08.04.2020

Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht ist nichtig (BVerfG Beschluss vom 13. Februar 2020, Az. 2 BvR 739/17)

Autoren: Sebastian Laoutoumai/Kevin Nebel

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das Zustimmungsgesetz zum Einheitlichen Patentgericht für nichtig erklärt. Dieses Zustimmungsgesetz ist mit Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 2 Grundgesetz (GG) unvereinbar, da es nicht mit der, hier notwendigen, absoluten Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen wurde. Die entsprechende Sitzung erfolgte lediglich mit ca. 35 Abgeordneten. Die zeitnahe Einführung eines Einheitlichen Patentgerichts ist somit vom Tisch. Zudem könnte dieser Beschluss einen erheblichen Einfluss auf das politische Handeln bei der europäischen Integration haben.   

Die Idee eines Einheitspatentes, also die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes für das Gebiet der EG/EU, wird bereits seit Ende der 1950er Jahre diskutiert. Mit dem Beschluss des BVerfG wurde diese - nicht enden wollende - Geschichte um ein weiteres Kapitel ergänzt. Das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ-ZustG) wurde im März 2017 einstimmig angenommen. Anschließend erhob ein Düsseldorfer Rechtsanwalt Verfassungsbeschwerde gegen dieses Gesetz, worauf es - auf Grund einer informellen Bitte des BVerfG - nicht vom kurz zuvor ernannten Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet wurde.

Bereits wenige Wochen vor dieser Entscheidung hatte die britische Regierung angekündigt, nicht mehr am Einheitlichen Patentgericht festhalten zu wollen. Diese Mitteilung kam trotz des „Brexit“ überraschend, da man bisher davon ausgegangen war, dass an der geschlossenen Ratifizierung festgehalten wird. Weiter Informationen hierzu finden Sie bei den Kollegen von JUVE.

Dabei bietet ein Einheitspatent den großen Vorteil eines zentralisierten Verfahren, mit dem europäischen Patentamt als zentraler Anlaufstelle. Durch ein Einheitliches Patentgericht würden zudem parallele und oft kostenintensive Rechtsstreitigkeiten in mehreren Ländern vermieden. Somit besteht insbesondere bei Erfindern ein großes Bedürfnis, dass das Einheitliche Patentgericht am Ende der „Story“ überlebt.

Die Entscheidung

Die am 20. März 2020 veröffentlichte Entscheidung wurde nur weniger Tage vorher angekündigt und bereits lange herbeigesehnt. Das BVerfG hat das Zustimmungsgesetz zum Einheitlichen Patentgericht für nichtig erklärt, und damit – vorerst – Klarheit geschaffen. Dabei hat das Gericht die Entscheidung auf das nicht ausreichende Quorum gestützt, während die anderen Beschwerdepunkte des Beschwerdeführers weniger beachtet wurden. Demnach hat die Einführung des Einheitliche Patentgerichts Verfassungsrelevanz und stellt eine funktional äquivalente Regelung zu einer Änderung der EU-Verträge dar. Bei einer Übertragung von Hoheitsrechten im Kontext der Europäischen Union - wie es das BVerfG hier annimmt - bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit, welche hier unstreitig nicht vorlag.

Dabei ist diese Ansicht der Verfassungsrichter selbst im Zweiten Senat nicht unumstritten. So führten drei Verfassungsrichter in einem Minderheitsvotum u.a. an, dass nun bei jeder Kompetenzübertragung im Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 GG vom Bundestag und Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit angestrebt werden könnte, um sich weniger Risiken auszusetzen. Dies könnte dazu führen, dass politische Prozesse im Bereich der europäischen Integration erschwert werden. Besonders Interessant ist dabei die Tatsache, dass sich die drei Verfassungsrichter mit der kürzesten bisherigen Amtszeit für das Minderheitsvotum zusammengeschlossen haben. Dies könnte bereits jetzt auf eine künftige Änderung in der Rechtsprechung hindeuten.

Den gesamten Beschluss - Az. 2 BvR 739/17 - des Zweiten Senates vom 13. Februar 2020  finden Sie auf der Internetpräsenz des BVerfG zum Nachlesen.

Nächste Schritte bis zum Einheitlichen Patentgericht

Dem Bundestag steht es nun frei, erneut mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit über das Gesetz abzustimmen. Auch wenn entsprechende Prognosen schwierig sind, erscheint das Erreichen der gewünschten Mehrheit, auf Grund der damals einstimmigen Abstimmung, als durchaus realistisch. Jedoch kommt der Beschluss zu einem - aus der Sicht der Befürworter des Einheitlichen Patentgerichts - denkbar ungünstigen Zeitpunkt, bei dem der Zusammenschluss von einer solchen großen Personenanzahl schwierig bis unmöglich, und die Politik in vielen Bereichen gefordert ist. Es bleibt wohl noch ein langer und steiniger Weg, bis es zum Einheitlichen Patentgericht kommt.

Unser Kommentar

Es bleibt nun abzuwarten, ob bzw. wann der Bundestag für ein erneute Abstimmung zum Zustimmungsgesetz für das Einheitliche Patentgericht tagt. So bleibt es vorerst der Wunsch einiger Befürworter, dass dieses Vorhaben nicht insgesamt scheitert. Denn der einheitliche Schutz im Patentrecht stellt eine hervorragende Chance und Vereinfachung für Erfinder und Unternehmen dar, und ist somit längst überfällig. Die Entscheidung der britischen Regierung gegen ein Einheitliches Patentgericht verstärkt insgesamt die Zweifel an der entsprechenden zeitnahen Durchsetzung, da somit ein wichtiger „Partner“ weggefallen ist.

Spannend bleibt, wie sich der Bundestag zukünftig im Bereich der europäischen Integration verhalten wird. Hier bleibt zu hoffen, dass sich die Befürchtungen aus dem Minderheitsvotum nicht bestätigen. Denn eine absolute Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen ist derzeit wohl schwerer als je zuvor und könnte somit zu einer Behinderung der Politik führen. Über den weiteren Fortgang dieses Themas werden wir Sie selbstverständlich zu gegebener Zeit an dieser Stelle informieren.