03.11.2025

Bundesverfassungsgericht stärkt kirchliche Arbeitgeber: Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraussetzung

 Bundesverfassungsgericht stärkt kirchliche Arbeitgeber: Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraussetzung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschäftigte sich in seinem Beschluss vom 29. September 2025 (Az. 2 BvR 934/19) mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein kirchlicher Arbeitgeber im Rahmen seines religiösen Selbstbestimmungsrechts die Kirchenmitgliedschaft für die Einstellung eines Bewerbers unter Berücksichtigung unions- und verfassungsrechtlicher Vorgaben fordern kann.

Hintergrund

Die Beschwerdeführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens ist ein als Verein gegründetes Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die konfessionslose Beschwerdegegnerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte sich erfolglos auf eine Referentenstelle bei der Beschwerdeführerin beworben; eine Einladung zum Bewerbungsgespräch erhielt sie nicht. Die Stelle wurde mit einem Bewerber, der sich als „sozialisierter evangelischen Christ“ bezeichnete, besetzt. Die Klägerin begehrte eine Entschädigung wegen ungünstiger Behandlung aus religiösen Gründen nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Das Arbeitsgericht Berlin nahm eine solche ungünstigere Behandlung der Klägerin an und sprach ihr eine Entschädigung zu (Az. 54 Ca 6322/14). Auf die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Klage auf Entschädigung ab und begründete dies damit, dass die ungünstigere Behandlung gerechtfertigt gewesen sei und die Beklagte im Rahmen ihres kirchliches Selbstbestimmungsrecht gehandelt habe (Az. 4 Sa 157/14 – 4 Sa 231/14). Mit Urteil vom 25. Oktober 2018 widersprach das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem und sprach der Klägerin – nach Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Az. C-414/16, EU:C:2017:851) – eine Entschädigung zu (Az. 8 AZR 501/14). Dies begründete das BAG damit, dass für die Rechtfertigung einer ungünstigeren Behandlung der Klägerin unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG erhebliche Zweifel an dem Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft als wesentliche berufliche Anforderung i.S.d. § 9 Abs. 1 Alt. 2 bestünden. 

Mit der Verfassungsbeschwerde wandte sich die Beschwerdeführerin erfolgreich gegen das Urteil des BAG. In diesem sieht das BVerfG eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht (GG) auf religiöse Selbstbestimmung aus Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) und hob das Urteil auf. Das BVerfG betont im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung, dass eine pauschale Anforderung an die Kirchenmitgliedschaft unzulässig sei. Es bedürfe einer Einzelfallprüfung, die die Erforderlichkeit der Mitgliedschaft – gemessen an dem Grad des Bezugs zur religiösen Aufgabe („verkündungsnahe“ Tätigkeit), Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und dem religiösen Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft – begründet. Der Bezug zur religiösen Aufgabe verlange dabei einen unmittelbaren Bezug zum Verkündungsauftrag oder dem speziellen religiösen Charakter der jeweiligen Einrichtung. Die gerichtliche Prüfung dessen beschränke sich dabei auf eine Plausibilitätskontrolle. Das BAG habe in Rahmen dessen den Gestaltungsspielraum – der kirchlichen Arbeitgebern bei der Durchführung ihres religiösen Selbstbestimmungsrechts zusteht und den auch die Gleichbehandlungsrichtlinie in ihrer Auslegung durch den EuGH (Az. C-414/16, EU:C2017:851) anerkennt – verkannt. Es habe das durch die Beschwerdeführerin hinreichend dargelegte christliche Profil der ausgeschriebenen Stelle unberücksichtigt gelassen und anstelle dessen ein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos für die Beschwerdeführerin definiert.

 

Fazit

Das BVerfG stärkt mit seiner Entscheidung das religiöse Selbstbestimmungsrecht kirchlicher Arbeitgeber. Dabei legt das BVerfG den Gestaltungsspielraum für das religiöse Selbstbestimmungsrecht, den der EuGH gesetzt hat, weit aus und betont, dass dies nicht zu unüberwindbaren Widersprüchen zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und Unionsrecht führe. Vielmehr berücksichtigen beide das Verhältnis zwischen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle des religiösen Ethos und der Durchsetzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Je größer die Bedeutung der Stelle für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft und die Verwirklichung ihres religiösen Ethos ist, desto eher kann die Kirchenmitgliedschaft gefordert werden.

 

Autor/in
Pia Analena Wieberneit

Pia Analena Wieberneit
Senior Associate
Essen
pia.wieberneit@luther-lawfirm.com
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