24.10.2025

BAG zum Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung

BAG zum Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte sich in seinem Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az.: 8 AZR 300/24) mit der Frage des Bestehens und der Höhe eines Anspruchs auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung.

Hintergrund

Die als Führungskraft bei der Beklagten beschäftigte Klägerin verlangte von der Beklagten Zahlung einer Lohndifferenz für die Jahre 2018-2022 wegen einer von der Klägerin vorgetragenen Entgeltdiskriminierung. Die Höhe der Lohndifferenz begründete die Klägerin mit der Differenz zwischen ihrem Gehalt und dem höheren Gehalt eines von ihr konkret benannten männlichen Vergleichskollegen, hilfsweise zwischen ihrem Gehalt und dem höheren Medianwert ihrer männlichen Kollegen. 

Das ArbG Stuttgart lehnte zwar einen Anspruch der Klägerin auf den Differenzlohnanspruch zwischen ihrem individuellen Lohn und dem konkret benannten Gehalt des männlichen Kollegen ab, sprach ihr aber den Differenzlohnanspruch zwischen ihrem individuellen Lohn und dem Männer-Mediangehalt zu. Demgegenüber beschränkte das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 01.10.2024, Az.: 2 Sa 14/24) den Anspruch auf die Lohndifferenz zwischen dem Frauen- und dem Männer-Mediangehalt.

Das BAG hat die Revision der Klägerin und die beschränkte Anschlussrevision der Beklagten teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. 

Das LAG hatte entschieden, dass sich die Klägerin nicht auf eine einzige Vergleichsperson berufen könne. Es sei zur Darlegung des Indizes einer Geschlechterdiskriminierung i.S.d. § 22 AGG unzureichend, eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts mit höherer Vergütung zu benennen. Denn die männliche Vergleichsgruppe der Kollegen bestehe aus einer Vielzahl an Personen, wobei das Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe unstreitig bei allen Vergütungsbestandteilen unter dem gezahlten Entgelt des konkret benannten Kollegen liegt. Daher bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Ungleichbehandlung und damit kein Indiz i.S.d. § 22 AGG. 

Dem widersprach das BAG: Es bedürfe bei einer Entgeltgleichheitsklage schon keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine Ungleichbehandlung, da dieses Erfordernis mit dem Unionsrecht unvereinbar wäre. 

Das BAG führte weiter aus, dass es für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts genüge, wenn die Klägerin darlege und ggf. beweise, dass ihr Arbeitgeber einem beliebigen Kollegen, der gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, einen höheren Lohn zahle. Unbeachtlich für diese Vermutungswirkung sei die Größe der Vergleichsgruppe, sowie die Höhe der Mediangehälter der beiden Vergleichsgruppen. Nach Ansicht des BAG habe die Klägerin – unter Verweis auf die Angaben im Dashboard der Beklagten – in Bezug auf eine Vergleichsperson hinreichende Tatsachen vorgetragen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vermuten lassen. Das LAG wird nach Aussage des BAG im fortgesetzten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob die Beklagte diese Vermutung – ungeachtet des nach Ansicht des BAG intransparenten Entgeltsystems – widerlegt hat. Hierbei sei beiden Parteien Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrags zu geben.

Fazit

Das BAG stärkt mit dieser Grundsatzentscheidung die Rechte benachteiligter Personen, welche eine geschlechtsbedingte Lohndiskriminierung erfahren – in der Praxis zumeist Frauen. Entgegen der Auffassung des LAG ist nunmehr nicht mehr das Mediangehalt der Vergleichsgruppe maßgeblich, vielmehr ist auch eine Orientierung an einem Spitzengehalt möglich. Damit dürfte es zukünftig in vielen Fällen einfacher sein, eine Entgeltdiskriminierung darzulegen und entsprechende Lohndifferenzen einzufordern. Die für das kommende Jahr anstehende Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie  wird dies vorraussichtlich noch weiter erleichtern. Darauf sollten sich alle Beteiligten, insbesondere aber die Arbeitgeber, einstellen.

Autor/in
Hans-Christian Ackermann

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Barbara Enderle, LL.M. (Amsterdam)

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