19.03.2019

Be there or be square - Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens einer juristischen Person

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Hintergrund

19.03.2019

Be there or be square - Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens einer juristischen Person

Ordnet das Gericht das persönliche Erscheinen einer Partei an und bleibt diese – trotz ordnungsgemäßer Ladung – unentschuldigt der mündlichen Verhandlung fern, so kann das Gericht ein Ordnungsgeld festsetzen. Handelt es sich jedoch um eine juristische Person, so kann das Gericht nur die juristische Person selbst, nicht aber ihren gesetzlichen Vertreter sanktionieren.


 

Das Problem

Ist eine juristische Person Partei eines Zivilprozesses, stellen sich für ihre gesetzlichen Vertreter mannigfaltige Herausforderungen. Evident werden die Belastungen eines gerichtlichen Verfahrens, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen einer Partei anordnet. Oftmals ist es den gesetzlichen Vertretern einer juristischen Person nicht oder nur unter erheblichem Aufwand möglich, in jeder mündlichen Verhandlung physisch anwesend zu sein.
Gerade in Massenverfahren ist die Teilnahme an einer Vielzahl von mündlichen Verhandlungen gänzlich ausgeschlossen. Gleichwohl sind Gerichte gehalten, das persönliche Erscheinen – auch juristischer Personen – gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzuordnen, wenn sie dies zur Sachverhaltsaufklärung für geboten erachten. Parteien sind grundsätzlich gehalten, dieser Anordnung Folge zu leisten, droht doch andernfalls die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gemäß § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Abhilfe schafft insoweit § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO, der die Sanktionsandrohung entfallen lässt, wenn die persönlich geladene Partei einen Vertreter entsendet, der an ihrer statt zur Sachverhaltsaufklärung befähigt und insbesondere zum Vergleichsschluss bevollmächtigt ist.

An die Eignung eines solchen Vertreters werden indes hohe Maßstäbe angelegt. So soll der Vertreter einer juristischen Person beispielsweise nicht allein über den Informationsstand eines gesetzlichen Vertreters verfügen, sondern das konkrete Wissen des zuständigen Sachbearbeiters aufbieten können (BGH, Beschl. v. 12.06.2007 – VI ZB 4/07). Genügt ein in die mündliche Verhandlung entsandter Vertreter diesen Anforderungen nicht, so gilt die Partei als ausgeblieben und ein Ordnungsgeld kann ihr gegenüber festgesetzt werden.

Wen aber würde eine solches Ordnungsgeld adressieren? Den geladenen juristischen Vertreter – bspw. eine Geschäftsführerin – oder die juristische Person selbst?
 

Der Bundesgerichtshof

In einer maßgebenden Entscheidung (BGH, Beschl. v. 30.03.2017 – BLw 3/16) war der Bundesgerichtshof (BGH) mit just dieser Frage konfrontiert. Das Ausgangsgericht hatte das persönliche Erscheinen einer GmbH als Prozesspartei angeordnet und zu diesem Zwecke den GmbH-Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter geladen. Statt seiner trat in der mündlichen Verhandlung jedoch ein unterbevollmächtigter Rechtsanwalt auf, der zum Vergleichsschluss nicht bevollmächtigt war. Das Gericht setzte daher ein Ordnungsgeld von 200 Euro gegen den geladenen Geschäftsführer fest, ersatzweise eine Ordnungshaft von vier Tagen. Die sofortige Beschwerde dagegen hatte beim Beschwerdegericht zunächst hinsichtlich der Ordnungshaft, die Rechtsbeschwerde beim BGH schließlich in vollem Umfang Erfolg.

Der BGH hielt fest, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen den gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person keine Rechtsgrundlage habe. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Norm, der nicht zwischen juristischen und natürlichen Personen als Prozessparteien differenziere. Auch sei es Zweck der Norm die Sachverhaltsaufklärung zu fördern, was originäre Aufgabe der Prozessparteien sei. Diese müssten mithin auch alle Nachteile dieser Verpflichtung tragen – damit auch die Sanktion für deren Nichteinhaltung. Das Argument, dass ein Ordnungsgeld gegen ein vermögensloses, etwa insolventes, Unternehmen wirkungslos wäre und daher die gesetzlichen Vertreter direkt belangt werden müssten, überzeugte den BGH nicht. Schließlich könnten auch natürliche Personen in die Insolvenz geraten.

Ein Ordnungsgeld hätte also nur gegen die GmbH selbst festgesetzt werden können.
 

Die Konsequenzen für juristische Personen und ihre gesetzlichen Vertreter

Die Entscheidung des BGH macht deutlich: Wer als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person mit einem Ordnungsgeld oder gar einer Ordnungshaft sanktioniert wird, ist gut beraten, dagegen vorzugehen. Beides ist unzulässig.

Am sichersten allerdings – und auch das ergibt sich unmittelbar aus den Erwägungen des BGH – ist es für juristische Personen, im Zivilprozess von vornherein auf umfassend informierte und bevollmächtige Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zu setzen. Dies wird nicht allein den Interessen der betroffenen juristischen Personen, sondern auch denen ihrer Vertretern gerecht. Denn schließlich, so betont es der BGH, können die Unternehmen ihre im Prozess nicht erscheinenden – also pflichtwidrig handelnden – Vertreter in Regress nehmen. Bei Ordnungsgeldern jeweils in Höhe von bis zu 1.000 Euro (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB) drohen dem Einzelnen hier empfindliche Rückforderungen.

Um zu verhindern, dass sich solche Beträge gerade in Großverfahren summieren, ist die Auswahl kompetenter Prozessvertreter und deren Ausstattung mit Informationen und Vollmachten der beste Schutz. Sinnvoll ist es dabei, auf Sozietäten mit spezialisierter Prozessführungs- oder Litigation-Abteilung und engmaschiger interner Abstimmung zu setzen. Denn so kann sichergestellt werden, dass die notwendigen Informationen unter einer großen Anzahl von Prozessvertretern Verbreitung finden, mithin Sprechfähigkeit in allen Verfahren gesichert ist, und (Vergleichs-)Vollmachten im Sinne einer Gesamtstrategie eingesetzt werden können.

So können fähige Prozessvertreter die Festsetzung von Ordnungsgeldern regelmäßig verhindern oder im Fall der Fälle zu den Besonderheiten des Verfahrens so argumentieren, dass das Ermessen der festsetzenden Gerichte weitgehend zugunsten der betroffenen juristischen Personen ausgeübt werden wird.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
Telefon +49 221 9937 25782
 

 

Richard Wilhelm, LL.M.
Rechtsanwalt
Associate
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