10.05.2019

Emissionshandel: Generalanwalt beim EuGH stellt sich gegen kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die Wärmeerzeugung zahlreicher Kraftwerke

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10.05.2019

 

Emissionshandel: Generalanwalt beim EuGH stellt sich gegen kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die Wärmeerzeugung zahlreicher Kraftwerke

Droht vielen Anlagen mit eigener Stromerzeugung der vollständige Wegfall der kostenlosen Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die zugleich erzeugte Wärme? Jedenfalls nach dem Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist das der Fall. Jede noch so geringe Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz nach dem 31. Dezember 2004 soll nach dessen Schlussantrag in der Rechtssache C-682/17 (ExxonMobil Production Deutschland GmbH) dann für eine Einstufung als Stromerzeuger ausreichen, wenn in der Anlage keine andere emissionshandelspflichtige Tätigkeit als die Verbrennung von Brennstoffen stattfindet. Und zwar auch dann, wenn die Einspeisung lediglich aus technischen Gründen zur Vermeidung von Frequenz- und Spannungsschwankungen erfolgt und der ganz überwiegende Teil des erzeugten Stroms für den eigenen Anlagenbetrieb genutzt wird. In solchen Fällen soll eine kostenlose Zuteilung für die von einem Kraftwerk erzeugte Wärme nur noch für Fernwärme sowie dann möglich sein, wenn eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gegeben ist. Praktisch relevant ist dies in zahlreichen Fällen der Eigenversorgung mit Strom und Wärme etwa im Bereich der chemischen Industrie oder Nahrungsmittelherstellung.

Der Generalanwalt stützt seinen Schlussantrag auf Art. 10a Abs. 4 der Richtlinie 2003/87/EG (Emissionshandels-Richtlinie).  Danach dürfen an Stromerzeuger Emissionszertifikate nur in den vorgenannten Fällen kostenlos zugeteilt werden. Stromerzeuger ist dabei nach Art. 3 lit. u) der Emissionshandels-Richtline) jede Anlage, in der nach dem 31. Dezember 2004 Strom für den Verkauf an Dritte erzeugt wurde und in der keine weitere emissionshandelspflichtige Tätigkeit stattfindet.

Der Generalanwalt legt diesen Begriff entgegen der Rechtsprechung des den EuGH anrufenden Verwaltungsgerichts Berlin und der Bundesregierung sehr weit aus: Da „nichts im Wortlaut dieser Bestimmung […] darauf hin[deute], dass der Verkauf an Dritte das ausschließliche oder zumindest das hauptsächliche Ziel der Stromerzeugung sein müsste“, ist man bereits dann als Stromerzeuger anzusehen, wenn „eine Anlage Strom für ihre eigene Versorgung erzeugt und zugleich […] einen, und sei es sehr geringen Teil dieses Stroms in das Netz ein[speist].“ Würde sich der Generalanwalt mit seiner Auffassung durchsetzen, drohen ganze Standorte ihre vollständige kostenlose Zuteilung nach Wärme-Emissionswert zu verlieren.

Die hiermit dann verbundenen Konsequenzen haben die DEHSt inzwischen zu einer milderen Herangehensweise veranlasst. In ihrem „Leitfaden Zuteilung 2021-2030 Teil 2“ setzt sie sich von der Auffassung des Generalanwalts beim EuGH ab. Für die DEHSt liegt danach nur dann ein Stromerzeuger im Rechtssinne vor, wenn nach dem 31. Dezember 2004 ein sog. „Nettostromverkauf“ gegeben war. Hiervon sei auszugehen, wenn für jedes einzelne Kalenderjahr nach diesem Datum die Menge des eigenen Stromverbrauchs der betroffenen Anlage geringer war als die dortige Stromerzeugung. Im Klartext wäre man danach nur dann Stromerzeuger, wenn man in seinem Industriekraftwerk pro Jahr „netto“ mehr Strom produziert hätte, als in der eigenen Anlage verbraucht wurde.

Abzuwarten bleibt nunmehr, wie der EuGH selbst entscheidet und wie sich dessen Urteil mit dem Verständnis der DEHSt verträgt. In gut 75 % aller Fälle folgt er dem Votum des Generalanwalts. Das Luxemburger Urteil soll am 20. Juni 2019 verkündet werden.  

 

 

Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
Rechtsanwalt
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
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