15.02.2018

Der Streitwert der Drittwiderspruchsklage

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Hintergrund

15.02.2018

 

Der Streitwert der Drittwiderspruchsklage

Mit der Drittwiderspruchsklage (DWK) kann ein Dritter im Rahmen der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend machen. Sowohl Rechtsprechung als auch Literatur ermitteln den Streitwert seit jeher nach § 6 Satz 1 Fall 2 ZPO. Danach soll die Höhe der gepfändeten Forderung maßgeblich sein, es sei denn, der Wert des gepfändeten Gegenstandes ist geringer. Ulrich Foerste will die Drittwiderspruchsklage streitwertrechtlich wie eine Unterlassungsklage behandeln, sodass es, soweit Eigentum geschützt werden soll, auf den Wert der bedrohten Position ankommt. Wie praxisrelevant ist diese Strömung in der Wissenschaft?

Status quo

Die Zwangsvollstreckung richtet sich gegen das Vermögen des Schuldners, wobei der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung nicht prüft, ob vorgefundene Sachen dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen sind. Ein Dritter, dessen beim Schuldner befindliche Sachen unversehens gepfändet wurden, braucht dies nicht hinzunehmen, sondern kann Drittwiderspruchsklage erheben. Wie für jeden Kläger stellt sich auch für den Drittwiderkläger die Frage nach dem zuständigen Gericht. Die Antwort darauf hängt unter anderem von der Höhe des in §§ 3 ff. ZPO geregelten Zuständigkeitsstreitwerts ab. Bei einer Drittwiderspruchsklage ermitteln sowohl Rechtsprechung als auch herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft den Streitwert seit jeher nach § 6 Satz 1 Fall 2 ZPO. Danach soll die Höhe der gepfändeten Forderung maßgeblich sein, es sei denn, der Wert des gepfändeten Gegenstandes ist geringer.

Dazu führt die Rechtsprechung regelmäßig eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 30. Oktober 1883 an: Nach dieser sei Streitgegenstand der DWK das Pfandrecht, da der Kläger dieses zu beseitigen suche. Zudem soll maßgeblich sein, welches Interesse der Pfandgläubiger an der Vollstreckung hat. Die Wissenschaft führt überdies als weiteres Argument an, eine Rechtsähnlichkeit der Drittwiderspruchsklage zu den von § 6 Satz 1 Fall 2 ZPO erfassten Streitigkeiten ergebe sich zumindest aus einem Ablösungsrecht des Dritten nach § 268 BGB. Für die Praxis bedeutet das: Bei Pfändung eines schuldnerfremden PKW im Wert von € 10.000 wegen einer Forderung von € 500  darf der Eigentümer, der seinen gesamten (und unteilbaren) PKW vor der drohenden Versteigerung retten will, lediglich um 5% seines Werts streiten. Dies hat Auswirkungen auf sachliche Zuständigkeit und Anwaltszwang, da bei einem Streitwert von € 500 das Amtsgericht sachlich zuständig wäre, bei einem Streitwert von € 10.000 hingegen das Landgericht.

Taugliche Alternative?

Unlängst stellte Ulrich Foerste die herrschende Meinung und Rechtsprechung jedoch in Frage (NJW 2017, 2588). Sie werde dem Normzweck der §§ 6, 771 ZPO nicht gerecht. Für den Inhaber eines die Veräußerung hindernden Rechts sei nicht der Wert des Pfandrechts entscheidend, sondern der Schutz vor Verwertung des (fälschlich) gepfändeten Gegenstandes. Die Gefahr der Verwertung hänge nicht einmal von der Inanspruchnahme eines Pfandrechts durch den Gläubiger ab, sondern bestehe sogar dann, wenn der Gläubiger unstreitig kein Pfandrecht erworben habe, etwa wegen wesentlicher Verfahrensfehler oder bei Pfändung einer schuldnerfremden Sache. Auch das Ablösungsrecht des Dritten gemäß § 268 BGB könne die Auffassung der herrschenden Meinung nicht begründen, da sich § 268 BGB auf die Vollstreckung in Gegenstände des Schuldners beziehe.

Foerste vertritt daher die Auffassung, der Streitwert solle sich lediglich im Falle der Kreditsicherung durch Dritte nach der Höhe der gepfändeten Forderung bestimmen. Denn bei der Kreditsicherung sei sowohl dem Drittsicherungsgeber als auch dem Gläubiger von Anfang an bewusst, dass sich der Streit auf den Wert der gesicherten Forderung beschränke, während bei typischen Drittwiderspruchsklagen hiervon nur der Beklagte (=Gläubiger) ausgehe. Aus diesem Grund solle die Drittwiderspruchsklage streitwertrechtlich wie eine Unterlassungsklage behandelt werden. Bei dieser komme es bei dem Streitwert, soweit Eigentum geschützt werden soll, auf den Wert der bedrohten Position an. Genau darum gehe es dem Dritten, der den Schutz vor der Inbesitznahme eines ihm gehörenden Gegenstands als Sicherungsgut begehrt. Daher sei § 6 S.1 Fall 1 ZPO anzuwenden, wenn die endgültige Entziehung des Eigentums drohe. Solle hingegen ein Anwartschaftsrecht oder eine Forderung geschützt werden, sei der Streitwert nach § 3 ZPO festzusetzen.

Praxisrelevanz

Der Ansatz von Foerste mag einen berechtigten Punkt aufgreifen. Aus Klägersicht wird nicht um das Pfändungspfandrecht, sondern um die Verfügungsgewalt über den gepfändeten Gegenstand als Ganzen gestritten, d.h. um dessen vollen Wert, der den der titutlierten Forderung um ein Vielfaches übersteigen kann. Aus Sicht des Beklagten (Gläubiger) stellt sich dies anders dar, da dieser, indem er ein die Veräußerung hinderndes Recht bestreitet, vom Erwerb eines Pfändungspfandrechts ausgeht, dessen Wert nicht über den der titulierten Forderung hinausgeht. Dennoch ist Foerstes Ansicht für die Praxis momentan wenig von Bedeutung. Die Rechtsprechung stellt auch in neueren Beschlüssen (BGH IX ZR, 142/16) bei der Bemessung des Streitwerts ohne weitere Begründung auf den Wert der Forderung ab, wobei auch die Schätzung des Gerichtsvollziehers maßgebend sei.

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
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Marina Herter
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