06.04.2023

Newsletter Commercial 1. Ausgabe

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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wir melden uns mit dem ersten Luther-Newsletter zum Handels- und Vertriebsrecht im Jahr 2023.

Die in dieser Ausgabe behandelten Themen bilden eine große Bandbreite ab. Dr. Johannes Teichmann und Rebecca Romig behandeln eine neue Entscheidung des EuGH zum Verbraucherschutz im AGB-Recht, die auch in Deutschland zu einer Änderung der Rechtslage führen dürfte. Volker Steimle und Dr. Christian Rabe stellen die datenschutzrechtlichen Schranken und Vorgaben zur Geltendmachung des Vertragshändlerausgleichs dar. Jens-Uwe Heuer-James bewertet die neue Möglichkeit einer digitalen Betriebsanleitung nach der neuen EU-Maschinenverordnung. Dr. Steffen Gaber und Sandra Schüle-Bausch berichten über die aktuelle Entwicklung betreffend das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ole-Jochen Melchior gibt einen Überblick zur Rechtslage nach dem 10. Sanktionspaket der EU gegen Russland. Gunner Müller-Henneberg befasst sich in seinem Beitrag mit der Rechtslage zur Überschuldung.

Die Autoren folgen dem Grundsatz, trotz der bestehenden Komplexität der rechtlichen Verschränkungen und Verzweigungen den Kern der Entwicklung auf den Punkt zu bringen und einfach zu erklären. Gern stehen wir Ihnen zur Verfügung bei einer vertieften Betrachtung und Beratung zu diesen oder anderen rechtlichen Fragestellungen.

Wir wünschen Ihnen neue Erkenntnisse bei der Lektüre dieser Beiträge und eine schöne Osterzeit!

 

Dr. Steffen Gaber, LL.M. (Sydney)                  Dr. Paul Derabin
Head of Commercial                                       Legal Content Coordinator

Commercial.Handelsrecht: EuGH: Kein weiches Zurückfallen auf Gesetzesrecht bei unwirksamen B2C-AGB

Einleitung

Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 8. Dezember 2022 – C-625/21 über einen wichtigen Fall zu entscheiden: Was passiert, wenn der Unternehmer sich in seinen AGB Rechte gegenüber dem Verbraucher einräumt, die gegen AGB-Recht verstoßen? Fällt er dann auf die Rechte des dispositiven Gesetzesrechts zurück, also auf die Rechtslage, die ohne die AGB-Klausel bestünde? Oder hat er gar keine Rechte? Der EuGH ist streng und verweigert dem Unternehmer im Regelfall die Rechte nach dem dispositiven Gesetzesrecht.

In Deutschland führt dies zur Frage, ob § 306 BGB, der die Rechtsfolgen bei unwirksamen AGB-Klauseln regelt, mit Unionsrecht vereinbar ist.

Sachverhalt

Ein österreichischer Verbraucher erwarb bei einem Möbelhaus eine Küche für ein noch zu kaufendes Haus. Der Hauskauf kam nicht zustande. Da der Verbraucher infolgedessen das Interesse an der Küche verloren hatte, erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag. Daraufhin forderte das Möbelhaus Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns.

Der Küchenkaufvertrag beruhte auf den AGB des Möbelhauses. Diese sahen vor, dass das Möbelhaus nach seiner Wahl, wenn der Kunde ohne Grund vom Vertrag zurücktritt, entweder einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises oder den tatsächlich entstandenen Schaden verlangen kann. Letztere Alternative spiegelt das dispositive österreichische Gesetzesrecht wieder.

Das Möbelhaus klagte Schadensersatz auf Grundlage seines tatsächlich entstandenen Schadens ein, da dieser höher lag als die Schadenspauschale.

Die österreichischen Gerichte entschieden, dass die AGB-Klausel unwirksam ist. Der EuGH hatte nun darüber zu entscheiden, ob die durch Unwirksamkeit der Klausel entstandene Lücke im Vertrag durch Rückgriff auf dispositives Recht geschlossen werden kann.

Entscheidung

Der EuGH entschied, dass der gewerbliche Verkäufer keinen Schadensersatz auf Basis des dispositiven Rechs verlangen kann, wenn eine Schadensersatzklausel im Verbrauchervertrag für unwirksam erklärt worden ist und der Vertrag ohne diese Klausel aber fortbestehen kann (Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen („Richtlinie“)).

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie legt fest, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Der Vertrag bleibe aber bindend, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind damit der Verwendung missbräuchlicher Klausen ein Ende gesetzt wird.

Der EuGH begründete seine Entscheidung wie folgt:

Die Schadensersatzklausel ist unteilbar und in ihrer Gesamtheit unwirksam. Sie kann nicht aufrecht erhalten werden, soweit sie auf die Rechtsfolge des dispositiven Gesetzesrecht verweist. Eine Teilaufrechterhaltung hat der EuGH wegen der Wahlmöglichkeit des Möbelhauses abgelehnt, da dieses je nach Günstigkeit entweder die überhöhte Pauschale oder den tatsächlich entstandenen Schaden verlangen könne. Der Mechanismus ermöglicht es dem Möbelhaus, eine Entschädigung zu verlangen, die den ihm tatsächlich entstandenen Schaden übersteigen kann. Diese führt zu einem erheblichen Ungleichgewicht zum Nachteil des Verbrauchers. Die Unwirksamkeit der Schadenspauschale infiziert daher auch den Anspruch auf den tatsächlich entstandenen Schaden.

Der EuGH bestätigte auch seine vorherige Rechtsprechung, wonach eine unwirksame B2C-AGB-Klausel nicht in jedem Fall durch dispositives nationales Recht ersetzt werden darf, um die vermeintliche Lücke zu füllen.

Die Entscheidung bedeutet indes nicht, dass ein Zurückfallen auf Gesetzesrecht immer ausgeschlossen ist. Vielmehr legt der EuGH die Prüfungsschritte dar, die ein nationales Gericht vorzunehmen hat, um ausnahmsweise eine Klausel durch dispositives nationales Recht zu ersetzen:

Ist die Klausel unwirksam?

Führt die Unwirksamkeit der Klausel dazu, dass der Vertrag insgesamt nichtig ist?

Ist eine solche Nichtigkeit des gesamten Vertrages für den Verbraucher besonders nachteilig, so dass dieser dadurch geschädigt würde?

Erst wenn alle diese Fragen mit „ja“ beantwortet werden können, kann das nationale Gericht die unwirksame Klausel mit dispositivem Recht ersetzen, sofern der Vertrag dadurch aufrechterhalten werden kann. In allen anderen Fällen ist der Rückgriff auf die Vorschriften des nationales Rechts unzulässig. Eine unwirksame Klausel darf daher eigentlich nur durch eine dispositive Gesetzesvorschrift ersetzt werden, wenn der Vertrag ansonsten in seiner Gesamtheit nichtig wäre.

Das österreichische Gericht muss nun prüfen, ob der Fortbestand des Kaufvertrages nach Streichung der Schadensersatzklausel rechtlich möglich ist. Sofern dies der Fall ist, wovon auszugehen ist, hat das Möbelhaus keinen Anspruch auf Schadensersatz, obwohl die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs nach österreichischem Gesetzesrecht eigentlich erfüllt wären.

Nach dem EuGH ist es unerheblich, dass der Verbraucher durch die Nichtigkeit der Klausel von jeglicher Schadensersatzpflicht befreit ist. Hierdurch werde das Ziel von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen, sichergestellt.

Bewertung

Die Entscheidung fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des EuGH ein. Durch die Entscheidung sollen Unternehmer effektiv davor abgeschreckt werden, missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu verwenden. Diesem Ziel kommt der EuGH durch diese Entscheidung einen Schritt näher.

Kritisch ist anzumerken, dass der EuGH dabei jedoch das vertraglich vereinbarte Äquivalenzprinzip außer Acht lässt: Der Verbraucher tritt ohne Grund zurück, der Unternehmer bleibt auf dem dadurch entstandenen Schaden sitzen. Ein billiger Ausgleich der Interessen findet nicht statt. Im Gegenteil: Der Verbraucher steht besser da, als er auf Basis des Gesetzesrechts, das um einen billigen Ausgleich bemüht ist, stehen würde. Im Ergebnis führt dies zu einer Sanktionierung des Unternehmers. Aus Sicht des EuGH ist dies aber eine logische Konsequenz, um dem EU-Recht zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen.

Auswirkungen auf das deutsche Recht und B2B-Verträge

Die EuGH-Rechtsprechung hat Auswirkungen auf § 306 BGB.

§ 306 BGB regelt die Rechtsfolgen bei unwirksamen AGB-Klauseln:

§ 306 Abs. 1 BGB legt fest, dass der Vertrag wirksam bleibt, sofern einzelne AGB unwirksam sind.

§ 306 Abs. 2 BGB regelt, dass sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften richtet, soweit AGB unwirksam sind.

§ 306 Abs. 3 BGB regelt, dass der Vertrag als Ganzes unwirksam ist, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

§ 306 Abs. 1 BGB steht im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie und der EuGH-Rechtsprechung.

Anders sieht dies jedoch bei § 306 Abs. 2 und 3 BGB aus.

Ein Rückgriff auf Gesetzesrecht zur Lückenfüllung im Fall einer unwirksamen Klausel, wie es § 306 Abs. 2 BGB als Regelfall vorsieht, ist laut EuGH gerade nicht zulässig. Diese Rechtsfolge – so der EuGH – darf nur eintreten, wenn die Unwirksamkeit der Klausel zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages führen würde und dies für den Verbraucher nachteilig wäre.

Auch § 306 Abs. 3 BGB steht nicht im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung. Diese Vorschrift stellt auch auf das Interesse des Unternehmers ab, indem es darauf ankommt, ob die Unwirksamkeit des Vertrages für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte wäre. Auf den Unternehmer kommt es laut EuGH jedoch nicht an, sondern ausschließlich auf den Verbraucher. Denn nur so wird die gewollte Abschreckungswirkung und größtmögliche Effektivität der Klauseln erreicht.

Beide Absätze sind daher nicht mit Unionsrecht vereinbar. Sie sind für Verbraucher-AGB richtlinienkonform auszulegen. Inwiefern dies aufgrund des doch abweichenden Wortlauts überhaupt möglich ist, erscheint zweifelhaft. Das wäre aber nicht das erste Mal, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung über den Wortlaut hinaus erfolgt. Andernfalls wird der deutsche Gesetzgeber § 306 Abs. 2 und 3 BGB für Verbraucher-AGB anpassen müssen.

Eine Auswirkung auch auf B2B-Verträge ist aus unserer Sicht bislang nicht zu befürchten. Weder in der Literatur noch der Rechtsprechung gibt es für eine solche Tendenz Anhaltspunkte. Die Richtlinie, auf die sich der EuGH beruft, betrifft nur Verbraucherrecht. Die deutschen Gerichte werden § 306 Abs. 2 und 3 BGB daher nur bei Verbraucherverträgen unionsrechtskonform auslegen. Bei B2B-Verträgen hingegen ist eine solche Auslegung weder erforderlich noch geboten. Hier sollten sich die Gerichte weiterhin an den Wortlaut und die bisherige Auslegung von § 306 Abs. 2 und 3 BGB halten. Alles andere wäre contra legem. Es bleibt auch zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber § 306 Abs. 2 und 3 BGB nur für Verbraucher-AGB anpasst.

Folgen für die Praxis

Die Folgen eines Verstoßes gegen AGB-Recht werden im B2C-Geschäft für Unternehmen immer einschneidender. Neben der Unwirksamkeit der Klausel und Unterlassungsklagen nach dem UWG kommt das Abschneiden der gesetzlichen Rechte hinzu. Das hat klaren Strafcharakter für Unternehmen. Sie werden sich davor hüten müssen, Klauseln, die noch nicht gerichtlich erprobt sind und ein Risiko darstellen, zu verwenden. Dies gilt umso mehr, als die Rechtsprechung der deutschen Gerichte zum AGB-Recht teils unvorhersehbar ist.

Unternehmer sollten ihre Verbraucher-AGB dahingehend überprüfen, ob sie an der einen oder anderen Stelle einen aggressiveren Ansatz gewählt haben mit dem vermeintlich ruhigen Gefühl, dass sie schlimmstenfalls auf Gesetzrecht zurückfallen könnten. Dies könnte ihnen jetzt auf die Füße fallen.

Commercial.Vertriebsrecht: Anspruchsverlust durch Datenschutz

Kein nachvertraglicher Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers bei fehlender Einwilligung der Kunden zur Weitergabe ihrer Daten?

Der nachvertragliche Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers nach § 89b HGB analog ist ein regelmäßiger Streitpunkt nach Beendigung von Händlerverträgen. Für den Prinzipal ist er typischerweise mit einer erheblichen Kostenbelastung verbunden; für den Vertragshändler stellt er dagegen einen wichtigen Vermögensbestandteil dar. Ein Stolperstein hierbei kann sich daraus entwickeln, wenn der Händler den Schutz personenbezogener Daten seiner Kunden nicht ausreichend beachtet hat. Ein Problem stellt sich hierbei, wenn der Vertragshändler nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Ausgleichsanspruch für von ihm geworbene Kunden geltend macht ohne eine schriftliche Einwilligung dieser Kunden in die Weitergabe ihrer Daten an den Prinzipal und die Nutzung ihrer Daten zu Werbezwecken durch den Prinzipal vorlegen zu können.

Hintergrund

Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 89b HGB stellt Entschädigung und nachgelagerte Vergütung für den Vorteil dar, den der Prinzipal mit den vom Vertragshändler geworbenen Kunden nach Ende des Vertragshändlervertrages ziehen kann. Angesichts der Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt sich allerdings die Frage, ob zu diesem Vorteil auch solche Kunden zu zählen sind, die zuvor nicht schriftlich eingewilligt haben, dass der Prinzipal ihre vom Vertragshändler übermittelten Daten (insb. für werbliche Zwecke) nutzt, um die Geschäftsbeziehung nach Ende des Vertragshändlervertrages aufrechtzuerhalten. Denn entscheidende Grundlage jedes Ausgleichsanspruchs eines Vertragshändlers nach § 89b HGB analog ist, dass der Prinzipal aus dem vom Vertragshändler während der Vertragsdauer aufgebauten Kundenstamm an Stamm- oder Mehrfachkunden auch nach Beendigung des Händlervertrags unmittelbar weiterhin einen Nutzen ziehen kann. Unternehmervorteil – und nur dieser ist durch den Ausgleichsanspruch zu vergüten – kann daher nur ein solcher vom Vertragshändler geworbener Stamm- oder Mehrfachkunde sein, zu dem der Prinzipal die durch den Händler aufgebaute Kundenbeziehung auch tatsächlich weiter nutzen kann. Dem können datenschutzrechtliche Beschränkungen entgegen stehen.

Keine Anwendbarkeit der DSGVO auf Daten juristischer Personen

Die DSGVO regelt nur den Schutz personenbezogener Daten und erfasst damit alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, wohingegen die Daten juristischer Personen nicht durch das Datenschutzrecht geschützt werden. Bei der Zugehörigkeit einzelner Unternehmen zum Kundenkreis des Vertragshändlers handelt es sich mithin nicht um personenbezogene Daten, sondern um Sachdaten, die aus datenschutzrechtlicher Sicht irrelevant sind. Allenfalls die Information über die konkreten Ansprechpartner beim Kunden sowie deren Kontaktdaten weist einen Personenbezug auf. Allerdings liegt dieser Personenbezug nur vor, wenn die Kontaktdaten die Identifikation individueller Personen erlauben.

Hat die betroffene Person ihre schriftliche Einwilligung in die Nutzung ihrer Daten durch den Unternehmen beispielsweise für Werbezwecke erteilt, ist die Verarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO zulässig. Fehlt eine ausdrückliche Einwilligung in die Übermittlung der personenbezogenen Daten hingegen, kann in der Regel von einer konkludenten Einwilligung der Mitarbeiter der Kunden ausgegangen werden.

Aufgrund seiner Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO trägt der Unternehmer aber die Nachweispflicht dafür, dass die Mitarbeiter in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt haben. Sich auf die Abgabe konkludenter Einwilligungen zu verlassen, birgt mithin Gefahren, sodass unter einer datenschutzrechtlichen Perspektive die Einholung schriftlicher Einwilligungen vorzugswürdig ist.

Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen des Vertragshändlers

Unabhängig davon, ob eine Einwilligung in die Übermittlung der Kontaktdaten vom Vertragshändler an den Hersteller vorliegt, wird die Weitergabe dieser Daten wohl in vielen Fällen von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO gedeckt sein. Danach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig, wenn diese zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und die Interessen der betroffenen Personen am Ausschluss der Datenverarbeitung nicht überwiegen.

Ein berechtigtes Interesse im Sinne der Norm könnte der Vertragshändler haben, wenn er nach Vertragsbeendigung dem Unternehmer die Kundendaten übermittelt, um sich den Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zu sichern. Dieses wirtschaftliche Interesse ist für den Vertragshändler deshalb von Bedeutung, da Vertragshändler und Unternehmer gleichermaßen von der langjährigen Zusammenarbeit profitiert haben und der nachvertragliche Ausgleichsanspruch sowohl Entschädigung als auch nachgelagerte Vergütung für den Aufbau eines Kundenstamms durch den Vertragshändler darstellt. Dafür, dass das Interesse der Kunden am Ausschluss der Verarbeitung nicht das Interesse des Händlers an der Datenverarbeitung überwiegt, wird sprechen, wenn es sich bei den verarbeiteten personenbezogenen Daten lediglich um berufliche Kontaktdaten handelt und die Weitergabe der Daten branchenüblich ist.

Damit die Interessenabwägung aber zugunsten der Nutzung der Daten durch den Händler bzw. den Prinzipal ausgeht, muss eine Information der Kunden über die Weitergabe ihrer Daten an den Prinzipal durch den Vertragshändler nach Art. 13 DSGVO erfolgen. In diesem Fall entspricht die Weitergabe der Kundendaten den berechtigten Erwartungen der Kunden. Folglich kann die Übermittlung der personenbezogenen Daten des Kunden an den Prinzipal auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO gestützt werden, sodass es einer Einwilligung nicht bedarf.

Der Prinzipal wiederum kann die Kundendaten ebenfalls auf Grundlage der Interessenabwägungsklausel des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO für das Direktmarketing zur Fortführung der Geschäftsbeziehung mit den Kunden nutzen. Diese Befugnis gilt z. B. für Briefwerbung, da für diesen Kanal keine besonderen wettbewerbsrechtlichen Einwilligungsanforderungen bestehen. Direktwerbung ist ein von der Datenschutzgrundverordnung anerkanntes berechtigtes Interesse. Voraussetzung ist aber auch hier, dass der Unternehmer, der die Daten vom Vertragshändler erhält, die betroffenen Personen unter Berücksichtigung der in Art. 14 Abs. 3 DSGVO genannten Fristen über die eigene Datenverarbeitung informiert.

Ohne vorherige Einwilligung des Empfängers ist aber die Kontaktaufnahme per E-Mail weiterhin untersagt. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, der für Werbung mittels elektronischer Post eine vorherige Einwilligung des Empfängers verlangt.

Weitergabe der Daten in der Unternehmenspraxis

Nur selten holen Unternehmen schriftliche Einwilligungen zur Weitergabe von Kontaktdaten ein. De facto nutzen Unternehmen zur Geschäftsanbahnung auch nach Beendigung des Vertragshändlervertrages die vom Vertragshändler übermittelten Daten und stellen dabei auf die Zulässigkeit der Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen ab. Unter einer datenschutzrechtlichen Perspektive empfiehlt es sich ergänzend darauf zu achten, die Betroffenen über die Datenverarbeitung zu informieren, um den Anforderungen des Datenschutzrechts zu entsprechen und hohe Bußgelder zu vermeiden.

Ohne eine vorherige schriftliche Einwilligung der Kunden ist der Prinzipal jedoch auf eine postalische Kontaktaufnahme zu den übernommenen Kunden beschränkt. Zur Vermeidung des wettbewerbsrechtlichen Vorwurfs einer unzulässigen Belästigung ist anzuraten, dafür zu sorgen, dass der Vertragshändler die Einwilligung des Kunden einholt, damit der Prinzipal ihn nach Übernahme per E-Mail kontaktieren darf.

Im Ergebnis wird daher in vielen Fällen ein nachvertraglicher Ausgleichsanspruch auch für solche Kunden zu bezahlen sein, für die keine schriftliche Einwilligungserklärung des Kunden vorliegt. Allerdings ist dies stets eine Frage des Einzelfalls und mag nach Ende des Händlervertrags durchaus zu Streit zwischen den Vertriebspartnern führen.

Commercial.Compliance: Die digitale Betriebsanleitung für Maschinen

Wälder für Maschinen: Betriebsanleitungen für komplexe Maschinen können etliche Seiten von Papier füllen. Da ist es verständlich, wenn schon seit Langem der Wunsch nach der Digitalisierung von Betriebsanleitungen besteht. Ein Einstieg bietet sich nun mit der Revision der Maschinen-Richtlinie.

Gesetzgebungsverfahren auf der Zielgeraden

Der Europäische Rat hat zusammen mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission im Rahmen des sog. Trilogverfahrens am 25. Januar 2023 den finalen Kompromissvorschlag für eine Maschinen-Verordnung vorgestellt, die die Richtlinie 2006/42/EG (sog. Maschinen-Richtlinie) ersetzen soll. Das Gesetzgebungsverfahren soll noch vor dem Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlamentes in diesem Jahr zum Abschluss gebracht werden.

Anforderungen an die Betriebsanleitung bislang

Nach der aktuellen Rechtslage müssen Hersteller ihren Maschinen ausführliche Betriebsanleitungen in Papierform beifügen. Die Betriebsanleitungen müssen zudem in der Sprache des Nutzerlandes vorliegen. Lässt sich dies für den Hersteller nicht voraussehen, bleibt nur der Weg der Übersetzung in alle Amtssprachen der EU. Diese vergrößert naturgemäß den Druckaufwand erheblich.

Digitalisierung der Betriebsanleitung durch die künftige Maschinen-VO

Nach Art. 10 Abs. 7 i.V.m. Anhang III Punkt 1.7.4. des finalen Kompromissvorschlags der Maschinen-VO kann die Betriebsanleitung künftig auch digital bereitgestellt werden. Dies ist zweifellos der erhoffte Schritt in die richtige Richtung. Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang doch noch etliche Fallstricke.

Nach dem Vorschlag soll der Hersteller Art. 10 Abs. 7 UAbs. 2 weiterhin zusätzlich die Sicherheitsinformationen in Papierformat zur Verfügung stellen, die wesentlich für die Inbetriebnahme der Maschine oder des verwandten Produkts und für deren sichere Verwendung sind. Dies gilt, sofern die Maschine oder das verwandte Produkt für die nicht-professionelle Verwendung bestimmt sind oder wenn diese den nach vernünftigerweise vorhersehbaren Umständen von nicht-professionellen Verwendern genutzt werden kann, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind.

In der Praxis lassen sich jedoch sicherheitsrelevante von nicht sicherheitsrelevanten Inhalten der Betriebsanleitung nicht trennen. Demnach sind nach dem aktuellen, finalen Kompromissvorschlag künftig digitale Betriebsanleitungen primär für den Vertrieb von Maschinen im B2B-Bereich zulässig und nicht im B2C-Bereich.

Zudem wird nach dem aktuellen Entwurfsstand die Möglichkeit zur Lieferung der digitalen Anleitung durch Art. 10 Abs. 7 UAbs. 1 a.E. dadurch aufgeweicht, dass der Hersteller auf Wunsch des Endkunden binnen sechs Monaten ab Kauf der jeweiligen Maschine Papierfassungen der Betriebsanleitungen kostenlos nachliefern muss. Nach dem aktuellen Wortlaut des Entwurfs wird man davon ausgehen müssen, dass diese Frist mit dem Erwerb der Maschine durch den Endkunden zu laufen beginnt. Dies würde dazu führen, dass der Hersteller unter Umständen noch lange Zeit nach dem Inverkehrbringen der Maschine damit rechnen muss, dass, wenn der Endkunde die Maschine erworben hat, dieser innerhalb der ersten sechs Monate eine Papierfassung der Betriebsanleitung verlangt und er diese nachreichen muss. Ein Umstand, der für die betroffenen Hersteller zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde, da diese im Zweifel lange die analogen Betriebsanleitungen in allen möglichen Sprachen vorhalten müssen, ggf. sogar, wenn sie die Maschine gar nicht mehr selbst vertreiben.

Die Beschränkung, dass gemäß Art. 10 Abs. 7 UAbs. 2 des Entwurfs der Hersteller von Maschinen bei B2C-Geschäften weiterhin eine Betriebsanleitung in Papierform bereitstellen muss, greift die Sorge einiger Mitgliedsstaaten auf, dass die Kenntnisnahme der Betriebsanleitung in ausschließlich digitaler Form durch Verbraucher unter Umständen nicht stets sichergestellt werden könne.

Somit soll nach dem Entwurf der Verbraucherschutz Vorrang vor der Entlastung der Hersteller genießen. Demnach ist die Betriebsanleitung in Papierform im B2C-Bereich nicht die Ausnahme, sondern die ausnahmslose Regel. In diesem Bereich wird nach dem aktuellen Entwurf demnach sicherlich keine Erleichterung für die Hersteller von Maschinen eintreten.

Was bedeutet Digitalisierung der Anleitung?

Was genau unter der Digitalisierung der Betriebsanleitung zu verstehen ist, lässt der aktuelle Entwurf offen. In Art. 10 Abs. 7 lit. a-c) des finalen Kompromissvorschlags der Maschinen-VO sind lediglich Anforderungen an den Hersteller formuliert, wie die Betriebsanleitung in digitalem Format bereitgestellt werden muss.

So muss der Hersteller auf dem Maschinenprodukt und in einem Begleitpapier angeben, wie auf die digitalen Anweisungen zugegriffen werden kann. Außerdem muss der Hersteller die Betriebsanleitung in einem Format bereitstellen, da es dem Endverwender ermöglicht, die Anweisungen auszudrucken und herunterzuladen und sie auf einem elektronischen Gerät zu speichern, sodass er jederzeit, insbesondere bei einem Ausfall der Maschine, darauf zugreifen kann. Dies gilt auch, wenn die Betriebsanleitung in die Software der Maschine eingebettet ist. Die digitale Betriebsanleitung muss für die erwartete Nutzungsdauer der Maschine oder des verwandten Produkts und nicht weniger als zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen der Maschine oder des verwandten Produkts online zugänglich sein. Zudem muss gemäß Art. 10 Abs. 7 des Entwurfs eindeutig beschrieben sein, welchem Produktmodell die Betriebsanleitung und die Informationen entsprechen.

Die digitale Betriebsanleitung muss zudem die auch bislang bestehenden allgemeinen Anforderungen an die Betriebsanleitung erfüllen.

Gemäß Art. 10 Abs. 7 i.V.m. Anhang III Punkt 1.7.4.1. lit. d) muss bei der Formulierung und Gestaltung der Betriebsanleitung einer Maschine oder eines verwandten Produkts, das zur Verwendung durch Laien bestimmt ist, der allgemeine Bildungsstand und die vernünftigerweise von den Bedienern zu erwartenden Kenntnisse berücksichtigt werden. Die Gebrauchsanweisungen und Informationen müssen gemäß Art. 10 Abs. 7 UAbs. 3 des Entwurfs klar, verständlich, nachvollziehbar und lesbar sein und in einer Sprache abgefasst sein, die von den Benutzern leicht verstanden werden kann.

Die Maschinen-Verordnung folgt damit dem Gebot der „Technikneutralität“ und überlässt die technische Umsetzung den Unternehmen. Diese stehen damit vor der Situation, die bisherige Informationsmasse aus der Betriebsanleitung in ein digitales Format zu überführen, das zugleich die Nutzbarkeit der Anleitung und insbesondere ihre Verständlichkeit gewährleistet. Dies können simple Ansätze zur Digitalisierung wie das Erstellen einer PDF-Datei sicherlich nicht leisten. Die Informationen müssen didaktisch aufbereitet sein, ein Führen des Nutzers durch die digitale Informationsmasse ist erforderlich. Dies ist äußerst anspruchsvoll.

Ändern sich dadurch die Anforderungen an die Betriebsanleitung?

Im Vergleich zur noch aktuellen Rechtslage nach der Maschinen-Richtline werden sich die Anforderungen an die Betriebsanleitung nach dem jetzigen Entwurfsstand der Maschinen-Verordnung nur punktuell verändern. Zu unterscheiden ist hier insbesondere zwischen dem B2B- und B2C-Bereich. Bei letzterem wird es bei der ausnahmslosen Verpflichtung für die Hersteller bleiben, die Betriebsanleitung in Papierform und in der jeweiligen Sprache der Maschine beizufügen. Lediglich im B2B-Bereich wird es nach dem aktuellen Stand zu Änderungen und potenziell Erleichterungen für die Hersteller kommen. Sie können in diesem Bereich auch eine rein digitale Betriebsanleitung zur Verfügung stellen, müssen jedoch nach Aufforderung durch den Endkunden innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Erwerb der Maschine, der unter Umständen sehr lange nach Inverkehrbringen erfolgt sein kann, eine Papierfassung der Betriebsanleitung nachreichen. Im B2B-Bereich besteht daher ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wobei die Regel die digitale und die Ausnahme die analoge Betriebsanleitung sein wird.

Somit werden nach dem Stand des finalen Kompromissvorschlags die Vorschriften zur Betriebsanleitung nur partiell eine Änderung durch die neue Maschinen-Verordnung erfahren.

Fazit

Die EU-Maschinen-Verordnung soll voraussichtlich noch 2023 erlassen werden. Sie wird nach Art. 52 des finalen Kompromissvorschlags 42 Monate nach ihrem Inkrafttreten anwendbar sein. Die Hersteller müssen daher ab Ende 2026 bzw. Anfang 2027 die neue Maschinen-Verordnung umsetzen. Dieser Zeitraum ist eher knapp bemessen. Erfahrungsgemäß führen Digitalisierungsprojekte in der technischen Dokumentation schon alleine aufgrund der Notwendigkeit der Schaffung der technischen Möglichkeiten zu einem erheblichen Aufwand auch in zeitlicher Hinsicht. Es ergibt sich daher unmittelbar Handlungsbedarf für die Unternehmen, bereits jetzt in die Planung und Umsetzung der digitalen Betriebsanleitung einzusteigen.

Commercial.Compliance: Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz in der Umsetzung

Stolpersteine bei der wirksamen Implementierung der „Sorgfaltspflichten“ in der Lieferkette

Hintergrund

Zum 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengestz („LkSG“) in Kraft getreten. Dieses begründet nunmehr für Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben und in der Regel mehr als 3.000 Mitarbeiter (ab 1. Januar 2024 mehr als 1.000 Mitarbeiter) beschäftigen, umfangreiche Sorgfaltspflichten. Diese Sorgfaltspflichten sind in angemessener Weise zu beachten mit dem Ziel, menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren sowie die Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu beenden oder in ihren Auswirkungen zu minimieren. Über eine im LkSG angelegte Weitergabeverpflichtung der insofern von unter den Anwendungsbereich des LkSG fallenden Unternehmen definierten „Erwartungen“ an ihre Zulieferer, strahlen die im LkSG begründeten Sorgfaltspflichten auf die gesamte Lieferkette aus. Hierdurch sind auch Unternehmen, die die genannten Schwellenwerte nicht erreichen, mittelbar von den Vorgaben des LkSG betroffen.

Die in § 3 Abs. 1 S. 2 LkSG gelisteten Inhalte der Sorgfaltspflichten sind umfassend. Sie beginnen bei der Einrichtung eines Risikomanagements, gehen über die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen beim Unternehmen selbst sowie dessen unmittelbaren Zulieferern (sowie in Ausnahmefällen beim mittelbaren Zulieferer), die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens und dem Ergreifen von Präventionsmaßnahmen sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch gegenüber unmittelbaren Zulieferern bis hin zur Dokumentation und Berichterstattung. Konkrete Umsetzungshinweise, um diese umfangreichen gesetzlichen Anforderungen in der Praxis angemessen zu erfüllen, enthält das LkSG hingegen nur wenige.

In der Regierungsbegründung wurde jedenfalls im Hinblick auf die Umsetzung der Präventionsmaßnahmen der Hinweis gegeben, dass insofern neben der Erstellung eines Verhaltenskodexes, der die geltenden Standards für eigene Mitarbeitende konkretisiert (Code of Business Conduct („CoC“)), mit Blick auf die Lieferkette die Erstellung von Verhaltenskodizes für (potentielle) Vertragspartner, in denen „die menschenrechtlichen Erwartungen konkretisiert werden“, sinnvoll seien. Bei der Neuerstellung oder Anpassung eines solchen Verhaltenskodex für den Lieferanten (Supplier Code of Conduct („SCoC“)) ist es darüber hinaus ratsam, zur Erfüllung der Vorgaben des LkSG zusätzlich weitere Inhalte als die bloße Konkretisierung der Erwartungen aufzunehmen. Ferner wird insgesamt bei der inhaltlichen Ausgestaltung des SCoC äußerste Sorgfalt geboten sein. Dies aus folgenden Gründen:

Umfang der Weitergabeverpflichtung in der Lieferkette

Für – basierend auf den Erkenntnissen der Risikoanalyse – „angemessene Präventionsmaßnahmen“ gegenüber einem unmittelbaren Zulieferer, mit dem sich eine Vertragsbeziehung anbahnt oder bereits eine Vertragsbeziehung besteht, gibt das LkSG zunächst in § 6 Abs. 4 verschiedene Regelbeispiele vor.

„Erwartungen“ sind nicht gleich „Sorgfaltspflichten“

Hierunter fällt gem. § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG die vertragliche Zusicherung des unmittelbaren Zulieferers, dass dieser „die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Vorgaben“ einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert. Für die Gestaltung des SCoC von besonderem Interesse ist dabei zunächst, dass der unmittelbare Zulieferer damit ausweislich des insofern klaren Wortlauts also gerade nicht auf die Erfüllung der umfangreichen Sorgfaltspflichten, wie sie in § 3 LkSG definiert sind, zu verpflichten ist. Dies würde auch verwundern, da der Gesetzgeber dann unter den Anwendungsbereich des LkSG fallende Unternehmen die Aufgabe übertragen hätte, auf vertraglichem Weg den Anwendungsbereich des LkSG auf ihre unmittelbaren Zulieferer zu erweitern.

Vielmehr soll ausweislich der Regierungsbegründung im Wege der vertraglichen Ausgestaltung allein sichergestellt werden, dass die „menschenrechtsbezogenen Erwartungen“ vom unmittelbaren Zulieferer und in der weiteren Lieferkette – d. h. durch Vorlieferanten – erfüllt werden. Bei diesen menschenrechtsbezogenen Erwartungen handelt es sich um eben jene menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen, die das Unternehmen – auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Risikoanalyse – in der Grundsatzerklärung eben zu dem Zweck festlegt, diese an seine Beschäftigten, Vertragspartner und mittelbaren Zulieferer zu richten („Erwartungen“).

Darüber hinaus ergibt sich damit bereits aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG, dass über die Konkretisierung der Erwartungen hinaus eine vertragliche Zusicherung auf die Einhaltung und angemessene Weitergabe der Erwartungen in der Lieferkette erfolgen muss. Da sich die Erwartungen basierend auf der regelmäßig zu erneuernden Risikoanalyse verändern können, sollte die vertragliche Zusicherung dabei ferner so ausgestaltet sein, dass die Erwartungen auch nach Vertragsabschluss abhängig von den Ergebnissen der Risikoanalyse dynamisch angepasst werden können.

Weitere angemessene Präventionsmaßnahmen

Zur Durchsetzung der vertraglichen Zusicherungen nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 LkSG sieht § 6 Abs. 4 Nr. 3 LkSG sodann die Vereinbarung angemessener vertraglicher Kontrollmechanismen sowie die Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen vor. Auf Grundlage dieser Kontrollmechanismen sollen weiter gem. § 6 Abs. 4 Nr. 4 LkSG risikobasierte Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden.

Auch insofern müssen entsprechende Pflichten seitens des Lieferanten bzw. (Eingriffs-)Rechte der Unternehmen explizit vertraglich begründet werden. Hierbei ist insbesondere an die Einräumung von Auditrechten zu denken. Diese können in unterschiedlicher Weise vereinbart werden, so beispielsweise durch die Aufnahme von eigenen Kontrollrechten vor Ort, durch mit Audits beauftragte Dritte sowie durch die Inanspruchnahme anerkannter Zertifizierungs-Systeme oder Audit-Systeme, soweit diese die Durchführung unabhängiger und angemessener Kontrollen gewährleisten. Darüber hinaus bietet es sich an, korrespondierende Sanktionen aufzunehmen für den Fall, dass der Zulieferer seinen so begründeten Pflichten nicht nachkommt. Ausweislich der Regierungsbegründung kommen insofern insbesondere die Aufnahme eine Vertragsstrafe, ein Recht zur zeitweisen Aussetzung der Geschäftsbeziehung oder eine Möglichkeit zur Streichung des Lieferanten von der Vergabeliste in Betracht.

Insofern stellt sich die Frage nach den (Unter- und Ober-)Grenzen für die konkrete Ausgestaltung entsprechender Vertragsklauseln. Einen Ansatzpunkt bietet insoweit das Prinzip der Angemessenheit. Dieses Prinzip, das im LkSG über die Angemessenheitskriterien nach § 3 Abs. 2 näher definiert wird, ist ausweislich der Regierungsbegründung auf alle Sorgfaltspflichten, bei denen es durch das Wort „angemessen“ in Bezug genommen wird, anzuwenden. Damit ist das Prinzip der Angemessenheit auch bei der Festlegung der „angemessenen“ Präventionsmaßnahmen nach § 6 Abs. 4 LkSG zu beachten.

Hinweise zur Angemessenheit

Mit der Einführung des Prinzips der Angemessenheit sollte für jedes Unternehmen ein flexibler Ermessens- und Handlungsspielraum in Bezug auf das „Wie“ der Umsetzung der Sorgfaltspflichten im LkSG etabliert werden. Welche Risiken das Unternehmen auf welche Weise, in welcher Reihenfolge und Intensität anzugehen hat, hängt dabei maßgeblich von der individuellen Unternehmens- und Risikosituation – und damit den Ergebnissen der Risikoanalyse – ab.

Nach den in § 3 Abs. 2 LkSG festgelegten Kriterien bestimmt sich die Angemessenheit der Maßnahme maßgeblich nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher, der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung, der Umkehrbarkeit und der Wahrscheinlichkeit der Verletzung sowie nach der Art des Verursachungsbeitrages des Unternehmens.

Das Prinzip der Angemessenheit steht dabei in engem Zusammenhang mit dem Prinzip der Wirksamkeit, das wiederum der Zielsetzung des LkSG dient. Wirksam sind gem. § 4 Abs. 2 LkSG Maßnahmen, „die es ermöglichen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen und zu minimieren sowie Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu verhindern, zu beenden oder deren Ausmaß zu minimieren, wenn das Unternehmen diese Risiken oder Verletzungen innerhalb der Lieferkette verursacht oder dazu beigetragen hat.“ Daher darf nur aus wirksamen Maßnahmen eine angemessene Auswahl getroffen werden.

Im Ergebnis bedeutet das, dass die Auswahl unter den genannten Maßnahmen als auch die Vereinbarung weiterer Präventionsmaßnahmen sowie deren konkrete Ausgestaltung entlang der Prinzipien der Wirksamkeit und Angemessenheit unterschiedlich ausfallen kann und ggfs. muss. Im Rahmen dieser Prinzipien haben Unternehmen aber grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum. Dies stellt eine besondere Herausforderung für die vertragliche Gestaltung dar.

Natürlich könnten Unternehmen insofern den Ansatz verfolgen, möglichst weitreichende Pflichten für den Lieferanten und korrespondierende Eingriffsrechte zu statuieren. Allerdings dürfte diese Vorgehensweise zum einen zu entsprechender Gegenwehr beim Vertragspartner führen. Zum anderen sind bei der Aufnahme solcher Regelungen in SCoCs im Hinblick auf die Klauselgestaltung regelmäßig die insofern bestehenden Grenzen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB“) zu beachten (siehe hierzu näher sogleich).

Weitere sinnvolle Inhalte eines Supplier Code of Conducts

Neben den sich aus § 6 Abs. 4 LkSG ergebenden Präventionsmaßnahmen kann es sinnvoll sein, noch weitere vertragliche Verpflichtungen des Lieferanten aufzunehmen, die den Unternehmen dabei helfen sollen, die eigenen materiellen Sorgfaltspflichten zu erfüllen sowie die Durchsetzung der übernommenen Verpflichtungen zu sichern.

Hier ist insbesondere an Klauseln zu denken, die den Unternehmen die Erfüllung der Pflicht zur Durchführung der Risikoanalyse auch beim Lieferanten erleichtern, vgl. § 5 Abs. 1 LkSG. Auch sind in diesem Zusammenhang Klauseln zur Umsetzung des je konkreten Risikomanagementsystems eines Unternehmens zu nennen, § 4 Abs. 1 und 2 LkSG. Im Hinblick auf Letzteres könnte sogar so weit gegangen werden, den Zulieferer zur Einrichtung eines eigenen Management- und Kontrollsystems zu verpflichten. Da dies für den Zulieferer – sofern es sich bei diesem nicht selbst um ein Unternehmen handelt, das dem Anwendungsbereich des LkSG unterfällt – einen hohen zusätzlichen Umsetzungsaufwand bedeuten würde, könnten solche Klauseln insbesondere unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten aber als unangemessen benachteiligend und damit unwirksam angesehen werden. Schließlich ist die Aufnahme eines außerordentlichen Kündigungsrechts im Einklang mit § 7 Abs. 3 LkSG ratsam.

Herausforderungen bei der Gestaltung wirksamer Regelungen nach deutschem (AGB-)Recht

Für den Fall, dass auf die der Lieferbeziehung zu Grunde liegenden Vertragsdokumente und damit regelmäßig auch den SCoC deutsches Recht Anwendung findet, ist darüber hinaus bei der Klauselgestaltung grundsätzlich das AGB-Recht zu berücksichtigen. Bei den Inhalten von SCoCs dürfte es sich regelmäßig auch um AGB handeln, da diese vorformuliert sind und nur im Einzelfall individuell ausgehandelt werden dürften mit der Folge, dass deren Inhalte den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB standhalten müssen, sollen die Vorgaben des LkSG wirksam implementiert werden.

Wurde der SCoC wirksam in die Geschäftsbeziehung einbezogen, kommt es im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit seiner Inhalte maßgeblich darauf an, ob die Regelungen den Vertragspartner im Sinne des § 307 Abs. 1 und 2 BGB unangemessen benachteiligen, was im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Interessenlage und der Gesamtumstände zu prüfen ist.

Insofern verändert sich jedenfalls die konkrete Interessenlage des Klauselverwenders, soweit – wie nunmehr durch das LkSG – vom Gesetzgeber bspw. die vertragliche Vereinbarung und/oder Weitergabe von bestimmten Pflichten einschließlich entsprechender Kontrollmechanismen und -maßnahmen verlangt wird. Dies hat im Hinblick auf die Gestaltung des SCoC zur Folge, dass insofern berücksichtigt werden muss, dass im Anwendungsbereich des LkSG liegende Klauseln AGB-rechtlich wirksam sein können, die außerhalb des Anwendungsbereichs unwirksam wären und umgekehrt.

Dies führt dazu, dass bei Anwendbarkeit deutschen Rechts ein SCoC, der von dem Anwendungsbereich des LkSG unterfallenden Unternehmen verwendet wird, inhaltlich anders ausgestaltet sein muss, als ein von nicht direkt vom Anwendungsbereich des LkSG betroffenen Unternehmen in der Lieferkette.

Verhältnis zu weiteren internationalen Standards

In SCoCs dürften sich künftig sowohl Handlungsvorgaben für den Lieferanten finden, die sich aus den in den Nummern 1 bis 11 („Geschützte Rechtspositionen“, vgl. § 2 Abs. 1 LkSG) sowie Nummern 12 bis 14 („umweltbezogene Pflichten“, vgl. § 2 Abs. 3 LkSG) der Anlage zum LkSG gelisteten Übereinkommen ableiten und damit in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, als auch für weitere Aspekte insbesondere der sog. „ESG-Compliance“. Der Begriff „ESG“ steht für die drei Säulen: „Environmental“, „Social“ und „Governance“ und hat sich als Überbegriff zur Kategorisierung von Corporate Social Responsibility („CSR“) Themen etabliert.

Vor dem Hintergrund der dargestellten AGB-rechtlichen Erwägungen sollte daher künftig darüber nachgedacht werden, entsprechende Implementierungs- und Sanktionsklauseln einerseits für die aus den Geschützten Rechtspositionen und umweltbezogenen Pflichten abgeleiteten Erwartungen und andererseits für die übrigen ESG-Standards inhaltlich unterschiedlich auszugestalten und damit zu trennen. Dies empfiehlt sich im Übrigen schon deshalb, weil insofern der Grundsatz der doppelten Inhaltskontrolle Anwendung finden dürfte. Hiernach müssen sowohl die auf einen bestimmten Standard (für das LkSG die konkrete Erwartung) verpflichtende Klausel selbst, als auch die (Sanktions-)Klausel, die auf den Standard Bezug nimmt, wirksam sein.

Risiken bei der konzernweiten Nutzung eines einheitlichen Supplier Code of Conducts

Aus den obigen Erwägungen ergibt sich damit, dass die inhaltliche Ausgestaltung eines SCoC variieren wird je nachdem,

ob das den SCoC verwendende Unternehmen dem Anwendungsbreich des LkSG unterfällt;

ob auf die Inhalte des SCoC regelmäßig deutsches Recht Anwendung findet; sowie

welche Maßnahmen basierend auf der Risikoanalyse als angemessen anzusehen sind.

In einem Konzern werden sich regelmäßig Unternehmen finden, für die diese Kriterien unterschiedlich zu beantworten sein werden. Dies könnte zumindest bei Anwendbarkeit deutschen Rechts zur Folge haben, dass pauschale Regelungen in SCoC einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten werden. Für den Fall, dass auf den SCoC deutsches Recht keine Anwendung findet, könnten pauschale Regelungen zwar nach der entsprechenden Rechtsordnung wirksam sein. Fraglich ist dann aber, ob ein solcher SCoC bei den in der Lieferkette nachfolgenden Zulieferern Akzeptanz findet. Vor diesem Hintergrund ist von der einheitlichen Verwendung eines nicht auf die Unterschiede unter den Konzerngesellschaften angepassten SCoC abzuraten.

Handlungsempfehlung

Im Ergebnis ist allen Beteiligten in der Lieferkette, insbesondere den Einkaufsabteilungen von Unternehmen, anzuraten, durch Anpassung der entsprechenden Vertragsdokumente basierend auf einer Risikoanalyse die Vorgaben des LkSG angemessen umzusetzen. Hierbei ist grundsätzlich der Supplier Code of Conduct das Mittel der Wahl. Nichtsdestotrotz muss darauf geachtet werden, dass dieser sinnvoll in die bestehende Vertragsstruktur eingebettet wird.

Bei der Auswahl der Inhalte des Supplier Code of Conducts wiederum ist für unter den Anwendungsbereich des LkSG fallende Unternehmen eine andere Herangehensweise zu empfehlen, als für (un)mittelbar betroffene Zulieferer. Darüber hinaus wird bei der Formulierung der Erwartungen, der Auswahl der Präventionsmaßnahmen sowie der konkreten Ausgestaltung von Implementierungs- und Sanktionsklauseln insbesondere im Hinblick auf die Grenzen des AGB-rechts besondere Sorgfalt geboten sein.

AGB-rechtliche Aspekte könnten aber auch Auswirkungen auf die Systematik von SCoCs haben, die neben den im Anhang zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz genannten Übereinkommen weitere (inter)nationale Standards in der Lieferkette implementieren möchten. Dies könnte allgemein zu Anpassungsbedarf in der Compliance-Struktur von Unternehmen führen.

Commercial.Compliance: Russland-Embargo: Grundlagen und jüngste Verschärfungen

Einleitung

Nach dem neunten Sanktionspaket vom 16. Dezember 2022 und weiteren Anpassungen Ende Januar und Anfang Februar 2023 hat die EU am 25. Februar 2023 ihr nunmehr zehntes Sanktionspaket verabschiedet und damit die Embargomaßnahmen gegen Russland erneut verschärft. Die Sanktionen zielen insbesondere darauf ab, Russland weiter unter Druck zu setzen und die russische Wirtschaft, seine politische Elite und damit auch das Militär zu schwächen. Über für den Vertrieb und Handel wichtige Sanktionsmaßnahmen und die jüngsten Änderungen soll dieser Beitrag einen kurzen (nicht abschließenden) Überblick verschaffen.

Hintergrund

Bereits 2014 reagierte die EU auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und die russische Unterstützung der Separatisten in den umkämpften Gebieten in der Ostukraine mit Sanktionen, die insbesondere in der VO (EU) 269/2014 vom 17. März 2014 und der VO (EU) 833/2014 vom 31. Juli 2014 geregelt sind. Während mit der VO (EU) 269/2014 personenbezogene Maßnahmen gegen eine Vielzahl natürlicher und juristischer Personen, Einrichtungen und Organisationen verhängt wurden, mit denen in der Konsequenz praktisch keine Geschäftsbeziehungen mehr erlaubt sind, enthält die VO (EU) 833/2014 unter anderem güter- und sektorspezifische Maßnahmen, insbesondere in Form von Ausfuhr-, Einfuhr- und (Dienst-) Leistungsverboten. In Reaktion auf die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine durch die russische Regierung und die Entsendung von Truppen in die Separatistengebiete Ende Februar 2022 wurden beide Verordnungen seitdem laufend erweitert und die bestehenden Embargomaßnahmen massiv verschärft. Zudem wurde mit der VO (EU) 2022/263 vom 23. Februar 2022 noch eine neue Verordnung speziell in Bezug auf die Regionen Donezk und Luhansk erlassen, die ebenfalls güter- und sektorbezogene Maßnahmen enthält und die im Rahmen des achten Sanktionspaketes vom 6. Oktober 2022 auf die Regionen Cherson und Saporischschja ausgeweitet wurde. Aufgrund der Unterstützung des von Russland geführten Angriffskrieges gegen die Ukraine wurde schließlich auch das EU-Embargo gegen Belarus (VO (EG) 765/2006) mehrfach verschärft.

Geltungsbereich

Allen Verordnungen ist gemein, dass sie Geltung haben a) im Gebiet der Union einschließlich ihres Luftraums, b) an Bord der Luftfahrzeuge und Schiffe, die der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstehen, c) für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union, d) für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union, e) für juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden. Danach werden z. B. auch EU-Staatsbürger erfasst, die im Ausland für ausländische Unternehmen tätig sind und im Rahmen ihrer Tätigkeit die EU-Sanktionen persönlich zu beachten haben. Über diesen Umweg können daher russische oder sonstige ausländische (Tochter-) Unternehmen, für die das EU-Recht an sich nicht gelten würde, gewissermaßen indirekt doch in den Geltungsbereich der EU-Sanktionen einbezogen werden.

Personenbezogene Maßnahmen (VO (EU) 269/2014)

Den für die Wirtschaftsbeteiligten maßgeblichen Kern der personenbezogenen Maßnahmen bildet das Bereitstellungsverbot gemäß Art. 2 Abs. 2 der VO. Danach ist es verboten, den in Anhang I der VO aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen jede Art von Geldern oder wirtschaftliche Ressourcen (dies sind insbesondere alle (Handels-) Güter, aber z. B. auch Rechte wie Patente oder Lizenzen) zur Verfügung zu stellen. Dies gilt unabhängig davon, wo sich diese Personen, Organisationen und Einrichtungen aufhalten bzw. ansässig sind und wo die Bereitstellung erfolgt, und auch nicht nur unmittelbar auf direktem Wege, sondern auch mittelbar z. B. durch Zahlung oder Lieferung an ein nicht gelistetes Unternehmen, welches aber im Eigentum oder unter der Kontrolle einer gelisteten natürlichen oder juristischen Person steht. In Verbindung mit den weitergehenden Maßnahmen (Einfrieren von Vermögen, Einreisebeschränkungen) wirkt dieses Verbot gegenüber den sanktionierten Personen, Organisationen und Einrichtungen wie ein Totalembargo, zumal Ausnahmen nur in sehr beschränktem Umfang möglich sind.

Seit Ende Februar 2022 wurde der Anhang I der VO laufend erweitert, zuletzt mit dem neunten Sanktionspaketes vom 16. Dezember 2022 (VO (EU) 2022/2476), daran anschließend nochmals am 30. Januar 2023 (VO (EU) 2023/192) und schließlich im Rahmen des zehnten Sanktionspaket vom 25. Februar 2023 (VO (EU) 2023/429), mit welchem u. a. drei weitere russische Banken (Alfa-Bank, Rosbank, Tinkoff Bank) auf die Sanktionsliste gesetzt wurden. Derzeit sind rund 1.500 natürliche Personen und über 170 juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen in Anhang I der VO aufgeführt und dabei wird es gewiss nicht bleiben. Hinzu kommt, dass auch die Sanktionslisten anderer (Länder-) Embargos infolge des russischen Angriffskrieges bzw. dessen Unterstützung regelmäßig erweitert wurden, darunter nicht nur die Belarus-Embargoverordnung (VO (EG) 765/2006), sondern mit Blick auf die Aktivitäten der sog. „Wagner Gruppe“ zuletzt beispielsweise auch die Mali-Embargoverordnung (VO (EU) 2017/1770) sowie die Menschenrechtsverordnung (VO (EU) 2020/1998). Ein sorgfältiges und regelmäßiges Sanktionslisten-Screening ist daher das A und O eines jeden Internen Compliance Programms, um dem Vorwurf eines (strafrechtlich relevanten) Embargoverstoßes zu entgehen.

Das zehnte Sanktionspaket gibt schließlich Anlass, an die gemäß Art. 8 der VO bestehende Meldepflicht zu erinnern. Danach sind natürliche und juristische Personen, Einrichtungen und Organisationen verpflichtet, sämtliche Informationen, die die Anwendung der VO erleichtern, unaufgefordert und unverzüglich der zuständigen Behörde (in Deutschland dem BAFA) zu melden. Dazu gehören beispielsweise (aber nicht ausschließlich) Informationen über nach Art. 2 Abs. 1 der VO eingefrorene Vermögenswerte, aber auch über solche Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen gelisteter Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die hätten eingefroren sein müssen, aber nicht als eingefroren behandelt wurden. Mit der VO (EU) 2022/426 vom 25. Februar 2023 wurde diese Meldepflicht dahingehend erweitert, dass auch Informationen über solche Gelder und wirtschaftliche Ressourcen sanktionierter Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu melden sind, die in den zwei Wochen vor deren Listung in Anhang I Gegenstand einer Bewegung, eines Transfers, einer Veränderung, einer Verwendung, eines Zugangs dazu oder eines Einsatzes im Sinne von Art. 1 lit. e) oder f) der VO waren. Diese Meldepflicht besteht auch nicht etwa nur für Banken, die z. B. über relevante Kontobewegungen zu informieren haben, sondern für jede natürliche oder juristische Person im Rahmen des Geltungsbereiches der VO (siehe oben), die über relevante Informationen verfügt. Ein auch nur fahrlässiger Verstoß gegen diese Meldepflicht stellt gemäß § 19 Abs. 5 Nr. 1 AWG eine Ordnungswidrigkeit dar.

Güterbezogene Maßnahmen (insb. VO (EU) 833/2014)

Im Rahmen der güterbezogenen Embargomaßnahmen sind für den Handel und Vertrieb die gemeinhin so bezeichneten „Ausfuhrverbote“ von herausragender Bedeutung, wobei dieser Begriff bereits missverständlich ist, denn einerseits ist nicht nur die Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien verboten, sondern daneben stets auch der Verkauf, die Lieferung und die Verbringung (im Sinne einer „Weitergabe“, englisch „transfer“), und dies nicht nur „nach Russland“, sondern stets auch „zur Verwendung in Russland“ und zwar sowohl unmittelbar wie auch mittelbar. Hieraus ergibt sich ein sehr umfassender Anwendungsbereich mit dem Ziel, jede Umgehung einer verbotenen direkten Zurverfügungstellung der sanktionierten Güter an einen russischen Empfänger auszuschließen. Erfasst ist dabei nicht nur der tatsächliche Akt der Warenbewegung bzw. des Technologietransfers, auch über Drittstaaten und möglicherweise sogar bereits innerhalb der EU oder Deutschlands, sondern bereits der bloße schuldrechtliche Vertragsschluss („Verkauf“).

Flankiert werden diese Ausfuhrverbote sodann regelmäßig (ausgenommen bei den sog. Luxusgütern und bei Banknoten) von dem weitergehenden Verbot, für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste im Zusammenhang mit den jeweils sanktionierten Gütern zu erbringen. Während die Begriffe „technische Hilfe“ und „Vermittlungsdienste“ in der VO jeweils ausdrücklich definiert sind, fehlt eine Erläuterung, was mit „anderen Diensten“ gemeint ist. Ein derartiges allgemeines Dienstleistungsverbot findet sich auch in keinem anderen Länderembargo der EU. Im Zweifel ist dieser Begriff jedoch weit auszulegen und kann auch Leistungen und Dienste umfassen, die eine EU-Muttergesellschaft für ihre ausländische, nicht notwendig russische Tochtergesellschaft erbringt, sofern ein konkreter Bezug zu den sanktionierten Gütern und Technologien gegeben ist.

Je nach Art und Verwendung der sanktionierten Güter bzw. nach der relevanten Branche ( z. B. Dual-Use-Güter, Luxusgüter, Ölindustrie, Luft- und Raumfahrtindustrie etc.) sind die Ausfuhrverbote in diversen Artikeln der VO geregelt, so in Art. 2, 2a, 2aa, 3, 3b, 3c, 3f, 3h, 3k und 5i, jeweils verbunden mit einem Anhang, in welchem die maßgeblichen Güter aufgeführt sind. Neben diversen weiteren Verschärfungen wurden mit dem neunten und zehnten Sanktionspaket vom 16. Dezember 2022 bzw. 25. Februar 2023 (VO (EU) 2022/2474 und VO (EU) 2023/427) die bereits bestehenden Güter-Anhänge um zahlreiche Einträge erweitert und zum Teil neu gefasst. Zudem ist nun auch die Durchfuhr von Dual-Use-Gütern und Feuerwaffen im Sinne von Art. 2 und 2aa der VO aus der EU durch Russland in einen Drittstaat verboten.

Im Prinzip umgekehrt verhält es sich mit den verschiedenen „Einfuhrverboten“, die ebenfalls nicht nur den unmittelbaren oder mittelbaren Import bestimmter sanktionierter Güter, die ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt wurden, in die Union verbieten, sondern daneben auch bereits den Kauf (also den Vertragsabschluss) sowie die Verbringung bzw. Weitergabe. Dabei müssen die betreffenden Güter weder von einem Vertragspartner in Russland gekauft worden sein, noch müssen die Güter für eine Einfuhr in die EU bestimmt sein. Der Kauf aus Russland stammender sanktionierter Güter zwecks direkter Lieferung in ein Drittland ohne Überschreitung der EU-Grenzen könnte bereits den Verbotstatbestand erfüllen. Eine Sonderstellung nimmt das Einfuhrverbot betreffend Eisen- und Stahlerzeugnisse ein, denn danach ist zwar auch deren Einfuhr sowie der Kauf verboten, statt der Weitergabe („transfer“) jedoch nur die Beförderung („transport“) der Güter. Auch das Einfuhrverbot betreffend russisches Rohöl und Erdölerzeugnisse weist grundlegende Besonderheiten auf, auf die im Rahmen dieses Beitrags jedoch nicht näher eingegangen werden kann. Wie die Ausfuhrverbote werden im Übrigen auch die Einfuhrverbote von dem Verbot der Erbringung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten oder (ausgenommen bei den Eisen- und Stahlerzeugnissen) anderen Diensten begleitet, wobei die Leistungen hier nicht mit den embargorelevanten Gütern selbst, sondern mit dem Kauf bzw. der Einfuhr, Weitergabe oder Beförderung in Zusammenhang stehen müssen.

Die Einfuhrverbote finden sich in Art. 3g, 3i, 3j, 3m, 3n und 3o der VO, ebenfalls jeweils in Verbindung mit einem Anhang, der die maßgeblichen Güter auflistet. Mit dem neunten und zehnten Sanktionspaket vom 16. Dezember 2022 bzw. 25. Februar 2023 (VO (EU) 2022/2474 und VO (EU) 2023/427) wurden auch diese Güter-Anhänge überarbeitet und erweitert. Im Zusammenhang mit dem Ölembargo wurden zwei neue Anhänge XXXI und XXXII hinzugefügt. Das Ölembargo war schließlich auch Gegenstand der zwischenzeitlichen Anpassungen vom 4. Februar 2023 (Preisdeckel für Erdölerzeugnisse gemäß VO (EU) 2023/250 und VO (EU) 2023/251).

Auswirkungen und Ausblick

Die Embargomaßnahmen der EU gegen Russland sind in jeder Hinsicht beispiellos. Das gilt nicht nur für die Fülle der unterschiedlichen Verbote, sondern auch für die Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen, Unklarheiten und Widersprüchen. Nahezu jede Branche scheint von den Sanktionen betroffen zu sein und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil: ein elftes Sanktionspaket wurde bereits angekündigt, mit welchem nach den Vorstellungen des BMWK insbesondere Umgehungsaktivitäten erschwert werden sollen.

Commercial.Restructuring: Neue Rechtslage zur Überschuldung: ­sanierungs- und insolvenz­rechtliches Krisenfolgenabmilderungs­gesetz (SanInsKG)

Durch die Preisexplosionen bei Energie und innerhalb vieler Lieferketten gelangen viele Unternehmen an die Grenze der Planbarkeit. Dies stellt sie nicht bloß vor kaufmännische Schwierigkeiten, sondern bürdet ihnen auch enorme Haftungsrisiken auf.

Die zuletzt und bis dato bestehende hohe Verunsicherung in vielen Märkten zwangen den Gesetzgeber im Jahr 2022 zum Handeln. Um den bestehenden Planungsunsicherheiten zu begegnen, hat die Bundesregierung eine Änderung des sanierungs- und insolvenzrechtlichen Krisenfolgenabmilderungsgesetzes (SanInsKG) erlassen. Dieses sollte in seiner ursprünglichen Fassung den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, insbesondere den für eine Vielzahl von Unternehmen erheblichen Umsatzeinbrüchen, begegnen. Die Vorschriften wurden nun allgemeiner gefasst, um auch aktuellen Krisenzeiten Rechnung tragen zu können.

Insolvenzantragspflicht erkennen

Um eine persönliche Haftung abzuwenden, müssen die Geschäftsführer haftungsbeschränkter Gesellschaften Krisen frühzeitig erkennen und die Interessen ihrer Gläubiger schützen. Dabei ist es von besonderer Relevanz eine Insolvenzantragspflicht rechtzeitig zu erkennen. Schwierigkeiten bereitet hier freilich die Bestimmung, wann eine solche Pflicht als „rechtzeitig“ erkannt gilt. Seit jeher gibt es in Deutschland zwei zwingende Insolvenzantragsgründe für haftungsbeschränkte Gesellschaften, nämlich: Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit ist recht einfach zu entdecken: jeder Geschäftsführer kann sehen, ob die Liquidität genügt, Zahlungsverpflichtungen bei deren Fälligkeit zu erfüllen. Sollte das nur kurz (weniger als drei Wochen) oder in geringem Umfang (weniger als zehn Prozent der fälligen Gesamtverbindlichkeiten) nicht gelingen, liegt lediglich eine sog. „Zahlungsstockung“ vor. Anderenfalls muss unverzüglich, spätestens aber nach drei Wochen, ein Insolvenzantrag gestellt werden.

Überschuldung

Die Ermittlung der Überschuldung ist komplizierter, vor allem, weil die hierfür erforderlichen Daten nicht ohne weiteres ersichtlich sind. Zumeist müssen sie erst noch erhoben werden. Im Übrigen können sie aufgrund des eingetretenen Krisenzustands oft nur auf unsichere Annahmen gestützt werden, sind dementsprechend schwierig. Überschuldung liegt nach alledem vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft (zu Zerschlagungswerten) geringer ist als ihre Schulden. Hierbei dürfen stille Reserven einbezogen und Verbindlichkeiten mit qualifiziertem Rangrücktritt ausgenommen werden. Sollte diese Berechnung negativ ausfallen, kommt es darauf an, ob die Gesellschaft eine positive Fortführungsprognose hat – und zwar für die kommenden 12 Monate, also jedenfalls nicht innerhalb dieses Horizonts zahlungsunfähig wird. Hieraus ergibt sich das Erfordernis der zwölfmonatigen Liquiditätsplanung. Fehlt eine positive Prognose, ist unverzüglich, spätestens aber nach sechs Wochen, ein Insolvenzantrag zu stellen. Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, dass die Überschuldung auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist.

Änderungen für die Praxis durch das SanInsKG

Um den besonderen Herausforderungen bei der Erstellung der Fortführungsprognose Rechnung tragen zu können, hat der Gesetzgeber nun zur Erleichterung das SanInsKG verabschiedet. Dadurch wurde unter anderem der Prognosezeitraum verkürzt. Nunmehr genügt es, wenn das Unternehmen in einem viermonatigen Planungshorizont liquide bleibt. Außerdem wurde die Antragsfrist bei Überschuldung auf maximal acht Wochen verlängert.

Bei den Änderungen ist allerdings Vorsicht geboten: die Prognoseverkürzung gilt nur für diejenigen, deren Insolvenzantragsfrist nicht bereits vor dem 9. November 2022 verstrichen war. Das bedeutet auch, dass das Unternehmen sechs Wochen vor diesem Datum, nämlich am 28. September 2022, noch über eine positive Liquiditätsentwicklungsprognose für zwölf Monate verfügt haben muss. Sollte also die Zahlungsunfähigkeit vor dem 28. September 2023 prognosegemäß eintreten, greift die Privilegierung in der Regel nicht.

Sollte eine Gesellschaft also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Ende des dritten Quartals 2023 zahlungsunfähig werden, ist trotz der Erleichterungen durch das SanInsKG Vorsicht geboten. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Betriebsmittelkredit vor dem 28. September 2023 endfällig wird. Dann muss ein Geschäftsführer zur Vermeidung gravierender Haftungsrisiken umgehend reagieren! Schließlich besteht dann bereits heute die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. Es bleibt also die Frage, wie vielen Unternehmen die Privilegierungen im SanInsKG tatsächlich nutzen.

Bleibende Schwierigkeiten bei mit der In­solvenz verbundenen Haftungsansprüchen

Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass mit der Insolvenzantragspflicht wegen mangelnder Liquidität die Schwierigkeit einhergeht, dass die hiermit verbundenen Haftungsansprüche der Geschäftsführung erst im Nachhinein vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Dem Insolvenzverwalter kommen dabei beachtliche Beweiserleichterungen zugute. Zudem hat er einen weiteren Vorteil: Zu dem Zeitpunkt der Geltendmachung von Haftungsansprüchen ist die positive Prognose bereits fehlgegangen, sodass er genauestens ableiten kann, wo bestimmte Liquiditätsfolgen ihre Ursachen haben. Anders dagegen die Problemlage bei der Geschäftsführung: diese muss sich damit verteidigen, dass im Vorhinein ein positiver Verlauf und vollkommen andere Liquiditätsfolgen „überwiegend wahrscheinlich“ gewesen seien. Diese Beweisführung wird kaum sicher möglich sein.

Praxistipp: Liquiditätsplanung aufstellen

Es empfiehlt sich stets, eine Liquiditätsplanung aufzustellen. Dabei sollte diese umso detaillierter ausfallen, je knapper die Liquiditätsdeckung im Unternehmen ist. Es kann ratsam sein, eine Darstellung auf Wochenbasis zu erstellen und diese in einem regelmäßigen Rhythmus zu überwachen. Auch wenn durch die Änderungen des SanInsKG lediglich eine viermonatige Prognose gefordert ist, sollten aus Gründen der Sicherheit die kommenden zwölf Monate abgedeckt werden. Würde diese Planung ergeben, dass die Prognose für weniger als zwölf Monate positiv bleibt, ist zu prüfen, ob die Anwendbarkeit der Erleichterungen des SanInsKG tatsächlich gegeben ist.

Ferner sei darauf hingewiesen, dass es trotz der – etwas verwirrenden – systematischen Einordnung in § 4 Absatz 2 SanInsKG für die Prognoseverkürzung nicht nötig ist, dass gleichzeitig die Voraussetzungen des § 4 Absatz 1 vorliegen, die Überschuldung also auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist.

Freilich: eine Liquiditätsüberwachung bindet Managementkapazitäten und ist zum Teil auch kostspielig, wenn externe Berater benötigt werden. Es gilt aber stets: eine saubere Planung lohnt sich!

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