06.10.2025

LAG Mecklenburg-Vorpommern: Mitarbeiter bekommt 11.000 Euro monatlich von lokalem Krankenhaus, ohne arbeiten zu müssen – und verklagt das Krankenhaus

Blogbeitrag Steinrück

Nach einer rund fünfjährigen vollständigen Freistellung kann es zulässig sein, im Rahmen einer Nebentätigkeit an anwaltlichen Mandaten gegen die Arbeitgeberin mitzuwirken, wenn ein Missbrauch vertraulicher Informationen aus dem Arbeitsverhältnis und eine Einflussnahme auf Entscheidungsträger zugunsten der Mandantschaft ausgeschlossen sind (Leitsatz des Gerichts, LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.08.2025 – 5 SLa 128/24).

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2007 als Personaldezernent und seit 2015 als Datenschutzbeauftragter beschäftigt. In seiner Tätigkeit sorgte er für eine rückwirkende Altersvorsorge seines Vorgesetzten Herrn G, welche die Beklagte einrichtete. Herr G ließ sich dann 2017 insgesamt 260.000 Euro aus dieser auszahlen. Ein Streit zwischen der Beklagten und dem Kläger entbrach. Daraufhin erbat die Beklagte 2018 um die Zustimmung des Betriebsrats, bezüglich einer Änderungskündigung des Klägers. Der Kläger war jedoch seinerseits seit 2017 Teil des Betriebsrats: Die Zustimmung wurde verweigert. Demzufolge erteilte die Beklagte dem Kläger ein Hausverbot, sowie eine unwiderrufliche Arbeitsfreistellung. Berücksichtigt hatte sie dabei jedoch offenkundig nicht, dass der Lohn fortgezahlt werden musste: 11.000 Euro monatlich. Auch dem Kläger entstanden Probleme: Aufgrund des Hausverbot konnte er fünf Jahre nicht an Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen, obwohl er 2021 erneut in diesen gewählt worden war. 2022 gründete der Kläger mit Herrn P eine Kanzlei, welche vier Mandate gegen die Beklagte führte. Zwei davon waren mit dem Aktenkürzel des Klägers versehen. Dies wurde als Verstoß gegen die Loyalitätspflicht aus dem Arbeitsverhältnis gesehen – dem Kläger wurde außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt. Er erhob Kündigungsschutzklage.

Entscheidung

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigt die Entscheidung des Arbeitsgerichtes und weist die Berufung der Beklagten zurück. Keine der Kündigungen ist rechtmäßig. Die Nebentätigkeit des Klägers als Jurist einer Kanzlei, welche Mandate gegen das Krankenhaus führte, verstößt nicht gegen eine Rücksichtnahmepflicht aus §241 II und somit gegen eine Loyalitätspflicht gegenüber der Beklagten. Die selbst gegründete Anwaltskanzlei steht nicht im Wettbewerb mit dem Krankenhaus: Es liegt kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot aus §60 HGB vor. Durch die vollständige Freistellung des Klägers, ist auch eine zeitliche Kollision mit etwaigen Arbeitspflichten ausgeschlossen. 

Seine Nebentätigkeit ist vielmehr ein Ausdruck seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG, da er über seine Arbeitskraft außerhalb seiner Arbeitszeit frei verfügen kann. Das LAG stellt auch keine Interessenskollision fest, die die Beklagte überhaupt zur Kündigung berechtigen könnte. Das gilt auch, wenn tatsächlich eine beratende Tätigkeit im Hintergrund stattgefunden hätte. Angesichts des langjährigen Hausverbots bestand keinerlei Risiko einer Verwertung vertraulicher Informationen oder Beeinflussung von Entscheidungsträgern. Ohnehin hätten der Beklagten durch die Mandate keinerlei Kosten entstehen können, die nicht rechtskonform gewesen wären. Das Argument der Beklagten, der Kläger hätte unzulässig finanziellen Profit aus seiner Tätigkeit gegen sie erzielt, scheitert an den Gehaltskürzungen durch Lohnanrechnung nach § 615 S.2 BGB. Es konnte keinerlei Pflichtverletzung des Klägers festgestellt werden, die jegliche Form der Kündigung rechtfertigen würde.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Gerichts zeichnet die Grenze der Loyalitätspflicht von Arbeitnehmern zu ihren Arbeitgebern deutlich auf. Selbst dann, wenn in den Augen der Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer aktiv gegen die eigenen Interessen gearbeitet wird, ist eine Kündigung nicht zwangsläufig zulässig. Die einfache Begründung: Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. 

Was hätte hier anders gemacht werden müssen? Arbeitgeber sollten sich bewusst sein: Eine unwiderrufliche Freistellung vor tatsächlicher Kündigung hat potenziell gravierende Folgen. Denn grundsätzlich geht diese mit einer Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers aus §615 BGB einher. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn eine Freistellung aus wichtigem Grund geschieht. Doch was ist ein wichtiger Grund? Es ist ein solcher, der – unter hohen Anforderungen – die Entgegennahme der Arbeitsleistung unzumutbar macht. Ratsam ist es, sich mit eventuellen Freistellungen auf den Zeitraum einer auslaufenden Kündigungsfrist zu beschränken. Außerdem: Liegen Umstände vor, die den Arbeitgeber zu einer unentgeltlichen Freistellung befähigen, so begründen diese ebenfalls zumindest eine ordentliche Kündigung.

Auch ein Hausverbot gegen ein Betriebsratsmitglied ist nach § 78 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) untersagt, was durch das Gericht mit dem besonderen Kündigungsschutz aus §15 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) begründet wird. 

Wissenschaftliche Mitarbeiter Florian Häming und Hannah Noemie Niesing, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin 

 

Autor/in
Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück

Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück
Partner
Berlin
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