08.08.2025
Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), das am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber den ambitionierten Plan verfolgt, die Versorgungsqualität in Krankenhäusern zu stärken und die Vergütungsstrukturen nachhaltig zu reformieren. In der praktischen Umsetzung haben sich jedoch an unterschiedlichen Stellen Verbesserungspotentiale gezeigt, die der am 5. August 2025 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) an die betroffenen Verbände übersandte Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsanpassungsgesetz (KHAG) aufgreift. Die Verbände sind zur Stellungnahme zum Referentenentwurf bis zum 21. August 2025 aufgerufen und für den 21. August 2025 zur Anhörung geladen. Die folgende Darstellung dient einem ersten Einblick über die geplanten zentralen Anpassungen.
Der Referentenentwurf sieht eine Anpassung der Ausnahmeregelung für die Zuweisung von Leistungsgruppen trotz Nichterfüllung der Qualitätskriterien sowie als weiteren Ausnahmetatbestand eine vorübergehende Zuweisung von Leistungsgruppen zur Unterstützung der Stilllegung eines Krankenhauses vor. Künftig sollen die zuständigen Landesbehörden eigenständig über die Erforderlichkeit der Ausnahme entscheiden können, ohne an die mit dem KHVVG vorgesehenen bundesweit einheitlichen Erreichbarkeitsvorgaben gebunden zu sein. (Nur) im Rahmen der Ausnahmeentscheidung hat die Behörde obligatorisch zu prüfen, ob Qualitätskriterien ggf. in Kooperationen oder Verbünden erfüllt werden können.
Für die Zuweisung ist eine Befristung auf höchstens drei Jahre vorgesehen. Die Zuweisung soll dabei unter der Auflage erfolgen, dass die betreffenden Krankenhäuser die für die jeweilige Leistungsgruppe maßgeblichen Qualitätskriterien an dem jeweiligen Krankenhausstandort innerhalb einer „angemessenen“ Frist zu erfüllen haben. Zudem soll eine wiederholte Befristung der Leistungsgruppenzuweisung auf höchstens drei Jahre im Rahmen einer Ausnahme im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen möglich sein. Ausnahmsweise können Leistungsgruppen unbefristet zugewiesen werden, wenn ein Krankenhausstandort im Zeitpunkt der Zuweisung in die Liste der Krankenhausstandorte nach § 9 Absatz 1a Nummer 6 des Krankenhausentgeltgesetzes aufgenommen ist.
Die Förderung strukturverändernder Vorhaben mit den Mitteln des Transformationsfonds ist ein Kernstück der Krankenhausreform. Der Referentenentwurf sieht nunmehr vor, dass der in den Jahren 2026 bis 2035 aus dem Transformationsfonds bereitzustellende Betrag von bis zu 25 Mrd. Euro (bis zu 2,5 Mrd. Euro pro Jahr) nicht mehr aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, d.h. aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung gestellt, sondern aus Mitteln des Bundes finanziert werden soll. Daneben soll die Möglichkeit privater Krankenversicherungen, sich an der Finanzierung des Transformationsfonds zu beteiligen, nicht aufrechterhalten werden.
Aufgrund der Veränderung der Finanzierungsstruktur ist zudem vorgesehen, dass die bisherigen Antragsfristen (September/Dezember 2025) entfallen. Anträge sollen fortlaufend gestellt werden können. Die Landesbehörden sollen die Prüfung vollständig selbst verantworten und das Bundesamt für Soziale Sicherung soll im Wesentlichen nur die Auszahlung und Rückforderung administrieren, um die haushaltsrechtlich gebotene Kontrolle der zweckentsprechenden Verwendung von Bundesmitteln sicherzustellen. Zudem soll die Pflicht der Krankenhäuser zur Vorlage einer Wirtschaftsprüferbestätigung betreffend das Fehlen von Insolvenzgründen entfallen.
Bei den Leistungsgruppen soll Klarheit für die Krankenhausleitungen geschaffen werden: Es sollen jene Leistungsgruppen erhalten bleiben, die sich bereits in Nordrhein-Westfalen bewährt haben (60 Gruppen plus spezielle Traumatologie). Gleichzeitig sollen diverse Qualitätskriterien unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Leistungsgruppen-Ausschusses sachgerecht angepasst werden. Beispielhaft lassen sich insoweit folgende Anpassungen festhalten:
Die Einführung der Vorhaltevergütung soll nun um ein Jahr verschoben werden: 2026 und 2027 sollen als budgetneutrale Jahre gelten, in den Jahren 2028 und 2029 soll die bereits vorgesehene Konvergenzphase stattfinden und erst im Jahr 2030 soll die volle Finanzwirksamkeit für die Vorhaltevergütung greifen. Demzufolge sollen die mit der Vorhaltevergütung im Zusammenhang stehenden Fristen und Termine angepasst und die mit dem KHVVG erstmals eingeführten Zuschläge und Förderbeträge, die Erhöhung der bestehenden Zuschläge für eine Teilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung und die Abschaffung der Abschläge für das Unterschreiten der unteren Grenzverweildauer bei Kindern und Jugendlichen um ein Jahr nach hinten verschoben werden. Die für die Jahre 2025 und 2026 weiterhin geltenden Zuschläge für die Pädiatrie und Geburtshilfe sollen entsprechend um ein Jahr verlängert werden.
Eine wesentliche Anpassung der Umsetzungsfristen für die Leistungsgruppenzuweisung ist nicht vorgesehen. Die Zuweisung von Leistungsgruppen soll weiterhin bis spätestens zum 31. Dezember 2026 abgeschlossen sein. Lediglich verschoben werden soll der Auftrags- und Prüfungszeitraum für den Medizinischen Dienst auf die Zeitspanne vom 31. Dezember 2025 bis zum 31. Juli 2026.
Zuweisungen von Leistungsgruppen durch Länder (Nordrhein-Westfalen), die bis zum 31. Dezember 2024 erteilt worden sind, sollen bis zum 31. Dezember 2030 rechtswirksam bleiben und als Basis für die Vergütung genutzt werden. Insoweit ist eine für diese Länder geltende Übergangsregelung vorgesehen, die bis zum 31. Dezember 2030 befristet ist. Ab dem 1. Januar 2031 sollen somit auch in Nordrhein-Westfalen die bundesweiten Vorgaben gelten und die betreffenden Krankenhäuser werden sich noch vor dieser Umstellung auch dem bundesweiten Nachweisverfahren unterziehen müssen.
Daneben soll auch die Datenerhebung zur validen Ermittlung des Orientierungswertes praxisgerechter werden: Der Berichtszeitraum soll auf das jeweils abgelaufene Kalenderjahr festgelegt und dem BMG soll die Befugnis eingeräumt werden, die Festlegung der von den Krankenhäusern zu erhebenden Daten im Wege einer Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf das Statistische Bundesamt zu übertragen.
Dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) soll die Möglichkeit eingeräumt werden, niedrigere als die gesetzlich vorgesehenen Fallzahlgrenzen für die Auswahl von Krankenhausstandorten festzulegen, die onkochirurgische Leistungen nur in geringem Umfang erbringen und daher zukünftig einem partiellen Abrechnungsverbot unterliegen.
Schließlich sieht der Referentenentwurf mit dem neuen § 186a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der den mit dem KHVVG eingeführten § 187 Absatz 10 GWB ersetzen soll, eine Klarstellung des Anwendungsbereichs und Verfahrens bei Krankenhauszusammenschlüssen vor. Es soll eine vorrangige Prüfung durch die Landesbehörden mit Einbindung des Bundeskartellamts erfolgen (Befristung bis Ende 2030).
Nach dem viel erwarteten und heiß diskutierten Korrekturvorhabens zur Krankenhausreform stellt die Vorlage des Referentenentwurfs einen weiteren Meilenstein in der langjährigen Debatte dar. Die jüngsten Anpassungen bleiben jedoch hinter den Erwartungen zurück und bieten statt grundlegender Reformen nur begrenzte Antworten auf viele derzeit strittige oder unklare Detailfragen des KHVVG. So wird etwa die Kompetenzverlagerung an die Landesbehörden weniger gestärkt, als im Vorfeld vielfach gefordert wurde. Auch ergeben sich zur Frage der für viele Krankenhäuser relevanten Standortdefinition keine Neuerungen. Abzuwarten bleibt hiernach, wie sich die betroffenen Verbände im Rahmen der Anhörung zum Referentenentwurf bis zum 21. August 2025 positionieren werden. Akteure mit Zugang zu den beteiligten Verbänden sollten die verbleibende Zeit daher nutzen, um ihre Positionen einzubringen und nach Möglichkeit Einfluss auf den weiteren Verlauf des Verfahrens zu nehmen. Klinikleitungen sind daneben gut beraten, die neuen Regelungen sorgfältig analysieren, um gezielt auszuloten, welche Spielräume sich durch die vorgesehenen Ausnahmeregelungen, Finanzierungsmodelle und Fristverschiebungen eröffnen – und wie sich diese strategisch nutzen lassen.
Dr. Hendrik Bernd Sehy
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