29.09.2020

„Gesellschaftsrecht in Zeiten von Corona“ – auch 2021 ein Thema

Hintergrund

Durch das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (amtliche Abkürzung: „GesRuaCOVBekG“[!]) vom 27. März 2020 hat der Gesetzgeber insbesondere Erleichterungen für die Durchführung von (Haupt-, Gesellschafter- bzw. Mitglieder-)Versammlungen und für die Beschlussfassungen von Organen außerhalb von Sitzungen geschaffen. In der Praxis haben sich entsprechende „virtuelle“ Versammlungen und Beschlussfassungen als weitgehend unproblematisch – und zum Teil sogar vorteilhaft (man denke an die Kosten einer Präsenz-Hauptversammlung einer börsennotierten AG) – herausgestellt. Auch von der Verlängerung der „Frist“ zur Anmeldung von Umwandlungsvorgängen (der Stichtag der beizufügenden Bilanz darf bis zu 12 Monate zurückliegen statt 8) wird Gebrauch gemacht.

Das Bundesjustizministerium geht – leider wohl zurecht – davon aus, dass die Pandemie auch 2021 nicht ausgestanden sein wird und daher weiterhin Bedarf für die genannten Erleichterungen besteht. Es hat deshalb einen Entwurf für eine Verordnung (amtliche Abkürzung: „GesRGenRCOVMVV“) vorgelegt, mit dem die Geltung der Regelungen (§§ 1-5 des Gesetzes) bis zum 31.12.2021 fortgeschrieben wird. Diese Möglichkeit ist in § 8 des Gesetzes vorgesehen. Es ist anzunehmen, dass die Verordnung nach Abstimmung in der Bundesregierung und Stellungnahmen von Verbänden erlassen wird. Sie soll am Tag nach ihrer Verkündung, also voraussichtlich deutlich vor Ende 2020, in Kraft treten.

Dieses Vorgehen ist grundsätzlich zu begrüßen; es gibt Planungssicherheit. Der Bedarf besteht weiterhin, auch wenn mittlerweile eine Vielzahl von Unternehmen und Organisationen die „Anregung“ des Gesetzgebers und von Seiten der Berater aufgegriffen und in ihren Satzungen und Gesellschaftsverträgen Erleichterungen für Versammlungen und Beschlussfassungen statuiert haben.

Allerdings ist bezüglich des jetzigen Entwurfsstands auf Folgendes hinzuweisen:

Das Vorgehen per Verordnung schreibt nur die bislang geltenden Regelungen fort. Änderungen, Verbesserungen, Klarstellungen sind damit nicht bzw. über die Begründung zu dem Referentenentwurf bislang nur in ganz geringem Umfang verbunden.

Insbesondere die Regelungen zur „virtuellen“ Gesellschafterversammlung bei der GmbH, die durchaus einige Fragen aufwerfen, werden auch in der Entwurfsbegründung nur sehr kurz (4 Zeilen) angesprochen, indem wie in der ursprünglichen Gesetzesbegründung von der „Durchführung von Gesellschafterbeschlüssen“ die Rede ist. Das zeigt einmal mehr, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber sich schon nicht darüber im Klaren ist, was er eigentlich regelt: Beschlüsse werden „gefasst“, Versammlungen werden „durchgeführt“ (richtiger wohl „abgehalten“).  Der – voraussichtlich nun bis 31.12.2021 geänderte – § 48 Abs. 2 GmbHG spricht demgemäß auch von der „Abhaltung einer Versammlung“.

Wie bereits damals von uns und anderen angemerkt, ist also weiterhin davon auszugehen, dass es bei der Änderung von § 48 Abs. 2 GmbHG um die Beschlussfassung ohne Abhaltung einer Versammlung, also im Umlaufverfahren, geht. Daher bleibt es weiterhin angezeigt, die Formalia der „Einladung zur Beschlussfassung“ so einzuhalten, wie bei einer Einladung zur Versammlung und ebenso auf die Einhaltung eines ggf. statuarisch vorgesehenen Quorums zu achten.

Leider wird somit  die unglückliche Gesetzesformulierung fortgeschrieben, nach der eine solche Beschlussfassung möglich ist, „ohne dass sich sämtliche Gesellschafter“ damit einverstanden erklären, statt positiv klarzustellen, dass hierfür die einfache Mehrheit genügt. Auch wäre es schön, wenn Gelegenheit bestanden hätte, das Verhältnis dieser Gesetzesänderung zu etwaigen – nicht seltenen – statuarischen Regelungen zum Umlaufverfahren zu klären. Eine herrschende Meinung zu all diesen Fragen oder gar eine ober- oder höchstrichterliche Rechtsprechung zum geänderten § 48 Abs. 2 GmbHG ist nicht ersichtlich, so dass man auch nicht von einem beredten Schweigen des Verordnungsgebers sprechen kann.

Zu Hauptversammlungen bei Aktiengesellschaften, KGaAs und SEs ist die Begründung der Verordnung nicht so einsilbig; hier wird in zwei längeren Absätzen unter anderem dazu ausgeführt, dass Unternehmen von den Erleichterungen „nur dann Gebrauch machen“ sollten, „wenn dies unter Berücksichtigung des konkreten Pandemiegeschehens erforderlich erscheint.“ Die Verlängerung der Regeln solle daher insbesondere den Unternehmen „Planungssicherheit“ geben, die Hauptversammlungen „in den ersten Monaten des Kalenderjahres 2021 abhalten wollen“. „Zudem sollte der Vorstand das ihm zustehende pflichtgemäße und freie Ermessen dahingehend ausüben, möglichst viele der eingereichten Fragen auch zu beantworten.“

Es stellt sich die Frage, was der Verordnungsgeber mit diesen kommentierenden Vorgaben  mit all ihren Einschränkungen und Relativierungen erreichen will und kann und insbesondere, ob er damit „Planungssicherheit“ für die Unternehmen schafft oder gerade nicht, zumal die weitere Entwicklung der Pandemie nicht absehbar ist und daher eine wie auch immer geartete Beschränkung auf Hauptversammlungen nur in den ersten Monaten 2021 nicht angezeigt ist. Der Verordnungsgeber will wohl die Gelegenheit nutzen, dem unveränderten Gesetzeswortlaut seine Lesart mitzugeben. Es ist dann an der Praxis, daraus ein rechtssicheres Vorgehen zu machen. So wie man sich bei der GmbH einige Worte mehr gewünscht hätte, wären zu den Hauptversammlungen einige weniger vielleicht besser gewesen.

Autor/in
Dr. Arnd Becker

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Dr. Andreas Blunk, MLE

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