13.07.2021

Fusionskontrolle bei Venture Capital Investments

Ein nicht zu unterschätzendes Risiko oder die Gefahr von killer acquisitions, gun jumping und unscrambled eggs

Hintergrund

Im Zusammenhang mit der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), welche Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist (vgl. hierzu unseren Blog Beitrag), wurden auch die fusionskontrollrechtlichen Aufgreifschwellen, die sich auf die Umsätze der beteiligten Unternehmen beziehen, deutlich angehoben. Insbesondere wurden die sog. Inlandsumsatzschwellen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB von EUR 25 Mio. auf EUR 50 Mio. bzw. von EUR 5 Mio. auf EUR 17,5 Mio. erhöht.

Der damit verbundene Wegfall einer Anmeldepflicht in einer Vielzahl von Fällen sollte aber keineswegs dazu verleiten, fusions- und kartellrechtliche Verhaltensanforderungen bei Venture Capital Investments zu früh als unbedeutend abzutun. Der Teufel steckt nämlich im Detail und kann bei falscher Einschätzung erhebliche sanktions- und zivilrechtliche Konsequenzen haben: Schaut man auf die Umsatzschwellen allein ist man geneigt – zumindest bei Finanzierungsrunden in der frühen Phase eines Start-ups, welches noch keine wesentlichen Umsätze erzielt – dem Thema Fusionskontrolle wenig Beachtung zu schenken. Dies liegt vornehmlich daran, dass man in der allgemeinen Wahrnehmung mit Fusionskontrolle üblicherweise alleine den Kontrollerwerb über das Start-up verbindet und somit nur auf die Umsätze dieser Beteiligten schaut. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Zusammenschluss auch alleine bzw. auch auf Investorenseite erfolgen kann und zwar auch bei geringen Beteiligungshöhen. In dem Fall gelten (auch) die Investoren als Zusammenschlussbeteiligte mit der Folge, dass auch deren Umsätze für die fusionskontrollrechtliche Prüfung relevant sind. Durch Co-Investments kann nämlich – abhängig von der Beteiligungshöhe und Einflussrechten – einerseits ein Joint Venture gebildet werden, an dem die Investoren als Muttergesellschaften beteiligt sind, andererseits auch ein Zusammenschluss direkt auf Investorenebene selbst stattfinden (sog. Fiktion der Teilfusion der Mütter).

Zudem kennt das GWB seit der 9. Novelle im Jahr 2017 eine Transaktionswert-Aufgreifschwelle, so dass Anmeldpflichten auch dann bestehen können, wenn nicht alle der erwähnten Umsatzschwellen erreicht werden.

Sind große Corporates oder VC Funds unter den Beteiligten und/oder wird für ein Unternehmen mit Blick auf seinen Wert bzw. Marktpotenzial ein hoher Kaufpreis entrichtet, ist man daher schneller als man denkt bei einem anmeldepflichtigen Vorgang.

Zusammenschluss

1. Zusammenschlusstatbestand

Im Rahmen einer Finanzierungsrunde erfolgt das Investment in der Regel in Form einer Kapitalerhöhung und Ausgabe neuer Anteile (ggfs. verbunden mit einem Anteilserwerb in Form eines Secondary). Führt die Kapitalerhöhung bei mindestens einem Investor zu einer Erhöhung der Anteile bzw. dem Erwerb von Anteilen von 25 % oder mehr, erfüllt dies den gesetzlichen Zusammenschlusstatbestand des Anteilserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) GWB. Dabei ist es unbeachtlich, ob die Beteiligten alle aktiv an dem Zusammenschluss mitwirkten. Im Gegenteil: Es stellt sogar einen Zusammenschluss zwischen zwei Investoren dar (deren Umsätze dann im Rahmen der Fusionskontrolle jeweils relevant sind), wenn ein Investor bereits eine Beteiligung von 25 % hält und ein neuer Investor durch die Zeichnung von Anteilen ebenfalls eine Beteiligung von 25 % oder mehr erwirbt.

Ein solches "Investoren-Joint Venture" kann zudem auch dann gegeben sein, wenn der Schwellenwert von 25 % nicht erreicht wird, aber gemeinsame Kontrolle erworben oder auch nur die Möglichkeit, wettbewerblich erheblichen Einfluss auf einen anderen Beteiligten auszuüben (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 GWB). Dies kann etwa durch Besetzungsrechte für die Leitungsorgane und/oder die Einräumung von Vetorechten bei wesentlichen strategischen Entscheidungen zum Geschäft und/oder Budget der Zielgesellschaft der Fall sein (sog. negative Kontrolle).

a) Umsatzbezogene Aufgreifschwellen

Liegt ein Zusammenschluss vor und werden die Umsatzschwellen des § 35 Abs. 1 GWB durch die Beteiligten überschritten, d.h. Inlandsschwellenwerte (siehe oben) und weltweiter aggregierter (Gruppen-)Umsatz aller Beteiligten von mehr als EUR 500 Mio., liegt ein beim Bundeskartellamt anmeldepflichtiges Investment vor.

b) Transaktionswertbezogene Aufgreifschwelle

Wie eingangs erwähnt gibt es bereits seit einigen Jahren im GWB eine weitere Aufgreifschwelle, die abhängig vom Transaktionswert („Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss“) zu einer fusionskontrollrechtlichen Anmeldpflicht führen kann, selbst wenn die Beteiligten (inkl. ihrer beherrschten Beteiligungsunternehmen) nicht alle ansonsten benötigten Umsätze erzielt haben. Nach § 35 Abs. 1a GWB kann das Nichterreichen der 2. Inlandsumsatzschwelle (EUR 17,5 Mio.) unbeachtlich sein, wenn der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als EUR 400 Mio. beträgt und das zu erwerbende Unternehmen „in erheblichem Umfang“ im Inland tätig ist. Sinn und Zweck der Regelung war es vor allem, den Zukauf von noch umsatzschwachen, aber wettbewerblich aussichtsreichen Firmen mit hohem Marktpotenzial der Fusionskontrolle zu unterstellen und so ein Vom-Markt-Nehmen durch Zukauf („killer aquisition“) zu verhindern. Eine Anmeldepflicht heißt aber noch lange nicht, dass das Investment bedenklich ist – hier handelt es sich in aller Regel um zulässige Verkäufe (gerade bei Exits in der StartUp-Szene). In der Praxis hat die Regelung seit ihrer Einführung jedenfalls noch keine überragende Rolle gespielt. Gleichwohl gilt es mit Blick auf die erheblichen Rechtsfolgen, etwaige Anmeldepflichten im Einzelnen zu prüfen.


2. Rechtsfolgen bei fehlender Anmeldung

Wird ein anmeldepflichtiges Investment ohne Freigabe des Bundeskartellamt getätigt, stellt dies einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 S. 1 GWB dar (sog. gun jumping). Rechtsgeschäfte, die gegen das Vollzugsverbot verstoßen, sind unwirksam (§ 41 Abs. 1 S. 2 GWB). Die Unwirksamkeit ist dabei eine schwebende Unwirksamkeit. Dies bedeutet, dass die Unwirksamkeit rückwirkend (ex tunc) entfällt, wenn ein nicht angemeldeter Zusammenschluss nach Vollzug angezeigt und das Entflechtungsverfahren eingestellt wurde, weil die Untersagungsvoraussetzungen nicht vorliegen (§ 41 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GWB).

Spannend ist die Frage, wie sich die Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte auf die durchgeführte und womöglich auch schon eingetragene Kapitalerhöhung auswirkt. Nach überzeugender Auffassung dürfte die Kapitalerhöhung als solche nicht schwebend unwirksam sein, sondern nur der damit verbundene Anteilserwerb (konkret: die Übernahme der Anteile durch den neuen Investor), da die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts im Rahmen des Verstoßes gegen das Vollzugsverbots sich ausschließlich auf die den Zusammenschlusstatbestand erfüllende Handlung beziehen kann. Sofern es aber einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot gegeben hat, führt dies auch nicht zur unheilbaren Nichtigkeit des Anteilserwerbs, sondern lediglich zur schwebenden Unwirksamkeit, die geheilt werden kann (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.10.2017, KZR 24/15 – ConsulTrust, Rn. 36 ff.).

Unklar ist aber, welche Auswirkung dies auf die Erhöhung des Stammkapitals hat. Unter der Annahme, dass die Kapitalerhöhung bereits eingetragen ist, ist das Stammkapital zunächst wirksam erhöht worden. Ist die Übernahme der Anteile aber schwebend unwirksam, so fallen eingetragenes Kapital und „gezeichnetes“ Kapital auseinander. Dieses Auseinanderfallen kann nur dadurch behoben werden, dass der Vollzug angezeigt und das Entflechtungsverfahren eingestellt wird. Erfolgt die Einstellung, gilt der Verstoß gegen das Vollzugsverbot wie erörtert rückwirkend als geheilt. Wird dagegen die Entflechtung angeordnet, muss die Kapitalerhöhung rückabgewickelt werden. Die Übernahme der Anteile ist dann damit endgültig unwirksam, so dass der Übernehmer auch zu keinem Zeitpunkt wirksam die Gesellschafterstellung eingenommen hat. Da der vermeintliche neue Gesellschafter jedoch in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt er gem. § 16 Abs.1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter, so dass zumindest Beschlüsse der Gesellschaft, an denen der betroffene Gesellschafter mitgewirkt hat, wirksam bleiben.

Besonders misslich ist in solchen Fällen auch, dass ein Entflechtungsverfahren nicht fristgebunden ist, die Zusammenschlussbeteiligten also weniger Steuerungsmöglichkeiten haben und die Transaktion damit insgesamt gefährdet sein könnte. Im Übrigen gestaltet sich eine solche Entflechtung in der Lebenswirklichkeit faktisch auch als sehr schwierig, insbesondere wenn schon schnell Umsetzungsmaßnahmen getroffen wurden (man spricht hier in der Praxis auch von der Unmöglichkeit der Entflechtung („unscrambling the egg“)).

Neben dem Risiko der Entflechtung drohen bei einem Verstoß gegen das Vollzugsverbot zudem auch hohe Bußgelder durch das Bundeskartellamt (vgl. § 81 Abs. 2 Nr. 1, § 81c Abs. 1, 2 GWB). Die letzten Jahre haben gezeigt, dass dies in der Behördenpraxis alles andere als ein rein theoretisches Risiko ist, was zahlreiche Verfahren belegen. Es kommt aber immer auf die Umstände des Einzelfalles an, ob und in welcher Höhe ein Bußgeld auch tatsächlich verhängt wird.

Fazit

Schon im Rahmen der Term Sheet Verhandlung sollte geprüft werden, ob die Beteiligungsstruktur und/oder die Investorenrechte einen Zusammenschlusstatbestand zwischen einzelnen Investoren begründen könnten. Ggfs. lässt sich durch eine optimierte Gestaltung in der Beteiligungs- oder Gesellschaftervereinbarung die Pflicht zur Fusionskontrollanmeldung verhindern. Ist dies nicht der Fall, muss die Freigabe durch das Bundeskartellamt (und ggf. weiterer Wettbewerbsbehörden) als Closing Condition im Vertragswerk aufgenommen und auf der Zeitschiene und Liquiditätsplanung für das Start-Up berücksichtigt werden. Wird die Liquidität bis zur Freigabe knapp, muss über eine Brückenfinanzierung nachgedacht werden.

Hat man die Anmeldung eines anmeldepflichtigen Vorhabens versäumt und dennoch vollzogen, ist eine Anzeige an das Bundeskartellamt geboten, um den Verstoß zu heilen. Anderenfalls drohen spätestens bei der nächsten Due Diligence Probleme, wenn das Thema unerwartet hochkommt. Dies gilt auch für Fälle, in denen die transaktionswertbezogene Aufgreifschwelle übersehen wurde.

Die möglichen zivil- und sanktionsrechtlichen Konsequenzen zeigen insofern, dass auch bei Venture Capital Investments kartell- und fusionskontrollrechtliche Expertise frühzeitig hinzugezogen werden sollte. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass neben der Fusionskontrolle auch das „allgemeine“ Kartellrecht in den Blick zu nehmen ist. Sofern bei den Beteiligten (oder auch nur deren Beteiligungsgesellschaften) wettbewerbliche Überschneidungen bestehen oder man bspw. für Verkäufer Wettbewerbsverbote vereinbaren möchte, müssen auch hierfür die kartellrechtlichen Grenzen gekannt und eingehalten werden. Dies gilt v.a. auch für die Gestaltung des Investmentprozesses und dem dort notwendigen Austausch (ggf. wettbewerblich sensibler) Informationen zwischen VC Investoren, damit die Euphorie über die Investmentopportunität nicht killer acquisitions, gun jumping und unscrambled eggs weichen muss. 

Autor/in
Philipp Dietz, LL.M. (Edinburgh)

Philipp Dietz, LL.M. (Edinburgh)
Partner
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philipp.dietz@luther-lawfirm.com
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Dr. Sebastian Felix Janka, LL.M. (Stellenbosch)

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