21.04.2017

Facebook Irland muss Deutsch verstehen – jedenfalls, wenn es in Deutschland verklagt wird

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21.04.2017

Facebook Irland muss Deutsch verstehen – jedenfalls, wenn es in Deutschland verklagt wird

Das Amtsgericht Berlin Mitte hat entschieden, dass die europäische Facebook-Tochter in Irland hinreichend Deutsch versteht, so dass eine in Deutschland anhängig gemachte Klage nicht übersetzt werden muss (Versäumnisurteil v. 08.03.2017, Az. 15 C 364/16). Bei 20 Millionen deutschen Nutzern sei davon auszugehen, dass Facebook Mitarbeiter beschäftige, die rechtliche Angelegenheiten auf Deutsch bearbeiten.

Der deutsche Kläger hatte seit 2008 einen Facebook-Account. Am 3. Juli 2016 soll Facebook ihm den Zugang zu seinem Profil entzogen haben. Darauf versuchte der Kläger zunächst per E-Mail, die Aufhebung dieser Sperrung zu erreichen. Der irische Facebook-Ableger lehnte dies mit einer auf Deutsch verfassten E-Mail ab. Der Nutzer sei nach der „Erklärung der Rechte und Pflichten zur Nutzung von Facebook nicht berechtigt“. „Aus Sicherheitsgründen“ könne er keine weiteren Informationen zur Sperrung erhalten. Dies wollte der Nutzer nicht akzeptieren und reichte Klage ein: beim Amtsgericht Berlin Mitte und – natürlich – auf Deutsch.

Zustellung einer deutschen Klage in Irland

Die Zustellung der Klage an Facebook fand nach der Europäischen Zustellungsverordnung (EuZVO) statt. Dabei spielte die sprachliche Fassung der Klageschrift eine wichtige Rolle: Facebook verweigerte die Annahme der Zustellung der Klageschrift, weil diese nur auf Deutsch verfasst und nicht ins Englische übersetzt worden war. Das Tech-Unternehmen berief sich darauf, dass seine Rechtsabteilung kein Deutsch verstehe. Der rechtliche Hintergrund: Nach Art. 8 EuZVO kann die Annahme eines Schriftstücks verweigert und damit die Zustellung verhindert werden, wenn das Schriftstück in einer Sprache verfasst ist, die „der Empfänger nicht versteht“ (Art. 8 Abs. 1 lit. a EuZVO). In der Folge hätte der Kläger das Verfahren nicht weiter betreiben können, bis er Facebook eine Abschrift in englischer Sprache zugestellt hätte.

Die Vorgabe der EuZVO stellt auf die Sprachkenntnisse des Empfängers und damit ein subjektives Merkmal ab. Sind diese bei natürlichen Personen noch recht einfach festzustellen, so wird es bei juristischen Personen schwerer: Auf wessen Sprachkenntnisse kommt es an? Die der vertretungsberechtigten Organe oder die der konkret für die Bearbeitung des Schriftstücks zuständige Person? Seit Inkrafttreten der EuZVO 2008 gibt es auf die Frage keine klare Antwort – weder EuGH noch BGH haben dies bisher entschieden. In der juristischen Fachliteratur werden verschiedene Ansichten vertreten.

Sprechen alle multinationalen Unternehmen Deutsch?

Facebook vertrat offenbar die Ansicht, dass es auf die Geschäftsleitung oder die konkret zuständigen Personen in der Rechtsabteilung ankommt. Auch das Landgericht Frankfurt hatte in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass auf die für den konkreten Sachverhalt zuständige Person abzustellen sei (LG Frankfurt 2–03 O 95/13; bestätigt durch OLG Frankfurt 6 U 104/14). Das Landgericht Frankfurt betonte zudem, dass die antragstellende bzw. klagende Partei die Beweislast dafür trage, dass die Rechtsabteilung des Gegners die Sprache verstehe. Das Amtsgericht Berlin Mitte folgte dieser Ansicht im Kern. Allerdings stellte das Gericht zu Gunsten des Klägers auf die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Organisationsstruktur von Facebook ab. Bei 20 Millionen deutscher Kunden könne davon ausgegangen werden, dass Mitarbeiter beschäftigt würden, die in der Lage seien, in deutscher Sprache rechtliche Streitigkeiten mit Kunden zu betreuen. Dies zeige schließlich auch die von Facebook auf Deutsch verfasste E-Mail an den Kläger oder aber die deutschen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Damit sei von einer wirksamen Zustellung auszugehen und ein Versäumnisurteil gegen Facebook angezeigt.

Der Entscheidung des Amtsgerichts Berlin Mitte mag im Ergebnis zuzustimmen sein; doch wird die ohnehin schon unpräzise Regelung des Art. 8 Abs. 1 lit. a) EuZVO um ein nicht näher definiertes Vermutungskriterium erweitert. Ab welcher Größe und welcher Ausrichtung eines Unternehmens kann davon ausgegangen werden, dass es in seiner Rechtsabteilung Mitarbeiter beschäftigt, die der deutschen Sprache mächtig sind? Und: sollte ein gutes – also in der Sprache des Kunden geführtes – Beschwerdemanagement im Vorfeld einer rechtlichen Auseinandersetzung das Unternehmen dann bei Prozesseintritt wirklich benachteiligen?

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Simon Heetkamp
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