17.10.2025
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschied in seinem Urteil vom 28. Mai 2025 (Az. 18 SLa 959/24), dass einem Arbeitnehmer, welcher über fast zwei Jahre hinweg permanent und trotz Widerspruchs per Video überwacht wurde, ein Anspruch auf Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro zusteht.
Der Kläger war als Produktionsmitarbeiter bei der Beklagten, welche im Bereich Stahlverarbeitung tätig ist, beschäftigt. Im Arbeitsvertrag des Klägers hieß es wie folgt: „Der Arbeitnehmer ist damit einverstanden, dass im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses und unter Beachtung der Vorschriften des Datenschutzes ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden können.“ Die rund 15.000 Quadratmeter große Produktionshalle der Beklagten sowie die angrenzenden Lager- und Büroräume wurden nahezu durchgehend von 34 HD-Videokameras überwacht, welche einen Livezugriff ermöglichten. Auch der Arbeitsplatz des Klägers wurde überwacht. Über die Kameras konnte kontrolliert werden, ob und wann sich der Kläger auf dem Weg zum Büro, zum Pausenraum oder zum WC befand. Auch konnte man durch „Zoomen“ die Gesichter der Mitarbeiter deutlich erkennen. Bereits 2023 führten die Parteien einen Rechtsstreit über die Videoüberwachung, welcher mit einem Vergleich endete. Hierin verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger Auskunft über den Umfang der Kameraaufnahmen zu erteilen. Der Kläger hielt diese Auskunft für unvollständig und fehlerhaft und klagte auf Unterlassung, Auskunft und Schmerzensgeld. Der Kläger ist zwischenzeitlich nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung auf Grundlage eines gerichtlichen Vergleichs ausgeschieden.
Das Arbeitsgericht Dortmund sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro zu. Das LAG Hamm bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz hinsichtlich der Entschädigung.
Einen Unterlassungsanspruch lehnte es ab, da nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Wiederholungsgefahr mehr bestünde.
Dem Kläger stünde aber ein Entschädigungsanspruch aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach § 280 Abs.1, 241 Abs.2, 823 Abs.1 i. V. m. § 253 Abs.2 BGB zu. Die Videoüberwachung sei weder durch § 26 BDSG noch Art.6 DS-GVO gerechtfertigt gewesen. Insbesondere liege keine wirksame Einwilligung des Klägers vor, da die im Arbeitsvertrag enthaltene pauschale Zustimmung wegen fehlender Freiwilligkeit und Transparenz nach Art.7 DSG-VO unwirksam sei. Auch bestünde kein berechtigtes Interesse der Beklagten aufgrund von Diebstahlsprävention, Arbeitssicherheit oder Unfallauswertung, da mildere Mittel wie eine Überwachung des Eingangs- oder Außenbereichs ausgereicht hätten. Die Beklagte habe zudem auch vorsätzlich gehandelt. Das LAG bewertete den Eingriff als schwer und berücksichtigte insbesondere, dass die Überwachung langanhaltend und permanent erfolgte, eine umfassende Auswertung durch „Heranzoomen“ und eine „Live-Überwachung“ möglich war und so ein „extrem hoher Anpassungsdruck“ beim Kläger erzeugt wurde.
Das Urteil des LAG verdeutlicht, dass Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht von Arbeitnehmern durch Videoüberwachung nach den strengen Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Datenschutzrechts zu beurteilen sind. Arbeitgeber sollten dabei berücksichtigen, dass allgemeine präventive oder sicherheitsbezogene Interessen eine weitreichende Überwachung nicht rechtfertigen. Eine Videoüberwachung kommt nur in Betracht, wenn konkrete Verdachtsmomente bestehen oder die betroffenen Mitarbeiter freiwillig und individuell einwilligen. Dabei sind die zahlreichen strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten. Bei (schweren) Verstößen droht ein erheblicher Entschädigungsanspruch. Angesichts der rechtlichen Risiken sollte vor der Installation einer Kameraanlage eine datenschutzrechtliche Beratung erfolgen. Besteht ein Betriebsrat, ist zudem dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr.6 BetrVG zwingend zu beachten.
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