04.11.2025
Die Frage der Anpassung von Betriebsrenten an den Kaufkraftverlust ist für viele Rentnerinnen und Rentner von zentraler Bedeutung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 28. Oktober 2025 in mehreren Verfahren entschieden, dass die Entscheidung der Commerzbank AG, zum gebündelten Anpassungsstichtag 1. Juli 2022 keine vollständige Anpassung der Betriebsrenten vorzunehmen, sondern lediglich eine freiwillige Erhöhung um 2 % zu gewähren, dem billigen Ermessen gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG entsprach.
Der Kläger ist seit dem 1. Juli 2007 Betriebsrentner der Commerzbank AG und bezog zunächst eine monatliche Betriebsrente von 1.619,00 Euro brutto. In den Jahren 2010 und 2013 erfolgte aufgrund einer unzureichenden wirtschaftlichen Lage der Bank keine Anpassung der Rente. Erst zum 1. Juli 2016 und zum 1. Juli 2019 wurde die Betriebsrente angehoben, zuletzt auf 1.728,00 Euro brutto.
Im Oktober 2022 informierte die Commerzbank AG den Kläger darüber, dass zum Stichtag 1. Juli 2022 keine weitere Anpassung erfolgen werde, da die Eigenkapitalverzinsung in den Geschäftsjahren 2019 bis 2021 nicht ausreichend gewesen sei. Dennoch entschied sich die Bank zu einer freiwilligen Erhöhung um 2 %, sodass die Rente des Klägers auf 1.763,00 Euro brutto stieg.
Der Kläger verlangte mit seiner Klage eine vollständige Anpassung seiner Betriebsrente an den Kaufkraftverlust gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG und begehrte eine monatliche Rente von insgesamt 1.962,00 Euro brutto. Er argumentierte insbesondere, dass die wirtschaftliche Lage der Beklagten eine Anpassung nicht ausgeschlossen habe und die Bank sich nicht ausschließlich auf die letzten drei Jahre vor dem Stichtag hätte stützen dürfen – insbesondere angesichts der Sondereffekte durch die Covid-19-Pandemie.
Die Vorinstanzen – das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 9. Oktober 2024 – 12 SLa 168/24) – wiesen die Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem Dritten Senat des BAG blieb erfolglos (Urteil vom 28. Oktober 2025 – 3 AZR 24/25).
Das BAG bestätigte, dass die Entscheidung der Commerzbank AG im Rahmen des ihr nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zustehenden Ermessensspielraums getroffen wurde und keine Rechtsfehler erkennen lässt. Die Bank durfte unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Lage von einer vollständigen Anpassung absehen, nachdem sie in den Geschäftsjahren vor dem Stichtag (insbesondere in den Jahren 2020 und 2021) eine deutlich unzureichende Eigenkapitalverzinsung verzeichnet hatte.
Entscheidend war dabei auch, dass die Prognoseentscheidung der Beklagten nicht dadurch entkräftet wurde, dass sich die Eigenkapitalverzinsung nach dem Stichtag verbesserte; das Landesarbeitsgericht hatte überzeugend festgestellt, dass diese Entwicklung für die Beklagte am Stichtag nicht vorhersehbar war.
Die Entscheidung verdeutlicht erneut den hohen Stellenwert des billigen Ermessens bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG: Arbeitgeber sind verpflichtet, alle relevanten Umstände zu berücksichtigen und ihre wirtschaftliche Lage sorgfältig zu prüfen; sie sind jedoch nicht verpflichtet, Entwicklungen vorherzusehen oder rückwirkend zu berücksichtigen.
Zudem zeigt das Urteil: Auch freiwillige Erhöhungen können im Rahmen des Ermessensspielraums zulässig sein und müssen nicht zwangsläufig zur vollen Kompensation des Kaufkraftverlusts führen.
Am selben Tag hat das BAG in zwei weiteren gleichgelagerten Verfahren ebenfalls zugunsten der Commerzbank AG entschieden (Urteile vom 28. Oktober 2025 – 3 AZR 25/25 und 3 AZR 26/25; Vorinstanz: LAG Düsseldorf – Urteile vom 9. Oktober 2024 – 12 SLa 302/24 und 12 SLa 63/24).
Die aktuelle Rechtsprechung bestätigt: Die Entscheidung über die Anpassung von Betriebsrenten liegt im Rahmen eines sorgfältig ausgeübten Ermessensspielraums beim Arbeitgeber; wirtschaftliche Schwierigkeiten können eine vollständige Anpassung ausschließen – auch wenn nachträglich positive Entwicklungen eintreten.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Oktober 2025 – 3 AZR 24/25)
(Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. Oktober 2024 – 12 SLa 168/24)
Dr. Marco Arteaga
Partner
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