24.01.2024

Neues chinesisches Gesellschaftsgesetz ab 1. Juli 2024 in Kraft

I. Wesentliche Änderungen des neuen Gesellschaftsgesetzes

Seit dem erstmaligen Inkrafttreten im Jahr 1993 hat das chinesische Gesellschaftsgesetz vielfältige Änderungen erfahren. Die letzte umfassende Reform erfolgte im Jahr 2005, gefolgt von einzelnen Änderungen in den Jahren 2013 und 2018. Die Änderungen von 2013 hoben die Mindestkapitalanforderungen auf und vereinfachten die Unternehmensregistrierung. Die jüngste Überarbeitung wurde am 24. Dezember 2021 angestoßen und zwei Jahre später, kurz vor Jahreswechsel am 29. Dezember 2023, wurde nun das überarbeitete Gesellschaftsgesetz vom Nationalen Volkskongress genehmigt, das am 1. Juli 2024 in Kraft treten wird. Rund ein Viertel des aktuellen Gesetzestextes wurde im Zuge der jüngsten Reform überarbeitet. Welche Änderungen sich für die von ausländischen Investoren am häufigsten gewählte Rechtsform Limited Liability Companies (im Folgenden „LLCs“, vergleichbar mit der deutschen GmbH) ergeben und welche Auswirkungen die Reform auf Unternehmen und Investoren hat, erfahren Sie in diesem Artikel.

I.1. Corporate Governance

a) Flexibilität bei Einrichtung von Supervisory Board /Supervisor

Das neue Gesellschaftsgesetz eröffnet LLCs mehr Spielraum in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur. Nach bisherigem Recht besteht die Hauptorganstruktur einer LLC aus der Gesellschafterversammlung, dem Board of Directors („BoD“) oder einem Executive Director und dem Aufsichtsrat (Supervisory Board) oder Aufsichtspersonen (Supervisors). In der Praxis werden Supervisors oft nur pro forma eingerichtet, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, ohne aber tatsächlich Aufsichtsfunktionen wahrzunehmen. Besonders in kleinen LLCs mit nur einem Gesellschafter erscheint das Amt des Supervisors häufig entbehrlich, da der einzelne Gesellschafter in der Regel die Geschäftsführung streng überwacht. Nach dem neuen Gesetz besteht nun die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen auf die Einrichtung eines Supervisory Board oder eines Supervisor zu verzichten und zwar:

i) durch die Einrichtung eines Prüfungsausschusses innerhalb des Board of Directors, der aus einem oder mehreren Mitgliedern des BoD besteht (die genaue Zusammensetzung ist gesetzlich nicht geregelt), für die Überwachung des Finanz- und Rechnungswesens der Gesellschaft verantwortlich ist und somit die Aufgaben des Supervisory Board und weitere Befugnisse und Aufgaben des Supervisory Board gemäß der Satzung übernimmt (Art. 69); oder

ii) durch entsprechenden Gesellschafterbeschluss, wonach kein Supervisory Board oder Supervisor eingesetzt werden soll (Art. 83). Diese Bestimmung ist auf sog. kleine LLCs  anwendbar oder auf LLCs1 mit nur wenigen Gesellschaftern.

b) Beschlussfähigkeit und Abstimmungsverfahren innerhalb des Board of Directors und der Gesellschafterversammlung

Unternehmen haben allerdings nach dem neuen Gesetz weniger Spielraum bei der Gestaltung des Beschlussverfahrens des BoD. Die Vorschrift des Art. 73 Abs. 2 S. 1 sieht nun explizit eine Mindestquote für die Beschlussfähigkeit des BoD vor. Zur Beschlussfähigkeit des BoD muss mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend sein. Zudem erfordern BoD-Beschlüsse eine Mehrheit aller Mitglieder (Art. 73 Abs. 2 S. 2). In einem Streitfall zwischen den Gesellschaftern kann eine solche Mindestquote ein Hindernis für die Beschlussfassung darstellen. Unternehmen sollten daher insbesondere bei Joint Ventures bestimmte Mechanismen für Pattsituationen vorsehen.

Eine Quote für die Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung sieht das neue Gesetz hingegen nicht vor, sondern überlässt es der Satzung, detaillierte Quotenregelungen festzulegen. Allerdings ist in Art. 66 Abs. 2 eine Quote für die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung eingeführt: Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden von den Gesellschaftern gefasst, die die Mehrheit der Stimmrechte vertreten (die einzelnen Beschlussgegenstände, für die eine qualifizierte Mehrheit von 2/3 der Stimmrechte erforderlich ist, haben sich nicht verändert).

c) Arbeitnehmerbeteiligung

Das neue Gesellschaftsgesetz stärkt überdies die demokratische Unternehmensführung. Unternehmen mit weniger als 300 Arbeitnehmern können die Einbeziehung von Arbeitnehmervertretern in das Board of Directors in Betracht ziehen. Bei Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern ist die Arbeitnehmervertretung im Board of Directors sogar verpflichtend, sofern die Gesellschaft nicht über ein Supervisory Board mit Arbeitnehmervertretern verfügt (Art. 68 S. 2 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 2).

Gemäß Art. 75 kann eine kleine LLC oder eine LLC mit wenigen Gesellschaftern anstelle eines BoD einen (Executive) Director als Exekutivorgan der Gesellschaft einsetzen. Die neue Regelung wirft die Frage auf, ob eine LLC mit einem einzelnen ausländischen Gesellschafter (auch zuvor bekannt als sog. „Wholly Foreign Owned Enterprise“ (WFOE)), die über mehr als 300 Arbeitnehmern verfügt und weder ein BoD noch ein Aufsichtsorgan hat, verpflichtet ist, Arbeitnehmervertreter in die Unternehmensführung einzubinden (und wenn ja, wie dies umgesetzt werden soll). Der Wortlaut des Gesetzes spricht in diesem Fall gegen eine verpflichtende Einbindung von Arbeitnehmern. Diese Auslegung erscheint plausibel, da das neue Gesellschaftsgesetz Unternehmen die Flexibilität bieten soll, das Exekutivorgan entsprechend unternehmerischer Entscheidungen zu gestalten, selbst wenn die Anzahl von Arbeitnehmern die Grenze von 300 überschreitet. Die zwingende Anforderung der Arbeitnehmerbeteiligung soll nur dann eingreifen, wenn tatsächlich ein BoD existiert. Mit dieser neuen Anforderung an die Arbeitnehmerbeteiligung steht eine WFOE mit einem BoD und über 300 Arbeitnehmern, die bisher nur einen Supervisor eingesetzt hat, nun vor der Wahl, ob stattdessen ein Aufsichtsgremium des Supervisory Board (mit den erforderlichen Arbeitnehmervertretern) eingerichtet wird oder ein Arbeitnehmervertreter in das BoD einbezogen werden soll.

Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das neue Gesetz festlegt, dass die Gesellschafterversammlung ein Mitglied des BoD jederzeit abberufen kann (Art. 71 Abs. 1).
Wenn jedoch kein wichtiger Grund vorliegt, kann das abberufene BoD-Mitglied eine Entschädigung von der Gesellschaft verlangen. Dieser Entschädigungsanspruch ist nicht neu und wurde bereits in bestimmten Fällen durch die (Gesetzeswirkung entfaltenden) Interpretationen des Obersten Volksgerichts gewährt. In der Rechtspraxis sehen viele Gerichte die Entschädigung als gleichbedeutend mit den finanziellen Vergütungen an, die Arbeitnehmer nach dem geltenden Arbeitsrecht erhalten würden. Tatsächlich gestaltet sich die Beziehung zwischen einem Director und einer Gesellschaft oft komplexer als ein einfacher Arbeitsvertrag, und die Abberufung eines Directors entspricht nicht zwangsläufig der Beendigung einer Arbeitsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Director. Einige Fragen bleiben weiterhin offen, z. B. wie ein Director nachweisen kann, dass er durch die Abberufung einen Schaden erlitten hat. Wird ein Arbeitnehmervertreter in das BoD aufgenommen, sollten solche Fragen durch zusätzliche Vereinbarungen geregelt werden.


d) Neugestaltung des Organs des „Legal Representative

Das chinesische Gesellschaftsrecht schreibt das Organ eines sog. Legal Representative zwingend vor. Der Legal Representative ist der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft und darf nur von einer Person bekleidet werden. Seine Handlungen werden der Gesellschaft zugerechnet. Nach der bisherigen Rechtslage muss der gesetzliche Vertreter entweder Vorsitzender des BoD  bzw. Executive Director oder General Manager sein. Mit dem neuen Gesellschaftsgesetz wird die substanzielle Funktion des Amts des Legal Representative hervorgehoben. Folglich kann entweder ein Director (jedes Mitglied des BoD) oder der General Manager, der die Geschäfte der Gesellschaft im Namen der Gesellschaft führt, als gesetzlicher Vertreter ernannt werden (Art. 10 Abs. 1). Dies bedeutet zum einen, dass mit der Möglichkeit, das Organ des Legal Representative mit einem Director zu besetzen, der Kreis der Kandidaten für die Funktion des Legal Representative erweitert wird. Zum anderen soll derjenige das Amt des Legal Representative bekleiden, der wesentlich auf die Geschäftsabläufe Einfluss nimmt und diese leitet.


1 Für die Bestimmung, ob eine LLC als klein eingestuft werden kann, können die vom Nationalen Statistikbüro herausgegebenen „Richtlinien zur Klassifizierung von Unternehmen in große, mittlere, kleine und Mikro-Unternehmen (2017)“ herangezogen werden. Die Einstufung erfolgt anhand der Anzahl der Arbeitnehmer und des Umsatzes in der spezifischen Branche. Im Industriesektor gelten folgende Kriterien: Unternehmen mit 300 oder mehr Arbeitnehmern (aber weniger als 1.000) und einem Umsatz von RMB 20 Millionen oder mehr (aber weniger als RMB 400 Millionen) gelten als mittelgroße Unternehmen. Unternehmen mit 20 oder mehr Arbeitnehmern (aber weniger als 300) und einem Umsatz von RMB 3 Millionen oder mehr (aber weniger als RMB 20 Millionen) gelten als kleine Unternehmen. Mikro-Unternehmen sind solche mit weniger als 20 Arbeitnehmern oder einem Umsatz von weniger als RMB 3 Millionen.            

 

I. 2. Einzahlung der Kapitaleinlagen

a) Festlegung einer Einzahlungsfrist

Seit 2013 hatten Investoren die Möglichkeit, die Höhe und Laufzeit ihrer Kapitaleinzahlung flexibel zu gestalten. In der Praxis führte dies zu einem Trend hin zu hohen registrierten Kapitalbeträgen (gezeichnete Einlagen) und langen Zahlungsfristen von etwa 10 bis 20 Jahren oder sogar noch länger. Dies wiederum resultierte in einer beträchtlichen Anzahl von Rechtsstreitigkeiten aufgrund der Nichterfüllung oder unvollständigen Erfüllung der Kapitaleinzahlungspflicht der Gesellschafter.

Das neue Gesellschaftsgesetz sieht nun eine Frist für die Einzahlung der Kapitaleinlage vor. Die Gesellschafter einer LLC müssen das gezeichnete Kapital innerhalb von fünf Jahren nach Gründung des Unternehmens vollständig einzahlen, es sei denn, die Satzung der Gesellschaft sieht einen früheren Zeitpunkt dafür vor (Art. 47 Abs. 1 S. 2). Bereits gegründete LLCs, deren Kapitaleinzahlungsfristen länger als fünf Jahre sind, müssen diese schrittweise auf fünf Jahre anpassen (Art. 266 Abs. 2 S. 1). Wenn „offensichtlich ungewöhnliche Kapitaleinzahlungsfristen“ oder „offensichtlich ungewöhnliche Höhen“ der gezeichneten Einlagen vorliegen, kann das Unternehmensregister eine rechtzeitige Anpassung verlangen.

Die zeitliche Begrenzung der Verpflichtung der Gesellschafter zur Einzahlung ihrer Einlage dient dem Erhalt des Kapitals und dem Schutz der Gläubiger vor möglichen Missbrauchsfällen eines flexiblen Kapitaleinzahlsystems. Kritiker argumentieren jedoch, dass diese Regelung möglicherweise zu einem Rückgang von Unternehmensgründungen und zu einer Welle von Kapitalherabsetzungen führen könnte. Außerdem bleiben die genaue Vorgehensweise für die Anpassung, die Kriterien zur Feststellung von „offensichtlich ungewöhnlichen Kapitaleinzahlungsfristen“ oder einer „offensichtlich ungewöhnlichen Höhe“ der gezeichneten Einlagen, sowie die Art und Strenge der Regulierungsmaßnahmen seitens des Unternehmensregisters klärungsbedürftig und werden noch durch Durchführungsbestimmungen des Staatsrats festgelegt.

b) Beschleunigung der Kapitaleinzahlungsfristen

Des Weiteren haben die Gesellschaft und die Gläubiger das Recht, von säumigen Gesellschaftern eine vorzeitige Einzahlung ihrer Einlagen zu verlangen, falls die Gesellschaft fällige Schulden nicht begleichen kann (Art. 54 „Beschleunigung der Kapitaleinzahlungsfristen“). Nach bisheriger Rechtsprechung haben Gläubiger einen solchen Anspruch lediglich gegen säumige Gesellschafter insolventer oder sich auflösender Gesellschaften oder dann, wenn nach Entstehung der Schulden die Gesellschafterversammlung des Schuldners die Kapitaleinzahlungsfristen verlängert hat. Das neue Gesellschaftsgesetz scheint einen solchen Anspruch auf „Beschleunigung der Kapitaleinzahlungsfristen“ auf sämtliche Situationen der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auszudehnen.

c) Überwachungs- und Schadensersatzpflicht des Board of Directors

Das BoD ist nach dem neuen Gesellschaftsgesetz (Art. 51 Abs. 1) verpflichtet, die Kapitaleinzahlung der Gesellschafter zu überprüfen. Falls festgestellt wird, dass ein Gesellschafter nicht rechtzeitig und in vollem Umfang die gezeichnete Einlage geleistet hat, muss die Gesellschaft dem betreffenden Gesellschafter eine schriftliche Aufforderung zur Einzahlung des Kapitals zukommen lassen. Dies wird durch das BoD überwacht. Wenn die Mitglieder des BoD ihre Pflichten nicht rechtzeitig erfüllen und dadurch der Gesellschaft Schäden entstehen, sind die verantwortlichen Mitglieder des BoD persönlich zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet (Art. 51 Abs. 2). Die persönliche Haftung eines Directors könnte sich negativ auf die Bereitschaft auswirken, dieses Amt zu bekleiden.

d) Einziehung von Geschäftsanteilen des säumigen Gesellschafters

Fordert die Gesellschaft gemäß Art. 51 Abs. 1 den säumigen Gesellschafter schriftlich zur Einzahlung auf, kann im Aufforderungsschreiben eine Karenzfrist für die Einzahlung angegeben werden. Diese Karenzfrist darf ab dem Tag des Versands des Aufforderungsschreibens nicht weniger als 60 Tage betragen. Nach Ablauf dieser Frist, falls der säumige Gesellschafter immer noch nicht seinen Einzahlungsverpflichtungen nachgekommen ist, kann die Gesellschaft auf Beschluss des BoD dem betroffenen Gesellschafter eine Benachrichtigung über den Verlust von dessen Rechten an seinen Gesellschaftsanteilen zukommen lassen. Ab dem Datum des Versands der Benachrichtigung verliert der Gesellschafter seine Rechte an den nicht eingezahlten Anteilen. Die dadurch verlorenen Gesellschaftsanteile müssen übertragen werden oder es erfolgt eine entsprechende Herabsetzung des registrierten Kapitals und die Annullierung dieser Anteile (Art. 52 Abs. 2).

e) Haftung des Veräußerers bei Geschäftsanteilsübertragung

Das neue Gesellschaftsgesetz sieht in Art. 88 Abs. 1 ausdrücklich vor, dass ein Gesellschafter, der seine Geschäftsanteile vor Ablauf der Frist für die Einzahlung dieser Einlage verkauft und überträgt, subsidiär für die vom Erwerber nicht fristgerecht geleistete Einlage haftet; die Haftung des Verkäufers ist nicht gesamtschuldnerisch ausgestaltet, da in diesem Fall der Erwerber die primäre Haftung für die nicht fristgerecht geleistete Einlage trägt. Wenn der Gesellschafter, also der Verkäufer bereits im Verzug mit der Einzahlungspflicht ist, haftet er gesamtschuldnerisch zusammen mit dem Erwerber in Höhe des Fehlbetrages der Einlage (Art. 88 Abs. 2). Einen internen Regressanspruch überlässt das neue Gesellschaftsgesetz den Parteien. Daher sollten klare Haftungsregelungen bereits im Vorfeld in den Unternehmenskaufvertrag aufgenommen werden, um Rechtsstreitigkeiten über derartige Regressansprüche möglichst auszuschließen.

I.3. Anteilsübertragung

Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an Nicht-Gesellschafter gestaltete sich bislang in der Praxis meist aufwendig, da hierfür die Zustimmung von mehr als der Hälfte der anderen Mitgesellschafter benötigt wurde und den anderen Mitgesellschaftern zudem auch nach Erteilung der Zustimmung ein Vorkaufsrecht zustand. Mit dem neuen Gesellschaftsgesetz entfällt die Voraussetzung der Einholung der Zustimmung der anderen Mitgesellschafter vor der Anteilsübertragung; das Vorkaufsrecht bleibt jedoch bestehen.

Zuvor sah das Gesellschaftsgesetz vor, dass der Gesellschafter, der den Verkauf seiner Anteile an Dritte beabsichtigt, die verbleibenden Gesellschafter schriftlich informieren und fragen musste, ob diese ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen. Nicht geregelt war jedoch, welche Art von Informationen ein solches Mitteilungsschreiben beinhalten musste. Mit dem neuen Gesetz ist nun eindeutig festgelegt, dass in einer solchen schriftlichen Mitteilung Informationen über die Anzahl der zu übertragenden Anteile, den Kaufpreis, die Zahlungsmethode und die Frist enthalten sein müssen (Art. 84 Abs. 2).

I.4. Stärkung des Informationsrechts der Gesellschafter

Nach der bisherigen Rechtslage konnten die Gesellschafter Einsicht in die Satzung, Beschlüsse, Finanzberichte und Bücher der Gesellschaft nehmen. Es gab jedoch oft Streit darüber, ob dieses Recht auch die Buchungsbelege umfasst. Das neue Gesellschaftsgesetz erweitert nun das Informationsrecht der Gesellschafter auf die Einsichtnahme der Buchungsbelege (Art. 57 Abs. 2 S. 1) und ermöglicht es den Gesellschaftern, hierfür Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Rechtsanwaltskanzleien zu beauftragen, ohne dass die Gesellschafter während der Einsichtnahme anwesend sein müssen (Art. 57 Abs. 3). Außerdem erfasst das Recht auf Einsichtnahme nun auch die entsprechenden Unterlagen von 100%-igen Tochtergesellschaften (Art. 57 Abs. 5).

I.5. Schutz der Minderheitsgesellschafter

Bisher hatten Gesellschafter, die in einer der folgenden Situationen gegen eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung gestimmt haben, das Recht, von der Gesellschaft zu verlangen, ihre Geschäftsanteile zu einem angemessenen Preis zurückzukaufen:

i) die Gesellschaft hat fünf aufeinanderfolgende Jahre keine Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet, obwohl die Gesellschaft in diesen fünf Jahren Gewinne erzielt hat und die Bedingungen für die Gewinnausschüttung erfüllt waren;

ii) Verschmelzung, Spaltung oder Übertragung wesentlicher Vermögenswerte;

iii) die in der Satzung festgelegte Geschäftsdauer ist abgelaufen oder es liegt nach der Satzung ein anderer Auflösungsgrund vor, und die Gesellschafterversammlung hat einen Beschluss zur Änderung der Satzung gefasst, um die Gesellschaft weiterzuführen.

Diese Regelung stellt eine Ausstiegsmöglichkeit für Minderheitsgesellschafter dar, falls Uneinigkeit über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens besteht. Sie dient als Schutzmechanismus für Minderheitsgesellschafter. Das neue Gesellschaftsgesetz erweitert diesen Anspruch auf den Rückkauf von Geschäftsanteilen auch für den Fall, dass die beherrschenden Gesellschafter ihre Machtstellung missbrauchen und dadurch die Interessen des Unternehmens oder anderer Gesellschafter beeinträchtigen (Art. 89 Abs. 3).

I.6. Liquidation

Nach dem neuen Gesellschaftsgesetz liegt die Verpflichtung zur Bildung einer Liquidationsgruppe nicht mehr bei der Gesellschaft selbst, sondern bei den Directors (Art. 232 Abs. 1). Diese gelten als die sogenannten Liquidationsverpflichteten und sind – hier hat sich nichts geändert – dazu verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Eintritt eines Liquidationsereignisses eine solche Gruppe einzusetzen. Diese Gruppe besteht in der Regel aus den Directors, es sei denn, die Satzung oder ein Beschluss der Gesellschafter sieht etwas anderes vor (Art. 232 Abs. 2). Die Liquidationsgruppe hat verschiedene Aufgaben, darunter die Benachrichtigung der Gläubiger, die Ermittlung von Vermögenswerten und Schulden der Gesellschaft sowie die Abwicklung von Forderungen und Verbindlichkeiten. Sollten die Liquidationsverpflichteten ihren Pflichten nicht nachkommen, haften sie persönlich für entstandene Verluste der Gesellschaft oder ihrer Gläubiger (Art. 232 Abs. 3).

II. Fazit

Insgesamt verdeutlicht die jüngste Überarbeitung des chinesischen Gesellschaftsgesetzes eine bemerkenswerte Entwicklung in Richtung erhöhter Flexibilität und Transparenz für Unternehmen. Die signifikanten Änderungen betreffen eine Vielzahl von Aspekten, angefangen von der Flexibilität bei der Einrichtung von Aufsichts- und Kontrollgremien bis hin zur Neugestaltung in der Organstruktur. Durch die Festlegung von Einzahlungsfristen für das registrierte Kapital und die Beschleunigung von Kapitaleinzahlungen werden die zentralen Problemstellungen in der Praxis adressiert. Die Einführung von Überwachungs- und Schadensersatzpflichten für das BoD sowie die Stärkung des Informationsrechts der Gesellschafter stellen bedeutende Fortschritte dar, um Governance-Standards zu erhöhen und Transparenz zu fördern. Allerdings werden den Mitgliedern des BoD auch zusätzliche Verpflichtungen auferlegt.

Diese Reformen unterstreichen das Bestreben der VR China, sein Rechtssystem und seine Geschäftsumgebung internationalen Standards anzupassen und ein attraktives Investitionsklima zu schaffen. Die genaue Umsetzung und Durchführung dieser Änderungen werden von entscheidender Bedeutung sein, um ihre tatsächlichen Auswirkungen auf Unternehmen und Investoren bewerten zu können. In der VR China bereits tätige ausländische Unternehmen und potenzielle Investoren sollten über die anstehenden Änderungen im chinesischen Gesellschaftsgesetz informiert sein und ihre Rechtsgeschäfte danach ausrichten.

Autor/in
Dr. SHEN Yuan / 沈媛 博士 LL.M. (CUPL/Köln)

Dr. SHEN Yuan / 沈媛 博士 LL.M. (CUPL/Köln)
Counsel
Köln
yuan.shen@luther-lawfirm.com
+49 221 9937 25075

Dr. Madeleine Martinek, LL.M., LL.M. oec. (Nanjing)

Dr. Madeleine Martinek, LL.M., LL.M. oec. (Nanjing)
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