06.10.2016

Pakistanische Geschädigte verklagen Kik

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Hintergrund

6.10.2016

 

Landgericht Dortmund: Pakistanische Geschädigte verklagen Kik wegen Fabrikbrands

Textilien werden wegen geringerer Produktionskosten in riesigen Mengen in Niedriglohnländern wie Bangladesch oder Pakistan hergestellt. So können Textildiscounter auch in Deutschland Waren zu sehr günstigen Preisen anbieten. Die Arbeitsbedingungen in den ausländischen Fabriken werden allerdings oft als menschenrechtsverletzend oder menschenunwürdig bezeichnet.

Vor dem Landgericht Dortmund klagen nunmehr vier Pakistaner gegen die Kik Textilien und Non-Food GmbH (Kik) auf Schadensersatz. Die unterbliebene Umsetzung und Überwachung eines Verhaltenskodexes bei einem Zulieferer von Kik soll im September 2012 bei einem Großbrand in einer Textilfabrik in Karachi dazu geführt haben, dass circa 250 Menschen ums Leben kamen und über 30 Arbeiter schwer verletzt wurden. Die Kläger, ein Überlebender und drei Angehörige von verstorbenen Arbeitern, klagen nun auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von je 30.000 EUR.

Aktueller Verfahrensstand
Das Landgericht Dortmund hat den Klägern nunmehr Prozesskostenhilfe gewährt und einen Beweisbeschluss erlassen. Der Beweisbeschluss sieht die Einholung eines schriftlichen Rechtsgutachtens vor. Dieses soll klären, ob und unter welchen genauen Anspruchsvoraussetzungen eine Haftung der Beklagten nach pakistanischem Recht bestehen könnte und wie die Darlegungs- und Beweislast in einem solchen Fall verteilt wäre. Dass für den vorliegenden Fall pakistanisches Recht Anwendung findet, ergibt sich aus der Rom II-Verordnung. Nach deren Art. 4 Abs. 1 ist grundsätzlich das Recht des Staates anwendbar, in dem der Schaden eingetreten ist. Seine internationale Zuständigkeit bejahte das Landgericht Dortmund unter Anwendung der Art. 4 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1 Brüssel Ia-Verordnung. Diese Vorschriften sehen vor, dass Gesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU haben, vor den Gerichten ihres Sitzstaates verklagt werden können. Dass die Kläger nicht aus der EU stammen, ist sowohl für die Anwendung der Rom II-Verordnung als auch der Brüssel Ia-Verordnung ohne Belang.

Verantwortlichkeit von Kik
Im weiteren Verfahren wird die Kammer zu klären haben, ob und inwieweit für Kik eine Pflicht bestand, bei seinem Zulieferer die Umsetzung des von Kik vorgegebenen Verhaltenskodexes zur Einhaltung von Mindeststandards für sichere Arbeitsbedingungen zu überwachen.

Die Kläger behaupten, die Textilfabrik sei auch aufgrund des von Kik vorgegebenen Verhaltenskodexes zu Brandschutzvorkehrungen verpflichtet gewesen. Kik habe es unterlassen, den eigenen Code of Conduct entsprechend zu überwachen. Folglich habe Kik eine Pflichtverletzung begangen, die den Tod und die Verletzungen der Arbeiter mitverursachte.

Die Argumentation und die entsprechenden Forderungen der Kläger hat Kik gänzlich zurückgewiesen. Das Unternehmen ist der Ansicht, dass ein Anspruch schon deswegen nicht bestehen könne, da der Brand kein Unfall war. Das Textilunternehmen behauptet einen „gezielten und heimtückischen Brandanschlag“, der weder von seinem Zulieferer noch von ihm selbst zu vertreten sei. Zudem meint Kik, dass die Überwachung von produzierenden Unternehmen allein den pakistanischen Behörden obliege. Der von Kik formulierte und für alle Zulieferer geltende Code of Conduct sei freiwillig und rechtlich nicht erzwingbar.

Ausblick
Das weitere Verfahren wird mit Spannung erwartet. Denn es hat eine besondere Bedeutung: Wie das Deutsche Institut für Menschenrechte betont, ist es die erste Klage dieser Art, die in Deutschland erhoben und zugelassen wurde. Dass das Gericht den Klägern Prozesskostenhilfe gewährt hat, damit diese ihre Ansprüche in Deutschland verfolgen können, stellt keine Vorentscheidung über die Begründetheit der Klage dar. Grundsätzlich setzt die Gewährung von Prozesskostenhilfe zwar eine hinreichende Aussicht der Klage auf Erfolg voraus. Im vorliegenden Fall nahm die Kammer jedoch keine Stellung zu den Erfolgsaussichten der Klage. Mangels Kenntnissen im pakistanischen Recht könne der Sachverhalt nicht beurteilt werden. Daher sei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe notwendig, um die Einholung eines Rechtsgutachtens im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten könnte ausländische Geschädigte in vergleichbaren Fällen anregen, ihre Klagen vor deutsche Gerichte zu bringen.

Sollten die Kläger im Verfahren vor dem Landgericht Dortmund Erfolg haben, droht Kik weiteres Ungemach: Denn die Kläger sind Teil der Baldia Factory Fire Affectees Association, in der knapp 200 Familien organisiert sind, deren Familienmitglieder beim Brand getötet oder verletzt wurden. Weitere Klagen gegen Kik in Deutschland wären daher zu erwarten..

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
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Simon Heetkamp
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