20.08.2020

Beweiswert eines „Screenshots“ im gerichtlichen Verfahren

Hintergrund

Im Internet werden täglich eine Vielzahl von Verträgen abgeschlossen. Dabei werden Angebote, Vertragsdokumente oder Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht physisch übergeben, sondern sind online abrufbar. Zu einem beweisrechtlichen Problem kommt es, sofern diese nicht gespeichert oder ausgedruckt werden und spurlos von der Festplatte oder aus dem Cache verschwinden. In diesem Fall lässt sich oftmals nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren, welche Informationen das jeweilige Dokument oder etwa die Darstellung im Internet enthielt – wie, ob und mit welchem Inhalt ein Vertrag zustande gekommen ist. Das Oberlandesgericht Jena musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob und welcher Beweiswert einem Screenshot des Angebots eines Online-Marktplatzes wie eBay beizumessen ist.

Sachverhalt

Der Berufungsentscheidung des OLG lag das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Gera (Urteil vom 24.07.2017, Az. 11 HK O 134/16) zugrunde. In der Sache ging es um Unterlassungsansprüche wegen Verstößen gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften durch ein Unternehmen, welches seine Produkte über eBay vertreibt. Der Kläger behauptete, dem eBay-Angebot der Beklagten fehlten eine ordentliche Widerrufsbelehrung sowie andere gesetzlich vorgegebene Informationen. Um diese Tatsachen zu beweisen, legte der Kläger im Gerichtsverfahren einen auf Papier abgedruckten Screenshot des eBay-Angebotes vor. Dem Landgericht Gera reichte der Screenshot als Beweis für ein Auftreten und Werben der Beklagten auf dem EU-Binnenmarkt nicht aus, sodass es die Klage mangels Feststellbarkeit von Verstößen gegen deutsches oder europäisches Lauterbarkeitsrecht abwies, da nach der weiteren Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nur noch der Aufruf des Angebots aus einem Drittstaat in Betracht käme.

Die Entscheidung

In seiner Berufungsentscheidung vom 28.11.2019 (Az. 2 U 524/17) ordnete das Oberlandesgericht Jena den Ausdruck des Screenshots auf Papier, anders als einen als Bildschirmdatei vorgezeigten Screenshot, zunächst nicht als elektronisches Dokument im Sinne des § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO ein. Konsequent, denn als elektronisches Dokument gilt eine Datei, die sich auf einem Arbeitsspeicher eines Computers oder einem sonstigen Datenträger befindet und erstmal nur elektronisch lesbar ist. Wird eine Datei auf Papier ausgedruckt, erfährt das Dokument eine Verkörperung und ist fortan auch „analog“ lesbar. Ferner stellte das Oberlandesgericht fest, dass es sich auch nicht um eine Urkunde im Sinne des § 416 ZPO handele. Eine Urkunde im Sinne des Zivilprozessrechts ist jede durch Schriftzeichen verkörperte Gedankenerklärung. Ihr Inhalt ist jederzeit verfügbar und muss nicht mittels technischer Hilfsmittel abgerufen werden, sodass der Urkunde – anders als dem elektronischen Dokument – eine Verkehrsfähigkeit zugesprochen wird. Zwar tritt mit Ausdruck eines Screenshots auf Papier eine ständige Lesbarkeit seines Inhalts ein, es ist jedoch zu bezweifeln, ob es sich bei dem Screenshot selbst um eine Gedankenerklärung handelt, wie zum Beispiel ein eBay-Angebot an sich. Der Screenshot ist hier letztlich nur als digitale Kopie des Angebots zu begreifen, sodass auch der analoge Ausdruck keine eigenständige Gedankenerklärung darstellt. Stattdessen hat das OLG Jena den vorliegenden Ausdrucks des Screenshots als Augenscheinsobjekt, genauer als Anscheinssurrogat, im Sinne des § 371 Abs.1 S.1 ZPO bewertet. Der Beweiswert des ausgedruckten Screenshots unterliege daher allein der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO, soweit, wie im vorliegenden Falle, kein erhöhter Beweiswert aufgrund von qualifizierten Signaturen bzw. elektronischen Zeitstempeln vorliege.

Anders verhält sich dies bei beweiskräftigen Urkunden, also Urkunden, die folgende Kriterien kumulativ erfüllen: Sie müssen echt und mangelfrei sein. Diese begründen nach der Beweisregel des § 416 ZPO – ohne Rücksicht auf die Überzeugung des Gerichts – den vollen Beweis dafür, dass die Erklärung vom Aussteller abgegeben worden ist. Aber Achtung: Ob der Inhalt der beweiskräftigen Urkunde der Wahrheit entspricht, beispielsweise ob und mit welchem Inhalt ein darin dokumentiertes Rechtsgeschäft zustande gekommen ist, unterliegt wieder der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO.

Nach einer umfassenden Würdigung der vorgetragenen Tatsachen und des gesamten Prozessstoffes kam das OLG Jena zu dem Schluss, dass der Screenshot den erforderlichen Beweis für die Verstöße gegen deutsches und EU-Lauterbarkeitsrecht nicht zu erbringen vermochte. Hinweise auf einen veralteten Cache, ein auf dem Screenshot nicht vollständig abgebildeter Kasten um die AGB sowie ein nicht zum eBay-Angebot der Beklagten passender Link am Ende des Screenshots schwächten den Beweiswert des Screenshots erheblich. Vorliegend hatte das beklagte Unternehmen damit konkrete Tatsachen vorgetragen und dargelegt, dass der Screenshot die tatsächliche Gestaltung der Internetseite zum Abrufzeitpunkt nicht zutreffend wiedergab.

Fazit / Praxistipp

Bei vor Gericht als Beweismittel zu dienen bestimmten Screenshots ist zu beachten, dass das dem Screenshot unterliegende Dokument vollständig und zweifelsfrei abgebildet wird. Der Beweiswert ist im Kontext des gesamten Prozessstoffes umfassend zu prüfen. Der Screenshot darf nicht widersprüchlich sein oder verzerrte und verkürzte Inhalte darstellen. Um Zweifel zu vermeiden, ist es zudem von Vorteil, wenn die Identität des Ausstellers durch eine qualifizierte Signatur (vgl. §§ 371a, 371b ZPO) oder eine Datumsangabe der Erstellung insbesondere durch elektronische Zeitstempel (iSd. Art. 41 Abs. 2 eIDAS-VO) aus dem Screenshot hervorgeht.

Autor/in
Dr. Stephan Bausch, D.U.

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
Köln
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