15.04.2024

Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz

Hintergrund

Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nimmt sichtbare Formen an: Am 13. März 2024 hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den lange erwarteten Referentenentwurf für die Krankenhausreform veröffentlicht.

Mit der Krankenhausreform sollen drei zentrale Ziele verfolgt werden:

  1. Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität
  2. Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patientinnen und Patienten (Daseinsvorsorge) und
  3. Entbürokratisierung.

Auf Basis der früheren Arbeitsentwürfe werden in dem nunmehr vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG) die Pläne zur Neuordnung der Krankenhausversorgung und -finanzierung konkretisiert und der in der Protokollerklärung zum Krankenhaustransparenzgesetz bereits in Aussicht gestellte Transformationsfonds sowie Anpassungen bei der Betriebskostenfinanzierung umgesetzt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte angekündigt, dass der Gesetzentwurf noch im April 2024 vom Bundeskabinett beschlossen werden solle. Nachdem der Gesetzesentwurf jedoch erst am 12. April 2024 an die Verbände zur Kommentierung bis zum 30. April 2024 geschickt wurde, ist klar, dass der bis zuletzt stoisch vorgetragene Zeitplan nicht mehr zu halten ist. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung im Bundesrat, jedoch sollen zahlreiche Regelungen, die die Länder betreffen, als zustimmungspflichtige Rechtsverordnungen ausgestaltet werden.

Wesentliche Regelungsinhalte:

Vorhaltevergütung

Mit Einführung einer Vorhaltevergütung soll die Vorhaltung von Strukturen in Krankenhäusern künftig weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung gesichert und der Anreiz für die Krankenhäuser gesenkt werden, Fallmengen auszuweiten. Ziel ist es dabei, den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser senken, indem die Strukturen in den Krankenhäusern unabhängig von der Leistungserbringung der Krankenhäuser gesichert werden. Zusätzlich soll die Sicherung nicht weiter aus den Mitteln der Fallpauschale erfolgen, weshalb die Fallpauschalen gesenkt werden sollen.

Die Krankenhäuser sollen die Vorhaltevergütung für die ihnen von den jeweiligen Planungsbehörden des Landes zugewiesenen Leistungsgruppen erhalten, sofern sie die Qualitätskriterien sowie die Mindestvorhaltezahlen erfüllen. Hierzu sollen die Qualitätskriterien bundeseinheitlich festgelegt und weiterentwickelt werden, um die medizinische Versorgungsqualität zu steigern. Darüber hinaus soll die finanzielle Absicherung gewährleistet werden, indem die Zahlung der Vorhaltevergütung zeitnah erfolgt und ein unterjähriger Zuschlag und ein vorgezogener vollständiger Erlösausgleich gewährt werden kann. Vorgesehen ist zudem eine Konvergenzphase als Übergangsregelung, um einen fließenden Übergang von der bestehenden Krankenhausfinanzierungssystematik, überwiegend durch Fallpauschalen, hin zu einer künftig um eine Vorhaltevergütung ergänzten Finanzierungssystematik, zu ermöglichen.

Neben der Vorhaltevergütung sollen für die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Stroke Unit, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin sowie für die Teilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Leistungsgruppen

Durch Leistungsgruppen und dafür hinterlegte Qualitätsvoraussetzungen soll die angestrebte Verbesserung der Versorgungsqualität erreicht und eine Stärkung der Patientensicherheit und eine hohe Behandlungsqualität gefördert werden. Dazu ist beabsichtigt, die Leistungen der Krankenhausbehandlung nach 65 Leistungsgruppen zu differenzieren, die ihrerseits medizinische Leistungen abbilden und als Instrument einer leistungsdifferenzierten und qualitätsorientierten Krankenhausplanung dienen sollen. 60 der Leistungsgruppen sind aus dem Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2022 entstanden und werden in Anlage 1 zu § 135d SGB V aufgelistet. Fünf der Leistungsgruppen wurden dagegen unter Berücksichtigung der Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft e. V. als Folge des Eckpunktepapiers der Krankenhausreform am 10. Juli 2023 beschlossen.

Der Gesetzentwurf sieht insoweit die Ermächtigung des BMG vor, mit Zustimmung des Bundesrats eine Rechtsverordnung zur Festlegung und Weiterentwicklung der Leistungsgruppen und bundeseinheitlicher Qualitätskriterien zu erlassen. Zudem sollen neben den Qualitätskriterien zur qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung in Krankenhäusern durch Rechtsverordnung festgelegte Mindestvorhaltezahlen je Leistungsgruppe gelten. Die Einhaltung der Qualitätskriterien durch die Krankenhäuser soll regelmäßig durch die Medizinischen Dienste überprüft werden.

Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen

Mit der Bestimmung von Krankenhäusern zu sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen, d.h. Krankenhäusern, die wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden, soll Krankenhäusern die Möglichkeit eröffnet werden, über die stationären Leistungen hinaus weitere im Katalog nach § 115g Absatz 2 SGB V des Gesetzesentwurfs u.a. wie folgt aufgeführte sektorenübergreifende Leistungen zu erbringen:

  1. Ambulante Leistungen aufgrund einer Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung,
  2. Ambulantes Operieren nach § 115b SGB V,
  3. Belegärztliche Leistungen, soweit vom Versorgungsauftrag des Landes erfasst,
  4. Übergangspflege nach § 39e SGB V und
  5. Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V.

Daneben soll für sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen die medizinisch-pflegerische Versorgung in § 115h SGB V als neue Versorgungsform etabliert sowie zusätzliche ambulante Versorgungsmöglichkeiten, u. a. in der hausärztlichen Versorgung geschaffen (§ 116a SGB V) werden.

Weitere Regelungen

Hochschulkliniken sollen zukünftig für die ihnen zugewiesenen Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben und ihre spezielle Vorhaltung zusätzliche finanzielle Mittel erhalten.

Für somatische Krankenhäuser und besondere Einrichtungen als auch für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser sollen die schon bestehenden Regelungen zur Tarifkostenrefinanzierung dahingehend modifiziert werden, als dass ab 2024 an die Stelle der bisherigen hälftigen Tarifkostenrefinanzierung eine vollständige Tarifkostenrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen tritt und bei der Ermittlung der Obergrenze für den jährlichen Anstieg des Landesbasisfallwerts für die somatischen Krankenhäuser bzw. des Gesamtbetrags für die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen und der Erlössumme für die besonderen Einrichtungen der volle an Stelle des anteiligen Orientierungswerts zu Grunde zu legen ist.

Die jährlichen Förderbeträge für bedarfsnotwendige ländliche Krankenhäuser sollen zur Sicherstellung der flächendeckendenden Versorgung der Bevölkerung erhöht werden.

In Bezug auf die Prüfung der Krankenhausabrechnung sollen die bisherigen Einzelfallprüfungen ab dem Jahr 2027 durch ein für alle Krankenhäuser einheitliches Prüfverfahren in Form einer strukturierten Stichprobenprüfung durch die Medizinischen Dienste ersetzt werden.

Mit der Einrichtung eines Transformationsfonds und den Regelungen zu den Eigenfinanzierungsanteilen der Länder soll von 2026 bis 2035 ein Finanzvolumen von bis zu insgesamt 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden, welches jeweils zur Hälfte durch die Länder und aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BSS) und damit aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzubringen ist.

Zur Verbesserungen der Qualität im Bereich der Onkologie und Förderung der Spezialisierung von onkochirurgischen Leistungen soll die Abrechnung bestimmter Entgelte in Fällen, bei denen onkochirurgische Leistungen von Krankenhäusern, die mit ihren Standorten zu den Standorten gehören, die die wenigsten und zusammen 15 Prozent der Fälle mit onkochirurgischen Leistungen in einem Indikationsbereich aufweisen, ausgeschlossen werden.

Ausblick

Die Vorlage des Referentenentwurfs markiert einen bedeutenden Schritt in einer mehrjährigen Diskussion. Zu begrüßen ist das Ziel, die Versorgung durch mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit und eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser zu verbessern. Die Herausforderungen liegen nun vor allem in der praktischen Umsetzung, der Sicherstellung der Finanzierung und der Organisation einer grundlegenden Reformation des Leistungsspektrums der Krankenhäuser in Deutschland.

Der vorliegende Referentenentwurf ist jedoch noch nicht ressortabgestimmt und sollte laut Zeitplan am 24. April 2024 vom Bundeskabinett verabschiedet werden, um danach in das parlamentarische Verfahren überzugehen. Nachdem das Bundesfinanzministerium die regierungsinterne Abstimmung jedoch kurz nach Bekanntwerden des Gesetzesentwurfs gestoppt hatte und der Gesetzesentwurf den Verbänden erst am 12. April 2024 zur Kommentierung übersandt wurde, steht inzwischen fest, dass dieser Zeitplan nicht mehr gehalten werden kann. Angedacht ist, dass die Reform zum 1. Januar 2025 in Kraft treten soll. Die Bundesländer sollen in den Jahren 2025 und 2026 die geplanten Leistungsgruppen zuordnen und die Finanzierungsreform soll 2029 ihre volle Wirkung entfalten. In diesem Kontext ist zu erwarten, dass auch auf Landesebene entsprechende Novellen im Bereich der Krankenhausplanung erforderlich werden.

Autor/in
Dr. Hendrik Bernd Sehy

Dr. Hendrik Bernd Sehy
Counsel
Hannover
hendrik.sehy@luther-lawfirm.com
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Charlotte Riese

Charlotte Riese
Senior Associate
Berlin
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