10.08.2017

Kommen jetzt die Dieselfahrverbote? Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

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Hintergrund

10.08.2017

Kommen jetzt die Dieselfahrverbote?
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

Die Diskussion über Dieselfahrverbote in deutschen Innenstädten hatte zuletzt wegen des Dieselskandals Fahrt aufgenommen. Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart befeuert diese Diskussion nun zusätzlich. Der Dieselgipfel vom 2. August dürfte daran wenig geändert haben.

Gerichtliche Durchsetzung von Dieselfahrverboten

Die Dieselfahrzeuge geraten wegen ihres Stickstoffdioxidausstoßes nicht nur in der Öffentlichkeit unter Druck. Die Umweltverbände versuchen mithilfe der Gerichte, Dieselfahrverbote durchzusetzen. Dieselfahrverbote sollen in die Luftreinhaltepläne zur „schnellstmöglichen“ Einhaltung des europarechtlichen Grenzwertes für Stickstoffdioxid“ aufgenommen werden.

Luftreinhaltepläne sind bei Überschreitung der Grenzwerte für Schadstoffe aufzustellen und können Fahrverbote vorsehen. Zu den Luftreinhalteplänen berichteten wir bereits in unserem Blog-Beitrag vom 16. März 2017.

Die Umweltverbände klagen seit Jahren durchaus erfolgreich vor den Verwaltungsgerichten auf Nachbesserung von Luftreinhalteplänen. Doch haben die Verwaltungsgerichte die zuständigen Behörden regelmäßig nicht zu konkreten Maßnahmen wie Fahrverboten verurteilt, sondern nur allgemein dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen in die Luftreinhaltepläne aufzunehmen, um die Einhaltung der Jahres-Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid und/oder Feinstaub schnellstmöglich sicherzustellen. Mit welchen Maßnahmen die zuständigen Behörden die Grenzwerte erreichen, ob z.B. mit Fahrverboten oder mit der Einrichtung einer Umweltzone, blieb in ihr Ermessen gestellt. Da es trotz Nachbesserung der Luftreinhaltepläne weiter zu Überschreitungen der Grenzwerte gekommen ist, kommt es im Nachgang zu den Urteilen regelmäßig zum Streit, ob die zuständigen Behörden auch tatsächlich alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben. Denn Fahrverbote haben die Behörden bisher tunlichst vermieden.

In München sollen Fahrverbote vorbereitet werden

Doch hier scheinen die Gerichte nun aktiv zu werden. So hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kürzlich Dieselfahrverbote für München ins Spiel gebracht. Anlässlich des Luftreinhalteplans für die Stadt München hat er in seinem Beschluss vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) ausführlich begründet, dass ein Dieselfahrverbot die einzige dem Freistaat Bayern „verbleibende Handlungsoption“ sei, um die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid einzuhalten. Er sah sich allein aus rechtlichen Gründen gehindert, der zuständigen Behörde im Vollstreckungsverfahren die Durchsetzung eines Dieselfahrverbots aufzugeben. Nach gegenwärtiger Rechtslage sei unsicher, ob Dieselfahrverbote überhaupt rechtmäßig umgesetzt werden könnten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hielt es aber für geboten, dass die zuständige Behörde bereits jetzt Dieselfahrverbote vorbereitet und entsprechende Konzepte ausarbeitet, damit ein Dieselfahrverbot sofort nach Klärung der Rechtslage durch das Bundesverwaltungsgericht umgesetzt werden könne. Gleichzeitig hat er ein Zwangsgeld für den Fall der Nichtbeachtung angedroht.

Aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart: Dieselfahrverbot

Das Verwaltungsgericht Stuttgart macht nun mit seinem Urteil vom 28. Juli 2017 (13 K 5412/15) ernst. Bereits ab dem nächsten Jahr soll ein Dieselfahrverbot für Stuttgart gelten. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die zuständige Behörde verpflichtet, in den Luftreinhalteplan für Stuttgart ein generelles, ganzjähriges Fahrverbot für Dieselfahrzeuge unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6/VI aufzunehmen. Das Dieselfahrverbot soll bereits am 1. Januar 2018 in Kraft treten soll.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart begründet seine Entscheidung damit, dass die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid seit 2010 bis zum heutigen Tag nicht eingehalten würden. Das Fahrverbot sei die effektivste und derzeit die einzige Luftreinhalteplanmaßnahme, mit der die Stickstoffdioxidbelastung reduziert werden könne. Keine andere von der Planungsbehörden in Betracht gezogene Maßnahme (Geschwindigkeitsbeschränkungen, City-Maut, Nahverkehrsabgabe etc.) sei von ihrem Wirkungsgrad her gleichwertig. Ausdrücklich hält das Verwaltungsgericht Stuttgart die „Nachrüstlösung“ für nicht ausreichend, weil selbst bei einer angenommenen freiwilligen Umrüstungsquote von 100 % die Stickstoffdioxidbelastung nicht genügend reduziert werden könne.

Die rechtlichen Bedenken des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, ob es im geltenden Recht überhaupt eine Rechtsgrundlage für ein solches Fahrverbot gebe, teilt das Verwaltungsgericht Stuttgart nicht.

Eine Klärung der unterschiedlichen Auffassungen könnte bald durch das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren zum Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 (3 K 7695/15) erfolgen.

Dieselgipfel

Mit den Beschlüssen des Dieselgipfels vom 2. August 2017 sind die drohenden, durch Gerichte angeordneten Fahrverbote nicht vom Tisch. Auf dem Dieselgipfel hat sich die Autoindustrie, soweit vertreten, mit der Bundesregierung auf die „Nachrüstlösung“ geeinigt: 5,3 Millionen PKW in den Schadstoffklassen Euro 5 und 6 sollen nachgerüstet werden. Die Bundesregierung erwartet dadurch eine Reduktion des Stickstoffdioxidausstoßes um 30 % schon zum Jahresende 2018. Angesichts der strengen Maßstäbe, die die Gerichte mittlerweile anlegen, wird diese Nachrüstlösung nur reichen, wenn damit in den betroffenen Städten die Grenzwerte für Stickstoffdioxid eingehalten werden. Dann, aber nur dann dürfte sich das Thema Dieselfahrverbote erledigen.

 

Claudia Schoppen
Partnerin
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Essen
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