05.03.2020

„De facto“ Directorship in Singapur

Das singapurische Recht erkennt an, dass eine Person, die nicht offiziell als Director des Board of Directors einer Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist, als „de facto" Director eingestuft werden kann. In seinem Urteil "Cheng Tim Jin v. Alvamar Capital Pte Ltd [2019] SGHC 220" fasste der High Court von Singapur kürzlich die Anhaltspunkte zusammen, unter denen eine Position als „de facto“ Director angenommen werden kann.

Hintergrund

Als Teil des Board of Directors, das das geschäftsführende Organ des Unternehmens darstellt, hat ein Director eines Unternehmens in Singapur zahlreiche Rechte, aber auch Pflichten und Verantwortlichkeiten bei der Ausübung seines Amtes (weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im vorherigen Artikel "Der Director der Private Limited Company by Shares in Singapur").

Unter bestimmten Umständen kann eine Person als Director einer Gesellschaft in Singapur angesehen werden, auch wenn sie gar nicht als Director einer solchen Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist und kann dann auch bestimmten Rechten oder Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Amt des Directors unterliegen.

Sachverhalt aus der Entscheidung des High Courts

Der ehemalige Director eines Unternehmens (der „Ehemalige Direktor") übertrug die von ihm und seiner Frau gehaltenen 50 % der Anteile an dem Unternehmen an den einzigen anderen Gesellschafter des Unternehmens, der sodann in Bezug auf diese Anteile als „nominee shareholder“[1] fungierte (der „Gesellschafter"). In der Folge trat der Ehemalige Direktor als Director vom Board of Directors des Unternehmens zurück, so dass der Gesellschafter nunmehr der alleinige formell ernannte Director im Board of Directors war, was auch im Handelsregister entsprechend eingetragen worden war.

Nach seinem Rücktritt als Director vom Board of Directors wurde der Ehemalige Direktor jedoch zum „Marketing Director“ des Unternehmens ernannt und spielte weiterhin eine aktive Rolle in den finanziellen und operativen Angelegenheiten des Unternehmens, bis der Gesellschafter den Ehemaligen Direktor aus den Angelegenheiten des Unternehmens ausschloss.

Daraufhin beantragte der Ehemalige Direktor eine gerichtliche Erklärung, dass er „de facto" ein Director des Unternehmens ist, und beantragte Zugang zu den Jahresabschlüssen des Unternehmens, um ein mutmaßliches Fehlverhalten bzw. Misswirtschaft durch den Gesellschafter zu untersuchen.

 


[1] Eine Person, die Anteile im Namen des Gesellschafters hält, d.h. die Person, die im Handelsregister als Gesellschafter eingetragen ist, der aber kein wirtschaftliches Eigentum eingeräumt werden soll.

Anhaltspunkte für eine Stellung als „de facto“ Director

Ob eine Person als „de facto" Director angesehen werden kann, hängt in erster Linie von den Umständen jedes Einzelfalles ab. Nach Auffassung des High Court in „Cheng Tim Jin v. Alvamar Capital Pte Ltd [2019] SGHC 220“ sind die folgenden Umstände, die in der Vergangenheit von den Gerichten in Singapur festgelegt wurden, als Anhaltspunkte bei der Frage zu berücksichtigen, ob eine Stellung als „de facto“ Director vorliegt:

  • Hat die Person Funktionen in Bezug auf das Unternehmen übernommen, die nur von einem Director ordnungsgemäß wahrgenommen werden konnten?
  • Wurde die Person von der Gesellschaft als Director geführt?
  • War die Person an der Leitung der Geschäfte der Gesellschaft gleichberechtigt mit den anderen Directors und nicht in einer untergeordneten Rolle beteiligt?
  • Hat die Person den Status und die Funktionen eines Directors übernommen und hat sie einen "tatsächlichen Einfluss" auf die Unternehmensführung der Gesellschaft ausgeübt?

Wenn nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob die Person ein "de facto“ Director ist oder nicht, wird im Zweifel zu Gunsten der betreffenden Person entschieden.

Der High Court stellte fest, dass der Ehemalige Direktor ein „de facto“ Director war, weil er immer noch als (Marketing) Director des Unternehmens eingesetzt wurde und weiterhin gleichberechtigt in Bezug auf die Finanzen, Bankangelegenheiten, Personalangelegenheiten und sogar die Geschäftsbeziehungen des Unternehmens (einschließlich der Kundenbeziehungen) mit dem formell als Director eingetragenen Gesellschafter an der Führung des Unternehmens teilnahm. So wurde beispielsweise ein Mitarbeiter auf der Grundlage einer kollektiven Entscheidung sowohl des Ehemaligen Direktors als auch des Gesellschafters eingestellt und dieser Mitarbeiter suchte vor Ausführung einer Aufgabe stets die Zustimmung beider. Das Gericht berücksichtigte auch, dass der Gesellschafter bereit war, den Ehemaligen Direktor auf Antrag jederzeit formell zum gleichberechtigten Director zu ernennen, und dass der Ehemalige Direktor Zugang zu den ungeprüften Jahresabschlüssen des Unternehmens hatte, bevor der Gesellschafter ihn ausschloss, und daher bis zu diesem Zeitpunkt aktiv in die Finanzverwaltung des Unternehmens eingebunden war.

Fazit

Der dargestellte Fall zeigt, dass die Rolle des Directors bei weitem nicht vollständig beendet ist, nur weil eine Austragung aus dem Handelsregister erfolgt ist und obwohl der Ehemalige Direktor in diesem speziellen Fall vom Status des „de facto“ Directors profitiert hat, wird das Konzept des „de facto“ Directors üblicherweise verwendet, um eine Haftung der betreffenden Person zu begründen.

Insbesondere Directors, die formal in den Ruhestand getreten sind, sich aber weiterhin in den Geschäftsbetrieb des Unternehmens einbringen wollen, oder Directors, die Singapur verlassen und z.B. aus Gründen der Haftung oder der Unternehmenspolitik nicht mehr im Register als Teil des Board of Directors eingetragen, jedoch weiterhin in einer exekutiven Funktion tätig sein sollen, müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass Entscheidungsmacht unter bestimmten Umständen die Haftung aufrechterhalten kann. Hier ist dann zu überlegen, ob dieses Risiko in Kauf genommen werden kann oder ob die Entscheidungsmacht nicht vollständig auf ein neu strukturiertes Board of Directors übertragen werden soll.