28.02.2024

„Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld“ – Neue Verbraucherkreditrichtlinie in Kraft getreten

Hintergrund

Am 19. November 2023 ist die Richtlinie (EU) 2023/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/48/EG („Verbraucherkredit-RL 2023“) in Kraft getreten. Sie ist bis zum 20. November 2025 in das nationale Recht umzusetzen, und ihre Vorschriften sind ab dem 20. November 2026 anzuwenden. Die bisherige Richtlinie 2008/48/EG („Verbraucherkredit-RL 2008“) wird mit Wirkung zum 26. November 2026 aufgehoben.

Mit der Verbraucherkredit-RL 2023 verfolgte der europäische Gesetzgeber das Ziel, neben der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarktes den Verbraucherschutz zu stärken, insbesondere in Hinblick auf einen durch technologische Entwicklung veränderten Kreditmarkt.

1. Ausgedehnter Anwendungsbereich

Der Verbraucherkredit-RL 2023 kommt im Vergleich zur vorherigen Richtlinie 2008/48/EG ein ausgedehnter Anwendungsbereich zu. Sie gilt zwar nach deren Artikel 2 Abs. 1 wie bisher für Kreditverträge und damit für Verträge, bei denen ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht (vgl. Art. 3 Abs. 3 der Verbraucherkredit-RL 2023).

Allerdings wurden die Ausnahmetatbestände zum Teil neu gefasst. So ist eine Betragsuntergrenze nun nicht mehr vorgesehen – den Mitgliedstaaten bleibt es freilich vorbehalten, bei Darlehen von weniger als EUR 200,00 bestimmte Vorgaben der Verbraucherkredit-RL 2023 nicht umzusetzen – und die bisherige Obergrenze wird von EUR 75.000,00 auf EUR 100.000,00 erhöht.

Ferner werden vom Anwendungsbereich der Verbraucherkredit-RL 2023 grundsätzlich auch „zins- und gebührenfreie“, und damit unentgeltliche Kredite erfasst; die Verbraucherkredit-RL 2008 nimmt solche Kredite noch gänzlich von ihrem Anwendungsbereich aus. Von der Verbraucherkredit-RL 2023 erfasst sein können somit auch sog. „Buy Now Pay Later“ Modelle, in denen der Kreditgeber einem Verbraucher zins- und gebührenfrei einen Kredit gewährt, der ausschließlich dem Erwerb von Waren oder Dienstleistungen des Anbieters dient. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten Kreditverträge in Form von Debitkarten mit Zahlungsaufschub von der Anwendung der Richtlinie ausnehmen, wenn (i) sie von einem Kredit- oder Zahlungsinstitut bereitgestellt werden, (ii) der Kredit innerhalb von 40 Tagen zurückzuzahlen ist und vor allem (iii) der Kredit zinsfrei ist und nur geringe Gebühren für die Erbringung der Zahlungsdienstleistung anfallen.

Neu geregelt wurden auch die Vorgaben zu Kreditverträgen in Form von sog. Überziehungsmöglichkeiten und Überschreitungen. Die Verbraucherkredit-RL 2008 nimmt Kreditverträge in Form von Überziehungsmöglichkeiten, bei denen der Kredit binnen eines Monats zurückzuzahlen ist, vom Anwendungsbereich aus und erklärt auf Kreditverträge in Form von Überziehungsmöglichkeiten, bei denen der Kredit nach Aufforderung oder binnen drei Monaten zurückzuzahlen ist, sowie auf Kreditverträge in Form von Überschreitungen nur einzelne Vorschriften der Richtlinie für anwendbar. Demgegenüber nimmt die Verbraucherkredit-RL 2023 Kreditverträge in Form von Überziehungsmöglichkeiten auch bei ganz kurzer Laufzeit nicht mehr vom Anwendungsbereich aus. Für Kreditverträge in Form von Überschreitungen sind hingegen weiterhin nur einzelne Vorschriften der Verbraucherkredit-RL 2023 zu beachten.

2. Werbung für Verbraucherkreditverträge: „Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld“

Ferner enthält die Verbraucherkredit-RL 2023 konkrete Vorgaben für die Werbung für Kreditverträge. So haben die Mitgliedstaaten etwa vorzuschreiben, dass Werbung für Kreditverträge mit Verbrauchern einen klaren und auffallenden Warnhinweis enthalten muss, um Verbraucher darauf aufmerksam zu machen, dass Kreditaufnahme Geld kostet. Dabei muss die Formulierung „Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld“ oder einer gleichwertigen Formulierung verwendet werden (Art. 8 Abs. 1 Verbraucherkredit-RL 2023).

Außerdem sind Mitgliedstaaten verpflichtet, bestimmte Werbung für Kreditprodukte zu verbieten, etwa wenn Verbraucher zur Kreditaufnahme ermutigt werden, indem suggeriert wird, ein Kredit würde ihre finanzielle Situation verbessen (vgl. Art. 8 Abs. 7 lit. a) der Verbraucherkredit-RL 2023).

3. Ausweitungen der Informationspflichten

Noch einmal ausgeweitet werden mit der Verbraucherkredit-RL 2023 die Informationspflichten. So sieht Art. 9 der Verbraucherkredit-RL 2023 vor, dass der Kreditgeber den Verbrauchern jederzeit klare und verständliche Informationen über Kreditverträge auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger nach Wahl des Verbrauchers bereitstellen muss. Diese bislang im Anwendungsbereich der Wohnimmobilienkredit-RL (vgl. dort Art. 13) bekannte allgemeine Informationspflicht wird nunmehr auch auf die – nach deutscher Terminologie – Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge übertragen.  

Für die sog. Vorvertraglichen Informationen schreibt die Verbraucherkredit-RL 2023 nun eine bestimmte Anordnung vor. Einige besonders wichtige Informationen, die von der Richtlinie näher bezeichnet werden, müssen auffallend und am Anfang des Formulars auf lediglich einer Seite, höchstens aber auf zwei Seiten dargestellt werden. (Vgl. Art. 10 Abs. 3, 4 Verbraucherkredit-RL 2023). Der bisher bestehende Katalog an vorvertraglichen Informationspflichten wird durch Art. 10 Abs. 5 und Art. 11 Abs. 4 Verbraucherkredit-RL 2023 außerdem ergänzt. Beispielsweise sind folgende Informationen vorvertraglich aufzuführen:

  • Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Kreditgebers bzw. Kreditvermittlers. (Art. 10 Abs. 3 lit. l) Verbraucherkredit-RL 2023)
  • Ggf. der Hinweis, dass der Preis auf der Grundlage einer automatisierten Datenverarbeitung, einschließlich Profiling, personalisiert worden ist (Art. 10 Abs. 5 lit. m)

Werden vorvertragliche Informationen weniger als einen Tag vor dem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt, zu dem der Verbraucher durch den Kreditvertrag oder das Kreditangebot gebunden ist, dann muss der Kreditgeber oder Kreditvermittler den Verbraucher an sein Widerrufsrecht und an das Verfahren für den Widerruf erinnern (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 Verbraucherkredit-RL 2023). Diese Erinnerung muss dem Verbraucher innerhalb eines Zeitraums von einem bis sieben Tagen nach Abschluss des Kreditvertrags oder gegebenenfalls nach Abgabe des bindenden Kreditangebots durch den Verbraucher auf Papier oder auf einem anderen im Kreditvertrag benannten dauerhaften Datenträger nach Wahl des Verbrauchers übermittelt werden.

Es bleibt abzuwarten, ob die umfassenden vorvertraglichen Informationspflichten nach Art. 10 Abs. 5 und Art. 11 Abs. 4 Verbraucherkredit-RL 2023 in Deutschland auch für unentgeltliche und kurzfristige Darlehen (s.o.) sowie Bagatellkredite (unter EUR 200,00) eingeführt werden. Nach einer Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs. 8 Verbraucherkredit-RL  2023 kann der deutsche Gesetzgeber von einer solchen Umsetzung absehen.

4. Verschärfte Anforderung an Kreditwürdigkeitsprüfung

Die Verbraucherkredit-RL 2023 bringt auch eine Verschärfung bei der Kreditwürdigkeitsprüfung mit sich. Nach der Verbraucherkredit-RL 2008 hat der Kreditgeber vor Abschluss des Kreditvertrages die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers anhand ausreichender Informationen zu bewerten. Diese Vorgabe wurde in das BGB dahingehend umgesetzt, dass bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag der Kreditgeber den Verbraucherdarlehensvertrag nur schließen darf, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass keine erheblichen Zweifel daran bestehen, dass der Darlehensnehmer seinen im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehenden Verpflichtungen vertragsgemäß nachkommen wird.

Im Anwendungsbereich der Verbraucherkredit-RL 2023 darf hingegen ein Verbraucherdarlehensvertrag nur geschlossen werden, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag erfüllt werden. Dieser bislang aus Wohnimmobilienkredit-RL bekannte Maßstab (siehe Art. 18 Abs. 3 lit. a) Wohnimmobilienkredit-RL) wird nunmehr auch auf Verbraucherdarlehensverträge unter der Verbraucherkredit-RL 2023 übertragen und die Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung insoweit verschärft.

5. Form und Inhalt von Kreditverträgen

Auch nach der Verbraucherkredit-RL 2023 bedürfen Verbraucherdarlehensverträge nicht der Schriftform. Das nationale Recht ist bekanntlich strenger (vgl. § 492 Abs. 1 BGB) und es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber bei Umsetzung der Verbraucherkredit-RL 2023 die Formvorgaben lockert. Nach Art. 20 der Verbraucherkredit-RL haben die Mitgliedstaaten (nur) vorzuschreiben, dass Kreditverträge und etwaige Änderungen auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger erstellt werden müssen und dass alle Vertragsparteien eine Kopie des Kreditvertrages erhalten müssen.

Ausgeweitet werden die im Kreditvertrag aufzuführenden Pflichtangaben. So müssen künftig unter anderem auch die Telefonnummern und die E-Mail-Adresse der Vertragsparteien im Kreditvertrag enthalten sein, die Art des dauerhaften Datenträgers, die der Verbraucher für den Erhalt bestimmter Informationen ausgewählt hat sowie die „einschlägigen Kontaktdaten von Anbietern von Schuldnerberatungsdiensten und eine Empfehlung an den Verbraucher, sich im Falle von Rückzahlungsschwierigkeiten an diese zu wenden“. Übersichtlicher wird ein Verbraucherkreditvertrag also nicht.

6. Begrenzung des Widerrufsrechts

Auch nach der Verbraucherkredit-RL 2023 hat der Verbraucher das Recht, „den Kreditvertrag innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen ohne Angabe von Gründen [zu] widerrufen“. Dabei beginnt die Widerrufsfrist entweder am Tag des Vertragsschlusses oder an dem Tag, an dem – vereinfacht gesagt – der Verbraucher die Vertragsbedingungen erhält, sofern dieser Tag zeitlich nach dem Tag des Vertragsschlusses liegt.

Anders als bislang enthält die Verbraucherkredit-RL 2023 indes eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1der Verbraucherkredit-RL 2023 endet die Widerrufsfrist in jedem Fall 12 Monate und 14 Tage nach Abschluss des Kreditvertrags. Dies gilt freilich nicht, wenn der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.

7. Fazit

Die Verbraucherkredit-RL 2023 führt einmal mehr zu einer Ausweitung der regulatorischen Vorgaben für die Finanzwirtschaft, insbesondere zu einer Ausweitung von Informationspflichten. Kritische Stimmen, die seit Jahren vor einem information overload warnen, finden offenbar weiterhin kein ausreichendes Gehör. Die Kreditwirtschaft muss sich auf einen nicht unerheblichen Umsetzungsaufwand vorbereiten, der sich nach Auffassung der Kommission auf ca. EUR 1,5 Milliarden beläuft. Sie ist angesichts der umfangreichen Änderungen gut beraten, sich früh mit der Umsetzung zu befassen. 

Autor/in
Daniel Latta

Daniel Latta
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Paula Dresler

Paula Dresler
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