19.09.2025

Tipps zur Vertragsverhandlung für Nichtjuristen (Teil 2)

Tipps zur Vertragsverhandlung für Nichtjuristen (Teil 2)

Dies ist der zweite Teil einer Serie von insgesamt drei Beiträgen, die nichtjuristische Mitarbeiter beim Verhandeln und Abschließen von Geschäften unterstützen sollen. Die Darstellungen richten sich besonders an Mitarbeiter in Einkaufs- und Vertriebsabteilungen, die regelmäßig mit Lieferanten bzw. Kunden um die Konditionen der lang- oder kurzfristigen Zusammenarbeit ringen. Dieselben Grundsätze gelten aber gleichermaßen auch für Vertragsanbahnungen und -abschlüsse mit allen anderen Partnern Ihres Unternehmens.

1. Handlungsoption: Bewusstes Verzichten auf einen schriftlichen Rahmenvertrag?

Der erste Teil der Serie hatte die strategische Bedeutung und die rechtlichen Spielräume zum Gegenstand, welche mit der Übermittlung eines ersten schriftlichen Vertragsangebots einhergehen und dazu einige einfache Tipps zur Handhabung gegeben. Im zweiten Teil behandeln wir, wann es ausnahmsweise sinnvoll sein kann, eine dauerhafte Lieferbeziehung bewusst nicht einem detaillierteren schriftlichen Rahmenvertrag zu unterstellen, welcher die Details der Zusammenarbeit regelt, sondern stattdessen auf Basis von Angebot, Bestellung/Abruf und Auftragsbestätigung zu arbeiten. 

Grundsätzlich sollte es beiden Parteien einer Geschäftsbeziehung jeweils ein Anliegen sein, eine dauerhafte Lieferbeziehung rechtssicher durch einen schriftlichen Rahmenvertrag zu regeln. Neben der damit für beide Seiten gewonnen Rechtssicherheit (etwa zu Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten, Liefer-/Bestellpflicht, Preisen, Mengen), ermöglicht dies auch, etliche vom Gesetz standardmäßig vorgesehene Regelungen (etwa zur Gewährleistungsfrist) zu den eigenen Gunsten anzupassen sowie die Details der praktischen Durchführung der Lieferbeziehung zu regeln (etwa zu Bestellwesen und Logistik). In Abwesenheit einer vertraglichen Regelung werden zwischen den Parteien hinsichtlich verschiedener Aspekte fast immer Unsicherheiten verbleiben.

Unabhängig davon, dass in der Regel für beide Seiten die mit dem Abschluss eines Rahmenvertrags verbundenen Vorteile überwiegen werden, dürfen beide Seiten allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass damit in einzelnen Punkten mitunter auch Verschlechterungen der eigenen Rechtsposition gegenüber der vermeintlich „vertragslosen“ (tatsächlich aber im Detail nur vom Gesetz geregelten) Situation, einhergehen. Je nach Situation kann daher das Eingehen oder Fortsetzen einer Lieferbeziehung ohne rahmenvertragliche Regelung tatsächlich vorzugswürdig sein, wenn die mit dem Abschluss eines Rahmenvertrags verbundenen Nachteile ausnahmsweise zu schwerwiegend sind.

Da sich die Entscheidung für oder gegen (Verhandlungen über) einen Rahmenvertrag immer nach den Umständen des Einzelfalls richtet, ist eine pauschale Bewertung schwierig. Dennoch kann jeder Mitarbeiter in Einkauf und Vertrieb sein Problembewusstsein anhand der folgenden beispielhaften Auflistung schärfen, die einige gängige Aspekte beleuchtet. Dabei unterstellen wir den typischen Fall, dass Lieferant und Kunde jeweils bei Abschluss von Einzelverträgen/Einzelbestellungen auf ihre eigenen und für ihre eigene Position günstig ausgestalteten AGB verweisen und diese AGB die Geltung der AGB der anderen Seite durch eine typische Abwehrklausel ausschließen.

2. Argumente aus Kundenperspektive

Der größte Vorteil des Kunden im Szenario ohne schriftlichen Rahmenvertrag wird fast immer darin liegen, dass die Haftung des Lieferanten in diesem Fall nicht beschränkt ist, also wie vom Gesetz vorgesehen unbegrenzt besteht und etwa auch entgangenen Gewinn des Kunden wegen Produktionsausfalls umfasst. Während der Lieferant in der Verhandlung eines Rahmenvertrags praktisch immer auf eine Haftungsbeschränkung (etwa auf eine Höchstsumme und/oder einen Haftungsausschluss abhängig von der Verschuldensform, etwa bei nur leichter Fahrlässigkeit) drängen wird, haftet er ohne solche vertragliche Vereinbarung regelmäßig unbeschränkt: Denn zwar werden die bei einem Bestellvorgang einbezogenen AGB des Lieferanten regelmäßig eine Haftungsbeschränkung vorsehen. Die ebenfalls einbezogenen AGB des Kunden werden zu diesem Punkt aber ihrerseits regelmäßig eine abweichende Klausel enthalten, sodass es an einer Übereinstimmung der AGB beider Parteien zu diesem Punkt in der Regel gerade fehlen wird. Rechtlich hat dies zur Folge, dass damit dann keine der beiden Regelungen vereinbart ist und die vom Gesetz vorgesehene, unbeschränkte Haftung des Lieferanten greift.

Der zweite wichtige Vorteil aus Kundensicht besteht darin, dass ohne rahmenvertragliche Vereinbarung in aller Regel auch keine Bestellpflicht des Kunden vereinbart sein wird. Während der Lieferant bei Verhandlung eines Rahmenvertrags regelmäßig auf die Vereinbarung bestimmter Mindestbestellmengen pro Monat/Jahr oder anderer Abnahmepflichten drängen wird, ist der Kunde ohne eine solche Vereinbarung regelmäßig vergleichsweise flexibel darin, die Lieferbeziehung (mit Ausnahme der bereits verbindlichen Einzelverträge/Einzelbestellungen) zu beenden und zeitnah zu einem anderen (günstigeren) Lieferanten zu wechseln (Dies mag je nach konkreter Ausgestaltung anders sein, wenn der Kunde dem Lieferanten für einen gewissen Zeitraum eine rollierende Vorschau, ggf. mit „Frozen Zone“, und/oder Materialfreigabe erteilt. Je nach den genauen Umständen kann darin eine Abnahmepflicht des Kunden für diesen Zeitraum zu sehen sein. Zudem mag in Ausnahmefällen auch bei Beendigung einer lang andauernden, nicht durch schriftlichen Rahmenvertrag dokumentierten Lieferbeziehung eine Kündigungsfrist zu gewähren sein). 

3. Argumente aus Lieferantenperspektive

Aus Sicht des Lieferanten wird ein entscheidendes Argument gegen den Abschluss eines Rahmenvertrags oftmals sein, dass Rahmenverträge einerseits meist eine Verpflichtung des Lieferanten enthalten, die Bestellungen/Abrufe des Kunden anzunehmen und diesen zu beliefern, gleichzeitig aber auch einen Mechanismus zur Preisbindung, und Anpassung vorsehen, der den Lieferanten in der Preisgestaltung einschränkt. Denn oftmals ist dem Lieferanten im Falle eines Anstiegs der eigenen Produktions-/Materialkosten eine Anpassung der rahmenvertraglich vereinbarten Preise nicht, nur erschwert oder erst (zu) spät möglich. Besteht dagegen kein Rahmenvertrag, ist der Lieferant in seiner Preisgestaltung üblicherweise frei. Und auch wenn dies oft eine Frage des Einzelfalls sein wird, insbesondere wie die Parteien ihre Lieferbeziehung gelebt haben, wird der Lieferant doch außerhalb von Fällen der besonders engen Zusammenarbeit regelmäßig auch keiner Pflicht zur Annahme von Bestellungen unterliegen. Dies hat zur Folge, dass der Kunde im Regelfall rechtlich nicht erzwingen kann, auch in Zukunft zu den bisherigen Preisen beliefert zu werden, sondern Preisanpassungen des Lieferanten für die Zukunft entweder akzeptieren oder sich kurzfristig anderweitig eindecken muss.

Darüber hinaus bestehen nach dem Gesetz weitere, für den Lieferanten grundsätzlich günstige Regelungen, die in einem Rahmenvertrag regelmäßig eine Anpassung erfahren, während sie in der „vertragslosen“ Situation durch die AGB des Kunden allein (sofern der Lieferant beim Vertragsschluss auf seine AGB Bezug nimmt und diese eine Abwehrklausel enthalten, s.o.) nicht überwunden werden können. Dazu zählt unter anderem, dass der Kunde nach dem Gesetz dazu verpflichtet ist, die Produkte unverzüglich nach Erhalt zu untersuchen und etwaige Mängel zu rügen (Untersuchungs- und Rügepflicht des Käufers). Andernfalls verliert der Kunde seine Gewährleistungsrechte in Bezug auf solche Mängel, die er bei sorgsamer und unverzüglicher Untersuchung hätte erkennen können. Da die Rechtsprechung dem Kunden hierzu einerseits nicht viel Zeit einräumt (zwar kommt es auf den Einzelfall an, als Richtschnur gelten aber 1 – 3 Tage) und die Wareneingangskontrolle des Kunden möglicherweise auch ganz grundsätzlich nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Untersuchung genügt, hat der Lieferant trotz mangelhafter Lieferung oftmals gute Argumente, aufgrund formaler Versäumnisse des Kunden bei der Untersuchung der Ware nicht Gewähr leisten und auch nicht haften zu müssen. Schließen die Parteien hingegen einen Rahmenvertrag mit einer ergänzenden Qualitätssicherungsvereinbarung ab, wird hierin meist vertraglich eine für den Kunden komfortablere Regelung vereinbart.

4. Fazit: Problembewusstsein schärfen und Verhandlungsposition verbessern

Auch wenn die Beweggründe zugunsten eines Rahmenvertrags die in diesem Beitrag skizzierten Motive, ausnahmsweise doch von einem Rahmenvertrag abzusehen, in aller Regel überwiegen werden, sollte sich jeder Verhandlungsführer beim Aushandeln eines Rahmenvertrags darüber im Klaren sein, worauf er mit bestimmten Regelungen im Vergleich zur „vertragslosen“ Situation verzichten würde und wie gut die eigene rechtliche Position (ohne Rahmenvertrag) an bestimmten Punkten wäre. In vielen Fällen erleichtert eine genaue Kenntnis der eigenen Ausgangsposition die Verhandlungen über den Rahmenvertrag erheblich. Dies gilt selbstverständlich für die oben im Einzelnen näher skizzierten, besonders wichtigen Aspekte. Aber eben auch noch für viele weitere, hier noch gar nicht erörterte Punkte. Aufgabe der kaufmännischen Verhandlungsführer ist es nicht zwingend, die eigene Rechtsposition mit und ohne Rahmenvertrag schon im ersten Schritt selbst exakt zu analysieren. Sondern zu erkennen, dass eine solche Analyse die eigene Verhandlungsposition verbessern und die eigene Entscheidungsfindung erleichtern wird. Hierfür sollte dann aber eine fundierte rechtliche Beratung durch anwaltliche Berater oder Rechtsabteilung hinzugezogen werden.

Autor/in
David Bündgens

David Bündgens
Senior Associate
Köln
david.buendgens@luther-lawfirm.com
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