20.04.2020

Corona-Beihilfen für die Luftfahrtindustrie

Hintergrund

Luftfahrtunternehmen und Flughafenbetreiber sind von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen. Mehrere EU-Mitgliedstaaten haben bereits reagiert und der Luftfahrtindustrie staatliche Unterstützung gewährt. Handelt es sich bei diesen Unterstützungsmaßnahmen um Beihilfen gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV darf sie der Mitgliedstaat erst dann gewähren, wenn die Europäische Kommission („Kommission“) sie genehmigt hat. Dies geschieht derzeit sehr schnell (siehe 1.). Erinnert sei daran, dass Maßnahmen, die Unternehmen aller Branchen, also nicht nur der Luftfahrtindustrie, zu Gute kommen, überhaupt keiner Genehmigung durch die Kommission bedürften (siehe 2.). Die kommenden Wochen und Monate dürften gekennzeichnet sein durch eine Reihe weitere Entscheidungen der Kommission, etwa zu direkten Beteiligungen von EU-Mitgliedstaaten an Unternehmen (insbesondere der Luftfahrtindustrie), Klagen von Unternehmen, die sich durch die Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Wettbewerb benachteiligt fühlen und Forderungen von Verbraucherschützern, Fluggastrechte zu sichern (siehe 3.).

1. Einzelfall-Genehmigungen von Beihilfen für die Luftfahrtindustrie

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Kommission mehrere Maßnahmen zur Stützung der Luftfahrindustrie schnell genehmigt. Wir nennen hier vier (Stand 17. April 2020). Weitere dürften bald folgen.


Bürgschaften Schwedens für Kredite zur Unterstützung von Luftfahrtunternehmen

Schweden gewährt Bürgschaften für Kredite an Luftfahrtunternehmen, die vom Coronavirus-Ausbruch betroffenen sind. Die Höhe dieser Zusagen ist auf insgesamt EUR 455 Mio. begrenzt. Schweden will damit sicherstellen, dass Linienfluggesellschaften, Betreiber von Ambulanzflügen sowie Anbieter von Hubschrauberflügen ausreichend Kredite erhalten, um ihre Tätigkeit während und nach der derzeitigen Krise fortsetzen zu können. Die Kommission genehmigte diese Bürgschaften am 11. April 2020 auf Grund des sog. „Befristeten Rahmens“, den die Kommission am 19. März 2020 veröffentlicht und zuletzt am 3. April 2020 erweitert hatte. Beim Befristeten Rahmen handelt es sich um eine Mitteilung, unter welchen Voraussetzungen die Kommission Beihilfen zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie schnell genehmigt, weil sie gem. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV „zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ dienen (weitere Informationen zum Befristeten Rahmen auf www.luther-lawfirm.com/newsroom/blog/detail/staatliche-beihilfen-und-die-corona-pandemie). Da die Bürgschaftsregelung Schwedens die Vorgaben des Befristeten Rahmens einhält, genehmigte die Kommission diese Beihilfe innerhalb von ca. zweieinhalb Wochen. Zu den Vorgaben des Befristeten Rahmens, die Schwedens Maßnahme einhält, gehören insbesondere die Obergrenzen für die Höhe der Bürgschaften, deren Laufzeit sowie Mindestanforderungen an den Avalzins.


Belgien stundet Flughafenbetreibern Konzessionsgebühren

Eine weitere staatliche Hilfsmaßnahme, die die Kommission auf Grundlage des Befristeten Rahmens am 11. April 2020 genehmigte, ist die belgische Regelung zur Stundung der Konzessionsgebühren, die die Flughafenbetreiber in Wallonien den wallonischen Behörden entrichten müssen. Diese Stundungsregelung erfüllt die Voraussetzungen des Befristeten Rahmens, insbesondere zur Höchstdauer der Stundung von sechs Jahren und zur Mindestvergütung für die Gläubiger der Gebührenforderung (die wallonischen Behörden).


Frankreich stundet Fluggesellschaften Gebühren

Eine der belgischen Stundungsmaßnahme ähnliche Regelung Frankreichs zur Gunsten von Fluggesellschaften in Frankreich hatte die Kommission bereits am 31. März 2020 genehmigt. Diese Genehmigung hatte die Kommission jedoch nicht auf Grundlage des Befristeten Rahmens ausgesprochen, sondern auf Grundlage des Art. 107 Abs. 2 b) AEUV. Dieser setzt voraus, dass Beihilfen ausschließlich zur Kompensation der Auswirkungen der Corona-Pandemie gewährt werden. Der beihilfengewährende EU-Mitgliedstaat muss also insbesondere darlegen, dass

  • der behauptete Schaden ausschließlich durch die Corona-Pandemie verursacht wurde und
  • die angemeldete Beihilfe ausschließlich der Wiedergutmachung dieses Schadens dient.

Diese Voraussetzungen sah die Kommission als erfüllt an.


Garantie Dänemarks für eine Kreditlinie der skandinavischen Fluggesellschaft SAS

Eine weitere Genehmigung, in der sich die Kommission nicht auf den Befristeten Rahmen stützt, sondern auf Art. 107 Abs. 2 b) AEUV, stammt vom 15. April 2020. Dänemark übernimmt zu Gunsten der skandinavischen Fluggesellschaft SAS eine Garantie für bis zu ca. EUR 137 Mio. zur Absicherung einer revolvierenden Kreditfazilität. Die Kommission zeigte sich insoweit flexibel, als sie es als ausreichend erachtete, dass SAS dem dänischen Staat nachträglich den Vorteil wieder ausgleicht, der den auf Grund der Corona-Pandemie erlittenen Schaden übersteigt. Die Methode zur Berechnung der durch die Corona-Pandemie erlittenen Verluste muss von der Kommission genehmigt werden.

2. Nicht-sektorspezifische Fördermittel

Wie alle anderen Branchen auch kann die Luftfahrtindustrie selbstverständlich staatliche Fördermaßnahmen in Anspruch nehmen, die allen Unternehmen und Wirtschaftszweigen gleichermaßen zu Gute kommen, wie etwa Subventionierung von Kurzarbeit, Lohnzuschüsse oder Steuervorteile (z. B. Stundung von Körperschafts- und Umsatzsteuer oder Sozialbeiträgen). Diese Maßnahmen enthalten keine Begünstigung eines bestimmten Unternehmens(zweigs) und stellen daher keine genehmigungspflichtige Beihilfe i.S.v. Art 107 Abs.1 AEUV dar.

3. Ausblick

Erweiterung des Befristeten Rahmens um staatliche Beteiligungserwerbe

Den Befristeten Rahmen hat die Kommission bereits einmal um weitere Maßnahmen ergänzt, die sie schnell genehmigen wird, etwa staatliche Zuschüsse zum Eigenkapital einzelner Unternehmen. Zu erwarten ist zudem eine zweite Erweiterung des Befristeten Rahmens um eine Möglichkeit zur schnellen Genehmigung der direkten Beteiligung von EU-Mitgliedstaaten an Unternehmen zu Bedingungen, die unterhalb von Marktkonditionen liegen. Solche direkten Beteiligungen wurden insbesondere von der Luftfahrtindustrie gefordert. In ihrem Vorschlag vom 9. April 2020 zur Ergänzung des Befristeten Rahmens formuliert die Kommission Anforderungen an Einstieg, Vergütung und Ausstieg des Staates. Zudem will sie an die Auszahlung von Boni oder Dividenden durch die Beihilfenempfänger bestimmte Voraussetzungen knüpfen.


Ryanair kündigt Klagen gegen Fördermaßnahmen an

Die Fluggesellschaft Ryanair hat angekündigt, gegen die Hilfsmaßnahmen Schwedens und Dänemarks zu Gunsten von Fluggesellschaften vor den Unionsgerichten klagen zu wollen. Denn diese Maßnahmen kämen nicht Ryanair, sondern nur seinen Wettbewerbern zu Gute. So stehen etwa die Hilfsmaßnahmen Schwedens nur solchen Fluggesellschaften zur Verfügung, die ihren Hauptgeschäftssitz in Schweden haben.


Verbraucherschutz

Der europäische Verbraucherschutzverband BEUC hat von der Kommission gefordert, jede Hilfsmaßnahme für Luftfahrtunternehmen oder die Reiseindustrie künftig auch davon abhängig zu machen, dass diese Unternehmen ihren Kunden die Ticketpreise für stornierte Flüge erstatten. Mit einer solchen Bedingung könnten die Rechte der Verbraucher gemäß der Fluggastrechteverordnung durchgesetzt werden. Vorbild könne eine dänische Hilfsmaßnahme in Höhe von EUR 200 Mio. Euro zu Gunsten der dänischen Reiseindustrie sein, die von der Kommission am 2. April 2020 genehmigt wurde. Danach gewährt Dänemark ein Darlehen an einen Reisegarantiefonds, der es Reise- und Ausflugsveranstaltern ermöglicht, ihre Kunden zu entschädigen, ohne dass diesen Liquidität genommen wird.

Autor/in
Dr. Helmut Janssen, LL.M. (King's College London)

Dr. Helmut Janssen, LL.M. (King's College London)
Partner
Brüssel, Düsseldorf
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