16.03.2020

Emissionshandel und Coronavirus: Fristen wahren!

Das Herunterfahren der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten trifft emissionshandelspflichtige Unternehmen zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt: Noch bis Ende März müssen die Emissionsberichte nach Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz verifiziert und bei der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt) eingereicht werden. Bis Ende April sind dann die Emissionszertifikate abzugeben. Verlängerungen der unionsrechtlich vorgegeben Fristen sind nicht vorgesehen.

Hintergrund

Gesetzlicher Abgabetermin für die Emissionsberichte für das Jahr 2019 ist Dienstag, der 31. März 2020 (§ 5 Abs. 1 TEHG). Die Emissionsberichte müssen von einer Prüfstelle verifiziert sein. Wird diese Frist versäumt, ist nach § 29 TEHG das Emissionshandelskonto der betroffenen Anlage zu sperren. Die DEHSt hat hierbei kein Ermessen. Zudem wird durch die Fristversäumnis der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit der nicht rechtzeitigen Emissionsberichterstattung nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verwirklicht. Der Bußgeldrahmen hierfür beträgt bis zu 500.000 EUR.

Die Emissionszertifikate müssen bis zum Donnerstag, den 30. April 2020, abgegeben werden. Wird diese Frist versäumt, ist nach § 30 Abs. 1 TEHG verschuldensunabhängig eine Zahlungspflicht von 100 EUR pro Tonne Treibhausgasäquivalent, für die nicht rechtzeitig eine Emissionsberechtigung abgeben wurde, festzusetzen (zzgl. Teuerungsrate).

Sollten Unternehmen infolge der Pandemie an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten gehindert sein, besteht im Zusammenhang mit Ordnungswidrigkeiten im Grundsatz für die DEHSt die Möglichkeit, von der Eröffnung eines Bußgeldverfahrens ganz abzusehen (Opportunitätsprinzip). Etwaige Pflichtverletzungen könnten zudem über das Schuldmerkmal angemessen berücksichtigt werden. Nach bisheriger Praxis müßte aber mit strengen Maßstäben etwa an die betriebliche Organisation gerechnet werden. Problematisch wird es etwa dann, wenn für die Erfüllung der emissionshandelsrechtlichen Pflichten nur ein einziger Mitarbeiter zuständig ist und dieser krankheitsbedingt ausfällt. Vertretungsregelungen für einen solchen Fall wird man unabhängig von der aktuellen Situation immer haben müssen, will man nicht in die Gefahr des Vorwurfs eines Organisationsverschuldens geraten.

Für Fristversäumnisse bei der Abgabe von Emissionsberechtigungen enthält das Gesetz nur einen Entlastungstatbestand: Von der Verhängung einer Sanktionszahlung kann gemäß § 30 Abs. 1 S. 3 TEHG im Fall höherer Gewalt abgesehen werden. Nach der emissionshandelsrechtlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt ein Fall höherer Gewalt nur dann vor, wenn sich der betroffene Anlagenbetreiber auf eine äußere Ursache berufen kann, deren Folgen unvermeidbar und unausweichlich sind und den Betroffenen die Einhaltung ihrer Verpflichtungen objektiv unmöglich machen. Hierzu muß nach dem EuGH geprüft werden, ob das betreffende Unternehmen trotz aller möglicherweise unternommenen Anstrengungen, um die vorgeschriebenen Fristen einzuhalten, mit ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen konfrontiert war, auf die es keinen Einfluß hatte (EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – C-203/12, Billerud Karlsborg AB und Billerud Skärblacka AB/Naturvårdsverket, Rn. 31). Auch hier wird folglich zunächst von einem betroffenen Unternehmen gefordert, sich mit einer Anstrengung aller Kräfte um die Fristeinhaltung zu bemühen.

Derzeit kann niemand vorhersagen, welche Einschränkungen die Pandemie in den nächsten Wochen noch zur Folge haben wird. Unternehmen sollten aber jedenfalls alle Anstrengungen unternehmen (und dokumentieren), um die gesetzlich bestimmten Fristen einhalten zu können. Sinnvoll dürfte es sein, die Pflichten möglichst frühzeitig zu erfüllen und nicht „bis zum letzten Tag“ aufzuschieben. Bei absehbaren Schwierigkeiten einer Fristwahrung sollte zügig mit der DEHSt Kontakt aufgenommen werden. Eine behördliche Suspendierung der Fristen ist zwar gesetzlich nicht vorgesehen. Die Pandemie und Corona können aber ggf. auch im Bereich des Klimaschutzrechts außergewöhnliche Maßnahmen erfordern.

Autor/in
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)

Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
Partner
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