09.12.2025
Ein Rückzahlungsanspruch von Ausbildungskosten aufgrund frühzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses und einer tarifvertraglichen Regelung nach der Ausbildung ist grundsätzlich zulässig.
24.675 Euro – so viel will die Agentur für Arbeit von einer ehemaligen Auszubildenden zurück. Die Story dahinter liest sich wie ein arbeitsrechtlicher Krimi: 2018 startet die damals minderjährige Beklagte ihre Ausbildung bei der Klägerin, 2021 schließt sie diese erfolgreich ab und legt direkt als Arbeitsvermittlerin los. Es kommt allerdings zum Zerwürfnis mit ihren Arbeitskollegen, sodass sie zum 31. Juli 2022 eigenmächtig kündigt. Doch dann kommt die Rechnung: Laut § 30 des Tarifvertrags für Nachwuchskräfte der Bundesagentur für Arbeit (TVN-BA) müssen Azubis ihre Ausbildungskosten zurückzahlen, wenn nach der Ausbildung kein Anschlussarbeitsverhältnis zustande kommt oder dieses nicht mindestens drei Jahre hält. Mit der Agentur für Arbeit ist bekanntlich nicht zu spaßen und so klagt diese auf Rückzahlung von 24.675 Euro. Vor dem Arbeitsgericht geht die Arbeitgeberin als Siegerin vom Platz. Doch in der nächsten Instanz die Wende: Das Landesarbeitsgericht kippt das Urteil und erklärt § 30 TVN-BA für zu unbestimmt.
Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision schließlich Recht gegeben: Solche tarifvertraglichen Rückzahlungsregelungen sind grundsätzlich zulässig. Das Argument der Unbestimmtheit lässt das Gericht nicht durchgehen, da § 30 TVN-BA über den normalen Auslegungskanon ausgelegt werden muss. Und nach diesem hat die Tarifnorm einen klaren Inhalt: Die Rückzahlung setzt sich aus Zeit- und Entgeltfaktor zusammen. Der Zeitfaktor? Eine dreistufige Staffelung, je nachdem, wie lange man nach der Ausbildung bleibt. Der Entgeltfaktor? Es wird an die zuletzt gezahlte Ausbildungsvergütung angeknüpft. Somit sei die Regelung für die Betroffene nachvollziehbar.
Auch die anderen Argumente gegen die Rückzahlungsverpflichtung lässt das BAG nicht zu: Eine Überraschungsklausel nach § 305c Abs. 1 BGB? Nein. Rückzahlungsklauseln nach der Ausbildung sind ein bekanntes Instrument, kein versteckter Joker im Kleingedruckten. Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG? Ebenfalls nicht. Tarifverträge stehen unter dem Schutz der grundrechtlich gewährleisteten Tarifautonomie und unterliegen einer Angemessenheitsvermutung. Solange keine pure Willkür vorliegt, bleibt die Regel bestehen. Und die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG? Auch da sieht das BAG kein Problem: Wer in Ausbildung investiert, darf über angemessene Bindungsfristen eine gewisse Planungssicherheit einfordern. Das ist verhältnismäßig, solange Umfang und Dauer im Rahmen bleiben. Aber der Fall ist noch nicht durch: Jetzt muss vom Landesarbeitsgericht aufgeklärt werden, ob die Beklagte die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirklich zu vertreten hat. Das ist entscheidend, da der Rückzahlungsmechanismus nur greift, wenn die Arbeitnehmerin verantwortlich ist. Beweisen muss das die Arbeitgeberin. Eine Eigenkündigung der Arbeitnehmerin ist zwar ein starkes Indiz, aber die Beklagte kann dies noch substantiiert bestreiten.
Das Fazit: Wer nach der Ausbildung frühzeitig das Weite sucht, spielt mit dem Risiko einer satten Rückforderung, auch wenn die Rückzahlungsregelung nur über eine tarifvertragliche Norm in das Ausbildungsverhältnis einbezogen wurde. Also: Augen auf beim Unterzeichnen des Ausbildungsvertrags.
BAG Urt. vom 15.7.2025 – 9 AZR 112/24, BeckRS 2025, 28310
Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück
Partner
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