04.11.2025

BAG: Kein Regelwert für die Verhältnismäßigkeit einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis

Befristung vs. Probezeit

Auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen kann eine Probezeit vereinbart werden – die Vorschrift des § 15 Abs. 3 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) verlangt jedoch, dass deren Dauer im Verhältnis zur Befristungslänge und der Art der Tätigkeit steht. Das BAG hat jetzt (erneut) entschieden, dass es für dieses Verhältnismäßigkeitskriterium keinen Regelwert gibt, etwa prozentual. Bestimmte Leitlinien gibt es dennoch.

Der Fall

Die klagende Arbeitnehmerin war seit 22.8.2022 bei der beklagten Arbeitgeberin tätig, das Arbeitsverhältnis war auf ein Jahr befristet. Die Probezeit sollte vier Monate betragen; während dieser sollte das Arbeitsverhältnis beidseitig mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden können. Dazu war ein allgemeines ordentliches Kündigungsrecht nach Ablauf der Probezeit vorgesehen. Mit am 10.12.2022 zugegangenem Schreiben kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28.12.2022. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage und machte geltend, dass die vereinbarte Probezeit unverhältnismäßig lang sei. Ihres Erachtens entfalle die Möglichkeit der ordentlichen Kündbarkeit gem. § 15 Abs. 4 TzBfG wegen der Unwirksamkeit der Probezeitregelung zudem insgesamt. ArbG und LAG hielten die Probezeitregelung für unwirksam, bejahten aber die sonstige ordentliche Kündbarkeit und stellten das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 15.1.2023 fest.

Die Entscheidung

In seiner Entscheidung (Urt. v. 30.10.2025 – 2 AZR 160/24), zu der bisher nur die Pressemitteilung vorliegt, wies der für das Kündigungsrecht zuständige Zweite BAG-Senat die Revision der Klägerin zurück, entsprach aber teilweise der Anschlussrevision der Beklagten. In der Vorinstanz hatte das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 2.7.2024 – 19 Sa 1150/23) entschieden, dass für die Verhältnismäßigkeit einer Probezeit bei Befristung ein Regelwert von 25 % gelte. Einen solchen gebe es laut BAG indes nicht; maßgeblich sei stets eine Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit, wie § 15 Abs. 3 TzBfG es anordne. Weil die Beklagte einen detaillierten Einarbeitungsplan mit drei verschiedenen Phasen von insgesamt 16 Wochen Dauer aufgestellt hatte, hielten die Erfurter Richter die Probezeitdauer von vier Monaten in Relation zur Befristung über ein Jahr für verhältnismäßig.

Konsequenzen

Schon Ende 2024 hatte der Senat davon abgesehen, für die Verhältnismäßigkeit einen allgemeingültigen Regelwert in Form eines Prozentsatzes oder andere, genauere Bestimmungskriterien zu determinieren. Die Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis sei gleichwohl in der Regel unverhältnismäßig, wenn sie der Gesamtdauer der Befristung entspricht (BAG, Urt. v. 5.12.2024 – 2 AZR 275/23). Auch jetzt stellt der Senat allein auf die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 TzBfG ab, d. h. die (erwartete) Dauer der Befristung und die Art der Tätigkeit. Eine längere Probezeit ist somit eher bei anspruchsvolleren Tätigkeiten zulässig, die eine intensivere Einarbeitung verlangen – was wie im hier zugrunde liegenden Fall gar beeinflusst werden kann, indem für die Probezeit ein Einarbeitungsplan konzipiert wird. Dieser kann bspw. das Hospitieren in verschiedenen Abteilungen oder das Kennenlernen unterschiedlicher Tätigkeiten vorsehen. Unzulässig ist hingegen regelmäßig, dass die Probezeit die komplette Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses andauert – wobei bereits § 622 Abs. 3 BGB bestimmt, dass die Probezeit maximal sechs Monate betragen darf, und zwar in jedem Arbeitsverhältnis, befristet oder unbefristet. Weil nach § 15 Abs. 4 TzBfG die ordentliche Kündigung in einem befristeten Arbeitsverhältnis nur möglich ist, wenn sie ausdrücklich vereinbart wird, ist im Übrigen darauf zu achten, dass eine solche Bestimmung separat von einer Probezeitregelung statuiert wird. Sind die beiden Themen verknüpft und die Probezeitlänge unverhältnismäßig, unterliegt die Klausel sonst der Gefahr der Gesamtunwirksamkeit, sodass die ordentliche Kündigungsoption komplett entfällt.

Autor/in
Gina Susann Kriwat

Gina Susann Kriwat
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