28.10.2021

Online-Wahl des Betriebsrats?

Das allgegenwärtige Thema der Digitalisierung macht auch vor den Betriebsratswahlen nicht halt. Unternehmen haben ein großes Interesse daran, die Durchführung ihrer Betriebsratswahl als Online-Wahl anzubieten, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, Kosten zu sparen und Fehler zu vermeiden. Dies birgt jedoch rechtliche Risiken.

Bisher analoge Wahl

Wie die Betriebsratswahl genau stattzufinden hat, ist im BetrVG und in der WO geregelt.

Danach gelten für die Stimmabgabe – grob vereinfacht – die analogen Regelungen, wie sie auch bei parlamentarischen Wahlen zur Anwendung kommen: Grundsätzlich geben Wähler vor Ort (im Wahllokal des Betriebs) ihre Stimme ab. Hierbei kreuzen sie auf dem Stimmzettel per Stift ihre bevorzugte Vorschlagsliste an und legen den Stimmzettel anschließend in einem Wahlumschlag in die Wahlurne (§§ 11 ff. WO).

Ergänzend dazu existiert die Möglichkeit einer schriftlichen Stimmabgabe (§§ 24 ff. WO). Anders als etwa bei der Briefwahl bei Bundestagswahlen ist die schriftliche Stimmabgabe bei Betriebsratswahlen jedoch nicht grundlos möglich. Sie setzt vielmehr voraus, dass die wahlberechtigte Person bei der Wahl nicht im Betrieb ist und ihre Stimme deshalb nicht selbst vor Ort an der Wahlurne abgeben kann. Die schriftliche Stimmabgabe ist wörtlich zu verstehen: Hier muss ebenfalls analog mit einem Stift die Wahl auf dem Stimmzettel ausgeübt, dieser in einem Wahlumschlag verschlossen und sodann an den Wahlvorstand zurückgeschickt/-gegeben werden.

Vorschläge aus der Praxis

Eine Online-Wahl ist also gesetzlich bislang nicht normiert. Die vorhandenen Regelungen zur Stimmabgabe lassen sich auch nicht so auslegen, dass sie eine digitale Stimmabgabe gestatten.

Diese veralteten rechtlichen Rahmenbedingungen werden in der Praxis zunehmend kritisiert. Mehr und mehr Mitarbeiter arbeiten digital, von zu Hause oder unterwegs sowie zeitlich flexibel. Eine Urnen- bzw. Briefwahl wirkt sehr antiquiert und schreckt insbesondere Jüngere ab.

Eine wirksame Betriebsverfassung lebt jedoch davon, dass der Betriebsrat über eine hohe demokratische Legitimation verfügt und die gesamte Belegschaft vertritt. Es liegt im Interesse aller, eine hohe Wahlbeteiligung zu ermöglichen. Langfristig wird dies nur mit dem – fakultativen – Angebot einer Online-Wahl gelingen. Gleichzeitig werden hierdurch die Kosten und die menschliche Fehleranfälligkeit reduziert.

Deshalb haben sich verschiedene Unternehmen bereits in der Vergangenheit bewusst dafür entschieden, die Online-Wahl als zusätzliche Option anzubieten (z. B. T-Systems, Beiersdorf). Sie haben hierbei durchweg positive Erfahrungen gemacht und gerade die Wahlbeteiligung steigern können.

Der Gesetzgeber ist am Zug

Die Gesetzesreformen der letzten Jahre haben diese Überlegungen bislang nicht aufgegriffen. Weder im Zuge der allgemeinen Überlegungen zur Arbeit 4.0 (siehe etwa das Weißbuch Arbeiten 4.0 des BMAS aus dem Jahr 2017) noch durch das jüngst in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde eine entsprechende Modernisierung des Wahlverfahrens vorgenommen.

Dies dürfte insbesondere der Sorge um vermeintliche Sicherheitsrisiken geschuldet sein. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht 2007 in seinem Wahlcomputer-Urteil (2 BvC 3/07) strenge Anforderungen an die Vereinbarkeit von Wahlgeräten mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl angelegt. Es existieren allerdings durchaus Anbieter, deren Software vom BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) zertifiziert und damit als sicher eingestuft ist.

Immerhin einen kleinen Schritt nach vorne hat der Gesetzgeber 2020 gewagt, wenn auch nur in einem äußerst abseitigen Bereich des Sozialversicherungsrechts: Die Wahlen der Vertreter der Versicherten bei bestimmten Arten von Krankenkassen können im Rahmen eines Modellprojekts im Jahr 2023 zusätzlich per Online-Wahl stattfinden (§ 194a SGB V). Abhängig von den dort gemachten Erfahrungen könnte anschließend auch das Thema Digital-Update der Betriebsratswahlen wieder auf die politische Agenda gelangen.

Rechtsfolgen einer Online-Wahl

Die Durchführung einer Online-Wahl stellt einen Verstoß gegen das Wahlverfahren dar und berechtigt daher zur Anfechtung der Betriebsratswahl (§ 19 BetrVG). Voraussetzung dafür ist aber, dass dieser Verstoß sich kausal auf das Wahlergebnis auswirken kann und die Anfechtung innerhalb von einer Frist von zwei Wochen erfolgt.

Ob die Online-Wahl darüber hinaus sogar zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führt, ist zweifelhaft. Das LAG Hamburg hat dies in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (8 TaBV 5/17) – anders als die Vorinstanz – verneint.

Autor/in
Dr. Paul Gooren, LL.M. (Chicago)

Dr. Paul Gooren, LL.M. (Chicago)
Partner
Berlin
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