen Kündigungstermin und Zugang der Mitteilung über die Schwangerschaft, desto eher wird sich die Mitarbeiterin die Kenntnis von Umständen vorhalten lassen müssen, die die Annahme einer Schwangerschaft unwiderlegbar machen. Gleichzeitig werden sich mit voranschreitender Zeit Zweifel an der Unverzüglichkeit der Mitteilung der Schwangerschaft nach Kenntniserlangung ergeben. Im Fall der Mitteilung der Schwangerschaft per Schriftsatz im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, sind zudem der Eingang des Schriftsatzes bei Gericht und die Weiterleitung an den Arbeitgeber im Blick zu behalten.

Rechtssprechung in Kürze

Zuständigkeit der Einigungsstelle bei gekündigter Betriebsvereinbarung zu Entgelterhöhungen

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8.12.2022 – ­
4 TaBV 7/22

Eine Einigungsstelle mit dem Gegenstand der Verteilung eines Entgelterhöhungsbudgets wird nicht offensichtlich unzuständig, weil der Arbeitgeber zeitgleich mit der Bereitstellung des Budgets mitteilt, Verteilungsgrundsätze aus einer gekündigten, aber noch nachwirkenden Betriebsvereinbarung anzuwenden; der Regelungsgegenstand ist jedenfalls bis zur Vornahme der Entgelterhöhung nicht erledigt.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle.

In dem Unternehmen wurde die Gesamtbetriebsvereinbarung, welche die Verteilung des Budgets für Arbeitnehmerentgelterhöhungen regelt, zum 31. Oktober 2022 durch den Gesamtbetriebsrat gekündigt. Die Neuverhandlungen, die im Hinblick auf die aktuelle Inflation insbesondere eine Sonderregelung für das Fiskaljahr 2023 zum Gegenstand haben, erklärt der Betriebsrat anschließend für gescheitert. Mangels Einigung der Beteiligten kam es daraufhin nicht zur Bildung einer Einigungsstelle mit dem durch den Betriebsrat im September 2022 beschlossenen Regelungsgegenstand „GBV Gehaltssystem“. Daraufhin leitete der Gesamtbetriebsrat am 31. August 2022 das vorliegende Verfahren ein und beantragte die Einsetzung der Einigungsstelle mit dem Gegenstand „Verteilungsgrundsätze des Budgets für Entgelterhöhungen Fiskaljahr 2023“. Im November 2022 teilte der Arbeitgeber mit, dass das Gehaltserhöhungsbudget 3,5 % beträgt und er dieses gemäß den Regelungen der gekündigten Gesamtbetriebsvereinbarung verteilt hat. Der Gesamtbetriebsrat verwies auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und beantragte die Einsetzung der Einigungsstelle. Das ArbG Stuttgart gab dem statt.

Die hiergehen gerichtete Beschwerde des Arbeitgebers wies das LAG Baden-Württemberg zurück. Entgegen der Behauptung des Arbeitgebers sei die Verfahrenseinleitung durch den Gesamtbetriebsrat nicht an der Beschlussfassung vom
22. August 2022 gescheitert. Es sei auch eine nachträgliche Genehmigung der Einleitung bis zur Prozessentscheidung möglich. Eine solche Genehmigung sei durch die ordnungsgemäße Beschlussfassung am 27. September 2022 erfolgt, sodass weder der abweichende Regelungsgenstand noch das Fehlen eines Mitglieds des Betriebsrats bei der ersten
Beschlussfassung Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Verfahrenseinleitung haben konnten. Da es der subjektiven Einschätzung des Betriebsrats überlassen bliebe, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären und diese Annahme auch nicht offensichtlich unbegründet gewesen sei, nahm das Gericht außerdem ein Rechtsschutzbedürfnis des Gesamtbetriebsrats an. Mangels offensichtlicher Unzuständigkeit der Einigungsstelle sei ein Antrag auf deren Einsetzung im Übrigen auch nicht unbegründet. Indem der Arbeitgeber die jährlichen Gehaltsanpassungen nach einem bestimmten Schema angeboten hatte und dies von einer unternehmensweiten Regelung abhängig gemacht hatte, sei eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründet worden. Dessen Mitbestimmungsrecht sei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu entnehmen. Zuletzt nahm das Gericht auch keine Erledigung des Regelungsgegenstands an. Zum einen ermögliche die monatliche Fälligkeit auch noch nachträgliche Anpassungen und zum anderen seien die Entgelterhöhungen erst für Anfang 2023 vorgesehen gewesen.

Grundsatz der Gleichbehandlung – Abweichung vom Tarifvertrag bei Leiharbeit

EuGH, Urteil 15.12.2022 – C-311/21 (TimePartner Personalmanagement)

Lässt ein Tarifvertrag Ungleichbehandlungen bzgl. wesentlicher Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zum Nachteil von Leiharbeitnehmern zu, muss dieser ausgleichend entsprechende Vorteile gewähren.

Entscheidungsgründe

Angerufen durch das BAG, hatte der EuGH zu klären, wie
Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104 auszulegen ist und welche Folgen dies für einen vom Grundsatz der Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer abweichenden Tarifvertrag hat.

Die Klägerin erhielt von der Beklagten, einem Leiharbeitsunternehmen, während ihrer Überlassung gemäß dem einschlägigen Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer einen Bruttostundenlohn von EUR 9,23. Vergleichbare Arbeitnehmer des entleihenden Unternehmens erhalten auf Grundlage des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern einen Bruttostundenlohn von EUR 13,64. Mit ihrer Klage macht die Klägerin das zusätzliche Arbeitsentgelt in Höhe des Differenzbetrages geltend, den die Klägerin bekommen hätte, wenn sie nach dem Lohntarifvertrag der anderen Arbeitnehmer vergütet werden würde. Dabei beruft sie sich auf einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 der RL 2008/104.

Der EuGH erläutert den Inhalt der in der Richtlinie vorgesehenen Pflicht zur Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern, welche der grundsätzlich möglichen Ungleichbehandlung innerhalb von Tarifverträgen gegenüber steht. Zur Inhaltsbestimmung seien die Ziele der Richtlinie heranzuziehen, die im Schutz der Leiharbeitnehmer und der gleichzeitigen Achtung der Vielfalt der Arbeitsmärkte bestünden. Auch abweichende Tarifverträge müssten einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen können. Der Vorschrift sei jedoch nicht zu entnehmen, dass ein den Leiharbeitnehmern eigenes Schutzniveau zu berücksichtigen ist, das über dasjenige hinausgeht, das durch nationales Recht und Unionsrecht hinsichtlich der wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmer allgemein festgelegt ist. Lasse ein Tarifvertrag Ungleichbehandlungen zum Nachteil von Leiharbeitnehmern zu, reiche es für deren Gesamtschutz im Sinne der RL aus, wenn gleichzeitig Vorteile bezüglich wesentlicher Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährt werden, die geeignet sind, die Ungleichbehandlung auszugleichen.

Sofern der betreffende Mitgliedstaat den Sozialpartnern die Gelegenheit gibt, Tarifverträge abzuschließen, die derartige Ungleichbehandlungen enthalten, besteht für den nationalen Gesetzgeber keine Pflicht, die i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der
RL 2008/104 bestehenden Voraussetzungen und Kriterien für die Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer vorzunehmen. Die Mitgliedstaaten haben jedoch durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften sicherzustellen, dass den Leiharbeitnehmern der volle Schutzumfang der Richtlinie zuteilwird. Eine Pflicht zur Achtung des Gesamtschutzes der Arbeitnehmer besteht für Mitgliedstaaten auch dann, wenn sie Sozialpartnern ermöglichen, von der Richtlinie abzuweichen.

Verweigerung eines Laptops für die Betriebsratsarbeit

LAG Köln, Urteil vom 24.6.2022 – 9 TaBV 52/21

Im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wurde die Digitalisierung der Arbeit von Betriebsräten berücksichtigt. Dies führt dazu, dass Arbeitgeber die Gewährung eines Laptops nicht mit der Begründung ablehnen können, der Betriebsrat könne seine Betriebsratstätigkeit in der Betriebsstätte erbringen. Dabei kann der Betriebsrat allerdings kein konkretes Modell, sondern lediglich eine gewisse Ausstattung im Rahmen des Erforderlichen beanspruchen.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten um die Zurverfügungstellung eines zusätzlichen Laptops zur Verrichtung von Betriebsratsaufgaben wie der Teilnahme an Betriebsratssitzungen auch außerhalb der Betriebsstätte gem. § 30 Abs. 2 BetrVG.

Nachdem die Arbeitgeberin eine solche verweigerte hatte, hat der Betriebsrat beim Arbeitsgericht Köln beantragt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm einen Laptop sowie auch einen Beamer zur Verfügung zu stellen. Dabei bezeichnete der Betriebsrat ein konkretes Laptop Modell und dessen Ausstattungsmerkmale. Während das Arbeitsgericht zwar feststellte, dass kein Anspruch auf den Beamer besteht, sprach es dem Betriebsrat einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin gem.
§ 40 Abs. 2 BetrVG auf unentgeltliche Zurverfügungstellung eines funktionsfähigen Laptops zu, welcher gewisse Leistungsmerkmale mindestens aufweisen müsse. Allerdings könnten Betriebsräte bei der Zurverfügungstellung von Sachmitteln nur eine Ausstattung im Rahmen des Erforderlichen beanspruchen und es könne kein Anspruch auf ein konkretes Laptop Modell bestehen. Folglich habe der Betriebsrat das Gerät allgemein zu umschreiben, um es letztendlich dem Arbeitgeber zu überlassen, welches Gerät er zur Verfügung stellt.

Das LAG Köln wies die Beschwerden beider Parteien gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurück. Bei dem zugesprochenen Laptop handele es sich um Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne von § 40 Abs. 2 BetrVG, welche der Betriebsrat im Gegensatz zu einem Beamer zur Erledigung seiner gesetzlichen Aufgaben benötige. Seine Entscheidung, einen solchen von der Arbeitgeberin zu verlangen, habe im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums gelegen. Allerdings habe das Arbeitsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, da der Betriebsrat nicht, wie es ihm zugesprochen wurde, generell einen Laptop mit gewissen Ausstattungsmerkmalen im Rahmen des Erforderlichen gefordert hatte, sondern explizit ein konkretes Modell in seinem Antrag bezeichnet hatte. Dieser Verstoß sei jedoch durch die Beschwerde geheilt worden, da der Betriebsrat Bezug auf die Ausführungen des ArbG Köln genommen hatte und sich so dessen Argumentation zu eigen gemacht hätte. Folglich sei davon auszugehen, dass er wenigstens das verteidigen wolle, was ihm durch die Vorinstanz zugesprochen wurde und er neben dem speziell genannten Gerät jetzt auch die grundsätzliche Zurverfügungstellung eines Geräts mit ähnlichen Merkmalen verlange.

Entbehrlichkeit einer Abmahnung – Mitnahme von Lebensmitteln nach einer Firmenfeier

Hessisches LAG, Urteil vom 4.11.2022 – 10 Sa 778/22

Eine unklare Weisungslage kann dazu führen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung gem. § 626 BGB abmahnen muss. Bei der Interessenabwägung können auch, wenn auch mit geringerem Gewicht, nicht vertragsbezogene Umstände zu berücksichtigen sein. Dazu kann auch gehören, dass der Arbeitnehmer ein Adoptionsverfahren betreibt.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.

Der Kläger war seit 2017 im Betrieb der Beklagten tätig. Der Kläger nahm nach einer Firmenfeier übrig gebliebene Nackensteaks im Wert von ca. EUR 40 bis 50 aus dem Kühlschrank der Beklagten zum Eigenverzehr mit nach Hause. Zuvor hatte er sich mit seinen Kollegen abgesprochen, es allerdings versäumt, die Erlaubnis der Geschäftsführerin einzuholen. Als die Geschäftsführerin der Beklagten ihn darauf ansprach, brachte der Kläger das Fleisch am Folgetag zurück. Wegen dieser Vorgänge kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30. September 2021 fristlos, hilfsweise ordentlich zum
31. ­Oktober 2021. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger in einem laufenden Adoptionsverfahren hinsichtlich zweier Kleinkinder, die seit ihrer Geburt bei ihm und seiner Ehefrau leben.

Das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. bestätigte lediglich die ordentliche Kündigung. Die Beklagte legte daher Berufung beim LAG ein. Diese wies das LAG zurück. Die Voraussetzungen des § 626 BGB lägen nicht vor, da die Arbeitgeberin zuvor keine Abmahnung erteilt hat und die Kündigung bei einer Betrachtung der Gesamtumstände unverhältnismäßig sei. Obwohl durch Arbeitnehmer begangene Eigentums- und Vermögensdelikte auch bei geringwertigen Gegenständen aufgrund des damit einhergehenden Vertrauensbruchs an sich einen wichtigen Grund darstellen könnten, sei hier der Arbeitgeberin eine vorherige Abmahnung zumutbar gewesen. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung sei zu beurteilen, ob eine künftige Verhaltensänderung des Arbeitnehmers zu erwarten sei. Der Umstand, dass der Kläger hier lediglich das Grillgut vor dem Verfall bewahren wollte und dies auch in Absprache mit seinen Kollegen und nicht heimlich tat, hätte eine positive Prognose zugelassen. Mangels schwerwiegender Pflichtverletzung habe ein Ausnahmefall, in dem von einer Abmahnung abzusehen sein kann, jedenfalls nicht vorgelegen. Daneben sei im Rahmen der sonstigen Interessenabwägung auch nicht auszuschließen, dass ein Adoptionsverfahren, für welches die sozialen Verhältnisse der Adoptiveltern eine Rolle spielen, Berücksichtigung finden könne. Für den vorliegenden Fall spiele dieser Umstand allerdings keine Rolle, da die Interessenabwägung ohnehin zugunsten des Klägers ausginge.

Internationaler Newsflash aus unyer

Reisezeit muss unter bestimmten Umständen vergütet werden - neueste Rechtsprechung aus Frankreich

Mit ihrer Entscheidung vom 23. November 2022 (Nr. 20-21.924), die am 1. März 2023 (Nr. 21-12.068) durch eine weitere Entscheidung bestätigt wurde, ändert die Kammer für Arbeitsrecht des französischen Kassationshofs (Cour de Cassation) die ständige Rechtsprechung des Gerichts in Bezug auf die Reisezeit eines Außendienstmitarbeiters.

Unter Berücksichtigung eines Urteils des EuGH vom
9. Mai 2021 (Rechtssache C-344/19) vertritt der Kassationshof die Auffassung, dass die Fahrtzeit zwischen der Wohnung und dem ersten Kunden sowie die Fahrtzeit zwischen dem letzten Kunden und der Wohnung eines Außendienstmitarbeiters in bestimmten Fällen Arbeitszeit sein kann.

Dabei wendet der Kassationshof den Grundsatz an, dass jeder nationale Richter verpflichtet ist zu gewährleisten, dass das nationale Recht im Einklang mit dem europäischen Recht ausgelegt wird.

Bisher konnten Außendienstmitarbeiter für die Zeit, die sie für die Fahrt nach Hause oder zum Kunden aufwenden, keine Vergütung für Mehrarbeit verlangen. Sie erhielten lediglich einen finanziellen Ausgleich oder konnten die Zeit mit Freizeit ausgleichen.

Ab jetzt gilt, dass der Arbeitnehmer im Hinblick auf Reisezeit Anspruch auf Vergütung für Mehrarbeit hat, wenn diese Reisezeit die Voraussetzungen für Arbeitszeit erfüllt.

Wie der Kassationshof in einer Pressemitteilung erklärt, erfolgt die Bewertung, ob es sich bei der Reisezeit tatsächlich um Arbeitszeit handelt, im Einzelfall unter Berücksichtigung der „Zwänge, denen die Arbeitnehmer tatsächlich ausgesetzt sind“.

Im Streitfall muss der Richter prüfen, ob der Außendienstmitarbeiter (kaufmännisch, technisch-kommerziell, Wartungstechniker usw.) während der Reisezeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen und dessen Anweisungen befolgen muss, ohne sich um persönliche Angelegenheiten kümmern zu können.

Andernfalls kann der Außendienstmitarbeiter nur dann den finanziellen Ausgleich oder den Freizeitausgleich verlangen, wenn die normale Reisezeit zwischen seiner Wohnung und seiner üblichen Arbeitsstätte überschritten wird.

Diese Unterbrechung ist wichtig, weil sich dadurch, dass die Reisezeit als tatsächliche Arbeitszeit gewertet wird, das Risiko von Ansprüchen auf Vergütung von Mehrarbeit erhöht.

Diese Rechtsprechung hat jedoch nicht immer die gleichen Auswirkungen. Die Folgen unterscheiden sich abhängig davon, ob die Arbeitnehmer der gesetzlichen Arbeitszeit, einer Jahrespauschale in Tagen oder einer Pauschale in Stunden unterliegen, ob wöchentlich, monatlich oder jährlich.

Es ist daher notwendig, die Auswirkungen dieser Entscheidung zu untersuchen, um festzustellen, ob Anpassungen in Bezug auf die Arbeitszeitregelung für Außendienstmitarbeiter  oder sogar in Bezug auf die im Unternehmen umgesetzte Reiserichtlinie in Betracht gezogen werden sollten.

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