30.03.2017

Keine Pflicht zur Mitwirkung bei einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt

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30.03.2017

 

Keine Pflicht zur Mitwirkung bei einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt

Zwei Urteile aus den vergangenen Jahren zeigen, dass es für einen Anwalt weder eine berufs- noch eine prozessrechtliche Pflicht gibt, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO mitzuwirken. Ein Anwalt, der sich an einer solchen Zustellung beteiligt, läuft gar Gefahr, sich wegen Parteiverrats strafbar zu machen.

Schon 2014 hatte das Anwaltsgericht Düsseldorf (Urteil vom 17.03.2014, Az. 3 EV 546/12 T) geurteilt, dass eine entsprechende anwaltliche Mitwirkungspflicht – etwa durch das Ausstellen eines Empfangsbekenntnisses – nicht bestehe. Dies bestätigte der BGH Ende letzten Jahres (Urteil vom 26.10.2015, Az. AnwSt (R) 4/15). Ausgangspunkt war die versuchte, aber wegen Verweigerung misslungene Zustellung einer Urteilsverfügung von Anwalt zu Anwalt.

Das Anwaltsgericht führte aus, dass der betreffende Anwalt weder prozess- noch berufsrechtlich zur Mitwirkung an der Zustellung von Anwalt zu Anwalt verpflichtet gewesen sei. Durch eine Mitwirkung an der Zustellung hätte er im Einverständnis mit der Gegenpartei (Verfügungskläger) und zum Nachteil des eigenen Mandanten gehandelt. Aufgrund der Bindung an die in der Urteilsverfügung ausgesprochene Unterlassungsverfügung zumindest bis zum Abschluss eines Hauptverfahrens und der Belastung mit den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens wäre seinem Mandanten ein nicht unerheblicher Schaden entstanden (Anwaltsgericht Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2014 (Az. 3 EV 546/12 T), juris Rdn. 46 ff). Anschließend weist das Anwaltsgericht darauf hin, dass der empfangende Anwalt in dem betreffenden Fall im Übrigen auch pflichtwidrig i.S.d. § 356 StGB gehandelt hätte, wenn er an der Zustellung mitgewirkt hätte. Damit droht ihm, sich wegen Parteiverrats gemäß § 356 StGB strafbar zu machen.

Eine solche Strafbarkeit droht allerdings nicht, wenn die Mitwirkung im Einzelfall gerade im Interesse des Mandanten liegt. Beabsichtigt etwa der Mandant als Verfügungsbeklagter, auf der Grundlage der Verfügung einen Vergleich zu schließen, kann es für ihn von Vorteil sein, wenn sein Anwalt an der Zustellung einer Urteilsverfügung von Anwalt zu Anwalt mitwirkt, um ein gutes Klima für einen Vergleich zu schaffen. Die Mitwirkung an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt wird durch die genannten Urteile also nicht generell ausgeschlossen.

Nach den Urteilen kam die Überlegung auf, ob sich ein Anwalt vorab die Zustimmung des Mandanten zu einer Mitwirkung bei der Zustellung über die Mandatsvereinbarung einholen sollte. Dies ist allerdings untunlich. Denn die Einholung der Einwilligung des Mandanten in der Mandatsvereinbarung befreit den Anwalt nicht von der Pflicht, jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Mitwirkung im Interesse des Mandanten liegt oder nicht.

Über die vorliegende Konstellation hinaus können die Urteile für alle Dokumente Bedeutung haben, die gemäß § 195 ZPO von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden können. Dabei handelt es sich etwa um Schriftsätze zur Klageänderung oder zur Widerklageerhebung.

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Simon Heetkamp
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