13.10.2025

Sondernewsletter Arbeitsrecht – Betriebsratswahlen 2026 –

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Checkliste Betriebsratswahlen: Die zehn wichtigsten Punkte

Die Durchführung einer Betriebsratswahl stellt Arbeitgeber vor vielfältige organisatorische und rechtliche Herausforderungen. Zu Beginn daher im Überblick die Antworten auf zehn grundlegende Fragen.

# 1: Wann wird gewählt?

Die regulären Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt – das nächste Mal 2026. Außerhalb dieser turnusmäßigen Wahlen kann eine Betriebsratswahl u. a. dann stattfinden, wenn (noch) kein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat zurückgetreten ist oder die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter den gesetzlichen Mindestschwellenwert gefallen ist. 

# 2: Wer darf wählen und gewählt werden?

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben; maßgeblich ist der Zeitpunkt der Stimmabgabe. Formelle Voraussetzung dieses aktiven Wahlrechts ist, dass der Arbeitnehmer in der sog. Wählerliste eingetragen ist. Gewählt werden (passives Wahlrecht) kann jeder Arbeitnehmer mit aktivem Wahlrecht, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und sechs Monate dem Betrieb angehört. Formelle Voraussetzung ist hier ebenso, dass der Arbeitnehmer in der Wählerliste eingetragen und in einem Wahlvorschlag aufgenommen ist. In einem Betrieb, der weniger als sechs Monate besteht, sind Arbeitnehmer wählbar, die bei Einleitung der Wahl im Betrieb beschäftigt waren und die übrigen Voraussetzungen für die Wählbarkeit erfüllen. Nicht gewählt werden kann, wer infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, verloren hat. Weder aktiv noch passiv wahlberechtigt sind leitende Angestellte.

# 3: Wer initiiert die Wahl?

Ein Betriebsrat kann in Betrieben gewählt werden, in denen regelmäßig mindestens fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind, die das aktive Wahlrecht besitzen und von denen drei Arbeitnehmer passiv wahlberechtigt sind. Initiiert wird die Wahl durch Bestellung eines Wahlvorstands. Sofern bereits ein Betriebsrat besteht, bestellt dieser den Wahlvorstand. Im normalen Wahlverfahren muss der Wahlvorstand spätestens zehn Wochen, im vereinfachten Wahlverfahren vier Wochen vor Ablauf der Amtszeit des aktuellen Betriebsrats bestellt werden. Sofern ein Gesamtbetriebsrat existiert, bestellt dieser den Wahlvorstand, ansonsten ein eventuell bestehender Konzernbetriebsrat. Besteht weder ein Gesamt- noch ein Konzernbetriebsrat oder haben diese es unterlassen, einen Wahlvorstand zu bestellen, kann die Wahl durch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder durch mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer initiiert werden, indem diese zu einer Betriebsversammlung einladen. Dort kann dann mit der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer ein Wahlvorstand gewählt werden. Scheitert der Versuch oder kommt der Betriebsrat seiner Pflicht zur Bestellung eines Wahlvorstands nicht nach, kann auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft das Arbeitsgericht den Wahlvorstand bestellen. 

# 4: Wie wird die eigentliche Wahl eingeleitet und von wem? 

Der Wahlvorstand erlässt – im normalen Wahlverfahren spätestens sechs Wochen vor dem ersten Wahltag – das sog. Wahlausschreiben. Dieses enthält u. a. Informationen zu Ort, Tag und Zeit der Stimmabgabe sowie zur Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder. Ein Abdruck des Wahlausschreibens ist vom Tag seines Erlasses bis zum letzten Tag der Stimmabgabe an einer oder mehreren geeigneten Stellen im Betrieb, die den Wahlberechtigten zugänglich sind, gut lesbar auszuhängen. Zudem kann das Wahlausschreiben mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik (z. B. per E-Mail) bekannt gemacht werden. Der Wahlvorstand ist ferner dafür zuständig, die sog. Wählerliste aufzustellen. Diese enthält alle Wahlberechtigten mit vollständigem Namen und Geburtsdatum, getrennt nach den Geschlechtern. Hierfür hat der Wahlvorstand einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. 

# 5: Wer darf Wahlvorschläge machen?

Im Anschluss an den Erlass des Wahlausschreibens können die Wahlberechtigten ihre Wahlvorschläge einreichen. Mit dem Wahlvorschlag (bei Wahl von mehr als fünf Betriebsratsmitgliedern durch Vorschlagslisten) werden eine oder mehrere Kandidaten für das Betriebsratsamt gegenüber dem Wahlvorstand benannt. Berechtigt, Wahlvorschläge zu unterbreiten, sind alle aktiv wahlberechtigten Arbeitnehmer und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. 

# 6: Wie läuft die Wahl ab?

Die Betriebsratswahl erfolgt schriftlich in geheimer und unmittelbarer Wahl entweder im „normalen“ oder im „vereinfachten“ Wahlverfahren. Das vereinfachte Verfahren ist speziell für kleinere Betriebe konzipiert und findet zwingend Anwendung in Betrieben mit 5 bis 100 Wahlberechtigten; in Betrieben mit 101 bis 200 Wahlberechtigten kann es durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Wahlvorstand angewendet werden. Charakteristisch für das vereinfachte Wahlverfahren sind verkürzte Fristen. Das normale Wahlverfahren ist für größere Betriebe (> 100 Arbeitnehmer) vorgesehen. Im Vergleich zum vereinfachten Wahlverfahren ist es deutlich komplexer und zeitaufwendiger (vgl. hierzu näher den Beitrag von Robert von Steinau-Steinrück und Paulina Noppeney in diesem Newsletter). Die Organisation der Durchführung der Wahl obliegt dem Wahlvorstand, d. h. insbesondere die Vorbereitung der Stimmzettel, die Auszählung der Stimmen und die Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

# 7: Kann per E-Mail oder Brief gewählt werden?

Die Betriebsratswahl ist grundsätzlich eine „Urnenwahl“, eine Stimmabgabe per Brief daher die Ausnahme. Unter bestimmten Voraussetzungen, bspw. für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt liegende Betriebsteile oder Kleinstbetriebe, kann der Wahlvorstand eine generelle Briefwahl beschließen. Zudem ist die Briefwahl zulässig, wenn ein Arbeitnehmer zur Zeit der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb sein kann und deshalb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert ist. Dies kann sich aus der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses (z. B. bei Außendienstmitarbeitern) oder anderen Gründen ergeben, insbesondere bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses etwa wegen Elternzeit, Mutterschutz oder Sonderurlaub (siehe hierzu im Detail den Beitrag von Dominik Ledwon und Lotte Blumhoff). Eine „Online-Wahl“ ist nicht zulässig. 

# 8: Was muss der Arbeitgeber im Umgang mit den Wahlorganen beachten?

Mit Beginn ihrer Tätigkeit genießen Mitglieder des Wahlvorstands sowie Kandidaten auf einer Vorschlagsliste einen besonderen Kündigungsschutz in Bezug auf eine ordentliche Kündigung (§ 15 KSchG). Dieser besondere Kündigungsschutz beginnt bereits mit der Bestellung zum Wahlvorstand bzw. mit Aufstellung der Vorschlagsliste und gilt auch für Ersatzmitglieder sowie Initiatoren einer Betriebsratswahl im Hinblick auf bestimmte Kündigungssachverhalte. Der Arbeitgeber darf die Betriebsratswahl nicht behindern; überdies darf er die Wahl nicht durch Zufügen oder Androhung von Nachteilen bzw. durch die Gewährung oder das Versprechen von Vorteilen beeinflussen (§ 20 BetrVG). Er darf die Einleitung und Durchführung der Wahl schlichtweg nicht erschweren oder unmöglich machen (dazu ausführlich Klaus Thönißen und Jan Hüchtebrock später in diesem Newsletter).

# 9: Wie kann auf Fehler bei der Betriebsratswahl reagiert werden?

Wird bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen und besteht Möglichkeit, dass dadurch das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst wurde, kann die Betriebsratswahl gerichtlich angefochten werden oder gar nichtig sein (näher Sandra Sfinis und Anna Mayr in ihrem nachfolgenden Beitrag).

# 10: Wer trägt die Kosten der Wahl?

Der Arbeitgeber. Zu ersetzen sind alle Sach- und Personalkosten, soweit sie zur ordnungsgemäßen Einleitung und Durchführung der Wahl erforderlich sind. Hierunter fallen z. B. die Kosten für Räumlichkeiten, Fachliteratur, Stimmzettel, Wahlkabinen sowie etwaige Reisekosten oder Schulungen der Mitglieder des Wahlvorstands,. Auch die Kosten von (nicht mutwilligen oder rechtsmissbräuchlichen) gerichtlichen Verfahren zur Klärung von streitigen Punkten im Zusammenhang mit der Wahl sind grundsätzlich vom Arbeitgeber zu tragen. Die Kosten für die Wahlwerbung muss der Arbeitgeber hingegen nicht übernehmen (hierzu im weiteren Verlauf Kristina Gutzke).


Dr. Isabel Schäfer, Amelie Räpple, LL.M. (Berkeley) und Elaine Tolksdorf, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Hamburg

Betriebsabgrenzung im Rahmen von Betriebsratswahlen

„Wo fängt der Betrieb an – und wo hört er auf?“ – diese Abgrenzungsfrage ist maßgeblich für die Betriebsratswahl, schließlich führt die Verkennung des Betriebsbegriffs zur Anfechtbarkeit der Wahl. Welche Stolpersteine in der Praxis immer wieder auftauchen und welche Kriterien bei Bestimmung des Betriebs zu berücksichtigen sind, wird nachfolgend beleuchtet.

Betrieb oder (qualifizierter) Betriebsteil? 

Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein Betrieb i. S. d. BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dabei müssen die an der Betriebsstelle vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt sowie die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Maßgeblich ist also nicht, wie ein Unternehmen seine (Betriebs-)Struktur auf dem Papier bezeichnet, sondern wo tatsächlich die Personalhoheit liegt. Abweichend von dem im BetrVG vorausgesetzten Strukturen bestehen zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten nach § 3 BetrVG durch Tarifvertrag.

Variante 1: Selbständiger Betrieb 

Treffen Führungskräfte die zentralen Personalentscheidungen in einem Betrieb, verfügt dieser über eine eigenständige Leitungsmacht. Sind die o.g. sonstigen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Betriebs erfüllt, handelt es sich um einen Betrieb gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Folge: Jeder Betrieb führt eine eigene Betriebsratswahl durch.

Variante 2: Unselbständiger Betriebsteil

Werden die Personalentscheidungen dagegen zentral getroffen, fehlt es an der notwendigen Selbständigkeit. Es handelt sich dann um unselbständige Betriebsteile. Konsequenz hier: Es erfolgt eine gemeinsame Betriebsratswahl derjenigen Betriebsteile, die zusammen einen Betrieb ausmachen. Jedoch ist Achtung geboten: Schon eine kleine Kompetenzverschiebung kann – je nach Organisationsstruktur – den Unterschied zwischen dem Bestehen vieler, ggfs. kleiner Betriebsräte in Betriebsstätten, die als Betriebe i. S. d. BetrVG einzustufen sind, und einem großen Betriebsrat für einen mehrere Betriebsstätten umfassenden Betrieb ausmachen.

Variante 3: Qualifizierte Betriebsteile – Fiktion eines selbstständigen Betriebs

Ist ein unselbstständiger Betriebsteil so weit vom Hauptbetrieb entfernt, dass keine ordnungsgemäße Vertretung der Mitarbeiter durch den Betriebsrat zu erwarten ist, oder ist der Betriebsteil organisatorisch selbstständig, wird in ihm – im Falle einer Betriebsratsfähigkeit – ein eigener Betriebsrat gewählt, dessen Größe, Zusammensetzung und Reichweite der Mitbestimmung sich allein an den Arbeitnehmern im qualifizierten Betriebsteil orientiert. Die Mitarbeiter des qualifizierten Betriebsteils haben jedoch ein Wahlrecht und können an der Wahl des Hauptbetriebs teilnehmen, anstatt einen eigenen Betriebsrat zu wählen.

Variante 4 – Nicht betriebsratsfähige Kleinsteinheiten

Nicht betriebsratsfähige Kleinsteinheiten (< fünf Arbeitnehmer und/oder < drei wählbare Arbeitnehmer) nehmen an der Wahl des Hauptbetriebs teil und sind diesem nach § 4 Abs. 2 BetrVG zugeordnet.

Typische Abgrenzungsprobleme

In der Praxis treten im Detail unterschiedliche Abgrenzungsfragen auf, die Unternehmen regelmäßig vor Herausforderungen stellen.

Gemeinsamer Betrieb

Arbeiten (mindestens) zwei rechtlich selbständige Unternehmen so eng zusammen, dass Personal einheitlich eingesetzt wird und die Leitungsmacht gemeinsam ausgeübt wird, liegt ein gemeinsamer Betrieb nach § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor. Die Folge: Es darf nur ein gemeinsamer Betriebsrat für den Betrieb gewählt werden. Dieser ist für die dortigen Mitarbeiter beider Unternehmen zuständig.

Matrixstrukturen

Viele Unternehmensgruppen arbeiten heute in Matrixorganisationen, bei denen länder- und gesellschaftsübergreifend Arbeitsergebnisse erzielt werden. Beschäftigte haben dabei häufig eine disziplinarische Führungskraft in der Linie und gleichzeitig eine fachliche Projektleitung. Was auf dem Organigramm klar aussieht, führt in der Praxis schnell zu Abgrenzungsproblemen. Grundsätzlich ausschlaggebend ist, wer die wesentlichen Personalentscheidungen trifft. Entscheiden die Linienvorgesetzten über Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen, spricht vieles für einen in der Linie bestehenden Betrieb, dem der jeweilige Mitarbeiter zugeordnet ist. Erhält dagegen die Projektleitung eigenständige Befugnisse, können einzelne fachliche Organisationseinheiten als selbständige Betriebe oder zumindest als betriebsratsfähige Betriebsteile gelten. In der Realität leben Unternehmen indes oft in einer Mischform. Rahmenentscheidungen fallen zentral, operative Maßnahmen werden aber im Projekt getroffen. Die Rechtsprechung stellt in diesen Fällen klar: Die tatsächliche Praxis geht der formalen Struktur vor. Entscheidend ist nicht, wer in der Realität den Ton angibt. Möglich ist vor diesem Hintergrund auch, dass ein Mitarbeiter zwei Betrieben zugeordnet ist und dementsprechend z. B. in beiden Betrieben das aktive Wahlrecht hat (BAG, Beschluss vom 22.5.2025 – 7 ABR 28/24; dazu im Detail nachfolgend der Beitrag von Christoph Corzelius).

Leiharbeitnehmer

Auch die Zuordnung von Leiharbeitnehmern ist zu berücksichtigen. Diese sind nach § 7 Satz 2 BetrVG auch beim Entleiher wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Zugleich besteht ein Wahlrecht im Verleiherbetrieb. 

Konsequenzen 

Die Frage der Betriebsabgrenzung ist kein bloßes Formalproblem. Sie hat erhebliche praktische Auswirkungen, etwa hinsichtlich rechtlicher Risiken – eine falsche Abgrenzung führt zur Anfechtbarkeit oder in extremen Ausnahmefällen zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Neuwahlen, Auseinandersetzungen, Prozesskosten und organisatorischer Mehraufwand belasten ferner Ressourcen sowohl personell als auch finanziell. Folgen ergeben sich auch für die Mitbestimmung: Ein Betriebsrat, der für eine größere Einheit – bestehend aus verschiedenen Betriebsstätten, die als Betriebsteile zu qualifizieren sind – gebildet ist, kann große Teile eines Unternehmens erfassen und überörtlich mitbestimmte Regelungen treffen. Dies kann Vor- und Nachteile gegenüber vielen kleinen Betriebsräten haben. Schließlich hängt die Abgrenzung von der Organisation auf Arbeitgeberseite und den gewählten Strukturen ab. Dies sollte rechtzeitig geprüft werden, um ggfs. Stellschrauben zu drehen. In Betracht zu ziehen ist womöglich auch der Abschluss von Strukturvereinbarungen nach § 3 BetrVG.

Handlungsempfehlungen

Was also tun, um eine wirksame Betriebsratswahl zu gewährleisten?

  • Frühzeitige Strukturanalyse: Prüfen, wo die wesentlichen Personalentscheidungen getroffen werden (sollen) – in der Unternehmenszentrale oder lokal in der Betriebsstätte – und wie selbständig die Betriebsstätten organisiert sind.
  • Realität vor Formalität: Organigramme und Verträge sind wichtig, entscheidend ist jedoch die gelebte Praxis.
  • Dokumentation: Verantwortlichkeiten sollten schriftlich fixiert und Entscheidungswege dokumentieren werden, um etwaige spätere Rechtsstreitigkeiten abzuwehren.
  • Frühzeitige Kommunikation: Wahlvorstände und ggfs. Gewerkschaften sollten bei der Abgrenzung nach Möglichkeit frühzeitig einbezogen werden, um unnötige Konflikte zu vermeiden.
  • Konflikt? – Ab vor das Arbeitsgericht: Bei ungelösten Streitfragen ermöglicht ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht nach § 18 Abs. 2 BetrVG (mit ausreichend zeitlichem Vorlauf) eine rechtskräftige Bestimmung betriebsratsfähiger Einheiten vor Beginn der Wahl.

Dr. Astrid Schnabel, LL.M. (Emory) und Kevin Brinkmann, LL.M., Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Hamburg

Das Wahlverfahren bei der Betriebsratswahl

Die gesetzlichen Vorgaben und praktischen Abläufe bei der Betriebsratswahl sind mitunter komplex. Hier soll daher detailliert deren Vorbereitung, die Einreichung von Wahlvorschlägen sowie die Durchführung und Auswertung der Wahl näher betrachtet werden.

Interessenslage

Die ordnungsgemäße Durchführung von Betriebsratswahlen ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von großer Bedeutung. Fehler im Verfahren können zur Anfechtung oder gar zur Nichtigkeit der Wahl führen. Es ist daher unerlässlich, die gesetzlichen Vorgaben genau zu beachten. Diese finden sich vor allem in den §§ 7-20 BetrVG und in der Wahlordnung (WO).

Vorbereitung des Wahlverfahrens

Die Wahl kann entweder im allgemeinen oder im vereinfachten Verfahren durchgeführt werden. Die Verantwortung für die Organisation trägt der Wahlvorstand. Wahlberechtigt ist jeder Arbeitnehmer, der das 16. Lebensjahr vollendet hat und in den Betrieb eingegliedert ist. Ein zentrales Element ist die Erstellung der Wählerliste, getrennt nach Geschlechtern und in alphabetischer Reihenfolge mit vollständigen Angaben zu den wahlberechtigten Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber muss dem Wahlvorstand hierzu alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. Nur wer in die Wählerliste eingetragen ist, besitzt ein aktives und passives Wahlrecht. Die Liste sowie die der Text der WO sind ab Beginn des Verfahrens im Betrieb auszulegen; eine elektronische Veröffentlichung ist nur zulässig, wenn allen Arbeitnehmern der Zugang ermöglicht wird. 

Gegen die Richtigkeit der Wählerliste kann binnen zwei Wochen nach Erlass des Wahlausschreibens Einspruch eingelegt werden. Spätestens sechs Wochen vor dem ersten Wahltag erlässt der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben, das vom Vorsitzenden und mindestens einem Mitglied des Wahlvorstandes zu unterschreiben ist. Es muss die in § 3 Abs. 2 WO aufgelisteten Mindestinhalte (z. B. die Bestimmung des Orts, an dem die Wählerliste und die WO ausliegen sowie die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder) aufweisen und ist – vor allem bei internationalen Belegschaften – auch in entsprechenden Fremdsprachen zu veröffentlichen.

Einreichung von Wahlvorschlägen

Wahlvorschläge können sowohl von wahlberechtigten Arbeitnehmern als auch von im Betrieb vertretenen Gewerkschaften eingereicht werden. Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die sechs Monate dem Betrieb angehören oder als Heimarbeiter in der Hauptsache für den Betrieb gearbeitet haben, sind wählbar. Jedoch muss ihre Bewerbung von anderen Arbeitnehmern unterzeichnet werden. Je nach Betriebsgröße gibt es unterschiedliche Anforderungen an die Unterzeichnung von Wahlvorschlägen: In kleinen Betrieben mit bis zu zwanzig wahlberechtigten Personen bedarf es keiner Unterzeichnung; in Betrieben mit in der Regel 21 bis 100 Wahlberechtigten sind Wahlvorschläge hingegen von mindestens zwei Wahlberechtigten und in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 Wahlberechtigten von mindestens einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten zu unterzeichnen. In jedem Fall genügt allerdings die Unterzeichnung durch 50 Wahlberechtigte. Jeder Vorschlag muss eine Liste mit den Bewerbern – in erkennbarer Reihenfolge – enthalten, jeweils unter fortlaufender Nummer und unter Angabe von Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum, Art der Beschäftigung im Betrieb sowie einer schriftlichen Zustimmungserklärung jedes Bewerbers zur Kandidatur. Ein Bewerber darf allerdings nur auf einer Vorschlagsliste erscheinen; Listenverbindungen sind demnach unzulässig. 

Außerdem ist zu beachten, dass die Unterschrift eines wahlberechtigten Arbeitnehmers nur auf einer Vorschlagsliste zählt. Hat ein wahlberechtigter Arbeitnehmer mehrere Vorschlagslisten unterschrieben, muss er auf Aufforderung des Wahlvorstands binnen einer ihm gesetzten angemessenen Frist, spätestens jedoch vor Ablauf von drei Arbeitstagen erklären, welche Unterschrift er aufrechterhalten möchte. Unterbleibt diese Erklärung, wird die Unterschrift nur auf der zuerst eingereichten Liste gezählt. Im Falle von gleichzeitig eingereichten Listen entscheidet das Los. Der Wahlvorstand prüft sodann zeitnah – möglichst binnen einer Frist von zwei Tagen – die Gültigkeit der Vorschlagslisten und informiert bei Beanstandungen den Listenvertreter unter Angabe von Gründen schriftlich. 

Durchführung des Wahlverfahrens

Die Betriebsratswahl erfolgt geheim und unmittelbar durch Abgabe von Stimmzetteln. Grundsätzlich gilt das Verhältniswahlrecht; liegt jedoch nur ein gültiger Wahlvorschlag vor oder ist der Betriebsrat im vereinfachten Wahlverfahren zu wählen, findet das Mehrheitswahlrecht Anwendung. Die Stimmabgabe erfolgt sodann durch Abgabe von Stimmzetteln. Nach Abschluss der Stimmabgabe erfolgt eine öffentliche Auszählung durch den Wahlvorstand, gefolgt von der Feststellung des Ergebnisses und der Sitzverteilung. Über die Wahl muss zeitnah eine Niederschrift angefertigt werden. Diese ist sowohl dem Arbeitgeber als auch den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften unverzüglich zu übersenden. Daraufhin werden die gewählten Mitglieder schriftlich benachrichtigt. Das Ergebnis wird durch Aushang bekannt gegeben.

Die Briefwahl stellt die Ausnahme dar, ist jedoch dann zulässig, sofern ein Arbeitnehmer an der persönlichen Stimmabgabe verhindert ist. Gründe für eine solche persönliche Verhinderung können etwa Elternzeit oder Mutterschutz sowie Sonderurlaub sein. Darüber hinaus kann der Wahlvorstand unter bestimmten Voraussetzungen kollektiv die Durchführung einer Briefwahl beschließen, etwa für Betriebsteile, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Eine Online-Wahl ist bislang nicht gesetzlich vorgesehen, wurde jedoch als Plan im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierungskoalition aus Union und SPD zumindest erwähnt.

Stimmenauszählung und Bekanntgabe des Wahlergebnisses

Die Auszählung der Stimmen hat unmittelbar nach Ende der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung zu erfolgen. Seit Änderung der WO im Jahr 2021 müssen bei Präsenz- und Briefwahl sämtliche Stimmen gemeinsam öffentlich ausgezählt werden. Allen wahlberechtigten Arbeitnehmern müssen somit Ort und Zeitpunkt rechtzeitig bekannt gegeben werden und sie müssen freien Zutritt zur Stimmauszählung haben. Wird dieses Öffentlichkeitsgebot verletzt, etwa weil Ort oder Zeit nicht kommuniziert wurden oder kein ungehinderter Zugang besteht, kann dies zur Anfechtung berechtigen, auch ohne konkreten Nachweis eines anderen Ergebnisses; es genügt bereits die abstrakte Gefährdung durch mögliche Manipulationen (so Hessisches LAG, Beschluss vom 21.5.2015 – 9 TaBV 235/14).

Rechtsschutz 

Entscheidungen des Wahlvorstands können im Beschlussverfahren überprüft werden. Einstweilige Verfügungen mit dem Ziel des Abbruchs der Wahl oder einer Korrektur einer Entscheidung des Wahlvorstands sind hingegen nur zulässig, sofern die Wahl ansonsten nichtig wäre; die bloße Anfechtbarkeit reicht somit nicht aus (BAG, Beschluss vom 27.7.2011 – 7 ABR 61/10). Die Hürden für ein solches einstweiliges Verfügungsverfahren sind somit hoch. 

Praxis-Tipps und Fazit 

Die Beachtung aller formalen Vorgaben ist entscheidend für eine rechtssichere Betriebsratswahl. Sorgfalt bei der Vorbereitung, Durchführung und eine genaue Dokumentation können das Risiko von Anfechtungen minimieren und gleichzeitig das Vertrauen in das Wahlergebnis stärken. Konkret empfiehlt sich:

  • Sorgfältige Dokumentation: Alle Schritte des Verfahrens sollten schriftlich festgehalten werden. Dies erleichtert spätere Nachprüfungen und kann als Nachweis in etwaigen gerichtlichen Verfahren dienen.
  • Transparente Kommunikation: Die Belegschaft sollte frühzeitig über Fristen, Anforderungen an Vorschläge und Besonderheiten im Verfahren informiert werden.
  • Rechtsgrundlagen: Es sollten regelmäßig Aktualisierungen in Gesetzen und Verordnungen geprüft werden. 

Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück und Paulina Noppeney, Luther Rechtsanwaltgesellschaft, Berlin

Die Wahlberechtigung bei betriebs- und unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen

Eine Kernpflicht des Arbeitgebers im Vorfeld einer Betriebsratswahl besteht darin, dem Wahlvorstand die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die dieser zur Erstellung der Wählerliste benötigt (§§ 2 Abs. 2, 28 Abs. 2 WO BetrVG). Dies führt unweigerlich zur Frage, wer die Wahlberechtigten im jeweiligen Betrieb sind – gerade, wenn die in Matrixstrukturen tätig sind.

Die Grundlage: Das aktive Wahlrecht

Bei einer homogenen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse, in denen der Betriebsinhaber zugleich Arbeitgeber sämtlicher im Betrieb tätiger Arbeitnehmer ist, fällt die Beantwortung der Eingangsfrage denkbar leicht. An Komplexität gewinnt die Thematik jedoch in Konstellationen, in denen im Betrieb – oder seinem Umfeld – auch Personen tätig sind, die nicht in einem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber stehen. Virulent wird dies bei betriebs- und unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen – wenn also von zweifellos wahlberechtigten Arbeitnehmern Weisungen von oder an Personen erteilt werden, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen. Die gesetzliche Grundlage für die Erstellung der Wählerliste findet sich in den §§ 2 Abs. 2, 28 Abs. 2 WO iVm. §§ 7, 8 BetrVG. In die Wählerliste sind Arbeitnehmer i. S. d. § 5 BetrVG aufzunehmen, die aktiv wahlberechtigt sind, also das 16. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb angehören. 

Lange Jahre entschied die Rechtsprechung die Frage, wer dem Betrieb angehört, unter Anwendung der sog. Zwei-Komponenten-Lehre. Hiernach gehörten zu den wesentlichen Merkmalen einer Betriebszugehörigkeit zwei Elemente: Zum einen ein bestehender Arbeitsvertrag mit dem Betriebsinhaber und zum anderen die tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in dessen Betriebsorganisation. Das BAG brach jedoch in Fällen des drittbezogenen Personaleinsatzes mit dieser Lehre und entschied im Kontext der Arbeitnehmerüberlassung, dass bei einer „aufgespaltenen Arbeitgeberstellung“ eine differenzierte Beurteilung geboten sei (BAG, Beschluss vom 5.12.2012 – 7 ABR 48/11) – was dazu führte, dass die arbeitsvertragliche Bindung zum Betriebsinhaber keine notwendige Voraussetzung mehr war. Abgerundet wird dieser Aspekt durch eine jüngere Entscheidung des BAG, nach der Matrixmanager auch in anderen als ihren „Stammbetrieben“ wahlberechtigt i. S. d. § 7 BetrVG sein können (BAG, Beschluss vom 22.5.2025 – 7 ABR 28/24).

Betriebszugehörigkeit nach den §§ 7, 99 BetrVG

Bislang liegt zur letztgenannten Entscheidung nur die Pressemitteilung des BAG vor, die jedoch erkennen lässt, dass die Betriebszugehörigkeit durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation begründet wird. Dieser Umstand führt zu einer Betrachtung, die parallel zum Einstellungsbegriff des § 99 Abs. 1 BetrVG verläuft, bei dem die Eingliederung in die Betriebsorganisation maßgeblich ist. Eine Einstellung (und damit die Betriebszugehörigkeit) gem. § 99 Abs. 1 BetrVG liegt nach ständiger Rechtsprechung des BAG vor, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert wird, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern einen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Dies setzt jedoch nicht voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeiten auf dem Betriebsgelände verrichtet. Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitgeber mithilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck verfolgt. Der Betriebsinhaber muss also durch den zielgerichteten Einsatz von Arbeitnehmern den Zweck des jeweiligen Betriebs fördern – ein Tatbestandsmerkmal, das von der Rechtsprechung mit Blick auf (unternehmensübergreifende) Matrixstrukturen bislang nicht für die Praxis handhabbar konturiert wurde. 

Empfehlung für die Handhabung in der Praxis

Aus der Rechtsprechung des BAG resultieren gleichwohl Tatbestandsmerkmale, die für das Vorliegen einer Eingliederung erforderlich sind und die Arbeitgebern helfen können, den Kreis der nach § 7 BetrVG wahlberechtigten Arbeitnehmer zu ziehen.

Zusammenarbeit mit im Betrieb Beschäftigten

Die in Rede stehenden Arbeitnehmer müssen mit den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zusammenarbeiten. Es muss also einen – über bloße Bagatellen – hinausgehenden Austausch zwischen den relevanten Personen geben, der sich als arbeitsteiliges Vorgehen verstehen lässt. Hierzu genügen grobe, holzschnittartige Richtlinienvorgaben durch Matrixmanager wohl nicht, eine enge fachliche Führung hingegen schon. Je stärker Matrixmanager im betrieblichen Alltag der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer eine wesentliche Rolle einnehmen, desto eher liegt das Tatbestandsmerkmal vor.

Verwirklichung des Betriebszwecks

Die Tätigkeit der Person muss den Betriebszweck fördern – was unweigerlich zu der Frage führt, was überhaupt der (arbeitsrechtliche) Betriebszweck ist und welche Tätigkeiten ihn fördern. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe bieten jedoch bei Licht betrachtet keinen Mehrwert; selbst wenn ein einziger, klar umgrenzter Betriebszweck existiert, gibt es eine Vielzahl an Tätigkeiten, die diesen verwirklichen oder zumindest fördern. Die Konturlosigkeit dieses Merkmal lässt sich an einem Betrieb des produzierenden Gewerbes veranschaulichen: Auch wenn der Kern der Wertschöpfung zweifellos die Produktion bestimmter Waren ist, wird auch durch unterstützende Tätigkeiten der Betriebszweck verwirklicht. Bei einem Mitarbeiter der Personalabteilung dürfte die Förderung des Betriebszwecks ebenso wenig zu verneinen sein wie bei einer Reinigungskraft oder dem Pförtner.

Weisungsgebundene Tätigkeit 

Wesentliche Bedeutung dürfte daher der Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers zukommen – hierin materialisiert sich letztlich nichts anderes als die „gespaltene Arbeitnehmerstellung“, die überhaupt erst Anlass zur Aufgabe der Zwei-Komponenten-Lehre war. Nur wenn der Betriebsinhaber rechtlich dazu in der Lage ist, dem Arbeitnehmer arbeitgebertypischen Weisungen zu erteilen, kann er ihn auch – wie das BAG fordert – zielgerichtet zur Förderung des Betriebszwecks einsetzen. Ohne eine Tätigkeit in Abhängigkeit vom Betriebsinhaber fehlt es daher wohl an der Eingliederung und damit auch an der Wahlberechtigung. 

Resümee

Die auf den ersten Blick einfach anmutende Frage, wer bei der Wahl des Betriebsrats aktiv wahlberechtigt ist, gewinnt in komplexen Matrixstrukturen eine nicht unerhebliche Schwierigkeit. Je nach der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit innerhalb der Matrix und den jeweils eingeräumten Rechten kann die Zugehörigkeit zu bloß einem oder aber mehreren Betrieben durchaus in Betracht kommen – was auch Auswirkungen auf die Größe des Gremiums (§ 9 BetrVG) sowie die Anzahl der Freistellungen (§ 38 BetrVG) haben kann. Bereits vor Etablierung der Matrixstruktur sollte die gewünschte betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung daher in die strategische Planung einbezogen werden.

Dr. Christoph Corzelius, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln

Das schriftliche Wahlverfahren bei der Wahl des Betriebsrats

In Zeiten der Corona-Pandemie führten viele Arbeitgeber das mobile Arbeiten ein. In der Folge wurde auch häufiger die Möglichkeit der Briefwahl bei Betriebsratswahlen genutzt. Der Siebte BAG-Senat hat kürzlich Voraussetzungen und Umfang der schriftlichen Stimmabgabe konkretisiert.

Hintergrund

Die Vorschrift des § 24 WO erlaubt abweichend von der Präsenzwahl unter bestimmten Voraussetzungen auch die Briefwahl. Hiernach hat der Wahlvorstand Wahlberechtigten auf ihr Verlangen hin oder bei ihrer Abwesenheit vom Betrieb die Wahlunterlagen auszuhändigen oder zu übersenden. Zudem kann er die Briefwahl für Arbeitnehmer in geografisch weit entfernten Betriebsteilen und Kleinstbetrieben allgemein anordnen. Da während der Covid-19-Pandemie bei vielen Arbeitgebern Homeoffice-Strukturen etabliert wurden, mehrten sich jüngst auch Fragen zur Zulässigkeit der schriftlichen Stimmabgabe – weshalb diese naturgemäß auch streitgegenständlich wurden.

Die aktuellen Entscheidungen des BAG

Kenntnis von der Betriebsabwesenheit – BAG, Beschluss vom 23.10.2024 – 7 ABR 34/23

Bei VW wurden sowohl den mobil arbeitenden als auch allen von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten ohne ausdrückliches Verlangen Briefwahlunterlagen zugesendet. Dies führte zu einer Anfechtung der Wahl durch eine Reihe von Arbeitnehmern. Das BAG stellte daraufhin klar: Sofern die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 WO für die schriftliche Stimmabgabe nicht vorliegen, verstoße die Übermittlung von Wahlunterlagen gegen den Grundsatz der freien Wahl, weil dadurch psychologisch Druck ausgeübt werde. Der Wahlvorstand dürfe nur dann ohne Verlangen Unterlagen versenden, wenn ihm bekannt ist, dass die Betroffenen während der Wahl tatsächlich abwesend sind. Hierfür genüge seine positive Kenntnis, eine Nachforschungspflicht bestehe nicht.

Begründung des Briefwahlverlangens – BAG, Beschluss vom 22.1.2025 – 7 ABR 1/24

Bei einer Betriebsratswahl in einem Eisenbahnverkehrsunternehmen beantragten einige Wahlberechtigte die Übersendung von Briefwahlunterlagen ohne Begründung per E-Mail und bekamen diese ohne vorherige Beschlussfassung des Gesamtvorstands zugesandt. Trotz Vorliegens eines Merkblatts waren vier der abgegebenen Stimmzettel falsch gefaltet und wurden daraufhin für ungültig befunden. Die vier Betroffenen vertraten die Auffassung, dass dies in unzulässiger Weise in das Wahlrecht eingreife, weshalb sie die Wahl anfochten. Das BAG entschied sodann, dass ein bloßes Verlangen der Briefwahlunterlagen genügt. Die Pflicht des Wahlvorstands zur Übermittlung der Wahlunterlagen setze weder eine Begründung noch eine Beschlussfassung über die Aushändigung der Unterlagen voraus, es sei denn, es bestünden objektive Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen.

Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für alle Arbeitnehmer – BAG, Beschluss vom 22.1.2025 – 7 ABR 23/23

Ein Lebensmittel-Discounter ordnete für einen Betriebsratsbezirk mit mehreren Filialen eine reine Briefwahl an. Die Wahlunterlagen sollten den Wahlberechtigten unaufgefordert zugehen. Allerdings existierte im betroffenen Bezirk kein Hauptbetrieb. Einige Arbeitnehmer machten im Nachhinein die Unwirksamkeit der Wahl geltend. Das BAG stellte fest, dass der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 WO nicht für den ganzen Betrieb beschließen kann. Die Vorschrift setze das Bestehen eines Hauptbetriebs voraus. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht.

Konsequenzen

Betriebsabwesenheit nach § 24 Abs. 2 WO

Im Zusammenspiel der gesetzlichen Grundlagen und der Entscheidungen des BAG ergeben sich bestimmte Schlüsse. Betriebsabwesend sind laut BAG mobil oder im Homeoffice arbeitende Beschäftigte, von Kurzarbeit Betroffene sowie Außendienstler. Es ist fraglich, ob und in welchen weiteren Fällen an eine Betriebsabwesenheit zu denken ist – denn der Arbeitgeber hat den Wahlvorstand eigeninitiativ über die Betriebsabwesenheit zu informieren, während der Wahlvorstand von Amts wegen die Voraussetzungen der Briefwahl ohne Verlangen prüfen muss. Unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung der Tätigkeit reicht es gleichwohl an sich aus, dass der betroffene Mitarbeiter aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses regelmäßig oder überwiegend nicht im Betrieb anwesend ist. Dies gilt aber nicht für Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit zwar außerhalb des Betriebs verrichten, sie jedoch im Betrieb beginnen oder dort wieder beenden.

Die Norm des § 24 Abs. 2 WO nennt Fälle von dauerhafter Betriebsabwesenheit – explizit etwa das Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder die Arbeitsunfähigkeit. Erfasst werden mithin auch Phasen der Eltern- oder Pflegezeit, des Mutterschutzes, des freiwilligen Wehrdienstes, eines Bundesfreiwilligendienstes oder unbezahlten Sonderurlaubs. Die zu erwartende Abwesenheit muss mindestens sechs Wochen betragen. Ist ein Arbeitnehmer voraussichtlich nur am Wahltag abwesend oder bis dahin zurück im Betrieb, dürfen ohne Verlangen keine Wahlunterlagen an ihn verschickt werden. Das würde zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen. Der Arbeitgeber hat die Betriebsabwesenheit zu prüfen und den Wahlvorstand darüber zu informieren.

Kenntnis i. S. d. § 24 Abs. 2 WO

Es genügt die positive Kenntnis des Vorsitzenden des Wahlvorstandes über die tatsächlichen Umstände des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses. Hieran fehlt es also bei Unkenntnis oder bloßem Kennenmüssen sowie bei Kenntnis der voraussichtlichen Anwesenheit. Das bloße Kennenmüssen der voraussichtlichen Anwesenheit genügt demnach erst recht nicht. Wahlvorstände sind nicht verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen. Die Informationen über Abwesenheiten hat der Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.

Verlangen der Briefwahl durch Arbeitnehmer

Nach § 24 Abs. 1 WO hat der Wahlvorstand dem Wahlberechtigten auf sein Verlangen hin die Wahlunterlagen zu übersenden, wenn der Wahlberechtigte voraussichtlich am Wahltag abwesend ist. Der Wahlberechtigte muss tatsächlich verhindert sein. Ein freies Wahlrecht besteht nicht. Der Wahlvorstand darf grundsätzlich davon ausgehen, dass das Verlangen der Briefwahl berechtigt ist. Nur bei Zweifeln oder positiver Kenntnis über die Verhinderung des Wahlberechtigten dürfte er zur Nachforschung verpflichtet sein. Ein Begründungserfordernis besteht aus Gründen der Praktikabilität jedoch ebenfalls nicht. Eine Beschlussfassung des Wahlvorstands über Briefwahlverlangen von Wahlberechtigten ist grundsätzlich nicht erforderlich. Bestehen jedoch mindestens Zweifel über die Abwesenheit, ist der Wahlvorstand gehalten, die Voraussetzungen der Briefwahl näher zu prüfen.

Briefwahl für alle Arbeitnehmer, § 24 Abs. 3 WO

Der Wahlvorstand kann ausnahmsweise für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, die schriftliche Stimmabgabe beschließen. Eine entsprechende Anwendung auf zusammengefasste Betriebe wurde vom BAG indes abgelehnt. Eine solche ließe sich dogmatisch nur mit einer teleologischen Reduktion des Merkmals „Hauptbetrieb“ begründen, wofür § 24 Abs. 3 WO jedoch keine Ausnahme vom Erfordernis eines Hauptbetriebs vorsehen dürfe, was abzulehnen ist. Die Ausnahmevorschrift bezieht sich bewusst auf das Vorhandensein eines Hauptbetriebs.

Abweichung von § 24 Abs. 3 WO oder Bestimmung eines Hauptbetriebs

Das zuvor festgestellte Ergebnis hängt von der Frage ab, ob die Tarifvertragsparteien die Kompetenz haben, abweichende Regelungen zu treffen oder einen Betriebsteil zum Hauptbetrieb zu bestimmen. Das BAG hat ein Bedürfnis für eine solche Regelungskompetenz anerkannt, die Frage aber offen gelassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Organisationsbestimmungen der WO zwingend sind. Eine Abweichung von der WO ist nicht möglich. Eine entsprechende Kompetenz würde derweil auch nicht weiterhelfen, denn es bliebe dabei, dass nur eine betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit besteht; es würde für den ganzen Betrieb die Briefwahl angeordnet, was die Norm gerade nicht ermöglicht. Besteht jedoch ein Hauptbetrieb, können die Arbeitnehmer der zusammengefassten Betriebe beschließen, an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb teilzunehmen. Ist dieser räumlich weit von den Betriebsteilen entfernt, kann hierfür die Briefwahl angeordnet werden.

Umsetzbarkeit einer Online-Wahl?

Unter aktueller Rechtslage ist die elektronische Abgabe von Wahlstimmen unzulässig, im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von CDU/CSU und SPD gibt es jedoch Pläne, die Option zur Online-Wahl bei Betriebsratswahlen gesetzlich zu verankern. Die Vorteile wären insbesondere die bessere Erreichbarkeit der Wähler, eine effizientere Auszählung sowie die Schonung von Ressourcen. Dazu kämen geringere Kosten und weniger Streit um die Wirksamkeit der Wahl, vorausgesetzt, Geheimhaltung und Sicherheit sind gewährleistet.

Ausblick

Das Wahlrecht nach dem BetrVG und der WO ist an sich nicht mehr zeitgemäß. Betriebliche Anwesenheit ist längst nicht mehr der Standard. Schon die Einführung einer allgemein zulässigen Briefwahl würde die praktische Durchführung von Betriebsratswahlen erheblich erleichtern und zur Rechtssicherheit beitragen. Die jüngsten Entscheidungen des BAG haben die Wahl jedoch zumindest erleichtert: Wahlberechtigte müssen ihr Briefwahlverlangen nicht begründen, dazu besteht grundsätzlich keine Nachprüfungspflicht des Wahlvorstands über die Berechtigung. Ob der Gesetzgeber eine Online-Wahl einführt, bleibt abzuwarten, würde dem Ablauf der Betriebsratswahl allerdings erheblich zugutekommen.

Dominik Ledwon, LL.M. (Norwich) und Lotte Blumhoff, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln/Frankfurt am Main

Wahlwerbung

Wahlwerbung bei Betriebsratswahlen ist an sich erlaubt. Sowohl die Wahlwerbung betrieblicher Arbeitnehmer als auch die Werbung im Betrieb vertretene Gewerkschaften muss durch den Arbeitgeber jedoch im gesetzlichen Rahmen gestattet werden. Die Grenzen zwischen zulässiger und unzulässiger Wahlwerbung sind dabei fließend. 

Wahlwerbung als verfassungsrechtlich geschützter Teil der Betriebsratswahl

Wahlwerbung zählt zu den unmittelbar wahlvorbereitenden Maßnahmen und beinhaltet den Aufruf zur Wahl einer bestimmten Liste oder bestimmter Personen. Sie ist durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG und die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützt und ein wesentlicher Bestandteil der Wahl. Dieser besondere Schutz wurde bereits im Jahr 1965 durch das BVerfG (Beschluss vom 30.11.1965 - 2 BvR 54/62) klargestellt. Sowohl Arbeitnehmer als auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften dürfen werben. Der Arbeitgeber darf zulässige Wahlwerbung daher weder verbieten noch behindern; ebenso wenig dürfen den Werbenden Nachteile entstehen.

Grundsatz der Chancengleichheit 

Über sämtlicher zulässiger Wahlwerbung steht das Gebot der Chancengleichheit. Die Möglichkeit zur Nutzung von Wahlwerbung muss für alle Wahlbewerber gleichermaßen gelten. Es handelt sich dabei um einen ungeschriebenen Grundsatz, der weder im BetrVG noch in der WO ausdrücklich formuliert ist. Er ist jedoch zwingender Ausfluss einer demokratischen Wahl. Danach soll jeder Wahlbewerber die gleichen Chancen im Wettbewerb um die Wählerstimmen haben. Was der Arbeitgeber einem Wahlbewerber gewährt, muss auch allen anderen Bewerbern gestattet werden.

Ab wann ist Wahlwerbung erlaubt?

Diese Chancengleichheit kann nur gewährleistet sein, wenn alle Wahlbewerber zur gleichen Zeit mit ihrer Werbung beginnen dürfen. Konkrete Rechtsprechung oder Gesetze, die diesen Zeitpunkt festlegen, gibt es nicht. Jedenfalls mit dem Aushang des Wahlausschreibens und der damit verbundenen Einleitung des Wahlverfahrens muss jedoch auch konkrete Wahlwerbung zulässig sein. Indes ist zu beachten, dass erste Vorbereitungshandlungen wie das Sammeln von Stützunterschriften oder das Anwerben von Mitarbeitern für eine Wahlliste regelmäßig schon vorher zwingend erforderlich und als eine Art Werbemaßnahme zulässig sind. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, wenn bereits vor Erlass des Wahlausschreibens Maßnahmen erfolgen, die zugleich notwendige Vorbereitungshandlungen beinhalten, aber auch einen konkreten Aufruf zur Wahl einer Liste enthalten. Es empfiehlt sich daher eine sorgsame Analyse des jeweiligen Inhalts, da ein vorschnelles Verbot des Werbemittels durch den Arbeitgeber als Behinderung der Wahl bewertet werden kann.

Was ist erlaubt und was nicht?

Zulässig sind grundsätzlich alle Werbemaßnahmen, durch die der betriebliche Ablauf nicht gestört wird. Zu einer Störung kommt es insbesondere nicht, wenn die Werbung außerhalb der Arbeitszeit erfolgt, also in Pausen sowie vor oder nach der Arbeitszeit. Als Werbemittel in Betracht kommen insbesondere Flyer und Handzettel sowie Plakate und Mitarbeiterveranstaltungen. Diese Maßnahmen sollen im Grundsatz informieren und keine unzulässige Beeinflussung i. S. d. § 20 Abs. 2 BetrVG bewirken. 

Vergleichende Werbung ist im Wahlkampf ebenfalls erlaubt. Kritische Auseinandersetzungen mit den anderen Wahlbewerbern sind genauso zulässig wie solche mit dem Arbeitgeber, solange sie im Kern sachlich bleiben und keine persönlichen Angriffe beinhalten. Unsachliche oder ehrverletzende Aussagen sind derweil nicht gestattet, also etwa Diffamierungen, haltlose Anschuldigungen, bewusste und grob wahrheitswidrige Falschinformationen, irreführende Aussagen sowie Hetzkampagnen gegen andere Wahlbewerber oder Listen. Die Grenzen zulässiger Werbung sind ferner erreicht, wenn Vor- oder Nachteile in Aussicht gestellt werden und durch eine solche Beeinflussung die Entscheidungsfreiheit der Wählerinnen und Wähler eingeschränkt wird. Entsprechend § 20 Abs. 2 BetrVG sind daher bspw. Drohungen, Begünstigungen oder das Versprechen von Vorteilen ausdrücklich untersagt. Kleine Werbegeschenke von geringem Wert, wie beispielsweise Kugelschreiber, sind allerdings gestattet. 

Konsequenzen bei Verstößen

Ein Verstoß gegen die Grundsätze zulässiger Wahlwerbung kann gravierende rechtliche Folgen nach sich ziehen. So ist unter den Voraussetzungen des § 19 BetrVG eine Anfechtung der Wahl möglich. Darüber hinaus drohen strafrechtliche Sanktionen gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sofern der Verstoß vorsätzlich begangen wurde. In besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen kann die Wahl sogar nichtig sein (dazu im Detail der nachfolgende Beitrag von Sandra Sfinis und Anna Mayr).

Kosten der Wahlwerbung

Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl. Eine Ausnahme hiervon bilden jedoch die Kosten des Wahlkampfs. Insbesondere jene der individuellen Wahlwerbung der Wahlbewerber sind nicht durch den Arbeitgeber zu tragen. Dieser ist vor allem nicht verpflichtet, zur Herstellung der Chancengleichheit für Wahlbewerber finanzielle Zuwendungen an Arbeitnehmergruppen zu machen, wenn andere Gruppen von außen (z. B. durch ihre Gewerkschaften) Mittel erhalten.

Kristina Gutzke, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Hamburg

Arbeitgeber im Betriebsratswahlkampf: Wie weit geht die Meinungsfreiheit?

Im Rahmen von Betriebsratswahlen ist besonders die Rolle des Arbeitgebers herausfordernd: Das BetrVG setzt klare Grenzen zum Schutz der Wahlfreiheit, lässt jedoch zugleich Raum für Meinungsäußerungen. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, grenzt zulässige Meinungsfreiheit von unzulässiger Wahlbeeinflussung ab und gibt praxisnahe Empfehlungen, wie Arbeitgeber sich rechtskonform im Betriebsratswahlkampf verhalten können.

Kontext

Das BetrVG verbietet ausdrücklich jede Form der Wahlbeeinflussung durch Drohungen oder Versprechen. Gleichzeitig garantiert das GG die Meinungsfreiheit – auch für Arbeitgeber. Daraus ergibt sich ein komplexer Balanceakt mit juristischer, aber auch großer praktischer Relevanz. Das BAG hat inzwischen klargestellt, dass auch Arbeitgeber keiner absoluten Neutralitätspflicht unterliegen, sondern ihre Position im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sachlich und offen vertreten dürfen. Dennoch bleiben die Grenzen eng gesteckt, insbesondere, um die innere Willensbildung der Wahlberechtigten zu schützen.

Der gesetzliche Rahmen des § 20 BetrVG

Während die Organisation und Durchführung von Betriebsratswahlen nach der Gesetzeslage des BetrVG und WO überwiegend bei der Belegschaft liegt und Arbeitgeber bloß den nötigen Rahmen für die Durchführung der Wahl schaffen sowie die Kosten tragen müssen, untersagt § 20 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG ausdrücklich jegliche Wahlbehinderung und -beeinflussung durch alle Beteiligten: durch Arbeitgeber ebenso wie durch Arbeitnehmer, Gewerkschaften oder Mitglieder des Wahlvorstands. Ziel ist der Schutz der freien und geheimen Wahlentscheidung und damit der Erhalt der Wahlfreiheit. Der Anwendungsbereich reicht dabei von der Bestellung des Wahlvorstands bis hin zur Durchführung etwaiger Anfechtungsverfahren.

Wahlbehinderung nach § 20 Abs. 1 BetrVG

Eine Wahlbehinderung liegt vor, wenn durch ein rechtswidriges Verhalten der äußere Ablauf der Wahl erheblich gestört, erschwert oder unmöglich gemacht wird; ein vollständiges Scheitern der Wahl ist nicht erforderlich. Konkret kann eine Behinderung etwa darin bestehen, dass der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt oder Arbeitnehmer in der Ausübung ihres aktiven oder passiven Wahlrechts eingeschränkt werden. Solche Einschränkungen betreffen etwa die Aufstellung als Kandidat, die Teilnahme an Betriebsversammlungen gem. § 17 BetrVG oder die Stimmabgabe selbst. Doch auch arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Kündigungen, Versetzungen oder Änderungen der Arbeitsorganisation können eine Wahlbehinderung darstellen, gerade dann, wenn sie gezielt ergriffen werden, um die Wahl oder einzelne Kandidaturen zu untergraben. Keine unzulässige Behinderung liegt hingegen vor, wenn eine Re- oder Umstrukturierung stattfindet, die zwar Auswirkungen auf die Wahl haben kann, jedoch aufgrund der Mitbestimmungsrechte nach § 111 BetrVG ohnehin keine unmittelbare Wirkung auf das Wahlverfahren entfalten kann.

Wahlbeeinflussung nach § 20 Abs. 2 BetrVG

Schwieriger zu fassen ist das Verbot der Wahlbeeinflussung, das in § 20 Abs. 2 BetrVG geregelt ist. Anders als bei der Wahlbehinderung steht hier nicht mehr der äußere Ablauf der Wahl im Fokus, sondern die innere Willensbildung der Beschäftigten, also die Beeinflussung ihrer Entscheidung durch psychologischen oder inhaltlichen Druck. Dabei darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Unzulässig sind sowohl Versprechen finanzieller Vorteile, Geschenke oder Gehaltserhöhungen, gezielte Stimmenkäufe sowie die einseitige Bereitstellung von Betriebsmitteln für bestimmte Kandidaten oder Listen als auch Nachteile wie die Androhung von Kündigungen, Versetzungen oder Nichtbeförderungen bei Teilnahme an der Wahl. Wahlwerbung an sich ist hingegen nicht verboten (dazu im vorherigen Beitrag näher Kristina Gutzke).

Vor diesem Hintergrund ist auch die Meinungsfreiheit des Arbeitgebers zu betrachten, die durch das GG garantiert wird. In der Praxis ergibt sich daraus kein bloß „schmaler Grat“, sondern vielmehr ein abwägungsbedürftiger Raum zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Wahlbeeinflussung. Rechtlich endet die Meinungsfreiheit erst dort, wo Äußerungen gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen oder die Chancengleichheit der Kandidaten verletzen. Schmähkritik, ehrverletzende Äußerungen oder wahrheitswidrige Behauptungen, die geeignet sind, die Wahlentscheidung zu beeinflussen, überschreiten insoweit die Grenze zulässiger Wahlbeeinflussung. Allgemeine Hinweise auf unternehmerische Zusammenhänge – etwa die Befürchtung negativer Auswirkungen einer bestimmten Liste – sind hingegen zulässig, sofern sie sachlich, transparent und ohne Drohkulisse erfolgen. 

Keine Neutralitätspflicht des Arbeitgebers

Das BAG hat in diesem Kontext die Annahme einer absoluten Neutralitätspflicht des Arbeitgebers inzwischen zu Recht klar zurückgewiesen: Arbeitgeber sind nicht zur vollständigen Zurückhaltung verpflichtet, sondern dürfen sich – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben – durchaus äußern. Sie können Sympathie- oder Unmutsbekundungen gegenüber bestimmten Kandidaten oder Listen vornehmen, solange diese sachlich bleiben und nicht diskriminierend oder einschüchternd sind. Laut BAG ist es daher auch zulässig, wenn die Geschäftsleitung behauptet, dass der aktuelle Betriebsratsvorsitzende jemand sei, der „die Arbeit des Unternehmens behindere“, und zugleich empfiehlt, bei der nächsten Wahl eine „gescheite Liste“ aufzustellen. Auch die Aussage des Geschäftsführers, man solle geeignete Mitarbeiter für einen neuen Betriebsrat suchen, sowie die spätere Bemerkung des Personalleiters, wer dem aktuellen Vorsitzenden seine Stimme gebe, begehe „Verrat“, wurden vom BAG noch als zulässige Meinungsäußerungen eingeordnet, da damit weder Nachteile zugefügt oder angedroht noch Vorteile gewährt oder versprochen werden. 

In der Praxis hielten sich Arbeitgeber aus Angst vor Wahlanfechtungen zuvor oftmals sehr zurück – selbst bei berechtigter Kritik oder wenn es um die Unterstützung geeigneter Kandidaten ging. Wie in jedem demokratischen Wahlprozess ist indes auch im betrieblichen Kontext ein gewisses Maß an Mündigkeit und Differenzierungsfähigkeit auf Seiten der Wählenden zu unterstellen. Wahlkampf bedeutet immer auch Meinungskampf. Entscheidend ist allein, dass keine rechtlich unzulässigen Mittel eingesetzt werden. Eine allgemeine Neutralitätspflicht im Zuge der Betriebsratswahlen ist weder praktikabel noch rechtlich begründbar. Zum einen können auch bereits in der Vergangenheit getätigte Äußerungen (des Arbeitgebers) womöglich noch ursächlich den Wahlausgang beeinflussen. Zum anderen müsste eine solche Neutralitätspflicht mit Blick auf den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 2 BetrVG für alle Akteure gelten – doch dann wären auch sämtliche Äußerungen von Gewerkschaften und Arbeitnehmern verboten. Nicht geschützt sind allein bereits strafrechtlich relevante Äußerungen wie Beleidigungen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Bei solchen liegt regelmäßig ein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 BetrVG vor. 

Konsequenzen bei Verstößen

Betroffenen stehen bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 20 Abs. 1 oder Abs. 2 BetrVG verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung. So kann eine einstweilige Verfügung bei den ordentlichen Gerichten beantragt werden, um unzulässige Handlungen zu unterbinden. In dringenden Fällen kann zudem auch das ArbG im Beschlussverfahren tätig werden, um zu verhindern, dass die Wahl unter Verletzung wesentlicher Vorschriften stattfindet. Im Worst Case können Verletzungen des Behinderungs- und Beeinflussungsverbots ferner zu einer Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führen. Etwaige Verstöße werden jedoch nur auf Antrag verfolgt, § 119 Abs. 2 BetrVG. Zudem gilt: Der Arbeitgeber ist gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht berechtigt, Mitglieder des Wahlvorstands abzuberufen oder dessen Aufgaben zu beeinflussen. 

So positionieren sich Arbeitgeber rechtssicher

Obwohl Arbeitgeber Kritik und Empfehlungen aussprechen dürfen, sollten sie dies nicht zuletzt mit Blick auf das Betriebsklima und die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat mit dem gebotenen Maß an Zurückhaltung tun. Die Meinungsfreiheit schützt ferner die Äußerung, nicht jedoch jede Form der Einflussnahme. Weder die Wahl selbst noch die freie Willensbildung der Beschäftigten dürfen beeinträchtigt werden: Sämtliche Handlungen und Äußerungen von Arbeitgebern, die möglicherweise Einfluss auf das Ergebnis der Betriebsratswahl nehmen, sind stets im Hinblick auf § 20 Abs. 2 BetrVG zu bewerten. Arbeitgeber sollten daher sorgfältig prüfen, ob ihr Verhalten Risiken wie Wahlanfechtungen oder strafrechtliche Folgen mit sich bringt und ob dabei nicht doch (mittelbar) Vorteile versprochen oder Nachteile angedroht werden. Aus praktischer Sicht empfiehlt es sich, Wahlempfehlungen oder kritische Bemerkungen gut zu begründen und auf Druckausübungen gegenüber einzelnen Arbeitnehmern zu verzichten. Zulässig ist die sachliche Äußerung der eigenen Sichtweise, gerade dann, wenn sie sich auf die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Betriebsrat, betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen oder strukturelle Herausforderungen bezieht. Entscheidend ist, dass solche Äußerungen transparent, ausgewogen und ohne Drohkulisse erfolgen. Für die Abwägung hilft der Leitsatz: Immer in der Sache diskutieren – nie gegen eine Person. 

Klaus Thönißen, LL.M. (San Francisco) und Dr. Jan Hüchtebrock, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Essen

Anfechtbarkeit und Nichtigkeit einer Betriebsratswahl

Bei Betriebsratswahlen ist es von zentraler Bedeutung, die rechtlichen Konsequenzen möglicher Fehler im Wahlverfahren zu kennen. Der vorliegende Beitrag beleuchtet deshalb die wichtigsten Aspekte zur Anfechtung und Nichtigkeit einer Betriebsratswahl.

Die Anfechtbarkeit der Wahl

Die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratswahl ist für die Legitimation des Gremiums unerlässlich. Fehler im Wahlverfahren können aber auch bereits für dessen Bildung gravierende Folgen haben – sie reichen von der bloßen Anfechtbarkeit bis hin zur absoluten Nichtigkeit der Wahl. Die Wahl kann angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung des Verstoßes nicht erfolgt ist (§ 19 Abs. 1 BetrVG). Weitere Voraussetzung ist, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden konnte. Nachfolgend exemplarisch ein paar Beispiele, die zur Anfechtung führen können.

Zulassung von nicht wählbaren Arbeitnehmern als Wahlkandidaten

Die Wahl durch Arbeitnehmer unter 18 Jahren, Arbeitnehmer ohne Wahlberechtigung oder durch leitende Angestellte kann zur Anfechtbarkeit der Wahl führen. In der Praxis stellt sich die Frage der Wahlberechtigung insbesondere in Matrixstrukturen hinsichtlich der Matrixührungskräfte, die lediglich das fachliche Weisungsrecht gegenüber den ihnen unterstellten Arbeitnehmern ausüben (siehe dazu oben den Beitrag von Christoph Corzelius).

Streichungen oder Ergänzungen in der Wählerliste

Streichungen oder Ergänzungen in der Wählerliste, ohne, dass hierfür die Voraussetzungen der WO vorliegen, stellen einen Anfechtungsgrund dar (BAG, Beschluss vom 21.3.2017 – 7 ABR 19/15).

Rechtswidrige Wahlbeeinflussung 

Eine gesetzeswidrige Beeinflussung der Wahlberechtigten durch den Wahlvorstand, die Wahlkandidaten oder den Arbeitgeber wird z. B. bejaht bei finanzieller oder sonstiger Unterstützung einer bestimmten Kandidatengruppe bei der Wahlwerbung durch den Arbeitgeber (BAG, Beschluss vom 4.12.1986 – 6 ABR 48/85) oder bei Beifügung von Wahlwerbung einer Liste in die Briefwahlunterlagen durch den Wahlvorstand (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2019 – 4 TaBV 2/19). 

Formfehler und Verstöße bei der Stimmenauszählung

Formale Fehler bei der Bekanntmachung des Wahlausschreibens oder dessen fehlerhafte Auslegung stellen Anfechtungsgründe dar (BAG, Beschluss vom 21.1.2009 – 7 ABR 65/07). Verstöße, die zur Anfechtung der Wahl führen, liegen etwa dann vor, wenn die Stimmauszählung öffentlich durchgeführt wird oder wenn sie vor der im Wahlausschreiben angegebenen Zeit beginnt (LAG Hamm, Beschluss vom 30.1.2015 – 13 TaBV 46/14).

Anfechtungsberechtigung, Verfahren und Frist

Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber (§ 19 Abs. 2 BetrVG). Die Anfechtung muss binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim ArbG eingereicht werden. Wird die Wahl erfolgreich angefochten, so wird sie für unwirksam erklärt und ein neuer Betriebsrat ist zu wählen. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung bleibt der gewählte Betriebsrat allerdings im Amt und kann wirksam handeln. Erst mit erfolgreicher Anfechtung entfällt seine Legitimation rückwirkend.

Nichtigkeit der Wahl

Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist ein extremer Ausnahmefall mit gravierenden Folgen und wird nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen, wenn gegen grundlegende Prinzipien des Wahlrechts in so eklatanter Weise verstoßen wurde, dass nicht mehr von einer „Wahl“ gesprochen werden kann. Die Häufung von Wahlverstößen kann hingegen nicht zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl führen. Beispiele für die Nichtigkeit sind:

Missachtung gesetzlicher Vorschriften oder fehlende Betriebsratsfähigkeit

Wird eine Wahl ohne die Bestellung eines Wahlvorstandes durchgeführt, ist diese nichtig (BAG, Beschluss vom 27.7.2011 – 7 ABR 61/10). Gleiches gilt, wenn ein Gremium gewählt wird, obwohl im Betrieb weniger als fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden und dieser somit nicht betriebsratsfähig ist (Hessisches LAG, Beschluss vom 22.11.2005 – 4 TaBV 165/05).

Willkürlich erstellte Wählerliste

Die Wahl ist ebenfalls nichtig, wenn der Wahlvorstand für die Erstellung der Wählerliste ungeeignete, unvollständige Informationen unklarer Herkunft übernimmt, z. B. aus einer im Betrieb kursierenden Telefonliste, deren Aktualität ebenfalls nicht bekannt ist – und er zugleich nicht den Versuch einer Prüfung der Richtigkeit der Angaben unternimmt, um die Wahlberechtigung der auf der Liste aufgeführten Personen zu prüfen (Thüringer LAG, Beschluss vom 24.6.2020 – 4 TaBV 12/19).

Offenkundige Manipulationen oder Missbrauch des Wahlverfahrens 

Wirken Mitglieder des Wahlvorstandes mit Wahlkandidaten kollusiv zusammen, um das Wahlergebnis zu beeinflussen, ist die Wahl ebenfalls nichtig.

Geltendmachung, Verfahren und Rechtsfolgen

Die Nichtigkeit der Wahl kann jedermann geltend machen, sofern ein berechtigtes Interesse besteht. Hierzu zählen in jedem Fall die Anfechtungsberechtigten, aber auch einzelne Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs. Die Nichtigkeit kann jederzeit – auch außerhalb der zweiwöchigen Frist – geltend gemacht werden. Die Geltendmachung ist an kein bestimmtes Verfahren gebunden. Es ist möglich, dass über die Nichtigkeit als Vorfrage entschieden wird, z. B. im Kündigungsschutzprozess, oder dass sie im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens festgestellt wird. Eine nichtige Wahl entfaltet keinerlei Rechtswirkungen, da zu keinem Zeitpunkt ein wirksamer Betriebsrat bestanden hat. Vorgenommene Handlungen sind unwirksam und die Betriebsratsmitglieder genießen auch keinen besonderen Kündigungsschutz. Es besteht nur der besondere sechsmonatig nachwirkende Kündigungsschutz aufgrund der Eigenschaft als Wahlbewerber oder Wahlvorstandsmitglied (§ 15 Abs. 3 KSchG). Allgemein empfiehlt sich: Um langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen und Unsicherheiten im Betrieb zu vermeiden, sollte eine umfassende Dokumentation des gesamten Wahlverfahrens stattfinden

Sandra Sfinis und Dr. Anna Mayr, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Hamburg

Praktische Umsetzung der Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts bei der Sitzverteilung im Betriebsrat

Die Wahl und Zusammensetzung des Betriebsrats folgt strengen Vorgaben gemäß dem BetrVG. Nach § 15 Abs. 2 BetrVG ist sicherzustellen, dass das im Betrieb zahlenmäßig schwächere Geschlecht im Betriebsrat mindestens entsprechend seinem Anteil vertreten ist. Diese Regelung soll Diskriminierungen vermeiden und eine ausgewogene Interessenvertretung sicherstellen.

Feststellung des Minderheitengeschlechts und Berechnung der Mindestanzahl an Sitzen

Der Wahlvorstand muss anhand der Belegschaftszahlen feststellen, welches Geschlecht in der Minderheit ist. Dabei sind alle wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – einschließlich Teilzeit- und geringfügig Beschäftigter – zu berücksichtigen. Hierzu stellte das LAG Hamm einst klar, dass eine fehlerhafte Erfassung einzelner Beschäftigter nach Geschlecht die Wahl anfechtbar machen kann, weil dadurch die Quote für das Minderheitengeschlecht verfälscht wird (LAG Hamm, Beschluss vom 17.12.2008 – 10 TaBV 137/07). Die Sitzverteilung erfolgt nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren (§ 5 Abs. 1 WO). Dabei wird die Zahl der Sitze des Betriebsrats auf die Geschlechter entsprechend deren zahlenmäßiger Stärke verteilt. Auch hier gilt: Ein Rechenfehler oder eine falsche Rundung kann die Wahl anfechtbar machen. Das BAG hat mehrfach hervorgehoben, dass der Wahlvorstand die Berechnung sorgfältig durchführen und dokumentieren muss (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 13.3.2013 – 7 ABR 67/11).

Umsetzung im Verhältnis- und im Mehrheitswahlverfahren

Im Listenwahlverfahren (§ 15 Abs. 1 WO) werden die Sitze zunächst nach den Stimmenzahlen verteilt. Ist die vorgeschriebene Mindestquote des Minderheitengeschlechts nicht erreicht, wird innerhalb der betroffenen Liste ein Austausch vorgenommen: Angehörige des Mehrheitsgeschlechts mit den niedrigsten Stimmen werden durch Angehörige des Minderheitengeschlechts ersetzt (§ 15 Abs. 5 WO). Im Mehrheitswahlverfahren ziehen die Kandidierenden mit den meisten Stimmen in den Betriebsrat ein. Wird die Mindestquote nicht erreicht, treten Angehörige des Minderheitengeschlechts an die Stelle der letzten gewählten Kandidaten des Mehrheitsgeschlechts (§ 15 Abs. 6 WO).

Umgang mit dem dritten Geschlecht („divers“)

Das Thema des dritten Geschlechts gewinnt durch die gesetzliche Einführung der Geschlechtskategorie „divers“ auch im Kontext der Betriebsratsbesetzung Relevanz. Der Wahlvorstand muss daher prüfen, ob und wie Personen mit diesem Geschlecht bei der Quotenberechnung berücksichtigt werden. Das ArbG Berlin hat hierzu entschieden, dass der Schutz des Minderheitengeschlechts nach § 15 Abs. 2 BetrVG primär zwischen den klassischen Geschlechtern (männlich/weiblich) zu prüfen ist. Eine übermäßige Bevorzugung von Personen mit dem Eintrag „divers“ kann zulasten des eigentlich zahlenmäßig schwächeren Geschlechts (in der Regel Frauen) rechtswidrig sein. Die betroffene Betriebsratswahl wurde für unwirksam erklärt (ArbG Berlin, Beschluss vom 7.5.2024 – 36 BV 10794/23).

Typische Praxisprobleme

Bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Sitzverteilung und Geschlechterquote im Betriebsrat zeigen sich in der Praxis regelmäßig Schwierigkeiten. Neben den bereits genannten Problemen treten immer wieder typische Fehlerquellen auf, welche die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl gefährden können. Dazu gehören etwa unklare Geschlechtsangaben in den Personaldaten, da diese häufig nicht aktuell sind oder keine eindeutige Zuordnung des Geschlechts enthalten, insbesondere seit der Einführung der Kategorie „divers“. Dies erschwert eine rechtssichere Berechnung. Ähnliches gilt hinsichtlich einer Stichtagsproblematik, wo Fehler entstehen, wenn Ein- oder Austritte von Beschäftigten rund um den Stichtag nicht berücksichtigt werden. Auch die Behandlung von Arbeitnehmern in Elternzeit oder bei Langzeiterkrankungen wirft in der Praxis Fragen auf.

Probleme entstehen ferner durch eine Kollision von Quotenregelung und Mehrheitswillen: Es führt regelmäßig zu Akzeptanzproblemen in der Belegschaft, wenn Kandidaten mit höheren Stimmenzahlen zugunsten des Minderheitengeschlechts verdrängt werden, auch wenn dies rechtlich geboten ist. Gleichermaßen wirken sich Fehler bei der Nachrückregelung aus: Wird ein Betriebsratsmitglied während der Amtszeit ersetzt, muss auch im Nachrückverfahren die Geschlechterquote gewahrt bleiben. Dies wird in der Praxis oft übersehen. Dazu stoßen Fragen wie jene nach den Konsequenzen bei Änderung des Geschlechtseintrags eines Betriebsratsmitglieds während der Amtszeit – und, ob dies Auswirkungen auf die bereits festgelegte Sitzverteilung hat. Schon im Wahlausschreiben kann sich zudem eine fehlerhafte Kommunikation auswirken, denn selbst bei korrekter Berechnung kann eine missverständliche Darstellung dort die Wahl anfechtbar machen.

Handlungsempfehlungen für Wahlvorstände

In der Folge ergeben sich bestimmte grundlegende Handlungsempfehlungen: 

  • Sorgfältige Erhebung: Erfassung aller Beschäftigten nach Geschlecht (m/w/d) am Stichtag
  • Dokumentation: Alle Berechnungsschritte und Beschlüsse nachvollziehbar aufzeichnen
  • Korrekte Berechnung: Anwendung des d’Hondt’schen Verfahrens und Kontrolle durch mehrere Mitglieder
  • Wahlausschreiben: Angabe der Sitze des Minderheitengeschlechts mit genauer Begründung
  • Umgang mit dem dritten Geschlecht: Entscheidung im Einklang mit aktueller Rechtsprechung dokumentieren
  • Nachrückverfahren: Quotenregel auch hier beachten

Hinweise für Arbeitgeber

Arbeitgeber haben bei der Durchführung der Wahl eine neutrale Rolle einzunehmen, können den Wahlvorstand aber organisatorisch unterstützen. Zulässig sind etwa die Bereitstellung von Personaldaten zur Geschlechterverteilung, die Zurverfügungstellung von Räumen und Sachmitteln oder (neutrale) Hinweise auf gesetzliche Vorgaben. Unzulässig sind dagegen eine Einflussnahme auf Kandidaturen oder Listenaufstellung, Wahlwerbung zugunsten bestimmter Kandidaten, oder Druck, Drohungen oder Anreize gegenüber Beschäftigten. Ein Überschreiten dieser Grenze kann als Behinderung der Betriebsratswahl (§ 20 BetrVG) gewertet werden und sogar strafbar sein.

Fazit

Die Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts bei der Sitzverteilung im Betriebsrat ist ein zentraler Bestandteil des Wahlverfahrens. Fehler bei der Ermittlung, Berechnung oder Umsetzung können die gesamte Wahl anfechtbar machen. Die Rechtsprechung zeigt, dass selbst kleine Unachtsamkeiten erhebliche rechtliche Folgen haben können. Für Wahlvorstände gilt daher: Sorgfältig arbeiten, alles dokumentieren und sich im Zweifel beraten lassen. Arbeitgeber wiederum sind gefordert, eine faire Wahl zu ermöglichen, ohne unzulässig Einfluss zu nehmen. Nur so lässt sich die Legitimität des Betriebsrats sichern.

Katharina Müller-Ehrlichmann, LL.M. oec., Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln

Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Die Vergütung der Mitglieder des Betriebsrats ist für Arbeitgeber ein sensibles und rechtlich anspruchsvolles Thema, das erhebliche Haftungsrisiken birgt und bei der insbesondere unzulässige Begünstigungen und Benachteiligungen vermieden werden müssen. 

Grundsatz: Fortzahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung

Die Mitglieder des Betriebsrats üben gem. § 37 Abs. 1 BetrVG ihr Amt als Ehrenamt aus und erhalten keine Vergütung für ihre Betriebsratstätigkeit. Sie haben aber nach § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf Fortzahlung ihres regulären Arbeitsentgelts, wenn und soweit sie zur Ausübung ihres Betriebsratsamtes von der Verpflichtung zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung befreit sind. Es gilt das Lohnausfallprinzip, d. h. der arbeitsvertragliche Vergütungsanspruch der Betriebsratsmitglieder bleibt in voller Höhe erhalten, einschließlich aller Zulagen und Zuschläge, obwohl sie keine Arbeitsleistung erbringen. Die Berechnung erfordert eine hypothetische Betrachtung dahin gehend, welches Arbeitsentgelt das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte. Dabei dient (zunächst) die bisher vereinbarte Vergütung als Berechnungsgrundlage. Dies gilt auch bei dauerhaft freigestellten Gremienmitgliedern.

Anpassung der Vergütung 

Die bloße Fortzahlung der vereinbarten Vergütung kann insbesondere bei den dauerhaft freigestellten Betriebsratsmitgliedern zu einer Benachteiligung führen. Dadurch, dass sie sich ausschließlich dem Betriebsratsamt widmen, können sie nicht mehr ihrer eigentlichen Tätigkeit nachgehen. Damit besteht für sie das Risiko, dass ihre berufliche Entwicklung beeinträchtigt wird und dass sie bei Beförderungsentscheidungen und Gehaltserhöhungen nicht berücksichtigt werden. Um eine solche Benachteiligung zu verhindern, hat der Gesetzgeber in § 37 Abs. 4 BetrVG einen Mindestentgeltanspruch geregelt. Außerdem hat die Rechtsprechung den fiktiven Beförderungsanspruch entwickelt, der ebenfalls zu einem Anspruch auf Anpassung der Vergütung führen kann.

Entgeltschutz, § 37 Abs. 4 BetrVG

Nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als jenes vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Norm soll die Betriebsratsmitglieder vor Benachteiligungen schützen, indem sie als Mindestentgelt den Betrag erhalten, den sie bei betriebsüblicher Entwicklung erhalten hätten. Diese wird ausgehend von der beruflichen Entwicklung der zum Zeitpunkt der Amtsübernahme vergleichbaren Arbeitnehmern ermittelt. Dabei gelten Arbeitnehmer als vergleichbar, wenn sie im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie das Betriebsratsmitglied und dafür in gleicher Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren. Dies bildet die Grundlage für den Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Anpassung der Vergütung, sodass dieses einen Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang geltend machen kann, in dem die Gehälter der vergleichbaren Arbeitnehmer erhöht wurden. 

Nicht zu berücksichtigen ist die berufliche Entwicklung von Vergleichspersonen, die aufgrund individueller Sonderleistungen oder sonstiger nur auf diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittenen Gründen nicht als betriebsüblich bewertet werden kann. Aus § 37 Abs. 4 BetrVG folgt indes nicht nur ein Anspruch auf Zahlung des Mindestentgelts, sondern zugleich auch eine Pflicht des Arbeitgebers, ihm dieses zu gewähren. Der Arbeitgeber muss daher laufend die Vergütung der Betriebsratsmitglieder überprüfen und eine Anpassung vornehmen, wenn die Vergütung unterhalb des Mindestentgelts gemäß der Vorschrift bleibt.

Fiktiver Beförderungsanspruch

Daneben kann ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung aus § 611a Abs. 2 BGB i. V. m. § 78 Satz 2 BetrVG folgen. Die Rechtsprechung leitet aus dem in § 78 Satz 2 BetrVG geregelten Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot her, dass der Arbeitgeber den Betriebsratsmitgliedern eine berufliche Entwicklung gewährleisten muss, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Steht fest, dass das Gremienmitglied einen bestimmten beruflichen Aufstieg nur deshalb nicht genommen hat, weil es das Betriebsratsamt übernommen hat, kann es vom Arbeitgeber verlangen, so vergütet zu werden, als wäre der berufliche Aufstieg erfolgt.

Der fiktive Beförderungsanspruch kann in drei Fällen bestehen: 

  1. Eine Bewerbung des Betriebsratsmitglieds ist gerade wegen der Betriebsratstätigkeit und/oder wegen einer Freistellung für die Betriebsratstätigkeit erfolglos geblieben.
  2. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied hat sich gerade wegen seiner Freistellung für die Betriebsratstätigkeit nicht auf eine Stelle beworben und eine Bewerbung wäre ohne die Freistellung erfolgreich gewesen.
  3. In den beiden vorgenannten Fällen wäre eine Bewerbung nur deshalb erfolglos gewesen, weil dem Betriebsratsmitglied gerade aufgrund der Freistellung für die Betriebsratstätigkeit die Fähigkeiten und Kenntnisse für die Stelle fehlen.

Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Darlegung des fiktiven Beförderungsanspruchs sind sehr streng, weil im Regelfall eine das nach § 37 Abs. 4 BetrVG vorgegebene Maß übersteigende Vergütung eine unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds darstellt. Daher soll nur dann über den fiktiven Beförderungsanspruch die Zahlung einer höheren Vergütung möglich sein, wenn das Betriebsratsmitglied nachweislich ohne die Betriebsratstätigkeit den beruflichen Aufstieg genommen hätte. Arbeitgeber sollten bei der Vergütung ihrer Betriebsratsmitglieder stets das Ehrenamts- und das Lohnausfallprinzip beachten. Die Betriebsratsmitglieder sind nicht für ihre Tätigkeit im Betriebsrat zu vergüten, sondern ihnen ist während der Betriebsratstätigkeit ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit fortzuzahlen. 

Nach der Wahl: Festlegung von Vergleichspersonen

Für jedes neu in den Betriebsrat gewählte Betriebsratsmitglied sollte unmittelbar nach der Wahl eine Vergleichsgruppe festgelegt und dokumentiert werden. Da der Arbeitsentgeltschutz für alle Betriebsratsmitglieder gilt, unabhängig davon, ob sie von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt sind, sollte auch wirklich für jedes Betriebsratsmitglied eine Vergleichsgruppe ermittelt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die erstmalige Amtsübernahme. Bei wiedergewählten Betriebsratsmitgliedern, die bereits seit längerer Zeit im Amt sind, müsste daher bereits in der Vergangenheit eine Vergleichsgruppe ermittelt worden sein. Ist dies nicht geschehen oder wurde dies nicht dokumentiert, sollte spätestens nach der nächsten Wahl nachträglich ermittelt werden, welche Mitarbeiter bei Übernahme des Betriebsratsamts vergleichbar waren.

Die Vergleichsgruppe sollte möglichst groß genug gewählt werden, damit sie eine Aussage über die betriebsübliche Entwicklung zulässt. So wirkt es sich zudem weniger aus, wenn Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheiden oder aufgrund einer individuellen Sonderkarriere nicht mehr mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbar sind. In die Vergleichsgruppe aufgenommen werden dürfen grundsätzlich nur Arbeitnehmer, die demselben Betrieb angehören. Gibt es dort keine vergleichbaren Arbeitnehmer, kann auf solche eines anderen Betriebs desselben Unternehmens abgestellt werden, wenn im Unternehmen einheitliche Vergütungsregelungen und Bestimmungen für die berufliche Entwicklung gelten.

Fortlaufend: Abgleich der Vergütung mit dem Mindestentgelt

Die Vergütung der Betriebsratsmitglieder sollte fortlaufend, jedenfalls in jährlichen Abständen mit der Vergütungsentwicklung der Vergleichsgruppe abgeglichen werden. Ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Erhöhung der Vergütung kann sich nach folgenden Maßstäben ergeben:

  • Wird die Vergütung bei allen Arbeitnehmern der Vergleichsgruppe gleichermaßen um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, steht dem Betriebsratsmitglied dieselbe prozentuale Erhöhung zu.
  • Fallen die Erhöhungen unterschiedlich aus, aber die Mehrheit der Vergleichspersonen hat eine Vergütungserhöhung um einen bestimmten Prozentsatz erhalten, steht dem Betriebsratsmitglied dieselbe prozentuale Erhöhung zu.
  • Lässt sich keine einheitliche oder mehrheitliche Vergütungserhöhung feststellen, kann auf den Durchschnitt der Vergütungserhöhungen in der Vergleichsgruppe abgestellt werden. In Einzelfällen, insbesondere bei sehr kleinen Vergleichsgruppen, kann anstelle des Durchschnitts der Median der Vergütungserhöhungen maßgeblich sein.

Abschluss einer Betriebsvereinbarung

Der Gesetzgeber hat im Jahr 2024 ausdrücklich in § 37 Abs. 4 Satz 4 und Satz 5 BetrVG die Möglichkeit aufgenommen, das Verfahren zur Auswahl vergleichbarer Arbeitnehmer sowie die Auswahl selbst in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Die gerichtliche Überprüfung einer solchen Betriebsvereinbarung ist dann auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt. Insofern kann der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ein wirksames Mittel sein, um Rechtssicherheit zu schaffen. Die Schwierigkeiten, die bei der Ermittlung vergleichbarer Arbeitnehmer bestehen können, wirken sich weniger aus, da nur grobe Fehler zur Unwirksamkeit der ermittelten Vergütung führen. Zudem trägt eine solche Betriebsvereinbarung auch zur Transparenz der Betriebsratsvergütung bei und kann die Akzeptanz sowohl in der Belegschaft als auch bei den betroffenen Betriebsratsmitgliedern stärken. Der Betriebsrat kann eine solche Betriebsvereinbarung jedoch nicht erzwingen. 

Keine Lösung: Zahlung einer zu hohen Vergütung

Um Auseinandersetzungen mit Betriebsratsmitgliedern über ihre Vergütung zu vermeiden, könnten Arbeitgeber auf die Idee kommen, die Vergütung im Zweifel lieber zu hoch anzusetzen. Hiervon ist jedoch gerade mit Blick auf strafrechtliche Risiken dringend abzuraten. Wird einem Betriebsratsmitglied eine zu hohe Vergütung gezahlt, erhält es also eine Vergütung, die über das Maß des § 37 Abs. 4 BetrVG hinausgeht und auf die auch kein Anspruch nach dem fiktiven Beförderungsanspruch besteht, stellt dies eine unzulässige Begünstigung i. S. d. § 78 Satz 2 BetrVG dar. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 10.1.2023 – 6 StR 133/22) kann die Gewährung eines überhöhten Arbeitsentgelts an ein Betriebsratsmitglied unter Verstoß gegen das Begünstigungsverbot den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllen.

Finale Behandlungshinweise

Resümierend empfiehlt sich, für jedes Betriebsratsmitglied nach der erstmaligen Wahl in den Betriebsrat vergleichbare Arbeitnehmer zu ermitteln und dies zu dokumentieren. Die Vergütung der Betroffenen sollte regelmäßig überprüft und mit der Entwicklung der Vergleichspersonen abgeglichen werden. Eine rechtlich sichere Lösung kann der Abschluss einer Betriebsvereinbarung sein. Wird in dieser ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer geregelt, kann dies vom ArbG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Gleiches gilt für eine einvernehmliche Festlegung der Vergleichspersonen mit dem Betriebsrat.

 Leif Born, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Essen