03.09.2025

Risiken bei unberechtigten Beschwerden auf Amazons Brand Registry/eBays VeRO Portal/Etsys Reporting Portal

Eine gläserne Weltkugel steht auf einer Computertastatur, umgeben von mehreren geschlossenen Kartons. Die Anordnung symbolisiert den internationalen Versand und die Vernetzung im digitalen Handel.

I. Bedeutung von Beschwerden auf Händlerportalen

Plattformen wie Amazon (Amazon Brand Registry), eBay (VeRO = Verified Rights Owner Program) und Etsy (Reporting Portal) haben eigens eingerichtete Plattformen, über die Beschwerden gegen die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten eingereicht werden können. Derartige Beschwerden sind im Onlinehandel ein zentrales Instrument zur Durchsetzung von Schutzrechten. Rechteinhaber können damit schnell und effektiv gegen Verstöße vorgehen, indem sie den Plattformbetreiber zur Sperrung oder Entfernung bestimmter Angebote veranlassen.

Für den Beschwerdegegner, also den Händler, dessen Angebote angegriffen wurden, kann eine solche Beschwerde gravierende wirtschaftliche Folgen haben: Die betroffenen Produkte werden oft umgehend gesperrt, was zu erheblichen Umsatzeinbußen bei diesen führen kann. Hinzu kommen Reputationsschäden und die Gefahr einer nachhaltigen Beeinträchtigung des eigenen Accounts auf dem Online-Marktplatz. 

Spiegelbildlich bergen auch Angriffe auf den Plattformen von Amazon & Co. Risiken für den Beschwerdeführer. Sobald die Plattformen von missbräuchlichem Verhalten Kenntnis erlangen, droht eine Sperrung des Accounts. Außerdem drohen bei einer unberechtigten Beschwerde Gegenangriffe des Beschwerdegegners. 

II. Entscheidung des OLG

Letztgenannte Konstellation behandelte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 8. Juli 2025, 3 U 136/25. Das Gericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Händler auf Amazon Originalspielzeuge eines Drittherstellers vertrieb. Die Beklagte, selbst Spielwarenhändlerin und exklusive Lizenznehmerin einer Wort-Bildmarke "Teddys Rothenburg", meldete diese Angebote als angebliche Produktfälschungen an Amazon. In der Folge sperrte Amazon die betroffenen Angebote des Händlers. Auf diverse Klärungsversuche des angegriffenen Händlers reagierte die Beklagte nicht, worauf hin der Händler Klage erhob.

Das OLG stellte klar, dass eine solche Beschwerde über die Amazon Brand Registry eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung (so der juristische Terminus für die unberechtigte Beschwerde via Amazon) darstelle. Entscheidend sei dabei die objektive Sicht des Empfängers: Die Meldung müsse als ernsthafte und endgültige Aufforderung verstanden werden, den Vertrieb einzustellen. Im konkreten Fall sei die Beschwerde unberechtigt, da es sich bei den gesperrten Produkten um Originalware handelte und keine Markenrechtsverletzung vorlag.

Der Kläger könne daher nicht nur die Feststellung verlangen, dass ihm Schadensersatz wegen der unberechtigten Beschwerde zusteht; er habe auch Anspruch auf Ersatz seiner Anwaltskosten für das Anspruchsschreiben an die Beklagte. Das Gericht betonte dabei ausdrücklich, dass für ein Anspruchsschreiben auf Grundlage von § 823 BGB anders als für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung nach  § 13 UWG nicht dieselben strengen formellen Anforderungen gälten. Diese Schreiben hätten eine unterschiedliche Schutz- und Zielrichtung. Es genüge, wenn das Schreiben aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war und den Sachverhalt so darstellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 823 BGB darunter subsumiert werden können. 

Die Widerklage der Beklagten auf Erstattung ihrer eigenen Anwaltskosten wurde abgewiesen: Der Verwarnende, also der Beschwerdeführer auf der Amazon Brand Registry, könne keine Kosten für seine Verteidigung gegen ein Anspruchsschreiben wegen unberechtigter Beschwerde ersetzt verlangen. Selbst dann nicht, wenn das Schreiben formelle Mängel nach  § 13 Abs. 2 UWG hätte.

Schließlich bejahte das Gericht auch das Feststellungsinteresse des Klägers. Da etwaige weitere Schäden (z. B. Umsatzeinbußen durch Sperrungen) noch nicht abschließend bezifferbar waren, sei eine Feststellungsklage zulässig.

III. Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG ist überzeugend und konsequent:

Zum einen trägt sie dem Umstand Rechnung, dass Beschwerden über Amazon Brand Registry & Co. erhebliche Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb des Beschwerdegegners haben können und daher mit besonderer Sorgfalt eingesetzt werden müssen. Wer ohne ausreichende Grundlage eine Beschwerde über die Amazon Brand Registry einreicht und dadurch eine Sperrung einzelner Produkte (oder gar eines ganzen Shops) bei Amazon bewirkt, greift in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des betroffenen Händlers ein – mit allen haftungsrechtlichen Konsequenzen.

Zum anderen differenziert das Gericht zutreffend zwischen einem Anspruchsschreiben als Reaktion auf eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und einer klassischen wettbewerbsrechtlichen Abmahnung nach § 13 UWG. Für Ersteres gelten nicht dieselben strengen Formvorgaben; entscheidend ist vielmehr die Erforderlichkeit des Anspruchsschreibens aus Sicht des Geschädigten sowie die sachgerechte Darstellung des Sachverhalts. Ihm müssen sich die Voraussetzungen entnehmen lassen, die einen deliktischen Anspruch ergeben. Die Darlegung einer Mitbewerberstellung, die nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erforderlich wäre, sieht § 823 BGB nicht vor.

Schließlich wird durch die Ablehnung eines Kostenerstattungsanspruchs für den Beschwerdeführer verhindert, dass missbräuchliche Beschwerden durch zusätzliche Kostenrisiken für den Beschwerdegegner abgeschwächt werden könnten. Dies stärkt insgesamt den fairen Wettbewerb auf Plattformen wie Amazon.

IV. Schlussfolgerungen

Die Entscheidung hat weitreichende praktische Bedeutung, nicht nur für Beschwerden auf Amazon. Sie lässt sich auch auf weitere Online-Marktplätze wie z. B. eBay und Etsy übertragen.

Missbräuchliche Beschwerden sind riskant: Wer ohne ausreichende Grundlage eine Beschwerde über Amazon einreicht und dadurch eine Sperrung bei Amazon bewirkt, setzt sich erheblichen Schadensersatzansprüchen aus. Überdies können die Plattformbetreiber auch den Account des Beschwerdeführers sperren.

Anspruchsschreiben nach unberechtigter Beschwerde: Für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen einer unberechtigten Beschwerde gelten nicht dieselben strengen Formvorgaben wie für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen (§ 13 UWG). Es genügt ein sachlich begründetes Aufforderungsschreiben, das die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs erkennen lässt.

Kein Kostenerstattungsanspruch des Beschwerdeführers: Derjenige, der eine unberechtigte Beschwerde auf Amazon & Co. einreicht, kann keine Erstattung seiner Kosten für die Verteidigung gegen ein daraufhin erhobenes Anspruchsschreiben verlangen.

Feststellungsklage möglich: Solange der Schaden noch nicht abschließend bezifferbar ist (etwa weil Umsatzeinbußen erst später feststellbar sind), bleibt die Feststellungsklage für den unberechtigt verwarnten Beschwerdegegner zulässig.

Angesichts dieser Risiken empfiehlt es sich sowohl für Rechteinhaber als auch für betroffene Händler dringend, vor der Einreichung einer Beschwerde oder der Reaktion auf diese qualifizierten Rechtsrat einzuholen. So lassen sich rechtliche Fehler vermeiden und wirtschaftliche Nachteile minimieren, sei es durch unbegründete Sperren oder durch das Risiko eigener Haftungsansprüche im Falle einer missbräuchlichen Beschwerde.

Autor/in
Manuel Rueß

Manuel Rueß
Associate
Hamburg
manuel.ruess@luther-lawfirm.com
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