13.10.2025
Was Hersteller, Dienstleister und andere Unternehmen jetzt über Datenkategorien, Zugangsrechte und die praktische Umsetzung wissen müssen – zentrale Inhalte der Leitlinien der Europäischen Kommission vom 12. September 2025
Am 12. September 2025 hat die Europäische Kommission Leitlinien zur Umsetzung von Kapitel II des Data Act im Automobilsektor veröffentlicht. Die Leitlinien richten sich primär an Hersteller, Zulieferer und Dienstleister im Automotive-Bereich, bieten aber auch für andere datengetriebene Branchen eine wertvolle Orientierungshilfe.
Die Kommission weist darauf hin, dass ihre Ausführungen für Fahrzeuge gelten, die ein vernetztes Produkt im Sinne der in Art. 2 Nr. 5 DA enthaltenen Definition darstellen – also Gegenstände, die Daten über ihre Nutzung oder Umgebung erfassen und elektronisch kommunizieren können, wobei ihre Hauptfunktion nicht in der Speicherung oder Übertragung von Daten für Dritte besteht. Die Leitlinien gelten auch für mit dem Fahrzeug verbundene Dienste im Sinne von Art. 2 Nr. 6 DA, also digitale Dienste (z.B. Software), die mit dem Fahrzeug so verbunden sind, dass sie dessen Funktionalität ergänzen oder anpassen. Voraussetzung ist ein bidirektionaler Datenaustausch zwischen Fahrzeug und Dienst. Klassische Aftermarket-Dienstleistungen ohne Einfluss auf das Fahrzeugverhalten (z.B. Beratung, Offline-Reparatur) fallen nicht darunter.
Beispiele für verbundene Dienste:
Im Hinblick auf Fahrzeugdaten wird klargestellt, dass Rohdaten (Quell- und Primärdaten) und aufbereitete Daten einschließlich einschlägiger Metadaten dem Data Act unterliegen, nicht aber aus solchen Daten gefolgerte oder abgeleitete Informationen.
Rohdaten sind unmittelbar aus Nutzerhandlungen resultierende oder automatisch durch Sensoren generierte Datenpunkte ohne wesentliche Weiterverarbeitung.
Beispiele:
Aufbereitete Daten sind solche, deren Bedeutung gegenüber den Quelldaten unverändert bleibt, die aber zur weiteren Nutzung vorbereitet wurden – etwa durch Normalisierung, Filterung oder einfache mathematische Operationen wie Durchschnittsberechnung. Sie beschreiben weiterhin reale Zustände des Fahrzeugs.
Beispiele:
Abgeleitete Daten entstehen durch komplexe Verarbeitung oder Kombination mehrerer Quellen mit dem Ziel neuer Erkenntnisse – insbesondere mittels proprietärer Algorithmen oder KI-Verfahren. Sie fallen nicht unter die Zugangsrechte des Data Acts, da es sich um neue Daten handelt, die vom Dateninhaber häufig unter Einsatz von eigenen Investitionen erzeugt wurden.
Beispiele:
Wichtig: Einfache mathematische Operationen führen nicht zur Qualifikation als abgeleitete Daten; maßgeblich ist allein die Schaffung neuer Erkenntnisse durch komplexe Verarbeitung.
Kombinierte oder extrapolierte Daten – etwa GPS-Daten mit Zeitangaben oder lineare Vorhersagen wie der nächste Werkstattbesuch – gelten als aufbereitete Daten, sofern sie keine neuen wesentlichen Informationen enthalten. Zukunftsbezogene Prognosen, die über den aktuellen Fahrzeugzustand hinausgehen (z.B. Fahrverhaltensprognosen), sind hingegen nicht umfasst. In solchen Fällen muss der Dateninhaber jedoch alternative, weniger genaue aufbereitete Daten bereitstellen, sofern diese leicht verfügbar sind.
Die Kommission stellt klar, dass Art. 3 DA Autohersteller nicht verpflichtet, stets direkten Zugang zu Fahrzeugdaten zu gewähren. Dies ist nur bei Relevanz und technischer Durchführbarkeit erforderlich; der Hersteller kann zwischen direktem Zugang („Access by design“) oder Zugang unter Bedingungen (Art. 4 DA) wählen.
Der Fahrzeughersteller muss auf Verlangen des Nutzers alle ohne Weiteres verfügbaren Produkt- und Dienstdaten einem Dritten nach Art. 5 DA zugänglich machen. Dazu zählen auch Daten, die technisch abrufbar wären, selbst wenn sie bislang nicht gespeichert werden. Wenn OEMs beurteilen, ob die Erfassung eines bestimmten Datenpunkts „ohne unverhältnismäßigen Aufwand, der über einen einfachen Vorgang hinausgeht“ möglich ist (es sich also um „ohne Weiteres verfügbare Daten“ handelt, zu denen Zugang zu gewähren ist), können OEMs bei der Bewertung des Aufwands für die Bereitstellung technische Komplexität und Kosten berücksichtigen.
Die Art der Zugangsgewährung bleibt grundsätzlich dem Hersteller überlassen (Backend-Lösungen, Onboard-Zugang etc.). Die Daten müssen dem Nutzer in der gleichen Qualität zugänglich gemacht werden, wie sie dem Dateninhaber selbst zur Verfügung stehen. Die gewählte Datenbereitstellungsmethode genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, wenn die Daten dadurch weniger genau, vollständig, belastbar, relevant oder aktuell werden. Die Bereitstellung von Daten minderer Qualität kann zu einer unzulässigen Diskriminierung des Datenempfängers führen (etwa unabhängige Reparaturbetriebe). Die Daten müssen für den Empfänger auf einfache Weise zugänglich sein, also ohne unangemessene Barrieren, Kosten oder prozeduralen Hürden. Wenn Fahrzeughersteller die Daten über die On-Board-Diagnose II-Schnittstelle (OBD-II-Schnittstelle) zugänglich machen, müssen sie die Nutzer mit einem kostenlosen geeigneten Zugangstool ausstatten oder die Daten auf sonstige Weise bereitstellen (z. B. auf einem Remote-Backend-Server). Die Kommission weist darauf hin, dass Daten, die im Fahrzeug selbst verarbeitet und sofort gelöscht werden, und die dem Fahrzeughersteller selbst nicht zugänglich sind, nicht erfasst sind.
Dateninhaber, die z.B. einem Datenempfänger nach Art. 5 DA Daten zugänglich machen müssen, dürfen nach Maßgabe von Art. 9 DA eine angemessene Vergütung verlangen. Details hierzu wird die Kommission in separaten Leitlinien regeln.
Obwohl sich diese Leitlinien explizit auf den Automobilsektor beziehen und keine automatische Übertragbarkeit auf andere Branchen besteht, bieten sie wichtige Orientierungspunkte:
Unternehmen anderer Branchen sollten daher prüfen:
Die Leitlinien der Europäischen Kommission schaffen Klarheit über den Umfang der Zugangsrechte an Fahrzeugdaten nach dem Data Act und geben Herstellern wie Dienstleistern konkrete Hinweise zur Kategorisierung sowie zum Umgang mit Nutzeranfragen. Auch Unternehmen außerhalb des Automobilsektors profitieren von diesen Definitionen als Blaupause für eigene Compliance-Prozesse im Umgang mit Produktdaten.
Unternehmen sollten ihre eigenen Produktdatensätze systematisch nach diesen Kategorien analysieren und technische wie organisatorische Maßnahmen ergreifen, um einen diskriminierungsfreien Zugang in hoher Qualität sicherzustellen.
Dr. Christian Rabe
Counsel
Hamburg
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