13.11.2025

LAG Rheinland-Pfalz bestätigt die Unwirksamkeit der Kündigung eines Profifußballers wegen propalästinensischen Äußerungen

LAG Rheinland-Pfalz bestätigt die Unwirksamkeit der Kündigung eines Profifußballers wegen propalästinensischen Äußerungen

Der Fall des Fußballers Anwar El Ghazi sorgte vor rund zwei Jahren für breite mediale Aufmerksamkeit, als dessen Verein Mainz 05 ihm nach propalästinensischen Instagram-Posts fristlos kündigte. Wie schon das ArbG hat nun auch das LAG die Kündigung(en) für unwirksam erklärt.

Hintergrund

Der Kläger Anwar El Ghazi ist niederländischer Profifußballer, seine Eltern stammen aus Marokko. Im Herbst 2023 wechselte er zur Beklagten, dem Bundesligisten 1. FSV Mainz 05. Nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7.10.2023 veröffentlichte der Kläger rund eine Woche später auf seinem Instagram-Account einen Beitrag mit der Aussage „From the river to the sea, Palestine will be free“, löschte diesen nach einem Hinweis der Beklagten allerdings wenige Minuten später wieder. Anschließend fand ein Gespräch zwischen den Parteien statt, woraufhin der Kläger zunächst vom Spielbetrieb freigestellt wurde. In einer Pressemitteilung bezeichnete die Beklagte den Post als nicht mit ihren Werten vereinbar und forderte den Kläger dazu auf, eine ähnliche Erklärung abzugeben. In einem erneuten Instagram-Post schrieb dieser u. a. sodann: „I condemn the killing of all innocent civilians in Palestine and Israel“. 

Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass der Kläger abgemahnt worden sei, aber zeitnah in den Spielbetrieb zurückkehren werde, da er sich von seinen ursprünglichen Aussagen distanziert habe und diese bedauere. Wiederum auf Instagram erklärte der Kläger jedoch, dass er sich weder von seinen Aussagen distanziere noch dass er diese bereue. Am 2.11.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zweimal außerordentlich fristlos, einmal in Bezug auf seinen ursprünglichen Post, einmal wegen seiner neuerlichen Bekundung. Der nachfolgenden Kündigungsschutzklage des Klägers gab das ArbG Mainz statt: Zum einen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden, zum anderen hätten die Äußerungen des Klägers im Lichte der Meinungsfreiheit keine arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten verletzt (ArbG Mainz, Urt. v. 12.7.2024 – 10 Ca 1411/23).

 

Entscheidung

Das LAG Rheinland-Pfalz bestätigte nun die Unwirksamkeit der Kündigungen und wies die Berufung der Beklagten zurück (Urt. v. 12.11.2025 – 3 SLa 254/25). In der Entscheidung, zu der bisher nur eine Pressemitteilung vorliegt, konstatiert das LAG, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigungen nicht auf das ursprüngliche Verhalten des Klägers berufen kann, da sie in Reaktion darauf zunächst von einer Kündigung abgesehen und stattdessen eine Abmahnung erteilt habe. Der letzte Instagram-Post des Klägers vermöge die Kündigungen ferner ebenso wenig zu rechtfertigen. Darin habe der Kläger den Angriff auf Israel weder gerechtfertigt noch unterstützt; ebenso wenig habe er dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen. Dies ergibt die gebotene Auslegung des Posts unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Dem Kläger stehe, da die Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beendet haben, im Übrigen auch der als Nebenantrag geltend gemachte Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung einschließlich von vertraglichen Sonderzahlungen zu. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Konsequenzen

Die Entscheidung ist emblematisch für zunehmende Fälle von politischen Äußerungen und Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz. Sie zeigt ganz unabhängig von der prominenten Herkunft des Konflikts bei einem Fußball-Bundesligisten jedoch, dass nicht jede politische Aussage eines Arbeitnehmers gleich arbeitsrechtliche Sanktionen rechtfertigt. So entschied etwa das LAG Düsseldorf im Oktober letzten Jahres, dass selbst antisemitische Hetze in sozialen Medien eine Kündigung nicht ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt, solange dies „nur“ außerdienstlich geschieht (LAG Düsseldorf, Urt. v. 8.10.2024 – 3 SLa 313/24 ). Entscheidend ist mithin immer das Ausmaß der Aussage, insbesondere, wie menschenverachtend sie ist, und dazu, wo sie stattfindet. Irrelevant dürfe hingegen die weltpolitische Lage sein, auszulegen ist allein der Inhalt.

Die Bedeutung der Parole „From the river to the sea, Palestine will be free” wird in diesem Kontext von den Gerichten unterschiedlich ausgelegt, wobei tendenziell nicht davon ausgegangen wird, dass damit das Existenzrecht Israels per se infrage gestellt wird (so auch schon die Vorinstanz, vgl. ArbG Mainz, Urt. v. 12.7.2024 – 10 Ca 1411/23; ebenso VG Münster, Beschl. v. 17.11.2023 – 1 L 1011/23). Selbst wenn man dies anders sieht, wäre im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Fall El Ghazi zu berücksichtigen gewesen, dass dieser seinen ersten Post umgehend wieder gelöscht und seine Position später konkretisiert hat.

Autor/in
Achim Braner

Achim Braner
Partner
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