05.10.2018

Neue Plattformen zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten in China: die zwei internationalen Handelsgerichte in Shenzhen und Xi‘an

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Hintergrund

05.10.2018

 

Neue Plattformen zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten in China: die zwei internationalen Handelsgerichte in Shenzhen und Xi‘an

Anfang dieses Jahres kündigte die chinesische Regierung die Etablierung zweier eigener internationaler Handelsgerichte an, die bereits Ende Juni tatsächlich als First and Second International Commercial Courts of China in Shenzhen und Xi’an etabliert wurden. Die beiden permanenten Streitbeilegungsplattformen bilden eine wichtige Landmarke der chinesischen Regierung im Rahmen der sogenannten „Belt and Road“ Initiative, also den seitens der chinesischen Regierung geförderten Auf- und Ausbau einer interkontinentalen Handelsstruktur zwischen der Volksrepublik China und 64 weiteren Ländern Afrikas, Asiens und Europas entlang der alten Seidenstraße. Sie sollen insbesondere für Streitigkeiten zuständig sein, welche im Zusammenhang mit Projekten im Rahmen dieser Initiative entstehen können.

 

Stellung der Gerichte

Die neu etablierten Handelsgerichte stellen Ableger des Chinesischen Obersten Volksgerichtshofs (Supreme People’s Court of China – SPC) dar und sind als solche auf handelsrechtliche Streitigkeiten spezialisiert. Sie stehen im chinesischen Justizsystem auf derselben Ebene wie der SPC. Daher sind die Entscheidungen der beiden Handelsgerichte in erster Instanz bindend und nicht anfechtbar.
 

Umfang der Gerichtsbarkeit

Im Juli 2018 hat der SPC Richtlinien veröffentlicht, die den Aufgabenumfang der neuen Handelsgerichte festlegen. Die neuen Handelsgerichte befassen sich nur mit internationalen Handelsstreitigkeiten zwischen Parteien des Privatrechts, sodass Streitigkeiten zwischen oder mit staatlichen Akteuren von vorneherein ausscheiden. Anknüpfungspunkt für die Internationalität der Fälle sind die ausländische Nationalität oder der regelmäßig im Ausland liegende (Wohn-)Sitz mindestens einer der Parteien oder ein das Ausland betreffender Streitgegenstand. Andererseits muss immer ein ausreichender Bezug zur Volksrepublik China bestehen. Zudem muss eine der folgenden Voraussetzungen vorliegen: a) die Ansprüche betreffen einen Streitwert von über 300 Mio. RMB (ca. 38 Mio. EUR) und die Parteien haben die Gerichtsbarkeit der Handelsgerichte gewählt b) es besteht eine besondere nationale Bedeutung des Falles oder c) der SPC verweist einen Fall an eines der Handelsgerichte.
 

Internationalität der entscheidenden Gremien

Auch die entscheidenden Richter wurden zwischenzeitlich ernannt. Diese sind, wie nach dem chinesischen Richtergesetz vorgesehen, sämtlich chinesische Staatsbürger; ihre Internationalität ergibt sich jedoch aus der Vorgabe, dass diese über umfangreiche Prozesserfahrung in internationalen Handelssachen und Sprachkenntnisse in Chinesisch sowie Englisch verfügen müssen. Die Internationalität der Handelsgerichte ergibt sich darüber hinaus – neben dem Umfang der Gerichtsbarkeit – aus der Unterstützung durch ein Komitee internationaler Wirtschaftsexperten, welches das Gericht in der Auslegung ausländischen und internationalen materiellen Rechts berät.
 

Neuerungen im Rahmen der Verfahrensgestaltung

Zwar wird dem alt hergebrachten Mündlichkeitsgrundsatz dadurch Rechnung getragen, dass die Beweise in der Verhandlung zu sichten und erörtern sind, doch liegt den Gerichten ein modernes Verständnis von Mündlichkeit zugrunde. Der extensive Einsatz audiovisueller Techniken zur Beweisaufnahme und -führung ist ebenso vorgesehen, wie ein umfassendes elektronisches System, welches die digitale Einreichung von Beweismitteln, die Bezahlung von Gerichtsgebühren oder die Durchführung von Online-Anhörungen vorsieht.

Neu und positiv hervorzuheben ist, dass im Ausland gesammelte Beweise weder notarisiert, noch übersetzt werden müssen, sofern sie in englischer Sprache verfasst sind und die Parteien zustimmen. Eine Modernisierung dergestalt, dass die Verhandlungen insgesamt auf englischer Sprache geführt werden können, ist hingegen – trotz der Vorgabe, dass die Richter Englisch als Arbeitssprache beherrschen müssen – nicht vorgesehen. Vielmehr müssen die Verfahren, wie nach der chinesischen Zivilprozessordung vorgesehen, regelmäßig auf Chinesisch oder einer der chinesischen Minderheitensprachen geführt werden.

Schließlich ist auch der Umfang der angebotenen Leistungen der Handelsgerichte neu. Neben der klassischen Entscheidung von Zivilprozessen sind auch Methoden der Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen. Dazu sollen – noch im Detail zu bestimmende – internationale Mediations- und Schiedseinrichtungen an der Seite der Gerichte arbeiten. Die so erzielten Ergebnisse können sodann von den neuen Handelsgerichten gerichtlich vollstreckt werden. Auch für einstweilige Maßnahmen im Rahmen der Schiedsverfahren (jedoch nur dieser und nicht anderer Schiedsinstitutionen) können die neuen Handelsgerichte angerufen werden. Jegliche Entscheidung der Handelsgerichte, sei es basierend auf einem Zivilprozess, einer Mediation oder schiedsgerichtlichen Entscheidungen sollen im Übrigen unmittelbar volltreckbar sein.
 

Fazit

Inwieweit durch die technische und sprachliche Modernisierung die Attraktivität des Gerichtsstandorts China für ausländische Parteien sich verändern oder steigen wird und die neuen Handelsgerichte tatsächlich von internationalen Unternehmen als Anlaufstelle für Handelsstreitigkeiten mit Bezug zur Volkrepublik China dienen werden, bleibt abzuwarten. Bislang werden zur Beilegung von internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten typischerweise Schiedsverfahren gewählt, welche regelmäßig als neutraler und unabhängiger empfunden werden. Dies wird sich wohl auch nicht durch die Errichtung der neuen Handelsgerichte maßgeblich ändern, auch mit Blick auf die umfassende Digitalisierung der Verfahren, welche nach dem Prozessverständnis vieler Nationalitäten durchaus auch kritisch gesehen werden dürfte. Aspekte wie die internationale Expertise der Richter, Verfahrenserleichterungen wie die Möglichkeit, Beweise auf Englisch vorzulegen, sowie die generelle Verfahrensbeschleunigung könnten jedoch zu einer gewissen größeren Akzeptanz führen, sodass staatliche Gerichte in China in Zukunft ebenfalls als gangbare Option zur Streitbeilegung gesehen werden.

Autor/in
Dr. Stephan Bausch, D.U.

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
Köln
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
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Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss

Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss
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