03.09.2020

Terminsgebühr auch ohne „Griff zum Hörer“?

Hintergrund

Eine Terminsgebühr für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts fällt nach Vorb. 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (VV RVG) grundsätzlich dann an, wenn ein gerichtlicher Termin oder aber ein außergerichtlicher Termin bzw. eine außergerichtliche Besprechung wahrgenommen werden, also tatsächlich auch mündlich verhandelt wird. Die Gebühr kann nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG zudem dann entstehen, wenn in einem Verfahren, in dem eine mündliche Verhandlung zwar grundsätzlich vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Der Bundesgerichtshof hat sich mit Beschluss vom 7. Mai 2020 (Az. V ZB 110/19) nun zu der Frage positioniert, ob eine Terminsgebühr auch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren bei Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs ohne mündliche Verhandlung anfallen kann.

Sachverhalt

Der Antragsteller hatte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht – wie explizit beantragt – ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Verfügung gegen den Antragsgegner erwirkt. In der Folge schlossen die Parteien jedoch einen außergerichtlichen schriftlichen Vergleich, ohne dass (fern-)mündliche Kommunikation zwischen den Prozessbevollmächtigten stattgefunden hätte. Daraufhin nahm der Antragsteller seinen Antrag zurück und die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsgegner auferlegt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts berücksichtigte keine vom Antragsgegner an den Antragsteller zu erstattende Terminsgebühr. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit sofortiger Beschwerde an das Kammergericht, das diese jedoch zurückwies. Eine Terminsgebühr sei nicht zu erstatten, da diese nicht angefallen sei, weil für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben und bereits in der Antragsschrift beantragt worden sei, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Hiergegen legte der Antragsteller Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ein.

Entscheidung: Terminsgebühr auch bei außergerichtlichem schriftlichem Vergleich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

Der Bundesgerichtshof hatte sich im vorliegenden Verfahren vor allem mit zwei Fragen zu beschäftigen:

  1. Handelt es sich beim einstweiligen Rechtsschutzverfahren um ein Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist?
  2. Genügt für das Entstehen einer Terminsgebühr, dass ein schriftlicher Vergleich nur außergerichtlich und nicht gerichtlich geschlossen wird?

Diese Fragen werden vom Bundesgerichtshof klar bejaht. Der Gebührentatbestand der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG erfordert für die Entstehung einer Terminsgebühr zunächst ein Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Im Zivilprozess ist der allgemeine Mündlichkeitsgrundsatz in § 128 Abs. 1 der Zivilprozessordung (ZPO) festgeschrieben. Ob dieser auch für das einstweilige Verfügungsverfahren gilt, war bisher umstritten. Oftmals wurde dies unter Verweis auf §§ 936, 922 ZPO abgelehnt, da das Gericht demnach nach eigenem Ermessen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden könne. Zwar bestätigt der Bundesgerichtshof, dass bei Vorliegen einer Ermessensentscheidung über das Durchführen einer mündlichen Verhandlung diese nicht als „vorgeschrieben“ i. S. d. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG gelten kann. Allerdings ist die Vorschrift des § 922 ZPO nicht anwendbar. Mit § 937 Abs. 2 ZPO existiert vielmehr eine Ausnahmevorschrift, die den Mündlichkeitsgrundsatz auch für das einstweilige Verfügungsverfahren bestätigt, da nach dieser Norm nur unter bestimmten Voraussetzungen, unter anderem in dringenden Fällen, ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine mündliche Verhandlung als Regelfall vorgesehen ist. § 937 Abs. 2 ZPO eröffnet dabei – anders als § 922 Abs. 1 ZPO – auch keinen Ermessenspielraum des Gerichts, sondern regelt lediglich Ausnahmefälle, was den Grundsatz bestätigt und eine mündliche Verhandlung damit auch für das einstweilige Verfügungsverfahren „vorschreibt“. Dieser Grundsatz wird nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch dann nicht berührt, wenn, wie vorliegend, aufgrund von Eilbedürftigkeit explizit beantragt worden ist, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Es entspreche gerade dem Sinn und Zweck der Terminsgebühr, wonach die oder der Prozessbevollmächtigte nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Gebühreninteresse und zur Vermeidung eines Gebührennachteils eine bestimmte Verfahrensform wählen, sondern von solchen Beweggründen unabhängig – auch zur Entlastung der Justiz – einen zusätzlichen Anreiz für eine möglichst frühe außergerichtliche Beilegung der Streitigkeit schaffen soll.

Darüber hinaus stellt der Bundesgerichtshof fest, dass der Gebührentatbestand der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG nicht voraussetzt, dass ein schriftlicher gerichtlicher Vergleich, das heißt protokolliert in einer mündlichen Verhandlung oder aber in seiner Wirksamkeit durch gerichtlichen Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgehalten, geschlossen wird. Eine solch einschränkende Auslegung gibt weder der Wortlaut der Norm, noch der Sinn und Zweck der Vorschrift her. Im Gegenteil würde eine solche Anwendung der Norm der Intention des Gesetzgebers widersprechen. Die Terminsgebühr auch bei schriftlichem Vergleich soll gerade Anreiz für die frühzeitige Beendigung der Streitigkeit sein. Dem würde durch das zusätzliche Formerfordernis eines gerichtlichen Vergleichs nicht entsprochen werden.

En passant hält der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss klarstellend fest, dass auch eine außergerichtliche Besprechung zur Erzielung einer einvernehmlichen Lösung nicht erforderlich ist, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Rechtsanwältin, die einen außergerichtlichen Vergleich im Wege schriftlicher Korrespondenz aushandelt, schlechter gestellt werden sollte, als die, die dies in einer Besprechung tut. Gerade diese Klarstellung dürfte aber für die rechtsanwaltliche Praxis von nicht unerheblicher Bedeutung sein. Ein (fern-)mündlicher Austausch ist damit nicht mehr Voraussetzung für das Entstehen der Terminsgebühr.

Fazit

Mit seinem Beschluss hat der Bundesgerichtshof Klarheit geschaffen über das Entstehen der Terminsgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Besonders praxisrelevant ist dabei die eher beiläufige Klarstellung, dass es keinen Unterschied machen kann, ob eine vergleichsweise Einigung mittels einer mündlichen Besprechung oder eben schriftlich zwischen den Prozessbevollmächtigten ausgehandelt wird. Dies trägt auch der Verwendung moderner Kommunikationstechnologien in der Realität rechtsanwaltlicher Praxis Rechnung. Damit hat der Bundesgerichtshof den Sinn und Zweck der Terminsgebühr betont und den Anreiz für eine einvernehmliche außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten bei gleichzeitiger Entlastung der Justiz bestätigt und gestärkt.

Autor/in
Dr. Stephan Bausch, D.U.

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Köln
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